Urteil vom 13.03.2014 -
BVerwG 2 WD 37.12ECLI:DE:BVerwG:2014:130314U2WD37.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 13.03.2014 - 2 WD 37.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:130314U2WD37.12.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 37.12

  • TDG Süd 4. Kammer - 22.10.2012 - AZ: TDG S 4 VL 21/11

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 13. März 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtliche Richterin Oberstabsarzt Licht und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Bankowski,
...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Hauptsekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 22. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Frist zur Wiederbeförderung auf 2 Jahre herabgesetzt wird.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Der ... geborene Soldat besuchte nach dem Erwerb der mittleren Reife die Klasse 11 des Gymnasiums. Eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur schloss er 1990 erfolgreich ab. 1992 erwarb er die Fachhochschulreife. Im Mai 1993 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und im Juli 2001 zum Berufssoldaten ernannt. Er wurde zuletzt im Oktober 2002 zum Hauptfeldwebel befördert.

2 Nach mehreren Verwendungen wurde der Soldat zum 1. August 2002 zum ...bereich ... nach T. versetzt, wo er als S4-Feldwebel bis zur Auflösung des Verbandes am 31. März 2009 eingesetzt war. Eine seiner dienstlichen Aufgaben bestand darin, die mittels der DKV-Tankkarten monatlich abgerechneten Betankungen von Dienstfahrzeugen auf ihre rechnerische Richtigkeit zu überprüfen und gegenzuzeichnen. Zum 1. April 2009 wurde er zum ... versetzt und dort als S4-Feldwebel eingesetzt.

3 Der Soldat wurde zuletzt am 22. August 2008 beurteilt. Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde im Durchschnitt mit „6,00“ bewertet. Zur Persönlichkeit ist im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat sei ein besonders verantwortungsvoller Portepeeunteroffizier mit hervorragendem fachlichen Können, Engagement und Aufrichtigkeit. Sein soldatisches Selbstverständnis sei tadellos. Die Übernahme zusätzlicher Aufgaben, auch über die Dienstzeit hinaus und unter Zurückstellung privater Belange, sei für ihn selbstverständlich. Der Beurteilende hob die Teamfähigkeit und den kooperativen Führungsstil des Soldaten hervor. Er werde im Kameradenkreis sowie von Mitarbeitern und Vorgesetzten gleichermaßen respektiert und geschätzt. Sein herausgehobenes Engagement für die Gemeinschaft habe sich unter anderem daran gezeigt, dass er 2005/2006 die Funktion des Vorsitzenden der Unteroffizierheimgesellschaft übernommen habe. Mittelfristig solle der Soldat in den höchsten Dienstgrad seiner Laufbahngruppe geführt werden. Langfristig könne er - der Beurteilende - sich den Soldaten auch in einer logistischen Verwendung auf Kommandoebene vorstellen. Der nächsthöhere Vorgesetzte ergänzte, der Soldat gelte als Kenner der logistischen Szene und verfüge dort über profunde Kenntnisse. Mit seinem Leistungsvermögen, Leistungswillen und seinem Einsatz im täglichen Dienstbetrieb habe er wesentlich zur guten Performance des Sachgebietes beigetragen. Er halte ihn für einen insgesamt überdurchschnittlich leistungsfähigen und erfahrenen Portepeeunteroffizier, der bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn zu fördern sei.

4 In der vom 28. Januar 2013 datierenden Sonderbeurteilung wird die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit „7,33“ bewertet. Zur Persönlichkeit ist im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat verfüge über ein sehr hohes fachliches Wissen und auch über das Potenzial, es zielgerichtet umzusetzen. Trotz der psychischen Belastungen durch die zu seinen Ungunsten ergangenen Urteile zeige er ein stabiles und überdurchschnittlich hohes Leistungsbild. Darin spiegelten sich sein aufrichtiger und integrer Charakter wider. Der Soldat verfüge über eine gefestigte Persönlichkeit; er entspreche vom Selbstbild her dem klassischen Portepeeunteroffizier und könne bis in die höchsten Verwendungen seiner Laufbahn - auch als „Spieß“ - geführt werden.

5 In der Berufungshauptverhandlung hat der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten bis zu dessen Versetzung nach M. im Juni 2009, Hauptmann K., Bezug auf die von ihm verfasste Regelbeurteilung vom 22. August 2008 genommen. Der Soldat sei integer, arbeite sehr gut und sei weit über das Normale hinaus dienstlich und außerdienstlich engagiert, wie sein Einsatz als Vorsitzender der UHG zeige. Er arbeite sehr selbständig. Ihm als Vorgesetzten sei nichts Negatives aufgefallen. Einen Leistungseinbruch habe es vor 2008 gegeben, weil der Posten des S4-Offiziers, mit dem der Soldat eng habe zusammenarbeiten müssen, vakant gewesen sei und wechselnde, nicht immer ausreichend befähigte Offiziere die Aufgaben wahrgenommen hätten. Nachdem der Dienstposten des S4-Offiziers aber endgültig besetzt worden war, sei wieder alles in Ordnung gewesen.
Der gegenwärtige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Hauptmann S., hat diesen in der Berufungshauptverhandlung als absoluten Fachmann und integer charakterisiert. Der Soldat stehe ihm umfassend mit Rat und Tat zur Seite.

