Beschluss vom 14.05.2004 -
BVerwG 4 BN 11.04ECLI:DE:BVerwG:2004:140504B4BN11.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.05.2004 - 4 BN 11.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:140504B4BN11.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 11.04

  • Hessischer VGH - 15.12.2003 - AZ: VGH 9 N 3413/03

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, "zu welchem Zeitpunkt sich eine Flughafenplanung in einer Weise verfestigt hat, dass diese von einer damit konfligierenden gemeindlichen Planung in hinreichender Weise berücksichtigt werden muss". Die Antragstellerin möchte insbesondere geklärt wissen, ob eine derartige Verfestigung der Fachplanung bereits dann angenommen werden kann, wenn diese in dem der Planung zugrunde liegenden Landesentwicklungsplan, der als Rechtsverordnung vor Beginn der gemeindlichen Planungen erlassen worden war, bereits berücksichtigt ist. Diese Rechtsfragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Das Normenkontrollgericht hat den Normenkontrollantrag der Antragstellerin in seinem Urteil vom 15. Dezember 2003 mit doppelter Begründung abgelehnt. Es hat zunächst die Antragsbefugnis der Antragstellerin verneint und ausgeführt, die Antragstellerin könne sich auf eine mögliche Verletzung des in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots nicht berufen, weil im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bebauungsplans (noch) keine hinreichend konkretisierten und verfestigten Planungsabsichten der konkurrierenden Flughafenplanung vorgelegen hätten und deshalb kein für die Abwägung erheblicher und schutzwürdiger Belang der Antragstellerin bestanden habe. Das Normenkontrollgericht hat seine Entscheidung außerdem darauf gestützt, dass der Normenkontrollantrag auch in der Sache erfolglos bleiben müsse, da der angegriffene Bebauungsplan weder formell noch materiell in beachtlicher Weise fehlerhaft sei. Der Bebauungsplan sei insbesondere nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil er in Konflikt mit der Ausbauvariante 9B des Flughafens Frankfurt am Main treten könnte. Die Planung der Antragsgegnerin sei nicht zu beanstanden, da es der Flughafenerweiterungsplanung der Antragstellerin an der hinreichenden Konkretisierung fehle und die angesprochenen Erweiterungspläne auch nicht nachhaltig verhindert würden. Die Interessen der Fachplanung würden nicht unverhältnismäßig zurückgesetzt.
Die Grundsatzrüge der Antragstellerin zielt auf jede dieser Begründungen. Ist eine Entscheidung wie hier auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1973 - BVerwG 4 B 92.73 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 109; Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26; stRspr). Im vorliegenden Fall greift die Grundsatzrüge der Beschwerde jedenfalls insoweit nicht durch, als sie die Abwägungserheblichkeit der von der Antragstellerin verfolgten Flughafenerweiterungsplanung im Rahmen der materiellrechtlichen Überprüfung des angegriffenen Bebauungsplans betrifft. Auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, welche Anforderungen an die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zu stellen sind, wenn der Bebauungsplan mit der Begründung angegriffen wird, die Belange einer hinreichend konkretisierten und verfestigten Fachplanung seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, ist deshalb nicht näher einzugehen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass im Falle konkurrierender Planungsvorstellungen der Prioritätsgrundsatz ein wichtiges Abwägungskriterium bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150 <156>). Grundsätzlich hat diejenige Planung Rücksicht auf die andere zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 33 - 35.83 - BVerwGE 77, 285 <292 f.>). Die kommunale Bauleitplanung muss daher auf hinreichend konkretisierte und verfestigte Planungsabsichten der konkurrierenden Fachplanung Rücksicht nehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. November 2001 - BVerwG 9 B 57.01 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 17; Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 = DVBl 2003, 211). Eine in diesem Sinne hinreichend konkretisierte und verfestigte Fachplanung besteht in der Regel erst mit der Auslegung der Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren. Grundsätzlich erlangt die Fachplanung erst mit der Auslegung der Planunterlagen jenen Grad der Konkretisierung und Verfestigung, der eine Rücksichtnahme in der kommunalen Bauleitplanung notwendig macht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - a.a.O.). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann jedoch schon vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine abwägungsrelevante Verfestigung bestimmter fachplanerischer Ziele eintreten. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - (a.a.O.) nennt hierfür den Fall eines gestuften Planungsvorgangs mit verbindlichen Vorgaben für die nachfolgende Planungsebene, wie er etwa bei der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz vorliegt.
Das Normenkontrollgericht gelangt auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und nach einer eingehenden Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Streitfalles zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den angegriffenen Bebauungsplan eine hinreichende Konkretisierung der Planung zum Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main nicht eingetreten sei, weil es an einer die Fachplanung konkretisierenden Verfahrenshandlung des Vorhabenträgers oder der Planfeststellungsbehörde gefehlt habe und weil noch mehrere Ausbauvarianten in der Diskussion gewesen seien, die von den maßgeblichen Trägern öffentlicher Belange und der Antragstellerin als gleichwertig behandelt worden seien (UA S. 13). Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der vorliegende Streitfall dem beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren Gelegenheit böte, die Rechtsprechung zu konkurrierenden Planungen in Hinblick auf das Verhältnis zwischen kommunaler Bauleitplanung und einer Flughafenerweiterungsplanung fortzuentwickeln oder zu modifizieren.
Es liegt auf der Hand, dass verbindliche Vorgaben (Ziele) der Raumordnung im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG in der gemeindlichen Bauleitplanung zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ROG, § 1 Abs. 4 BauGB; vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2003 - BVerwG 4 CN 9.01 - BVerwGE 118, 181 - zu gebietsscharfen Standortausweisungen für Infrastrukturvorhaben in einem Regionalplan). Grundsätze der Raumordnung sind bei der Abwägung zu berücksichtigen (§ 3 Nr. 3 ROG). Das stellt das Normenkontrollgericht auch nicht in Abrede. Es geht vielmehr davon aus, dass zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine raumordnerische Entscheidung zugunsten einer der diskutierten drei Ausbauvarianten noch nicht gefallen und deshalb ein räumlich konkretisierter (gebietsscharfer) fachplanerischer Abwägungsbelang der Antragstellerin noch nicht entstanden sei. Insoweit liegen dem Normenkontrollurteil tatrichterliche Feststellungen und eine Sachverhaltswürdigung zugrunde, an die der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden wäre (§ 137 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen gehören Raumordnungspläne dem irrevisiblen Landesrecht an.
Die von der Beschwerde hilfsweise erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist unzulässig, da sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht wird. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Äußert sich ein Beigeladener zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor einer durch das Bundesverwaltungsgericht veranlassten Anhörung, so entspricht es grundsätzlich nicht der Billigkeit, die dadurch ausgelösten außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen; das vorliegende Beschwerdeverfahren gibt keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1994 - BVerwG 4 B 176.93 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 28; stRspr).