Verfahrensinformation

Die Klägerin, eine Winzergenossenschaft, streitet mit dem beklagten Land Rheinland-Pfalz darüber, ob sie die von ihr vertriebenen Weine Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder auf dem Etikett als bekömmlich bezeichnen darf. Ihre Feststellungsklage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass nach europäischem Lebensmittelrecht Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol generell keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürften.


Auf die Revision der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 23. September 2010 (BVerwG 3 C 36.09) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verschiedene Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims-Verordnung) vorgelegt. Nachdem der EuGH die Fragen mit Urteil vom 6. September 2012 (Rs. C-544/10) beantwortet hat, ist auf dieser Grundlage nunmehr über die Revision zu entscheiden.


Pressemitteilung Nr. 9/2013 vom 14.02.2013

Unzulässige Vermarktung eines Weins als "bekömmlich" wegen "sanfter Säure"

Die Etikettierung und Bewerbung eines Weins als "bekömmlich" in Verbindung mit dem Hinweis auf eine "sanfte Säure" ist wegen Verstoßes gegen europäisches Recht unzulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin, eine Winzergenossenschaft aus Rheinland-Pfalz, vermarktet Weine der Rebsorten Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder unter der Bezeichnung "Edition Mild" mit dem Zusatz "sanfte Säure". Auf dem Etikett wird auf ein besonderes Verfahren der Säurereduzierung hingewiesen und der Wein als "bekömmlich" bezeichnet. Die zuständige Aufsichtsbehörde sah darin eine gesundheitsbezogene Angabe und beanstandete die Bezeichnung, weil das Unionsrecht solche Angaben bei der Aufmachung und Bewerbung von Wein verbiete. Die Klage auf Feststellung, dass die Klägerin den Begriff "bekömmlich" in der beschriebenen Form verwenden dürfe, blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg. Die Vorinstanzen haben angenommen, dass der durchschnittliche Verbraucher "bekömmlich" als Hinweis auf eine besondere Magenverträglichkeit der Weine verstehe. Es handele sich daher um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (sog. Health-Claims-Verordnung über die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln), die bei alkoholischen Getränken generell unzulässig sei.


Auf die Revision der Klägerin legte das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Jahr 2010 mehrere Fragen zur Auslegung des Begriffs der gesundheitsbezogenen Angabe vor (Pressemitteilung Nr. 82/2010 vom 23. September 2010). Mit Urteil vom 6. September 2012 (Rs. C-544/10) hat der EuGH entschieden, dass eine Bezeichnung wie "bekömmlich" verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt eines Stoffes, der von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen wird, eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung darstellt. Der EuGH hat ferner festgestellt, dass das ausnahmslose Verbot, eine solche Angabe bei der Vermarktung von Wein zu verwenden, mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten der Berufsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit vereinbar ist.


Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Revision zurückgewiesen und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.


BVerwG 3 C 23.12 - Urteil vom 14. Februar 2013

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, 8 A 10579/09 - Urteil vom 19. August 2009 -

VG Trier, 5 K 43/09.TR - Urteil vom 23. April 2009 -


Urteil vom 14.02.2013 -
BVerwG 3 C 23.12ECLI:DE:BVerwG:2013:140213U3C23.12.0

Leitsatz:

Die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ in Verbindung mit dem Hinweis auf eine milde („sanfte“) Säure ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 mit der Folge, dass sie bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung des Getränks nicht verwendet werden darf (Art. 4 Abs. 3).

  • Rechtsquellen
    Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3

  • VG Trier - 23.04.2009 - AZ: VG 5 K 43/09
    OVG Rheinland-Pfalz - 19.08.2009 - AZ: OVG 8 A 10579/09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.02.2013 - 3 C 23.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:140213U3C23.12.0]

Urteil

BVerwG 3 C 23.12

  • VG Trier - 23.04.2009 - AZ: VG 5 K 43/09
  • OVG Rheinland-Pfalz - 19.08.2009 - AZ: OVG 8 A 10579/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin, eine Winzergenossenschaft, begehrt die Feststellung, bei der Etikettierung und Bewerbung ihrer Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ verwenden zu dürfen.

2 Die Klägerin vermarktet die Weine unter Hinweis auf ein besonderes Verfahren zur Säurereduzierung mit dem Zusatz „sanfte Säure“ und mit der Angabe „bekömmlich“. Der Beklagte beanstandete die Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ mit der Begründung, es handele sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (so genannte „Health-Claims-Verordnung“); nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung seien solche Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung alkoholischer Getränke generell verboten.

