Beschluss vom 13.05.2008 -
BVerwG 9 B 19.08ECLI:DE:BVerwG:2008:130508B9B19.08.0

Beschluss

BVerwG 9 B 19.08

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 18.12.2007 - AZ: OVG 9 A 3648/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und Dr. Nolte
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 359,68 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 1. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu.

3 Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf,
ob und wann ein Satzungsgeber verpflichtet ist, für Niederschlagswasser eine gesonderte Abwasserentsorgungsgebühr zu erheben.

4 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Denn sie betrifft den in der Satzung der Stadt Stadtlohn festgelegten Beitragsmaßstab, den das Oberverwaltungsgericht wegen Verstoßes gegen die landesrechtliche Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW für unwirksam gehalten hat, und mithin die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts, die mangels Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht (§ 137 Abs. 1 VwGO) eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen können.

5 Der für eine Grundsatzrüge erforderliche Bezug zum Bundesrecht ergibt sich nicht daraus, dass die Beschwerde eine Verletzung des bundesrechtlichen Äquivalenzprinzips und des als Ausprägung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) anzusehenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit geltend macht. Denn die Zulassung der Grundsatzrevision ist nur gerechtfertigt, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht jedoch dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.).

6 Einen solchen bundesrechtlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Vorgaben, die sich aus den erwähnten Grundsätzen für die Ausgestaltung des Maßstabes von Entwässerungsgebühren ergeben, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt (vgl. nur Beschluss vom 30. Mai 2007 - BVerwG 10 B 56.06 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 104 Rn. 13 f. m.w.N.). Sie werden von der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt. Die Beschwerde geht vielmehr selbst von bereits geklärten bundesrechtlichen Maßstäben aus, wenn sie geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe die genannten Grundsätze „zu Lasten des Satzungsgebers verkürzt bzw. in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt“. Damit beschränkt sie sich auf die Rüge der fehlerhaften Anwendung von Bundesrecht, die eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen kann.

7 Unabhängig davon geht diese Kritik der Beschwerde an der vorinstanzlichen Entscheidung in zweierlei Hinsicht fehl: Zum einen würde der von der Beschwerde geltend gemachte Umstand, dass ein Entwässerungsmaßstab nach bundesrechtlichen Vorgaben nicht zu beanstanden ist, strengere landesrechtliche Anforderungen, die im konkreten Fall zur Nichtigkeit des Entwässerungsmaßstabes führen, nicht ausschließen. Dass solche weiter gehenden rechtlichen Anforderungen sich im Ergebnis nicht als unverhältnismäßige Eingriffe in die bundesverfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) erweisen dürfen (vgl. dazu etwa die Hinweise im Urteil vom 17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <194>), hat das Oberverwaltungsgericht erkannt, jedoch im konkreten Fall aufgrund von der Beschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffener und deswegen bindender tatsächlicher Feststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), wonach eine Umstellung auf einen flächenbezogenen Maßstab ohne unvertretbaren finanziellen Aufwand möglich sei (UA S. 13), in nicht zu beanstandender Weise verneint. Zum anderen beschränkt sich die inhaltliche Kritik der Beschwerde an der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen darauf nachzuweisen, dass der Anteil atypischer Frischwasser-Großverbraucher im Gebiet des Beklagten unter 10 % liegt. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung nicht auf das Vorhandensein vom Regeltyp abweichender Fälle in einer diesen Wert übersteigenden Größenordnung abgestellt, sondern vielmehr darauf, dass es bereits an einem Regeltyp fehle, weil wegen der unterschiedlichen Nutzung der insoweit als Regelfall zugrunde gelegten Ein- und Zweifamilienhäuser bei diesen nicht von der erforderlichen annähernd gleichen mengenmäßigen Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagsmenge ausgegangen werden könne, so dass es zu erheblichen, nicht mehr zu akzeptierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung komme (UA S. 9 ff.). Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht auseinander.

8 2. Auch die Divergenzrüge greift nicht durch.

9 Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche von zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (Urteil vom 18. April 1975 - BVerwG 7 C 41.73 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 25 - und Beschluss vom 12. Juni 1972 - BVerwG 7 B 117.70 - Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 132). Diese Rüge erfüllt schon nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO; denn die Beschwerde benennt keine inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssätze, mit denen die Vorinstanz - zumal in Anwendung derselben Rechtsvorschrift - ebensolchen Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen hat, sondern beschränkt sich auf das Aufzeigen - angeblich - fehlerhafter oder unterbliebener Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. hierzu Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

10 Diese die Zulässigkeitsanforderungen an eine Divergenzrüge mithin nicht erfüllende Kritik der Beschwerde ist auch in der Sache selbst unzutreffend. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die von der Beschwerde den genannten Entscheidungen zugeschriebenen Rechtssätze beachtet. Dass nach der erstgenannten Entscheidung eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung als geringfügig angesehen werden können und jedenfalls nicht mehr als 12 % der gesamten Abwasserentsorgungskosten betragen, hat das Oberverwaltungsgericht erkannt, aber im vorliegenden Fall bereits deswegen als unerheblich angesehen, weil die Kosten für die Niederschlagswasserentsorgung durch den Beklagten über 38 % betragen (UA S. 14). Das ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Dass es - wie die Beschwerde meint - Gemeinden geben mag, in denen ein Kostenanteil für die Niederschlagswasserentsorgung von weniger als 12 % erreicht wird, ist für die dargelegte, selbständig tragende Argumentation des Oberverwaltungsgerichts ohne Belang und mangels Verfahrensrüge ohnehin kein vom Revisionsgericht zu beachtender Einwand. Auch der von der Beschwerde der erstgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugeschriebene Rechtssatz, dass ein erheblicher Ermittlungs- und Kostenaufwand dem Erfordernis einer getrennten Gebühr für Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung entgegenstehen könne, hat für das Oberverwaltungsgericht aufgrund seiner bereits erwähnten, von der Beschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen tatsächlichen Feststellungen, wonach eine Umstellung auf einen flächenbezogenen Maßstab ohne unvertretbaren finanziellen Aufwand möglich sei (UA S. 13), keine entscheidungserhebliche Rolle gespielt.

11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.