6 Der aktuelle Disziplinarbuchauszug des Soldaten weist drei Förmliche Anerkennungen aus den Jahren 1995, 1997 und 2009 aus. Darüber hinaus enthält er den Eintrag einer durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 30. Januar 2012 verhängten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 40 € wegen Betrugs. Der aktuelle Auszug aus dem Bundeszentralregister verweist ebenfalls auf dieses Urteil. Dem Soldaten wurde im Oktober 1999 eine monatliche Leistungszulage in Höhe von 150,00 € für ein Jahr und im August 2005 eine Leistungsprämie in Höhe von 1 000,00 € zuerkannt.

7 Der Soldat ist verheiratet und hat zwei volljährige Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden. Er erhält Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 8 Z von monatlich 3 266,61 € brutto und 3 231,30 € netto. Seine Ehefrau verdient 800,00 € netto hinzu. Monatlich bedient er einen Hauskredit mit 1 300,00 € und einen Kredit für den Erwerb eines Kfz sowie zur Finanzierung der gerichtlichen Verfahrenskosten mit 400,00 €. Seine finanziellen Verhältnisse sind wegen eines Bauträgerwechsels und wegen der Kosten des Strafverfahrens angespannt.

II

8 1. Mit dem Soldaten am 9. August 2010 ausgehändigter Verfügung des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 19. Juli 2010 wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet, nachdem dem Soldaten am 27. April 2010 die Stellungnahme der Vertrauensperson eröffnet und Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Einleitung des Verfahrens gegeben worden war.

9 Anlässlich der Anhörung des Soldaten zu dem Vorwurf, der auch das unbefugte Verschaffen der Tankkarte einschloss, ließ der Soldat anwaltlich vortragen. Im Hinblick darauf stellte die Wehrdisziplinaranwaltschaft weitere Ermittlungen an. Sodann kam es am 20. Juli 2011 zur - von der Wehrdisziplinaranwaltschaft als solche bezeichneten - „Schlussanhörung“, anlässlich derer sich der Soldat umfassend erklärte. Es folgten unter dem 20. Juli 2011 weitere Ermittlungshandlungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft, unter anderem zur Frage, inwieweit die Zeitangaben in den Videoaufzeichnungen des Innen- und Außenbereichs der Tankstelle mit den Zeitangaben auf dem Buchungsbeleg Nummer 3 sowie der Vorgangsübersicht des Terminals ID 70041837 vom selben Tag übereinstimmten. Bei dem Tankstelleninhaber wurde insbesondere angefragt, ob eine zeitliche Abweichung von bis zu 30 Minuten möglich sei. Dieser bestätigte, dass Abweichungen dieses Umfangs möglich seien. Dem Soldaten wurde diese Information nicht zur Kenntnis gebracht.

10 2. Mit bei dem Truppendienstgericht am 10. August 2011 eingegangener Anschuldigungsschrift vom 3. August 2011 wurde dem Soldaten als Verstoß gegen die soldatischen Pflichten nach § 7, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 SG zur Last gelegt:
„Der Soldat betankte als ehemaliger S4-Feldwebel und stellvertretender Fuhrparkbeauftragter des im März 2009 aufgelösten ...bereichs ..., ...-Kaserne in T., am Samstag, dem 29. August 2009, von 18:29 bis 18:31 Uhr das auf seine Ehefrau ... zugelassene Privatfahrzeug der Marke Honda CR-V, amtliches Kennzeichen ..., an der ...-Tankstelle ... Straße ... in ... mit 47 Litern Diesel und beglich um 18:32 Uhr den Betrag von 55,88 € mit der dem Bundeswehrfahrzeug Y ... zugeordneten Tankkarte ... der Deutsche Kraftverkehr GmbH (DKV), obwohl er wusste, dass gemäß der vom Bundesministerium der Verteidigung am 19. November 2009 in Vertretung durch Staatssekretär Dr. Wichert erlassenen Zentralen Dienstvorschrift 43/2 ‚Kraftfahrvorschrift für die Bundeswehr - Bestimmungen für den Kraftfahrbetrieb von Dienstfahrzeugen’ Nummer 755 nur Dienstfahrzeuge der Bundeswehrfuhrparkservice GmbH mit den für sie ausgegebenen DKV-Tankkarten an zivilen Tankstellen betankt werden dürfen. Die in der Fahrbereitschaft im Gebäude ... in der ...-Kaserne in T. gelagerte DKV-Tankkarte hatte er sich zuvor am 28. oder 29. August 2009 auf nicht näher aufklärbare Weise unbefugt verschafft.“

11 3. Durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 30. Januar 2012 war der Soldat wegen sachgleich begangenen Betrugs zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt, hinsichtlich eines zusätzlich angeklagten Tankbetrugs indes freigesprochen worden. Das Urteil beruht auf einer umfassenden, sich über mehrere Tage hinziehenden Beweisaufnahme.

12 Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch Beschluss des Landgerichts T. vom 24. Mai 2012 als unzulässig verworfen: Die Berufung sei offensichtlich unbegründet. Es seien weder Verfahrensfehler ersichtlich noch sei die vom Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung zu beanstanden, insbesondere habe es nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder Schlussfolgerungen fernab des Ergebnisses der Beweisaufnahme gezogen.

13 Der Entscheidung des Berufungsgerichts schloss sich ein Anhörungsrügeverfahren an, in dessen Verlauf der Soldat auch vortragen ließ, unbeachtet geblieben sei die Kopie des Kassenbelegs vom 29. August 2009 über 55,88 € mit der Uhrzeit 18:29 Uhr und dem dort bereits enthaltenen Querverweis auf die Vorgangsnummer 8817 und die Flottenkarten-Nr. .... Eine Kopie dieses Kassenbelegs sei dem Soldaten von seinem seinerzeitigen Verteidiger mit Datum vom 26. Mai 2010 übermittelt worden. Bei einem Vergleich dieses Kassenbelegs mit dem als Uhrzeit 18:32 Uhr ausweisenden Transaktionsbeleg falle die falsche zeitliche Reihenfolge auf. Bei jedweder Kartenzahlung mit Kredit-, Bank-, EC- oder Flotten-Karten sei die Reihenfolge denklogisch umgekehrt. Immer sei die Kartenzahlungsbuchung zeitlich vorausliegend. Daher bleibe die Frage, warum der Kassenbeleg bereits um 18:29 Uhr, der Transaktionsbeleg jedoch erst um 18:32 Uhr erstellt worden sei.

14 Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs wurde vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen zum Oberlandesgericht erhobene Beschwerde wurde mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs unbegründet sei. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

15 4. Das Truppendienstgericht Süd hat den Soldaten mit Urteil vom 22. Oktober 2012 in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels herabgesetzt und dabei die folgenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Amtsgerichts T. vom 30. Januar 2012 zugrunde gelegt:
„Am Abend des 29. August 2009 zwischen 18.29 und 18.31 Uhr betankte der Angeklagte den auf seine Ehefrau zugelassenen Pkw der Marke Honda CR-V mit dem amtlichen Kennzeichen ... an der ...-Tankstelle in der ... Straße ... in T. mit 47 Litern Diesel, begab sich anschließend in den Kassenraum und legte der dort zu diesem Zeitpunkt an der Kasse tätigen Zeugin M. zur bargeldlosen Begleichung des in Höhe von 55,88 Euro angefallenen Kaufpreises die für den der Bundeswehr Fuhrparkservice GmbH zugehörigen Pkw Opel Astra mit dem Kennzeichen Y ... ausgegebene, bis 12/11 gültige, üblicherweise in dem fahrzeugbezogenen Bordbuch verwahrte und auf unbekannte Weise in seinen Besitz gelangte Tankkarte Nr. ... der DKV Euro Service GmbH & Co. KG (DKVSelektion) vor, obwohl er wusste, dass diese nach der ihm als S4-Feldwebel bekannten Zentralen Dienstvorschrift 43/2 ‚Kraftfahrvorschrift für die Bundeswehr - Bestimmungen für den Betrieb und Verkehr von Dienstfahrzeugen’ nur zur Betankung von Dienstfahrzeugen der Bundeswehr Fuhrparkservice GmbH an zivilen Vertragstankstellen eingesetzt werden durfte. Seine tatsächlich nicht vorhandene Berechtigung zur Nutzung dieser Karte täuschte der Angeklagte gegenüber der Zeugin M. dadurch vor, dass er nach deren Einführung in den Terminal mit der ID-Nummer 70041837 und Freischaltung über die Tastatur die ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bekannte PIN sowie zusätzlich einen fiktiven Kilometerstand (30490) eingab und anschließend den von dem Gerät unter der Vorgangsnummer 8817 um 18.32 .52 Uhr erstellten und an ihn zur Unterschrift übergebenen Beleg Nr. 4812 in fließender Bewegung offenkundig bewusst mit einem unleserlichen Namenszug unterzeichnete. Aufgrund der Täuschung akzeptierte die Zeugin die Transaktion. Nachdem ihm der Kassenbeleg, eine Kopie des Kartenbelegs Nummer 4812 sowie die DKV-Tankkarte um 18.34 Uhr ausgehändigt worden waren, verließ der Angeklagte den Kassenraum. Die DKV-Tankkarte gelangte nachfolgend an ihren Aufbewahrungsort in der Fahrbereitschaft der ...-Kaserne zurück, nicht jedoch die den bargeldlosen Zahlungsvorgang betreffenden Belege. Dem Angeklagten war angesichts der Tatsache, dass er im Rahmen seiner Dienstgeschäfte auch in die Prüfung von Abrechnungen der mittels DKV-Tankkarten erfolgten Betankungen von Dienstfahrzeugen eingebunden gewesen war, bekannt, dass aufgrund von Rahmenverträgen der DKV Euro Service GmbH & Co. KG (DKV) mit Servicestationen bei Vorlage der DKV-Tankkarte ein sogenanntes Streckengeschäft zustande kommt, bei dem Letztere die Kraftstofflieferung in der Regel im Namen und für Rechnung der DKV ausführen, diese die dafür angefallenen Zahlungsbeträge dem DKV-Kunden, der Bundeswehr Fuhrparkservice GmbH bzw. den jeweiligen Bundeswehrdienststellen als Mietern der Fahrzeuge, als Endkäufer in Rechnung stellt und deren Zahlungspflicht auch bei vertragswidriger Nutzung der Karte besteht. Dementsprechend wurde der Rechnungsbetrag von dem Bundeswehrdienstleistungszentrum auch ausgeglichen.“

