Beschluss vom 13.04.2015 -
BVerwG 7 B 31.14ECLI:DE:BVerwG:2015:130415B7B31.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.04.2015 - 7 B 31.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:130415B7B31.14.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 31.14

  • VG Magdeburg - 06.06.2012 - AZ: VG 9 A 23/11 MD
  • OVG Magdeburg - 04.07.2014 - AZ: OVG 2 L 126/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landkreises zur Genehmigung einer Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts dahin, dass das Grundstück der Beigeladenen aus seiner Beseitigungspflicht ausgeschlossen wird. Der Kläger ist ein in seinem Verbandsgebiet abwasserbeseitigungspflichtiger Zweckverband. Zu seinem Verbandsgebiet gehört die Gemeinde C. Die Beigeladene ist ein Fruchtsafthersteller mit einer Betriebsstätte in C.

2 In der Kläranlage in C. wird sowohl das Abwasser der Beigeladenen als auch das kommunale Abwasser der Gemeinde C. behandelt. Das Abwasser der Beigeladenen wird dabei über einen eigenständigen Zulauf in die Kläranlage geleitet und zunächst gesondert vorbehandelt. Nach dieser Vorbehandlung wird es gemeinsam mit dem kommunalen Abwasser in der Kläranlage gereinigt.

3 Um der Beigeladenen einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen, beschloss die Verbandsversammlung des Klägers eine Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts dahin, dass das Grundstück der Beigeladenen von der Beseitigungspflicht ausgeschlossen ist. Das Abwasser soll aber weiterhin unverändert durch den Kläger in der zu seiner öffentlichen Einrichtung gehörenden Kläranlage C. beseitigt werden.

4 Der Beklagte lehnte die Genehmigung der Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts ab.

5 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab.

6 Nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidungsform hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung durch Beschluss (§ 130a VwGO) zurückgewiesen. Es könne durch Beschluss entschieden werden, da der Senat das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Ausführungen des Klägers gäben keinen Anlass, von einer Entscheidung durch Beschluss abzusehen.

7 Die Berufung sei nicht begründet, das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Der Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht der Gemeinde sei nur unter den in § 79a Abs. 1 WG LSA genannten Voraussetzungen zulässig, die hier nicht vorlägen.

II

8 Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

9 1. Das Oberverwaltungsgericht durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 130a Satz 1 VwGO).

10 Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Grenzen des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens sind dabei weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist nur zu beanstanden, wenn er auf sachfremden Erwägungen oder auf grober Fehleinschätzung beruht. Danach überschreitet das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von § 130a Satz 1 VwGO eröffneten Ermessens, wenn es im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entscheidet, obwohl die Sache außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (vgl. zu allem BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213> m.w.N.).

11 Nach den in dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. S. 218 ff.) aufgestellten Kriterien kann von außergewöhnlich großen Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht hier nicht die Rede sein.

12 Das Berufungsgericht hatte bei der Prüfung der in § 79a Abs. 1 WG LSA (Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt i.d.F. vom 16. März 2011 <GVBl. S. 492>, geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Juni 2014 <GVBl. S. 288, 342>) für den Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht der Gemeinde nur eine eher überschaubare Zahl von Rechtsfragen zu beantworten. Dementsprechend hielt sich der Begründungsaufwand der Entscheidung in engen Grenzen. So hat das Gericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA ausdrücklich offengelassen, aus welchen Gründen sich ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne dieser Vorschrift im Allgemeinen ergeben kann, und dies damit begründet, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift jedenfalls deshalb nicht vorlägen, weil das Abwasser der Beigeladenen weiterhin unverändert in der zur öffentlichen Einrichtung des Klägers gehörenden Kläranlage beseitigt werden solle. Aus dem gleichen Grund hat es auch das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Ausschluss der Beseitigungspflicht nach § 79a Abs. 1 Satz 2 WG LSA verneint. Diese und alle anderen rechtlichen Erwägungen in den Entscheidungsgründen zeigen nicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht auf.

