Beschluss vom 13.09.2012 -
BVerwG 4 C 4.12ECLI:DE:BVerwG:2012:130912B4C4.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.09.2012 - 4 C 4.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:130912B4C4.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 C 4.12

  • Niedersächsisches OVG - 07.07.2011 - AZ: OVG 1 LB 259/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2012
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Dr. Jannasch und
Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Sie hat daher keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Revisionsverfahrens.

2 1. Die Klägerin hatte dem Oberverwaltungsgericht vorgehalten, widersprüchliche Feststellungen zur Außenbereichslage des Vorhabens getroffen und daher gegen Denkgesetze verstoßen zu haben. Das Oberverwaltungsgericht habe einerseits festgestellt, dass der Anwendungsbereich des § 34 BauGB - von der Mole aus gesehen - vor/mit der Freifläche ende, die zwischen der Bebauung unmittelbar an der Ostseite der Mole (Kfz-Werkstatt, Polizei, Bauhof) und dem Baugrundstück mit der aufstehenden Werfthalle liege. Damit habe es zum Ausdruck gebracht, dass der übrige Hafenbereich bis zu dieser Freifläche noch dem Innenbereich zuzurechnen sei. Hierzu stehe im Widerspruch, dass das Oberverwaltungsgericht andererseits offen gelassen habe, ob das Hafengelände im Übrigen als Ortsteil angesehen werden könne. Die Widersprüchlichkeit der Feststellungen nehme ihnen ihre Bindungswirkung.

3 Der Senat ist auf den Vorwurf der Widersprüchlichkeit eingegangen (UA Rn. 14). Dass er aus ihm nicht die Schlussfolgerungen gezogen hat, die die Klägerin für richtig hält, begründet keinen Gehörsverstoß. Die Garantie des rechtlichen Gehörs verlangt nicht, dass das Gericht bei der Würdigung des Sachverhalts und der Beurteilung der Rechtslage den Vorstellungen der Beteiligten folgt. Gleichwohl nimmt der Senat die Rüge zum Anlass, auf das Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren nochmals einzugehen.

4 Es trifft nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht - wie von der Klägerin behauptet - widersprüchliche Feststellungen getroffen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht entschieden, dass das Hafengelände mit Ausnahme des Bereichs östlich der östlichen Wasserfläche Innenbereich sei. Den Westhafen hatte es nämlich bereits aus der Betrachtung ausgeschieden, weil er durch die Mole vom Osthafen getrennt sei. Näher geprüft hat es, ob zwischen der Bebauung unmittelbar an der Ostseite der Mole (Kfz-Werkstatt, Polizei, Bauhof) und der als Splitterbebauung eingestuften Bebauung östlich der Wasserfläche des Osthafens, zu dem das Baugrundstück der Klägerin gehört, ein Bebauungszusammenhang besteht. Es hat dies verneint, weil die Bebauungskomplexe durch die Wasserfläche des Osthafens und die Entfernung von ca. 200 m deutlich räumlich voneinander abgesetzt seien. Die befestigten Stell- und Lagerplätze unmittelbar westlich im Anschluss an die Werfthalle seien nicht geeignet, einen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Mit der Aussage im Urteil, der räumliche Anwendungsbereich des § 34 BauGB ende schon vor/mit der Freifläche, bringt das Oberverwaltungsgericht zum Ausdruck, dass der Bebauungszusammenhang, der unmittelbar an der Ostseite der Mole festzustellen ist, nicht über die Freifläche „hinwegspringt“ und auf die Splitterbebauung mit dem Baugrundstück der Klägerin übergreift. Ob das Hafengelände Ortsteilqualität hat, durfte das Oberverwaltungsgericht „angesichts dieses Befundes“ offen lassen und hat auch der Senat offen gelassen, indem er als nicht entscheidungserheblich gekennzeichnet hat, ob und wie weit der Hafenbereich aus Richtung Westen durch eine „Innenbereichslage“ gekennzeichnet ist; denn die Frage der Ortsteileigenschaft eines Bebauungszusammenhangs stellt sich nur, wenn das Baugrundstück - wie hier nicht - Bestandteil des Bebauungszusammenhangs ist. Der Senat sieht sich veranlasst, die Klägerin erneut darauf aufmerksam zu machen, dass sich der Begriff des im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB aus den kumulativen und nicht ineinander aufgehenden Elementen Bebauungszusammenhang und Ortsteil zusammensetzt.

