Beschluss vom 13.12.2006 -
BVerwG 1 B 235.06ECLI:DE:BVerwG:2006:131206B1B235.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.12.2006 - 1 B 235.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:131206B1B235.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 235.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 25.08.2006 - AZ: OVG 9 A 1088/06.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund und Richter
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2006 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage, ob „bei der Beurteilung, ob im Irak eine grundlegende und dauerhafte Situationsänderung vorliegt, die Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) anzuwenden“ ist. Die Beschwerde macht hierzu vor allem geltend, nach Art. 1 C Nr. 5 GFK und nunmehr wortgleich nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e RL 2004/83/EG verlören Flüchtlinge ihre Rechtsstellung nur dann, wenn ihnen „aufgrund des Wegfalls der die Flüchtlingseigenschaft begründenden Umstände eine Rückkehr in den Herkunftsstaat zumutbar“ sei und „diese in Sicherheit und Würde erfolgen“ könne. Diese Auslegung unter Zugrundelegung des Schutzzwecks von Art. 1 C Nr. 5 GFK und Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie werde bestätigt durch die Neufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG. Die Berücksichtigung der Schutzklausel des Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie sei auch jetzt schon im Wege gemeinschaftskonformer Auslegung gefordert, obwohl die Umsetzungsfrist für die Richtlinie erst am 10. Oktober 2006 abgelaufen sei. Gemessen an diesen Kriterien lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Flüchtlingseigenschaft des Klägers nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht vor. Zwar habe sich die Situation im Irak insoweit grundlegend geändert, als das Regime von Saddam Hussein beseitigt worden sei. Diese Veränderung sei auch insoweit dauerhaft, als mit einer Reinstallierung dieses Regimes nicht mehr zu rechnen sei. Dennoch müsse in vollem Umfang der Einschätzung des UNHCR gefolgt werden, dass sich der Irak immer noch inmitten einer Phase des politischen Umbruchs befinde, der eine hinreichend sichere Prognose bezüglich der politischen Zukunft des Landes derzeit ausschließe. Angesichts dieser hochgradig instabilen Lage könne von einer dauerhaften und stabilen Änderung der politischen Verhältnisse, die Grundlage der Anerkennungsentscheidung gewesen seien, nicht ausgegangen werden. Dies werde vom Berufungsgericht „nicht in genügendem Maße erörtert“.

3 Mit diesem Vortrag wird die behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt. So wird aus der Beschwerdebegründung schon nicht klar, ob sie sich gegen den vom Berufungsgericht entsprechend der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 -) zugrunde gelegten Maßstab bei der Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wenden oder lediglich geltend machen will, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Prognose und Subsumtion die rechtlichen Anforderungen verkannt oder nicht hinreichend beachtet. Unter keinem der beiden Gesichtspunkte ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargetan. Soweit sich die Beschwerde gegen die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Einschätzung der Lage im Irak durch das Berufungsgericht wendet, verkennt sie, dass die Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch das Tatsachengericht der Nachprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Einen Verfahrensfehler macht die Beschwerde insoweit nicht geltend. Auch zeigt sie nicht auf, inwiefern Art. 11 Abs. 1 Buchst. e RL 2004/83/EG, der insoweit in wortgleicher Übereinstimmung mit Art. 1 C Nr. 5 GFK zu berücksichtigen sei, eine bisher nicht bedachte oder erneut klärungsbedürftige Auslegungsfrage zu § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG aufwerfen soll, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Grundsatzentscheidung vom 1. November 2005 a.a.O. ausdrücklich auf Art. 1 C Nr. 5 GFK eingegangen ist und unter Berücksichtigung dieser Bestimmung den vom Berufungsgericht angewandten Maßstab für den Widerruf gebildet hat. Soweit sie sich auf Art. 11 Abs. 1 Buchst. e RL 2004/83/EG beruft, teilt sie ferner schon nicht mit, ob sie diese Rechtsfrage zum Gegenstand ihres Vortrags in der Berufungsinstanz gemacht hat. Es ist fraglich, ob sie dies mit der Nichtzulassungsbeschwerde nachholen und damit - unter Übergehung der Berufungsinstanz - Rechtsprobleme, die sich bereits zuvor gestellt haben, an das Revisionsgericht zur erstmaligen Befassung und Entscheidung herantragen kann. Die Beschwerde geht auch nicht darauf ein, dass nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe des Art. 11 nur für Anträge auf internationalen Schutz vorgesehen ist, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt wurden. Es kommt deshalb nicht darauf an, wie sich im Falle einer zulässigen Grundsatzrüge der zwischenzeitliche Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie bis zum 10. Oktober 2006 (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie) auf das Verfahren auswirken würde.

4 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.