Beschluss vom 12.10.2006 -
BVerwG 2 B 31.06ECLI:DE:BVerwG:2006:121006B2B31.06.0

Beschluss

BVerwG 2 B 31.06

  • OVG der Freien Hansestadt Bremen - 02.03.2006 - AZ: OVG 2 A 466/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Groepper
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 2. März 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 51 890 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung und auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO) ist unbegründet.

2 1. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ihre Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand deshalb rechtswidrig sei, weil das Mitbestimmungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sei, bevor sie zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand gehört worden sei und hierzu ihre Einwendungen substantiiert habe vortragen können.

3 Die Klägerin wirft diese Frage vor dem Hintergrund auf, dass der Personalrat über ihre von der Beklagten beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand - eine gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 BremPersVG der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme - am 8. August 2001 unterrichtet worden ist und ihr noch am selben Tage zugestimmt hat. Mit Schreiben vom selben Tage ist die Klägerin zu der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand angehört worden; hiergegen hat sie mit Schreiben vom 7. September 2001 Einwendungen erhoben.

4 Die Frage kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Sie betrifft keine allgemeine Rechtsfrage, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls der Klägerin. Die von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste Frage, unter welchen Voraussetzungen der zur Mitbestimmung befugte Personalrat ausreichend über die beabsichtigte Maßnahme des Dienstherrn unterrichtet worden ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt, ohne dass die Beschwerde einen weiteren Klärungsbedarf erkennen lässt. In seinem Beschluss vom 8. November 1989 - BVerwG 6 P 7.87 - (BVerwGE 84, 58 <63 ff.>) hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 11. Februar 1981 - 6 P 44.79 - (BVerwGE 61, 325 <327>) ausgeführt, die Pflicht des Dienststellenleiters zur umfassenden und rechtzeitigen Unterrichtung des Personalrats habe zum Zweck, der Personalvertretung die notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen zu vermitteln, die sie zu einer sachgerechten, d.h. ihrem allgemeinen Vertretungsauftrag gerecht werdenden Entscheidung befähige. Ohne ausreichende Information bliebe ihr vom Gesetz gestellter Auftrag unerfüllbar. Der notwendige Umfang der Unterrichtung des Personalrats richte sich im Einzelfall jeweils danach, für welche Maßnahme die Zustimmung beantragt werde (vgl. Beschluss vom 10. August 1987 - 6 P 22.84 - BVerwGE 78, 65 <69>). Ein Anspruch der Personalvertretung auf umfassende und rechtzeitige Information bestehe nur insoweit, als sie Auskünfte und dergleichen von Seiten der Dienststelle benötige, um die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen und ihre Beteiligungsrechte rechtzeitig und uneingeschränkt wahrnehmen zu können (vgl. auch Beschlüsse vom 21. September 1984 - BVerwG 6 P 24.83 - DVBl 1985, 449 f. und vom 27. Februar 1985 - BVerwG 6 P 9.84 - DVBl 1985, 748 ff.). Da das Mitbestimmungsrecht auf die Wahrung der vom Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes angesprochenen Belange der Beschäftigten und darüber hinaus gegebenenfalls auf die gesetzlich zugelassenen Versagungsgründe beschränkt sei, habe sich auch der Umfang der Unterrichtungspflicht der Dienststelle und des damit korrespondierenden Unterrichtungsanspruchs der Personalvertretung hieran auszurichten. Dies bedeute, dass die Personalvertretung alle die Informationen und Unterlagen erhalten müsse, die sie bedeutsam für die Prüfung der Frage halten dürfe, ob ein Versagungsgrund vorliegen könnte.

5 Das Berufungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss diese Grundsätze seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegt. Ob es sie zutreffend oder möglicherweise fehlerhaft angewandt hat, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Der angegriffene Beschluss beruht ersichtlich auf der Würdigung des Einzelfalls der Klägerin, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den Umstand gekennzeichnet ist, dass die Klägerin bereits vor der erwähnten Einleitung des Versetzungsverfahrens jahrelang krank gewesen war und trotz unterschiedlicher Maßnahmen der Beklagten an keinem der ihr zugewiesenen Arbeitsplätze längerfristig ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen und entsprechende Fehlzeiten zu arbeiten vermochte. Wie sich den Verwaltungsvorgängen der Beklagten, deren Inhalt durch Bezugnahme zu den festgestellten Tatsachen gehört, entnehmen lässt, waren an verschiedenen, dem Pensionierungsverfahren vorausgehenden Besprechungen auch Mitglieder des Personalrats beteiligt; dieser hatte sogar bereits ein Jahr zuvor der damals beabsichtigten Versetzung der Klägerin in den vorzeitigen Ruhestand zugestimmt. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Personalrat über die gesundheitlichen und betrieblichen Schwierigkeiten der Klägerin informiert war. Unter diesen Umständen ist es eine Frage des Einzelfalls und keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob dem Personalrat auch die Einwendungen der Klägerin vom 7. September 2001 hätten vorgelegt werden müssen.

6 Die Zulassung der Revision ist auch nicht deshalb geboten, weil das Bundesarbeitsgericht in seiner von der Beschwerde angezogenen Entscheidung vom 31. August 1989 - 2 AZR 453/88 - (BAG AP § 77 LPVG Schleswig-Holstein Nr. 1) angenommen hat, eine außerordentliche Kündigung sei unwirksam, wenn dem Personalrat im Anhörungsverfahren eine bereits vor Ausspruch der Kündigung eingegangene Gegendarstellung nicht zur Kenntnis gegeben worden ist.

7 Bereits rechtssystematisch besteht ein Unterschied zwischen der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und der Ankündigung, das Verfahren der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit einzuleiten. Während die Kündigung das Arbeitsverhältnis sofort oder zu dem darin festgelegten Zeitpunkt beendet, also der letzte Akt des Dienstherrn ist, dem andere Akte wie etwa eine Abmahnung vorausgegangen sind, hat die Ankündigung des Dienstherrn, das Pensionierungsverfahren einzuleiten, noch keine unmittelbare Wirkung. Sie leitet erst ein Verfahren ein, an dessen Ende die förmliche Versetzung des Beamten in den Ruhestand stehen kann, aber nicht stehen muss. Im Falle der Kündigung muss daher der Personalrat über diejenigen Informationen verfügen, die es ihm erlauben, die Rechtmäßigkeit des Kündigungsausspruchs zu beurteilen. Dass hierzu auch eine Gegendarstellung des Arbeitnehmers gehört, die dem Dienstherrn bei Ausspruch der Kündigung bereits vorlag, ist daher naheliegend. Während in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall der Dienstherr nicht mehr weiter tätig werden konnte und alle nachfolgenden, die Rechtmäßigkeit der Kündigung betreffenden Fragen nicht mehr in der Sphäre des Dienstherrn, sondern von den Arbeitsgerichten zu klären waren, leitete die Verfügung der Beklagten nur ein Verfahren ein, an dem sich der Personalrat auch nach der erklärten Zustimmung jederzeit wieder beteiligen konnte, wenn er hierauf Wert legte.

8 Demgegenüber verlangt das Personalvertretungsrecht vom Dienstherrn, den Personalrat bereits frühzeitig zu beteiligen. Dass dies normalerweise der Zeitpunkt ist, zu dem sich der Dienstherr unter Würdigung aller bisher vorliegenden Erkenntnisse entschließt, das möglicherweise zur Pensionierung führende Verfahren einzuleiten, ist unter diesen Umständen nicht zweifelhaft. Würde der Dienstherr den Personalrat erst informieren, nachdem er dem Beamten die beabsichtigte Einleitung dieses Verfahrens bereits mitgeteilt und dessen Reaktion eingeholt hat, würde er sich dem Vorwurf aussetzen, den Personalrat zu spät informiert und durch seine Handlungsweise präjudiziert zu haben.

9 Diesen rechtssystematischen Unterschieden trägt das geltende Recht dadurch Rechnung, dass es die Entscheidung darüber, ob er sein Beteiligungsrecht als ausreichend gewahrt ansieht, in die Hände des Personalrats legt, der gegen eine Verletzung seines Informationsanspruchs in der Form einer unzureichenden Unterrichtung aus eigenem Recht verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Eine mangelhafte Unterrichtung, ja sogar eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung des Personalrats führt daher nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme (vgl. Urteil vom 12. Oktober 1989 - BVerwG 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362>). Mit der Forderung nach Rechtsklarheit im Statusrecht der Beamten wäre es nicht vereinbar, bei mangelhafter Beteiligung des Personalrats eine von Amts wegen zu beachtende Nichtigkeit der Maßnahme selbst dann anzunehmen, wenn weder der Personalrat noch der Beamte sie geltend machen.

10 2. Als klärungsbedürftig sieht die Klägerin weiterhin die Frage an, ob sich das Berufungsgericht über die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und insbesondere über das von ihm selbst eingeholte Gutachten hinwegsetzen und die Dienstunfähigkeit der Klägerin feststellen durfte, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen.

11 Diese Frage ist keine Rechts-, sondern eine ersichtlich auf den Einzelfall zugeschnittene und schon deshalb keiner grundsätzlichen Klärung fähige Tatsachenfrage. Sie enthält zudem eine tatsächliche Unterstellung - nämlich die, das Berufungsgericht habe sich über mehrere Gutachten hinweggesetzt -, die weder in den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch in den Entscheidungsgründen eine Grundlage finden. Sie rechtfertigt die Zulassung letztlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungsrüge.