3 Die Klägerin hat daraufhin auf Feststellung geklagt, dass die beschriebene Etikettierung und Werbung mit der Angabe „bekömmlich“ zulässig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. April 2009 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2009 zurückgewiesen. Es hat angenommen, dass die Bezeichnung „bekömmlich“ eine auf die menschliche Gesundheit bezogene Bedeutung habe, die über das allgemeine Wohlbefinden hinausgehe; sie unterfalle deshalb dem Verwendungsverbot in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Der Hinweis auf die Bekömmlichkeit stelle bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her. Dem Begriff würden Synonyme wie „leicht verdaulich“ oder „magenschonend“ zugeordnet. Im Kontext mit dem Hinweis auf ein besonderes Verfahren zur Säurereduzierung und auf eine „sanfte Säure“ komme darin aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers zum Ausdruck, dass ein Zusammenhang zwischen dem Wein und dem Fehlen nachteiliger Wirkungen für den Verdauungsvorgang bestehe.

4 Auf die Revision der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 23. September 2010 - BVerwG 3 C 36.09 - (Buchholz 418.72 WeinG Nr. 32) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung des Begriffs der gesundheitsbezogenen Angabe in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 6. September 2012 - Rs. C-544/10 - (NVwZ-RR 2012, 896) hat der Europäische Gerichtshof die Vorlagefragen beantwortet.

5 Die Klägerin verfolgt ihre Revision weiter und macht insbesondere geltend, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Begriff „bekömmlich“ einen Bezug zur Säure im Wein herstelle.

6 Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses halten die Revision für unbegründet.

II

7 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil steht in Einklang mit Unionsrecht. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ in Verbindung mit dem Hinweis auf eine milde Säure eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 darstellt, die nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung bei der Etikettierung und Bewerbung des Getränks nicht verwendet werden darf.

8 Mit der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 (ABl L Nr. 404 S. 9), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 (ABl L Nr. 37 S. 16), sind die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert worden (Art. 1 Abs. 1). Solche Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Europäischen Union in Verkehr gebracht werden, sowie bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen (Art. 3 Satz 1). Unter einer gesundheitsbezogenen Angabe ist jede Angabe zu verstehen, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht (Art. 2 Abs. 2 Nr. 5). Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen generell keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1).

9 Die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ wegen einer „sanften Säure“ unterfällt dem Verwendungsverbot des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 6. September 2012 - Rs. C-544/10 - (a.a.O. Rn. 41) entschieden, dass der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 eine Bezeichnung wie „bekömmlich“ verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden, umfasst. Zugleich hat er klargestellt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind; denn die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ in Verbindung mit dem Hinweis auf eine „sanfte Säure“ suggeriere, dass ein wiederholter und längerfristiger Verzehr des Getränks wegen des reduzierten Säuregehalts eine positive physiologische Wirkung habe, weil er keine nachhaltigen negativen Folgen für das Verdauungssystem und damit für die Gesundheit habe (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 a.a.O. Rn. 39 f.). Aus den Ausführungen des Gerichtshofs ergibt sich außerdem, dass das Verbot gesundheitsbezogener Angaben sowohl für die Etikettierung als auch für die Bewerbung alkoholischer Getränke gilt (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 a.a.O. Rn. 57).

10 Ohne Erfolg beanstandet die Klägerin die Annahme des Berufungsgerichts, aus Sicht eines informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers werde der von ihr verwendete Begriff „bekömmlich“ durch die Aufmachung und Werbung in einen Bezug zum Säuregehalt ihrer Weine gesetzt. Der Senat ist als Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zum Verständnis der Bezeichnung gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem Vorlagebeschluss vom 23. September 2010 - BVerwG 3 C 36.09 - (a.a.O. Rn. 9 f.) verwiesen.

11 Schließlich wird die Klägerin durch das Verbot, die Angabe „bekömmlich“ in der in Rede stehenden Weise zu verwenden, auch nicht in ihren Rechten auf Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit verletzt. Dies hat der Europäische Gerichtshof ebenfalls verbindlich entschieden (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 a.a.O. Rn. 42 ff.).

12 Der Senat lässt offen, ob der Hinweis auf die Bekömmlichkeit eines Weins ohne Bezug zu einer „sanften Säure“ oder ohne vergleichbaren Kontext - etwa als bloßer Ausdruck von Wohlgeschmack oder eines allgemeinen Wohlbefindens - zulässig wäre. Die Frage ist hier nicht entscheidungserheblich; denn das Feststellungsbegehren der Klägerin hebt auf einen solchen Sachverhalt nicht ab. Dahinstehen kann deshalb auch, ob und gegebenenfalls wie die Kategorie der „gesundheitsbezogenen Angaben“ (einschließlich der Verweise auf die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden, vgl. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung <EG> 1924/2006) von Aussagen zum allgemeinen Wohlbefinden abzugrenzen wäre. Beides lässt sich auch auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (Rs. C-544/10), das sich hierzu nicht verhält, nicht zweifelsfrei beantworten.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.