16 Der Soldat habe die Richtigkeit des strafgerichtlich festgestellten Sachverhalts zwar bestritten und erklärt, er verfüge über einen zweiten Kassenbeleg, der ihm von seinem früheren Verteidiger zur Verfügung gestellt worden sei und aus dem sich ergebe, dass er bereits drei Minuten früher als vom Amtsgericht angenommen gezahlt habe. Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss lägen damit jedoch nicht vor. Die Beweiswürdigung des Strafurteils sei lückenlos und nachvollziehbar. Hieran ändere auch der vorgelegte Kassenbeleg nichts. Es handele sich bei ihm zudem um kein neues Beweismittel, da er nach eigener Erklärung des Soldaten seinem früheren Verteidiger zum Zeitpunkt des Strafverfahrens schon vorgelegen habe.

17 Der Soldat habe durch sein Fehlverhalten nicht nur gegen ein Strafgesetz verstoßen, sondern darüber hinaus seine Dienstpflicht verletzt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG i.V.m. der ZDv 43/2 Nr. 755), der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) sowie sich außer Dienst so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtigt würden (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG).

18 Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei zu berücksichtigen, dass das Dienstvergehen sehr schwer wiege. Ein Berufssoldat, der sich zu Lasten seines Dienstherrn einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffe, begehe eine verwerfliche Tat. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei deshalb eine Dienstgradherabsetzung bis in den Mannschaftsdienstgrad. Erfolge der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten, komme eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis in Betracht. Dabei sei eine Differenzierung der Maßnahmebemessung nach der Schwere des Dienstvergehens geboten. Zwar könne angesichts des vergleichsweise geringen Schadens an das Vorliegen eines leichten Falles gedacht werden; dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil erschwerend hinzu trete, dass sich der Soldat die DKV-Tankkarte auf nicht mehr aufklärbare Weise aus seiner früheren Dienststelle verschafft habe. Eine außergewöhnlich hohe kriminelle Energie habe er bewiesen, indem er seine frühere Stellung als S4-Feldwebel und stellvertretender Fuhrparkbeauftragter dahingehend ausgenutzt habe, sich die Tankkarte nicht nur zu verschaffen, sondern sie in Kenntnis der Schwere ihres Missbrauchs auch für private Zwecke einzusetzen. Maßnahmemildernd sei hingegen zu berücksichtigen, dass der Soldat außergewöhnlich gute Dienstleistungen gezeigt habe. Eine Dienstgradherabsetzung sei jedoch zwingend geboten, um dem Soldaten die Schwere seines Pflichtverstoßes nachhaltig vor Augen zu führen. Im Hinblick auf das planvolle Vorgehen und die große kriminelle Energie des Soldaten sei eine Dienstgradherabsetzung in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels schuld- und tatangemessen. Auch wenn der Soldat weder Einsicht noch Reue gezeigt habe, sei angesichts der Aussagen der Leumundszeugen und der bisherigen dienstlichen Leistungen des Soldaten die Dienstgradherabsetzung auf einen Dienstgrad zu beschränken.

19 5. Gegen das dem Soldaten am 16. November 2012 zugestellte Urteil hat dieser am 17. Dezember 2012, einem Montag, unbeschränkt Berufung eingelegt und in der Berufungshauptverhandlung beantragt, gegen ihn lediglich ein Beförderungsverbot von einem Jahr zu verhängen.

