Beschluss vom 12.08.2008 -
BVerwG 1 WB 28.07ECLI:DE:BVerwG:2008:120808B1WB28.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.08.2008 - 1 WB 28.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:120808B1WB28.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 28.07

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Berken und
den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Birner
am 12. August 2008 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).

2 Der 1976 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich am 31. Juli 2031. Zum Oberleutnant wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 2002 ernannt. Derzeit wird er bei der ...schule in B. als Luftfahrzeugelektronikoffizier verwendet.

3 Für den Antragsteller war zuletzt am 28. August 2002 eine Aktualisierung seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung ohne Auflagen abgeschlossen worden.

4 Mit Nachbericht vom 6. Februar 2006 teilte der Sicherheitsbeauftragte der ...schule mit, dass das Truppendienstgericht Nord, 9. Kammer, mit Disziplinargerichtsbescheid vom 7. Dezember 2005 (Az.: N 9 VL 22/05) gegen den Antragsteller wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot auf die Dauer von drei Jahren, verbunden mit einer Kürzung der Bezüge um ein Zwanzigstel für zwei Jahre, verhängt hat. Der Entscheidung lag folgender, vom Antragsteller eingeräumter Sachverhalt zugrunde:
„Der Soldat legte am 11.12.2003 als studierender Offizier im Fachhochschulstudiengang M. an der Universität der Bundeswehr in M. unter seinem Namen eine 93-seitige wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel ‚...’ zur Erlangung eines Diploms vor, wobei er Teile der Arbeit
- absatzweise, in mindestens sieben Fällen wortgleich, aus einer Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ‚Der Schutzwald in den bayerischen Alpen’ aus dem Jahr 2000 entnommen hatte, ohne diese Stellen als Zitate zu kennzeichnen und die Quelle anzugeben sowie
- in drei weiteren Fällen wörtliche Zitate als solche nicht gekennzeichnet und die falsche Quelle angegeben hatte,
obwohl er in einer seiner Diplomarbeit beigefügten eidesstattlichen Erklärung vom 29.10.2003 versichert hatte, die Diplomarbeit selbst verfasst zu haben. Er hätte wissen können und müssen, dass er damit keine eigenständige Prüfungsleistung erbracht hat.“

5 Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 hörte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller zu dem der truppendienstgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt an und gab ihm Gelegenheit, sich zu den sicherheits- und entscheidungserheblichen Umständen zu äußern.

6 Mit Schreiben vom 4. August 2006 erklärte der Antragsteller, dass es seiner Auffassung nach keine Grundlage für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit gebe. Bedingt durch die außergewöhnliche, vielschichtige Belastungssituation in der Schlussphase seiner Diplomarbeit habe er fahrig und fehlerhaft gearbeitet. Für diese Fehler würde er einstehen. Er habe jedoch nicht heimtückisch gehandelt. Die Zitierfehler befänden sich im einleitenden, praktischen Teil seiner Arbeit und nicht etwa im Hauptteil; er habe alle verwendete Literatur im Anhang aufgelistet und lediglich im Text die Zitatziffern vergessen. Seit über einem Jahr verrichte er als Rüstungsoffizier bei der Gruppe W. der ...schule sicherheitsempfindliche Tätigkeiten mit einem hohen Maß an Selbstständigkeit, ohne dass die geringsten Zweifel an seiner Zuverlässigkeit aufgekommen seien. Aus formaler und juristischer Sicht könne er die harte disziplinare Maßnahme akzeptieren. Aus charakterlicher und somit sicherheitsrelevanter Sicht sehe er sich jedoch als fehlbeurteilt an.

7 Mit Schreiben vom 4. August 2006 äußerte sich außerdem der Leiter der Gruppe W. positiv über den Antragsteller.

8 Mit Schreiben vom 9. August 2006 informierte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller darüber, dass seine Ausführungen wie auch die seines Vorgesetzten die sicherheitserheblichen Umstände nicht hinreichend hätten entkräften können. Aufgrund Art und Umfang seiner Dienstpflichtverletzungen - zudem im Zusammenhang mit einer eidesstattlichen Erklärung - verblieben derzeit nicht ausräumbare Zweifel an der für die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit unabdingbaren Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Bei der für einen Geheimnisträger gebotenen Sorgfalt hätte der Antragsteller vollständige und wahre Angaben machen müssen; Heimtücke werde ihm nicht unterstellt. In Anbetracht der für ihn sprechenden Umstände erscheine es vertretbar, bei Bedarf bereits im Dezember 2008 eine Wiederholungsüberprüfung zuzulassen.

