Beschluss vom 13.01.2016 -
BVerwG 7 B 39.15ECLI:DE:BVerwG:2016:130116B7B39.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.01.2016 - 7 B 39.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:130116B7B39.15.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 39.15

  • VG Düsseldorf - 06.05.2014 - AZ: VG 3 K 356/13
  • OVG Münster - 01.06.2015 - AZ: OVG 8 A 1577/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage von 39 900 auf 121 900 Mastplätze. Er ist Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks, dessen Hofstelle er bewohnt. Bis 2005 betrieb der Kläger dort Ackerbau und Tierhaltung. Mit Genehmigung vom Januar 2005 baute er eine landwirtschaftliche Gerätehalle in zwei Wohnungen um, die vermietet sind. Das Anwesen des Beigeladenen liegt ca. 210 m östlich von der Bebauung auf dem Grundstück des Klägers. Zudem finden sich im Umfeld der Hofstelle des Klägers weitere Hofstellen und Tierhaltung.

2 Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, weil unzumutbare Geruchsbelästigungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Auf die Berufung des Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Nach der nordrhein-westfälischen Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) seien bei landwirtschaftlichen Gerüchen (aus Tierhaltungsanlagen) nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls auch Geruchsimmissionen von über 15 % bis zu 25 % der Jahresgeruchsstunden zumutbar.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

4 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

5 Die vom Kläger als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage
"Hat ein ehemaliger Landwirt mit aufgegebener Tierhaltung - in Bezug auf die eigene Wohnnutzung und die Wohnnutzung von Mietern im Außenbereich -, der sich als Nachbar gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Haltung und Aufzucht von Mastgeflügel wegen der damit verbundenen Geruchsimmissionen wendet, eine besondere, das Überschreiten des Immissionswerts IW = 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden im Sinne der Nr. 3.1 der Tabelle 1 der nordrhein-westfälischen Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL) rechtfertigende Verpflichtung zur Hinnahme landwirtschaftlicher Gerüche auch dann, wenn diese Gerüche nicht aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne von § 201 BauGB, sondern aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen stammen?"
rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

6 Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Beschwerde kann jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die Grundsatzfrage in Wahrheit nicht - wie vom Kläger geltend gemacht - auf die Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zielt, sondern die (nordrhein-westfälische) GIRL betrifft, die nicht revisibel ist.

7 Für die Bewertung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen finden sich weder im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch in den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen oder der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) bundesrechtliche Regelungen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass bis zum Erlass solcher Regelungen bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG die GIRL als Orientierungshilfe herangezogen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 4 B 29.10 - BauR 2010, 2083 Rn. 3). Die GIRL ist ein technisches Regelwerk, dessen Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens hat. Ihre Auslegung ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (stRspr.; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 - BRS 71 Nr. 168 S. 785 = juris Rn. 4, vom 28. Juli 2010 a.a.O. und vom 5. August 2015 - 4 BN 28.15 - IBR 2015, 571 Rn. 5). Dies gilt auch für die ausführlich begründete Annahme des Oberverwaltungsgerichts, "landwirtschaftliche Gerüche" im Sinne der GIRL seien nicht nur solche aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB, sondern auch aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen (UA S. 20 f. = juris Rn. 78 bis 83).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.