20 Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Truppendienstgericht habe sich von den strafgerichtlichen Feststellungen rechtswidrig nicht gelöst, obwohl sie in sich widersprüchlich und unschlüssig seien. Der vorgelegte Kassenbeleg sei geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen zu begründen. Bei dem im truppendienstgerichtlichen Urteil angesprochenen Kassenbeleg handele es sich um eine Quittung hinsichtlich eines Zahlungsvorganges am 29. August 2009 um 18:29 Uhr über 47 Liter Diesel zu einem Betrag über 55,88 € unter Angabe des mit dem Zahlungsvorgang verbundenen DKV-Tankkarten Transaktionsbelegs Nr. 4812. Der Transaktionsbeleg mit der Uhrzeit 18:32:52 sei jedoch Grundlage der Verurteilung und der bindenden strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gewesen. Obschon der Kassenbeleg die Uhrzeit 18:29 Uhr ausweise, der Tankvorgang zu diesem Zeitpunkt mithin abgeschlossen gewesen sein müsse, gründe sich die Verurteilung auf den Tatzeitraum 18:29 Uhr bis 18:31 Uhr, weshalb auch nur dieser Zeitraum der Videoüberwachung zur Überprüfung gekommen sei ohne zeitlich weiter voraus liegende Abläufe zu kennen. Dieser Umstand sei geeignet, weitere Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu begründen.

21 In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat erklärt, an seinem weiteren Vortrag, die Transaktion mit der Vorgangsnummer 8813 zwischen 18:00:27 Uhr und 18:03:16 Uhr sei seine abgebrochene Kartenzahlung, nicht mehr festzuhalten.

III

22 1. Die Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie wurde gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO formgerecht eingelegt; sie erfolgte zudem fristgerecht (vgl. § 111 Abs. 2, § 115 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 43 StPO).

23 2. Die Berufung ist mit der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Maßgabe unbegründet.

24 Das Rechtsmittel ist von dem Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (a), soweit Verfahrensfehler einer Sachentscheidung nicht entgegenstehen, (b) im Rahmen des gesetzlich Zulässigen Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (c), diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen (d) sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (e). Da die Berufung ausschließlich vom Soldaten eingelegt wurde, war der Senat an das Verschlechterungsverbot gebunden (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO).

25 a) Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: Beschluss vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 <131 ff.> = Buchholz 450.2 § 99 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 12 ff.).

26 Der letzte Satz der Anschuldigungsformel bildet keinen selbständigen Anschuldigungspunkt; er beschreibt keine selbständige zusätzliche Pflichtverletzung, sondern eine Vorbereitungshandlung zu dem vorgeworfenen Tankkartenbetrug und stellt klar, dass der Strafbarkeit nicht entgegensteht, dass die Karte mit Einverständnis des Dienstherrn im Besitz des Soldaten gewesen wäre.

27 Der Verstoß gegen die Gehorsamspflicht ist durch die Bezeichnung der Nr. 755 der ZDv 43/2 hinreichend konkretisiert worden (vgl. Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118,161 <162 f.> m. w. N.). Aus Satz 2 der Nr. 755 folgt deshalb noch hinreichend deutlich, dass der Befehl sich auch auf das Verbot der Betankung von privaten Kfz richtet, weil in ihm der Einsatz des DKV-Tankkartensystems bereits für gemietete und bereitgestellte Dienstfahrzeuge der BwFPS GmbH für unzulässig erklärt wird, sodass dies offensichtlich erst recht für private Kfz gilt.

28 b) Einer Sachentscheidung des Senats steht ein Verfahrensmangel, der Anlass zu einer Entscheidung nach § 121 Abs. 2 WDO geben würde, nicht entgegen.

29 Zwar ist hier nach der Schlussanhörung am 20. Juli 2011 durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft erneut ermittelt worden, ohne dass dem Soldaten gemäß § 97 Abs. 3 WDO zu den Ergebnissen dieser Ermittlung auch erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Da die nachträglichen Ermittlungen sich allerdings auf die Tatsachen bezogen, zu denen bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils vorlagen, überschritt die Entscheidung des Vorsitzenden der Truppendienstkammer, die Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht zur Beseitigung des Mangels nach § 99 Abs. 3 WDO aufzufordern, nicht das ihm in der Norm gesetzte Ermessen. Sobald und solange nämlich der disziplinarrechtlich zu würdigende Sachverhalt von nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindenden Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils bestimmt wird, sind Ermittlungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft zum identischen Sachverhalt und die Stellungnahmen des Soldaten dazu für die Entscheidung des Wehrdienstgerichts grundsätzlich nicht erheblich (vgl. Urteil vom 24. Mai 2012 - BVerwG 2 WD 18.11 - juris Rn. 16 <insoweit in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 37 nicht veröffentlicht>). Das Truppendienstgericht durfte rechtsfehlerfrei davon absehen, dem Soldaten nachträglich rechtliches Gehör zu Ermittlungsergebnissen gewähren zu lassen, die zwischenzeitlich ohne Bedeutung für seine Entscheidung wurden, weil es - wie auszuführen ist, zutreffend - einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO nicht für geboten hielt.