9 Mit Bescheid vom 11. August 2006, dem Antragsteller eröffnet am 8. September 2006, stellte der Geheimschutzbeauftragte fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten; die Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1. Im Dezember 2008 könne bei Bedarf eine Wiederholungsüberprüfung eingeleitet werden. Die Entscheidung beruhe auf dem vom Truppendienstgericht Nord in dem Disziplinargerichtsbescheid vom 7. Dezember 2005 festgestellten Sachverhalt, den Äußerungen des Antragstellers im Rahmen der Anhörung sowie der Stellungnahme seines Vorgesetzten vom 4. August 2006. Auch wenn die vom Truppendienstgericht zugunsten des Antragstellers gewerteten Umstände, die Einlassungen des Antragstellers selbst und die positive Stellungnahme seines Vorgesetzten für den Antragsteller sprächen, begründeten das erst im Dezember 2005 abgeschlossene gerichtliche Disziplinarverfahren und die dort festgestellten schwerwiegenden Verstöße gegen Dienstpflichten derzeit noch Zweifel an der uneingeschränkten Eignung des Antragstellers zum Geheimnisträger. Die von dem Antragsteller begangenen Dienstpflichtverletzungen, insbesondere Art und Umfang der Verletzung der Wahrheitspflicht, zeigten Zuverlässigkeitsdefizite auf und ließen besorgen, dass er den Anforderungen an einen Geheimnisträger nicht jederzeit entsprechen werde. Im Hinblick auf das Fehlverhalten des Antragstellers, mit dem er den Kernbereich der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit verletzt habe, bedürfe es im Interesse der Sicherheit noch einer längeren Nachbewährungszeit, bevor ihm eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit anvertraut werden könne. Es erscheine jedoch vertretbar, bei Bedarf bereits im Dezember 2008 eine Wiederholungsüberprüfung zuzulassen. Dieser Nachbewährungszeitraum sei angesichts der Erheblichkeit der Umstände, insbesondere der mangelnden Sorgfalt im Zusammenhang mit einer eidesstattlichen Erklärung, erforderlich, um eine verlässliche positive Entwicklungsprognose stellen zu können. Die sicherheitserheblichen Umstände ließen auch unter Berücksichtigung von Fürsorgegesichtspunkten derzeit keine andere Bewertung zu; der Antragsteller müsse zunächst noch über einen längeren Zeitraum zeigen, dass sich sein Charakter und seine Persönlichkeit gefestigt hätten.

10 Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. September 2006 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein. Zur Begründung (Schreiben vom 6. November 2006) führte er aus, dass die Entscheidung des Truppendienstgerichts schematisch zur alleinigen Grundlage für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemacht worden sei. Die Tatsache einer truppendienstgerichtlichen Verurteilung allein reiche jedoch für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht aus. Nicht berücksichtigt worden sei auch seine, des Antragstellers, Sondersituation im Zeitpunkt der Anfertigung der Diplomarbeit. Er habe sich wegen der erheblichen Verfahrensdauer und der bis dahin schon immensen nervlichen Belastung dazu durchgerungen, den Disziplinargerichtsbescheid zu akzeptieren, um „endlich Ruhe zu haben“, obgleich er sich ungerecht behandelt und verurteilt gefühlt habe. Über das jetzt realisierte Sicherheitsüberprüfungsverfahren sei er damals nicht in Kenntnis gesetzt worden. Hätte er dies geahnt, wäre er mit dem Erlass eines Disziplinargerichtsbescheids nicht einverstanden gewesen. Von Bedeutung sei ferner, dass die strittigen Textpassagen sich im einleitenden beschreibenden Teil befänden und mit der eigentlichen Prüfungsleistung nichts zu tun hätten. Mit den fehlerhaft zitierten Passagen habe er nicht eine vermeintlich eigene Arbeits- oder Gedankenleistung dargestellt, sondern erkennbar nur Rahmenbedingungen beschrieben. Der für die Diplomarbeit zuständige Professor habe nach Kenntnis der fehlerhaften Zitierweise die entsprechenden Passagen zwar als mangelhaft bewertet, die Gesamtleistung aber im Rahmen der Diplomarbeit gewürdigt und ihn infolgedessen auch diplomiert. Voraussetzung für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei ein Versagen in Kernbereichen soldatischer Pflichten. Da ein Täuschungsversuch nachweislich nicht vorläge, sei die soldatische Pflicht zu Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit im Kern nicht berührt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in keiner Weise gewahrt.

