Beschluss vom 12.11.2003 -
BVerwG 1 B 13.03ECLI:DE:BVerwG:2003:121103B1B13.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.11.2003 - 1 B 13.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:121103B1B13.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 13.03

  • Bayerischer VGH München - 22.10.2002 - AZ: VGH 24 B 02.107

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. November 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde, die sich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob und inwieweit der tatsächliche Aufenthaltsstatus des betroffenen Ausländers einschließlich ihm möglicherweise zustehender aufenthaltsrechtlicher Ansprüche im Rahmen des Ausweisungsermessens berücksichtigt werden muss".
Die Beschwerde vertritt die Auffassung, die beklagte Ausländerbehörde hätte bei ihrer Entscheidung, den Kläger, einen 1976 geborenen und seit 1991 in Deutschland lebenden albanischen Staatsangehörigen, wegen einer erneuten strafgerichtlichen Verurteilung auszuweisen, im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen nach § 45 Abs. 2 AuslG berücksichtigen müssen, dass der Kläger gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bezüglich einer befristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 3 Satz 2 AuslG gehabt habe. Zwar sei der Kläger nicht, wie § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AuslG dies voraussetze, ununterbrochen seit acht Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis; er müsse aber aufgrund seines Verlängerungsantrags vom 19. August 1992 und der von der Beklagten erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnis vom 16. Juli 1999 so behandelt werden, als besitze er seit acht Jahren einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte im Rahmen ihres Ausweisungsermessens einen Anspruch des Klägers nach § 26 AuslG nicht berücksichtigen müsse, sondern insoweit die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 45 Abs. 2 AuslG maßgeblich sei, sei unzutreffend.
Dieses Vorbringen der Beschwerde kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen weiteren selbstständig tragenden Grund gestützt hat. Es hat einen Ermessensfehler wegen mangelnder Berücksichtigung eines Anspruchs nach § 26 AuslG, wie sich aus der Bezugnahme auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils nach § 130 b VwGO ergibt (UA S. 10 oben), auch deshalb verneint, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG, insbesondere das Erfordernis des achtjährigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht erfüllt waren. Ist die Entscheidung des Berufungsgerichts - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kommt eine Zulassung der Revision grundsätzlich nur in Betracht, wenn gegen sämtliche tragenden Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die Beschwerde macht zwar auch bezüglich der genannten weiteren Begründung Grundsatzrügen geltend. Diese greifen aber, soweit sie überhaupt ordnungsgemäß dargelegt sind, nicht durch.
Die Beschwerde hält im Hinblick auf einen Anspruch des Klägers nach § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG für grundsätzlich bedeutsam die Frage,
"ob § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AuslG auch in dem Fall Anwendung findet, in dem der mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum eingereiste Ausländer die Verlängerung einer ihm nach der Einreise erteilten Aufenthaltsgenehmigung begehrt".
Sie legt indes nicht hinreichend dar, dass diese Frage noch klärungsbedürftig ist. Denn die Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der Berufungsentscheidung und entgegen der Auffassung der Beschwerde entschieden (vgl. Urteil vom 3. Juni 1997 - BVerwG 1 C 7.96 - Buchholz 402.240 § 18 AuslG 1990 Nr. 1; Urteil vom 1. Februar 2000 - BVerwG 1 C 14.99 - Buchholz a.a.O. § 69 AuslG Nr. 5; Urteil vom 22. Januar 2002 - BVerwG 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 = Buchholz a.a.O. § 24 AuslG Nr. 4 - jeweils m.w.N.). Weitergehender Klärungsbedarf ist nicht dadurch dargetan, dass die Beschwerde ohne nähere Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf einen abweichenden Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verweist, dessen Argumentation den beschließenden Senat im Übrigen nicht überzeugt. Außerdem geht die Beschwerde auch nicht darauf ein, inwiefern eine Rechtsposition nach § 69 Abs. 3 AuslG überhaupt geeignet wäre, die erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AuslG zu ersetzen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 359 m.w.N.).
Schließlich genügt die Darlegung der weiteren Grundsatzfrage zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 AuslG nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde wirft die Frage auf,
"ob die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung auch dann auf den Zeitpunkt des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zurückwirkt und somit den Aufenthalt ab diesem Zeitpunkt legalisiert, wenn der Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der zuvor erteilten Aufenthaltsgenehmigung gestellt wurde und keine Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 3 AuslG ausgelöst hat".
In einem Revisionsverfahren würde sich die Frage in dieser pauschalen Form nicht stellen und könnte auch nicht generalisierend, sondern nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Es geht dabei nämlich um eine Auslegung der konkreten Aufenthaltserlaubnis, namentlich ihres zeitlichen Umfangs, im jeweiligen Fall, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren entzieht. Im Übrigen geht die Beschwerde in diesem Zusammenhang von tatsächlichen Voraussetzungen aus, die vom Berufungsgericht so nicht festgestellt worden sind. So hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts während seines Asylverfahrens gerade keine Bescheinigungen über die Fiktionswirkung gem § 69 Abs. 3 AuslG erhalten (UA S. 14). Auf die Besonderheiten des Falles (zwischenzeitliches Asylverfahren, Umstände bei der Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis) geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO.