Beschluss vom 14.04.2003 -
BVerwG 8 B 13.03ECLI:DE:BVerwG:2003:140403B8B13.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.04.2003 - 8 B 13.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:140403B8B13.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 13.03

  • VG Frankfurt/Oder - 28.08.2002 - AZ: VG 6 K 277/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. August 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 82 290 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird teilweise nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO); teils liegt kein Verfahrensfehler vor (vgl. 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält sinngemäß für klärungsbedürftig die Frage, welche Anforderungen an die Konkretisierung einer Ausführungsplanung zu stellen sind, wenn es darum geht, eine Enteignung, die eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, weil der Enteignungszweck nur vorgeschoben war, von einer nach DDR-Recht rechtmäßigen Enteignung abzugrenzen.
Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden. Das Verwaltungsgericht muss im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung prüfen, ob der geltend gemachte Enteignungszweck nur vorgeschoben war, also die bereits von vornherein beabsichtigte zweckwidrige Verwendung verschleiert werden sollte. Hierbei hat es alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Pläne für die Ausführung des angegebenen Enteignungszwecks sind dabei von Bedeutung. Sie stellen aber nicht das einzige Kriterium dar.
2. Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dem genügt die Beschwerde nicht.
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte die in dem Schreiben des Leiters der Unterkunftsabteilung der NVA vom 20. März 1978 behaupteten Sachverhalte aufklären müssen. Nicht dargelegt wird insbesondere, welche Beweismittel hierzu zur Verfügung gestanden hätten.
Soweit die Beschwerde meint, weil sich nach der Enteignung ein Jahrzehnt lang nichts an Besitz und Nutzung des Grundstücks geändert habe, hätte sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung aufdrängen müssen, fehlt es an allem, was zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Aufklärungsrüge erforderlich ist.
Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 <32 f.>). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 <4>). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der Beschwerdeführer unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>). Davon kann hier keine Rede sein.
Das Verwaltungsgericht geht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, wonach eine - eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG begründende - willkürliche Enteignung insbesondere bei zwei Fallgruppen zu bejahen ist. Zum einen ist dies der Fall, wenn der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte. Die zweite Fallgruppe betrifft Enteignungen, bei denen der geltend gemachte Enteignungszweck nur vorgeschoben war. Anschließend prüft es beide Fallgruppen und verneint sie mit einer in den Entscheidungsgründen des Urteils im Einzelnen wiedergegebenen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Dabei verstößt es nicht gegen Denkgesetze. Dies wird von der Beschwerde lediglich unsubstantiiert behauptet. In Wirklichkeit wendet sich die Beschwerde im Stile einer Berufungsbegründung gegen die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung des vorliegenden Einzelfalls.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.