12 Wie die Klägerin selbst vorträgt, sind zur Frage der Dienstfähigkeit der Klägerin eine Vielzahl medizinischer, insbesondere arbeitsmedizinischer und psychiatrischer Gutachten eingeholt worden. Sämtliche Gutachten sind vom Berufungsgericht erwähnt und, soweit erforderlich, gewürdigt worden. Hierbei hat sich das Berufungsgericht allerdings zu Recht auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass der Begriff der Dienstunfähigkeit ein beamtenrechtlicher und kein medizinischer sei und dass deshalb Prüfungsmaßstab der Dienstfähigkeit sei, ob die Klägerin auf der Grundlage der medizinischen Befunde in der Lage sei, ein Amt ihrer Laufbahn und Laufbahngruppe im abstrakt-funktionellen Sinne auszuüben.

13 3. Als verfahrensfehlerhaft rügt die Klägerin eine „allgemeinen Bewertungsgrundsätzen“, „allgemeinen medizinischen Grundsätzen“ und auch der Logik widersprechende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit macht sie indessen keinen Verfahrensfehler, sondern einen Verstoß gegen das materielle Recht geltend, der nur in einem Revisionsverfahren, nicht aber in einem auf die Zulassung der Revision gerichteten Verfahren geprüft werden kann. Hiervon abgesehen liegen die gerügten Mängel auch nicht vor.

14 Die Klägerin beanstandet der Sache nach, dass das Berufungsgericht auch unter Würdigung der bereits vorliegenden Gutachten sowie des von ihm selbst in Auftrag gegebenen Gutachtens zu der Überzeugung gekommen ist, die Klägerin sei dienstunfähig. Zu dieser Erkenntnis hätte das Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde nicht ohne Hinzuziehung eines weiteren Gutachtens kommen dürfen. Die Beschwerde legt indessen nicht dar, inwieweit weitere medizinische Gutachten die letztlich für das Ergebnis entscheidende Feststellung hätten erschüttern können, die Klägerin sei aufgrund ihrer „Probleme“ in den dienstlichen Betrieb der Beklagten nicht integrierbar. Dabei kann nicht entscheidend sein, ob diese „Probleme“, die sich seit vielen Jahren praktisch gezeigt und in langandauerden Phasen ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit manifestiert hatten, medizinisch erklärbar waren oder nicht.

15 Auch soweit die Klägerin geltend macht, zwischen dem Bericht über die psychosomatische Zusatzuntersuchung vom 25. Juni 2001 durch das Krankenhaus B. und der darauf aufbauenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 3. August 2001 bestehe ein Widerspruch, den das Berufungsgericht zu Unrecht negiere, legt sie keinen durchgreifenden Verfahrensfehler dar. Zwar enthält der Bericht vom 26. Juni 2001, wie die Beschwerde zutreffend vorträgt, den Satz, bei der Klägerin liege „ein jetzt weitgehend abgeklungener depressiver Versagenszustand mit Überforderungsgefühlen vor.“ Eine „Einschränkung der Dienstfähigkeit“ bestehe „zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr“. Der Bericht fährt jedoch fort, „aufgrund des jetzt allerdings seit Jahren bestehenden Arbeitsplatzkonfliktes“ sei bei der Klägerin „im Falle eines Arbeitseinsatzes von einer erhöhten Affektlabilität, verstärktem Misstrauen, erhöhter Empfindlichkeit sowie einer Neigung zu Anspannungs- und Versagensgefühlen auszugehen“. Diese Aussage war vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Zusatzuntersuchung seit rund drei Monaten krankheitsbedingt keinen Dienst mehr geleistet hatte (Krankschreibung ab 30. März 2001 „bis auf weiteres“). Deshalb durfte die Beklagte ebenso wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass die „im gegenwärtigen Zeitpunkt“ vom Krankenhaus Bremen-Ost festgestellte Dienstfähigkeit nur solange anhalten werde, wie die Klägerin keinen Dienst leistete, und dass bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit die vom Krankenhaus genannten besonderen Auslösefaktoren wieder wirksam und zu erneuter Dienstunfähigkeit der Klägerin führen würden. Die Beklagte war deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Zusatzuntersuchung die Klägerin langfristig als dauernd dienstunfähig anzusehen. Die Billigung dieser Überlegungen durch das Berufungsgericht beruht weder auf einem Verfahrensfehler noch auf einer den Denkgesetzen widersprechenden materiellen Würdigung.

16 4. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.