30 c) Gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 106 Abs. 1 WDO hat auch das Berufungsgericht im Falle einer uneingeschränkt eingelegten Berufung zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Diese Aufklärungspflicht wird jedoch durch die „Prozessregel“ (Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 <372> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 S. 100) des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO eingeschränkt (vgl. Beschluss vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 - NVwZ-RR 2013, 557 <558>; zur Reichweite: Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O. sowie Beschluss vom 27. März 2012 - BVerwG 2 WD 16.11 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 6 - juris Rn. 19). Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Wehrdienstgericht grundsätzlich bindend. Dies gilt insbesondere auch für die strafgerichtliche Beweiswürdigung, selbst wenn die Wehrdienstgerichte aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht der Beweiswürdigung des Strafgerichts ohnehin folgen würde. Dies wäre weder mit der normierten grundsätzlichen Bindung noch damit vereinbar, dass die Wehrdienstgerichte nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile sind (Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O. S. 373 bzw. 100 f.).

31 aa) Etwas anderes gilt gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO jedoch dann, wenn die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen zu bezweifeln ist. Die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils ist indes auf Fälle beschränkt, in denen das (Wehrdienst-)Gericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzureichender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Für einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen bestehen dann, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus vergleichbar gewichtigen Gründen offenkundig unzureichend sind.

32 Offenkundig unzureichend sind strafgerichtliche Feststellungen, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind, wenn entscheidungserhebliche neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen (vgl. Beschluss vom 15. März 2013 a.a.O. S. 558 m.w.N.), oder wenn die in dem strafgerichtlichen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar ist (Urteil vom 14. März 2007 - BVerwG 2 WD 3.06 - BVerwGE 128,189 <190 f.> = Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 25 m.w.N.). Dabei kommt ein Lösungsbeschluss nur in Betracht, wenn sich die Zweifel an der Richtigkeit aus dem Urteil selbst oder in Verbindung mit dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben (vgl. Urteil vom 16. Januar 2014 - BVerwG 2 WD 31.12 - Rn. 31 m.w.N.). Der für einen Lösungsbeschluss erforderliche Grad des Zweifels an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen bemisst sich dabei nach dem Gewicht der in Rede stehenden Disziplinarmaßnahme. Je gewichtiger sie ist, desto größer ist angesichts der Schutzbedürftigkeit des von ihr betroffenen Soldaten und der damit verbundenen Anforderungen an die Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung die gebotene disziplinargerichtliche Kontrolldichte (Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O. S. 373 bzw. 101).

33 bb) Nach Maßgabe dieser Erwägungen gibt der Vortrag des Soldaten keinen Anlass, sich von den strafgerichtlichen Feststellungen zu lösen. Der Senat legt seiner Entscheidung daher die von der Vorinstanz zutreffend referierten Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts T. vom 30. Januar 2012, rechtskräftig seit dem 12. Juni 2012, zugrunde.

34 Da der fragliche Kassenbeleg bereits im Strafverfahren zu den Akten gelangte und Gegenstand des sachgleichen Strafverfahrens, jedenfalls im Rahmen der Berufung bzw. der Gehörsrüge geworden war, handelt es sich zum einen nicht um ein neues Beweismittel. Zum anderen ist das strafgerichtliche Urteil in sich nachvollziehbar und stimmig sowie der Kassenbeleg nicht geeignet, Zweifel im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO zu erzeugen (Urteil vom 14. März 2007 a.a.O. m.w.N.).

35 Dies betrifft namentlich die detaillierte Beweiswürdigung und die Würdigung der jedenfalls schriftsätzlich zentralen Einlassung des Soldaten, er habe seinerzeit eine Buchung versucht, sie jedoch abgebrochen. Sie sei unter der Vorgangsnummer 8813 erfasst worden, wobei die Zeitdifferenz zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Vorgang 8813 erfasst worden sei (zwischen der Vorgangsnummer 8812 um 18:00 Uhr und Vorgangsnummer 8814 um 18:03 Uhr) und dem Zeitpunkt der Videoaufzeichnung (18:32 Uhr) auf einer Differenz von 30 Minuten beruhe, die von dem Tankstellenbetreiber für technisch möglich gehalten worden sei. Das Amtsgericht hat diesen Einwand aufgegriffen und ihn nachvollziehbar mit der Begründung entkräftet, die Videoaufzeichnung dokumentiere, dass nach dem Weggang des Soldaten von der Kasse innerhalb eines Zeitraums von drei Minuten dort nur Bargeschäfte, aber keine Kartenzahlungen getätigt worden seien. Damit unvereinbar sei aber, dass nach der Kartenaufzeichnung auf die Vorgangsnummer 8813 wieder eine Kartenzahlung (8814 um 18:03 Uhr) erfolgt sei.