13 Dass das Verwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hatte, schließt dabei eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2008 - 7 B 24.08 - ‌Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 146). Ein Indiz für besondere rechtliche Schwierigkeiten kann darin schon deshalb nicht gesehen werden, weil die Frage, die zur Zulassung geführt hatte, sich mit nachvollziehbaren Erwägungen in wenigen Sätzen beantworten ließ.

14 Ebenso wenig zeichnete sich der zu bewältigende Tatsachenstoff durch eine aus dem Rahmen des Üblichen fallende Komplexität aus. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang sinngemäß aufgeworfene Frage, ob das Berufungsgericht vor seiner Entscheidung den Sachverhalt ausreichend aufgeklärt hat, betrifft den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO, dazu nachfolgend unter 2.).

15 2. Das Oberverwaltungsgericht hat weder seine Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) noch das Recht des Klägers auf Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt.

16 a) Das Oberverwaltungsgericht musste über den Beweisantrag des Klägers nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO durch einen gesonderten Beschluss entscheiden und war auch nicht gehalten, den Kläger erneut nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO anzuhören. Teilt das Berufungsgericht den Beteiligten seine Absicht, über die Berufung durch Beschluss (§ 130a VwGO) zu entscheiden, mit und beantragt einer der Beteiligten daraufhin schriftsätzlich eine Beweisaufnahme, ist die Vorschrift des § 86 Abs. 2 VwGO, wonach ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch begründeten Gerichtsbeschluss abgelehnt werden darf, nicht anwendbar. Will das Berufungsgericht an der Durchführung des vereinfachten Verfahrens in dieser Prozesslage festhalten, wird dem Grundsatz rechtlichen Gehörs allerdings in der Regel nur genügt, wenn das Gericht den Berufungsführer durch eine zweite Anhörungsmitteilung auf das unverändert beabsichtigte Verfahren hingewiesen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 1992 - 9 B 142.91 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 5 S. 6 und vom 24. November 1994 - 8 B 176.94 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 12 S. 3). In den Gründen seiner abschließenden Entscheidung hat das Gericht sodann darzulegen, warum es dem Beweisantrag nicht gefolgt ist. Von der grundsätzlich gebotenen erneuten Anhörung kann indes ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn sich der nach der ersten Anhörung gestellte Beweisantrag lediglich als Wiederholung eines früheren Beweisantrags darstellt (BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 11 C 48.92 - Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10). Danach erübrigte sich hier eine erneute Anhörungsmitteilung, da der nach der ersten Anhörung im Schriftsatz vom 3. Juli 2014 gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sachlich dem schon in der Berufungsbegründung vom 29. August 2012 und im Schriftsatz vom 7. Mai 2013 angekündigten Beweisantrag entspricht.

17 b) Das Berufungsgericht hat auch seine allgemeine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt.

18 In den Gründen seiner Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, das Abwasser der Beigeladenen könne zusammen mit dem kommunalen Abwasser beseitigt werden. Es werde auch tatsächlich seit Inbetriebnahme der Kläranlage im Jahre 1993 zusammen mit diesem in der Kläranlage beseitigt. Ohne Belang sei es, dass das Abwasser der Beigeladenen zunächst über eine eigenständige Zuleitung in die Kläranlage gelange und in einem gesonderten Tank vorbehandelt werde. Dies ändere nichts daran, dass das Abwasser nach dieser Vorbehandlung in einem Mischtank mit dem kommunalen Abwasser vermischt werde und anschließend alle weiteren Behandlungsstufen der Kläranlage durchlaufe. Von einer fehlenden Möglichkeit der gemeinsamen Beseitigung des Abwassers der Beigeladenen mit kommunalem Abwasser könne daher keine Rede sein. Der Einholung des vom Kläger gewünschten Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die von der Beigeladenen in die Kläranlage eingeleiteten Industrieabwässer gemeinsam mit den in die Kläranlage eingeleiteten Abwässern aus Haushalten beseitigt werden könnten, bedürfe es deshalb nicht.

19 Die Beschwerde legt nicht dar, warum das Gericht dennoch ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Insbesondere führt sie nichts aus, aus dem sich ergeben könnte, dass dem Gericht die notwendige Sachkunde zu dieser Aussage hätte fehlen können.

20 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es nicht der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten dem Kläger aufzuerlegen.

21 Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.