Beschluss vom 14.05.2003 -
BVerwG 8 B 12.03ECLI:DE:BVerwG:2003:140503B8B12.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.05.2003 - 8 B 12.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:140503B8B12.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 12.03

  • VG Gera - 28.10.2002 - AZ: VG 5 K 2234/02 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r , den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 28. Oktober 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 95 844,22 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Zwar kommt der Rechtssache weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu noch wird eine Divergenz dargetan, das Urteil beruht aber auf einem von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die Voraussetzungen, unter denen der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG anzunehmen ist, sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 13) hinreichend geklärt. Danach sind "erhebliche Beeinträchtigungen" im Sinne der genannten Vorschrift in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann anzunehmen, wenn sie die Lebensfähigkeit des Unternehmens berühren, wobei Gefährdungen der Funktionsfähigkeit des Unternehmens sowohl die technischen als auch die finanzwirtschaftlichen Voraussetzungen (vgl. zu Letzterem auch Beschluss vom 24. Mai 2000 - BVerwG 8 B 12.00 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 22) eines geordneten Betriebsablaufs betreffen können und wobei der Fortbestand des Betriebes an dem konkreten Standort maßgeblich ist. Nichts anderes ist mit der Formulierung im Urteil vom 25. Oktober 2001 - BVerwG 7 C 10.01 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 31 S. 21 <28>) gemeint, dass eine erhebliche Beeinträchtigung auch dann gegeben sein kann, wenn die Rückgabe des Grundstücks "aus betriebswirtschaftlichen Gründen" die Lebensfähigkeit des Unternehmens gefährden würde. Dies folgt schon daraus, dass in der neueren Entscheidung in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die vorhergehende Entscheidung vom 20. März 1997 verwiesen wird. Die Argumentation der Beschwerde, der angeblich unterschiedliche Ansatz der beiden Entscheidungen führe zu einem weiteren Klärungsbedarf, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
b) Weiterer Klärungsbedarf besteht auch nicht hinsichtlich der Frage, unter welchen Umständen ein Miet- oder Verpachtungsangebot des Rückerstattungsberechtigten den Rückgabeausschluss des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG abwenden kann. Soweit dies in einer verallgemeinerungsfähigen Weise zu beantworten ist, lassen sich die Kriterien dem bereits genannten Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - a.a.O. S. 33 ff. entnehmen. Die darüber hinaus von der Beschwerde formulierte Frage betrifft die konkreten Umstände des Einzelfalles.
2. Der weiter von der Beschwerde geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht ordnungsgemäß dargetan, weil die Beschwerde keinen abstrakten Rechtssatzwiderspruch zwischen den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und dem angefochtenen Urteil darlegt (vgl. zu den Anforderungen u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Dem angefochtenen Urteil zu entnehmende abstrakte Rechtssätze, die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr rügt sie in Wahrheit die fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze. Damit kann eine Divergenzrüge aber nicht erfolgreich begründet werden.
3. Die Beschwerde ist aber deswegen begründet, weil das Verwaltungsgericht - wie die Beschwerde zutreffend rügt - gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen hat.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Beigeladenen sei der Abschluss des angebotenen Miet- bzw. Pachtvertrages unzumutbar, weil sie auf das Grundeigentum aus finanziellen Gründen, insbesondere zum Zwecke der Beleihung und Kreditierung angewiesen sei. Dabei ist es auf das Angebot der Kläger, das Grundstück nach der Restitution der Beigeladenen nicht nur schuldrechtlich zur Nutzung zu überlassen, sondern auch weiterhin zur dinglichen Sicherung ihrer Bankdarlehen zur Verfügung zu stellen, nicht eingegangen und hat insbesondere auch nicht aufgeklärt, ob dies unter den gegebenen Umständen von den Darlehensgebern akzeptiert worden wäre und ob den Belangen der Beigeladenen damit hinreichend gedient gewesen wäre. Auch die Frage der Üblichkeit der Verpachtung von Grundstücken an einen Betrieb wie den der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht nicht aufgeklärt.
Auf dieser unzureichenden tatsächlichen Grundlage durfte das Verwaltungsgericht aber nicht die Zumutbarkeit des Angebots verneinen.
Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht und das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.