36 Darüber hinaus hat das Strafgericht die Einlassung des Soldaten aufgegriffen, er habe einen Beleg über den abgebrochenen Vorgang erhalten; nach der Zeitübersicht ist für die Vorgangsnummer 8813 aber überhaupt kein Beleg ausgestellt worden. Soweit der Soldat in der Berufungshauptverhandlung erklärt hat, er wolle seinen diesbezüglichen schriftsätzlichen Vortrag nicht mehr aufrecht erhalten, lässt dies zudem den Vortrag des Soldaten zu den Umständen, die Zweifel an der Richtigkeit des amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen begründen sollen, unglaubhaft werden.

37 Des weiteren vermag auch der Vortrag des Soldaten, die nach den Belegdaten unlogische zeitliche Abfolge zwischen Kassen- und Transaktionsbelegerstellung sei ebenfalls geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zu begründen, nicht zu überzeugen. Da eine zeitlich automatische Kopplung der Zeiterfassung beider Systeme nicht feststand und der Kassenbeleg auf den Transaktionsbeleg mit der Nr. 8817 bereits Bezug nahm, Letzteren mithin als existent voraussetzt, ist die Schlussfolgerung des Soldaten gerade nicht zwingend, die divergierenden Zeitangaben auf den Belegen entzögen der amtsrichterlichen Beweiswürdigung die Grundlage. Gleiches gilt für seinen Hinweis auf den durch die Videoaufnahme dokumentierten Zeitrahmen seines Tankvorgangs. Da die Videoaufnahme nicht an dieselbe Zeiterfassung gekoppelt sein muss wie die Kasse, widerlegen nicht übereinstimmende Uhrzeiten die Täterschaft des Soldaten nicht.

38 d) Der Soldat hat damit vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

39 aa) Durch das festgestellte wissentliche und willentliche, mithin vorsätzliche, Verhalten hat er gegen § 7 SG verstoßen. Er verpflichtet auch zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, insbesondere zur Wahrung der Strafgesetze (Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 WD 29.11 - Rn. 49). Dabei muss es sich um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Urteil vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - BVerwGE 128, 319 <326> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57 Rn. 41). Ein solcher Verstoß liegt vor, weil der Soldat einen Straftatbestand verwirklicht und er dabei nicht nur dienstliches Material in Form der DKV-Tankkarte eingesetzt, sondern dadurch beim Dienstherrn auch einen unmittelbaren Schaden verursacht hat.

40 bb) Der Soldat hat ferner vorsätzlich gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen. Danach muss sich ein Soldat auch außer Dienst und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Da das Betanken des privaten Kraftfahrzeugs durch den Soldaten außerhalb des Dienstes und auch außerhalb dienstlicher Anlagen und Unterkünfte erfolgte, liegt ein außerdienstliches Dienstvergehen vor. Dass der Soldat die Tankkarte zuvor aus dem dienstlichen Bereich entnommen hatte, führt nicht zur Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 WDO. Da dies nicht den Schwerpunkt des angeschuldigten Verhaltens bildet, tritt es zurück. Die Ansehensschädigung und die Schädigung der Achtung und des Vertrauens ist auch erheblich, weil die Handlung unabhängig davon, ob § 263 StGB oder § 263a StGB Anwendung findet mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe strafbewehrt und der Dienstherr durch die Tat geschädigt worden ist.

41 cc) Der Soldat hat schließlich auch vorsätzlich gegen § 11 SG verstoßen, weil die ZDv 43/2 einen Befehl darstellt (Urteil vom 2. Oktober 2013 - BVerwG 2 WD 33.12 - juris Rn. 52), dessen Nummer 755 er willentlich und wissentlich durch den Einsatz der DKV-Tankkarte für die Betankung eines Privatwagens zuwider gehandelt hat.

42 e) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

43 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten.

44 Sowohl die Verletzung der Pflicht zu treuem Dienen (§ 7 SG) als auch die zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) wiegen schwer. § 7 SG betrifft eine der soldatischen Kernpflichten (Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 WD 29.11 - juris Rn. 64) und auch die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Mit dem zusätzlich verwirklichten Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 SG ist der Soldat ebenfalls einer zentralen soldatischen Dienstpflicht nicht gerecht geworden (Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127,1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 <jeweils Rn. 85>). Alle Pflichtverletzungen standen zudem mit einem strafrechtlich relevanten Verhalten in Zusammenhang und sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Soldat als (bereits) früherer S4-Feldwebel um die besondere Verwerflichkeit des privaten Einsatzes der DKV-Tankkarte wusste.

45 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

46 b) Das Dienstvergehen hatte wegen des eingetretenen Vermögensschadens nachteilige Auswirkungen auf das Vermögen des Dienstherrn und auf das Ansehen der Bundeswehr, da jedenfalls dem Tankstellenbetreiber und seinen Mitarbeitern als Außenstehenden bekannt wurde, dass es sich bei dem Täter um einen Soldaten handelte.