11 Mit Bescheid vom 18. April 2007 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Die von dem Antragsteller begangene Verfehlung wiege aus sicherheitsrelevanter Sicht schwer und begründe derzeit nicht ausräumbare Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Persönlichkeitsmängel, die sich im Verhalten des Antragstellers offenbart hätten, würden nicht dadurch kompensiert, dass er sich im dienstlichen Bereich bewährt habe. Soweit der Antragsteller einwende, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt und die Bearbeitung des Verfahrens zu schematisch erfolgt sei, sei darauf hinzuweisen, dass sich der Geheimschutzbeauftragte in seinem Schreiben vom 9. August 2006 mit dem Vorbringen des Antragstellers und der positiven Stellungnahme seines Vorgesetzten auseinandergesetzt habe und diese erkennbar in seine Entscheidung habe einfließen lassen. Zudem stehe die Möglichkeit einer Wiederholungsüberprüfung im Dezember 2008, die zeitlich mit dem Ablauf des Beförderungsverbots zusammenfalle und weitere berufliche Nachteile verhindern solle, der Annahme einer schematischen Betrachtung entgegen. Mit der Zulassung einer vorzeitigen Wiederholungsüberprüfung sei das mildeste Mittel gewählt, um einerseits den Belangen der Sicherheit und andererseits dem Vorbringen des Antragstellers und der positiven Stellungnahme seines Vorgesetzten Rechnung zu tragen. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos setze nicht ein Versagen des Soldaten im Kernbereich soldatischer Pflichten voraus. Im Übrigen läge eine solche Verletzung soldatischer Kernpflichten durch den Antragsteller jedoch vor. Auch wenn der Antragsteller geltend mache, dass es sich bei den fehlerhaften Angaben in seiner Diplomarbeit nicht um einen Täuschungsversuch gehandelt habe, habe er gleichwohl unwahre Angaben gemacht und diese mit seiner eidesstattlichen Versicherung bekräftigt. Dadurch habe er die für die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit unabdingbare Wahrheit, Offenheit und Aufrichtigkeit vermissen lassen und den Kernbereich der für die militärische Sicherheit wichtigen Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit verletzt.

12 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Mai 2007 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 17. Juli 2007 dem Senat vorgelegt.