5 2. Der Vorwurf der Klägerin, der Senat sei nicht auf ihren Einwand eingegangen, dass das Oberverwaltungsgericht die Grenze des Bebauungszusammenhangs nicht markiert habe, ist unbegründet. Der Senat hat die tatrichterliche Würdigung nachgezeichnet, dass das Bauvorhaben weder Bestandteil der südlich des Hafengeländes gelegenen Wohnbebauung noch Bestandteil der Bebauung im Westhafen noch Bestandteil der Bebauung im westlichen Teil des Osthafens ist (UA Rn. 12). Grenzen bestehender Bebauungszusammenhänge sind danach der Hauptdeich zwischen Hafen und der Wohnbebauung, die Mole zwischen West- und Osthafen sowie die Freifläche zwischen der Bebauung unmittelbar an der Ostseite der Mole und dem Siedlungssplitter östlich der Freifläche.

6 Der Senat hatte keinen Anlass, die tatrichterliche Würdigung in Frage zu stellen, dass der Hauptdeich und die Mole Bebauungszusammenhänge unterbrechen. Einer eingehenden Kontrolle hat er dagegen die von der Klägerin angegriffene Würdigung unterzogen, dass auch die Freifläche zwischen der Bebauung unmittelbar an der Ostseite der Mole (Kfz-Werkstatt, Polizei, Bauhof) und der Splittersiedlung im Ostteil des Osthafens unterbrechende Wirkung hat. Dabei hat er in Rechnung gestellt, dass unbebaute Flächen den Bebauungszusammenhang nicht unterbrechen, wenn sie als Bestandteile einer aufgelockerten Bebauung in Erscheinung treten. Er hat sich daher der Frage gewidmet, ob die Bebauung am Eingang zur und unmittelbar an der Mole durch eine aufgelockerte Struktur mit großen Freiflächen gekennzeichnet und deshalb die Freifläche zu der 200 m entfernten Bebauung im östlichen Teil des Osthafens für die maßstabbildende Bebauung charakteristisch sei, und sie verneint, weil das Oberverwaltungsgericht einen solchen Sachverhalt nicht festgestellt habe, er von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt und auch nicht ersichtlich sei. Die Rüge der Klägerin, der Senat habe ihr zu Unrecht eine mangelnde Substantiierung ihres Vortrags vorgehalten, ist unberechtigt. In ihrer Revisionsbegründung hat sie behauptet (Schriftsatz vom 6. Oktober 2011, S. 8), die vorherrschende Bebauung des Hafengebiets sei durch größere gewerbliche Gebäude gekennzeichnet, die jeweils von ebenfalls größeren Freiflächen umgeben seien. Der Senat bleibt bei seiner damaligen Einschätzung, dass dieser Vortrag unsubstantiiert ist und - so ist zu ergänzen - keinen Anlass bot, eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht zur weiteren Klärung des Sachverhalts in Erwägung zu ziehen. Mit ihrem Hinweis, die konkrete Bebauung könne den Verwaltungs- und Gerichtsakten und den darin befindlichen zahlreichen Fotodokumentationen, Luftbildaufnahmen und Karten sowie dem Protokoll des Oberverwaltungsgerichts von der durchgeführten Ortsbesichtigung entnommen werden, verkennt die Klägerin, dass es nicht Sache des Revisionsgerichts ist, Tatsachen zu ermitteln und zu würdigen.

7 3. Den Vortrag der Klägerin zur angeblich mangelnden Betroffenheit des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 VwGO bezeichneten Belangs hat der Senat zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Er ist aus Anlass des Revisionsvorbringens darauf eingegangen und hat in seinem Urteil begründet, warum es für die Einstufung des Bebauungskomplexes (im östlichen Teil des Osthafens) nicht darauf ankommt, ob die dem Komplex angehörenden Gebäude privilegiert zulässig sind (UA Rn. 20), warum die monateweise Nutzung der Bootslagerhalle zu anderen als dem genehmigten Zweck zur unerwünschten Verfestigung einer Splittersiedlung beiträgt (UA Rn. 22, 23) und weshalb es rechtlich ohne Belang ist, dass die Halle noch periodisch für privilegierte Zwecke weitergenutzt werden soll (UA Rn. 24). Dass dabei nicht alle Argumente der Klägerin behandelt worden sind, führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte nicht, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen.

8 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat im Hinblick auf § 152a Abs. 4 Satz 4 VwGO ab.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertentscheidung bedarf es nicht; die Gerichtsgebühr ergibt sich aus Nr. 5400 KV GKG.