47 c) Die Beweggründe des Soldaten sind durch finanziellen Eigennutz geprägt und sprechen somit gegen ihn.

48 d) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des uneingeschränkt schuldfähigen Soldaten bestimmt.

49 Auf Milderungsgründe in den Umständen der Tat kann sich der Soldat nicht berufen. In Betracht zu ziehen ist insbesondere nicht eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten. Eine Augenblickstat liegt vor, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant oder wohl überlegt, sondern spontan und aus den Umständen eines Augenblickszustandes zustande gekommen ist. Von Spontaneität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit ist nicht mehr zu sprechen, wenn das Dienstvergehen sich - wie vorliegend - als mehraktiges Verhalten darstellt, das immer wieder neue, wenn auch kurze Überlegungen erfordert (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 WD 29.11 - juris Rn. 76 m.w.N.).

50 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen die durch die Beurteilungen, die Angaben der Leumundszeugen und die förmlichen Anerkennungen ausgewiesenen überdurchschnittlichen Leistungen erheblich für den Soldaten. Hinzu tritt dessen Nachbewährung. Sie folgt aus der im Vergleich der letzten planmäßigen Beurteilung mit der Sonderbeurteilung dokumentierten Steigerung der Leistungen von „6,00“ auf „7,33“ und wird durch die Aussagen der Leumundszeugen unterstrichen.

51 Für den Soldaten spricht weiter, dass er - abgesehen von dem hier gegenständlichen Vorfall - strafrechtlich und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, auch wenn diesem Umstand kein hohes Gewicht zukommt, da er hiermit nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt und keine besondere, ihn aus dem Kameradenkreis heraushebende Leistung erbracht hat.

52 Soweit der Soldat sein Fehlverhalten geleugnet hat, hat er damit zwar von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Der Senat konnte dadurch allerdings bei ihm auch keine Einsicht in sein Fehlverhalten feststellen (Urteil vom 4. September 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - juris Rn. 114 <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 134, 379 ff.>).

53 f) Nach einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die erstinstanzlich ausgesprochene Herabsetzung um einen Dienstgrad verhältnismäßig. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.):

54 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“. Der Senat zieht in ständiger Rechtsprechung bei vorsätzlicher versuchter oder vollendeter Schädigung des Dienstherrn bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung in Betracht (Urteil vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 WD 33.11 - m.w.N.). Hiervon ist auch vorliegend auszugehen. Zwar hat der Soldat nicht den Dienstherrn getäuscht, der Vermögensschaden trat jedoch bei diesem ein. Ein zusätzlicher erschwerender Umstand lag hingegen nicht vor, weil dem Soldaten zum Zeitpunkt des angeschuldigten Dienstvergehens die DKV-Tankkarten nicht mehr anvertraut waren. Seine Tätigkeit als S4-Feldwebel im ...bereich ... endete mit Ablauf des 31. März 2009.

55 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

56 (1) Der Umfang des eingetretenen Schadens bewegt sich mit 55,88 € zwar knapp, aber doch eindeutig über dem Betrag von 50 € (vgl. Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.), bei dessen Unterschreiten der Senat regelmäßig von einem leichteren Fall ausgeht, der den Übergang zu einer milderen Maßnahmeart gebietet (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 WD 29.11 - Rn. 82 m.w.N.). Auch die besonders guten Leistungen des Soldaten sowie dessen Nachbewährung erlangen nicht das Gewicht, von der Herabsetzung im Dienstgrad abzusehen, weil das Gewicht mildernder Umstände umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (Urteil vom 15. März 2013 - BVerwG 2 WD 15.11 - Rn. 43; vgl. auch Beschluss vom 20. Februar 2012 a.a.O. - juris Rn. 13). Dazu hätte es zusätzlicher Milderungsgründe bedurft, die nicht vorliegen.

57 (2) Eine mildere Disziplinarmaßnahmeart ist auch nicht mit Rücksicht auf die moderate Verurteilung des Soldaten im sachgleichen Strafverfahren in den Blick zu nehmen. Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen einer Herabsetzung im Dienstgrad entgegen. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris, m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 51).

58 cc) Die besonders guten Leistungen des Soldaten und dessen Nachbewährung verlangen jedoch, die Herabsetzung im Dienstgrad auf einen Dienstgrad zu beschränken; weil sie in ihrer Gesamtheit von besonderem Gewicht sind, begründen sie ferner einen besonderen Grund dafür, die Frist zur Wiederbeförderung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 auf zwei Jahre zu verkürzen.

59 3. Da die Berufung des Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, § 139 Abs. 2 WDO. Die Verkürzung der Wiederbeförderungsfrist betrifft eine Nebenentscheidung und ist angesichts des Berufungsbegehrens nicht von besonderem Gewicht. Es besteht daher kein Anlass, die dem Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen nach § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO auch nur teilweise dem Bund aufzuerlegen.