13 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Der Beschwerdebescheid beschränke sich auf bloße Wiederholungen des bisherigen Vorbringens und Textbausteine, die sich nicht mit seiner Argumentation auseinandersetzten. Die Unterstellung eines schwerwiegenden Verstoßes sei nicht sachlich begründet, sondern bloß behauptet worden. Die Einlassungen seines Verteidigers im disziplinargerichtlichen Verfahren seien nicht in die Erwägungen einbezogen. Die in Rede stehenden Textpassagen hätten nichts mit der eigentlichen Prüfungsleistung zu tun gehabt und seien nicht als eigene Geistesleistung dargestellt worden. Auch sei die Wertung des für die Diplomarbeit zuständigen Professors außer Betracht gelassen. Die Arbeit sei als „bestanden“ bewertet worden, obwohl die Zitierweise als nicht korrekt gerügt worden sei. Die eigentliche inhaltliche geistige Leistung sei deshalb erbracht und entsprechend positiv bewertet worden. Die falsch zitierten Textpassagen hätten im Rahmen der Gesamtbewertung der Arbeit nicht interessiert, sondern seien reine Beschreibungen der Rahmenbedingungen. Auch die positiven Beurteilungen durch Oberst P. und General B. seien unberücksichtigt geblieben. Zur weiteren Begründung werde auf die Beschwerdebegründung vom 6. November 2006 sowie auf das Schreiben des früheren Bevollmächtigten im disziplinargerichtlichen Verfahren vom 11. Oktober 2005 Bezug genommen.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers leide die Entscheidung nicht an einer „Inhaltsleere“ oder einem fehlenden Einzelfallbezug. Bei einer Sicherheitsüberprüfung wiege ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht, zumal im Zusammenhang mit einer eidesstattlichen Erklärung, schwer. Einer Abgrenzung zum „Normalfall eines Pflichtverstoßes“ bedürfe es in diesem Rahmen nicht. Das gerichtliche Disziplinarverfahren, das mit dem Ziel einer Dienstgradherabsetzung geführt worden sei, zeige, dass es sich bei dem Fehlverhalten nicht um eine Nebensächlichkeit gehandelt habe. Auch die Tatsache, dass die Prüfungsarbeit von dem zuständigen Professor insgesamt als bestanden gewertet worden sei, könne den Antragsteller nicht entlasten. Entscheidend sei, dass das für die abschließende Bewertung zuständige Gremium die Mängel der Arbeit für so schwerwiegend erachtet habe, dass diese auf die gesamte Arbeit durchgeschlagen hätten. Dies habe auch der Antragsteller anerkannt, weil ansonsten die freiwillige Rückgabe seines Diploms nicht erklärbar sei. Soweit der Antragsteller sein Verhalten mit einer außergewöhnlichen Belastungssituation in der Schlussphase seiner (ersten) Diplomarbeit erkläre, begründe dies die Befürchtung, dass er im Falle einer erneuten Belastungssituation sich fehlerhaft auch im Umgang mit Verschlusssachen verhalten könne.

16 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 356/07 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

18 Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Bei sach- und interessengerechter Auslegung seines Vorbringens beantragt er sinngemäß, den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Streitkräfteamt vom 11. August 2006 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom 18. April 2007 aufzuheben.

19 Dieser Antrag ist zulässig.

20 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 - <insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 111, 219 und in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9> und vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11). Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig, weil über die Beschwerde des Antragstellers der Bundesminister der Verteidigung entschieden hat (§ 21 Abs. 1 WBO).

21 Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Feststellung, dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt, weil tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Aufgabe begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30), ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

22 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 1 WB 13.99 - <insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 111, 30, in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 7 und in NZWehrr 2000, 31>, vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10 und vom 18. Oktober 2001 a.a.O.). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

23 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen).

24 Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2416 ZDv 2/30) - Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt, dass in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, steht im Einklang mit diesen Grundsätzen.

25 Tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, können sich nach der Rechtsprechung des Senats - unter anderem - daraus ergeben, dass der Betroffene ein Dienstvergehen begangen hat, das auch ohne speziellen Bezug auf Geheimhaltungsbestimmungen ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 1998 - BVerwG 1 WB 34.97 -, vom 10. März 1998 - BVerwG 1 WB 42.97 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 4 = NZWehrr 1998, 249, vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 19.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 19 und vom 24. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 17.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 20 = NZWehrr 2006, 153). In Übereinstimmung hiermit nennt Hinweis Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 (Anlage C 18) als Beispiel für entsprechende Anhaltspunkte Verstöße des Betroffenen gegen Dienstpflichten.

26 Der Geheimschutzbeauftragte hat die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf den Sachverhalt gestützt, der dem Disziplinargerichtsbescheid des Truppendienstgerichts Nord vom 7. Dezember 2005 zugrunde lag. Danach hat der Antragsteller als studierender Offizier im Fachhochschulstudiengang M. an einer Universität der Bundeswehr unter seinem Namen eine Diplomarbeit vorgelegt, bei der er Teile der Arbeit absatzweise, in mindestens sieben Fällen wortgleich, aus einer Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entnommen hat, ohne diese Stellen als Zitat zu kennzeichnen und die Quelle anzugeben, sowie in drei Fällen wörtliche Zitate als solche nicht gekennzeichnet und die falsche Quelle angegeben hat, obwohl er in einer der Diplomarbeit beigefügten eidesstattlichen Erklärung versichert hat, die Diplomarbeit selbst verfasst zu haben; dabei hat der Antragsteller wissen können und müssen, dass er damit keine eigenständige Prüfungsleistung erbracht hat. Das Truppendienstgericht hat darin einen Verstoß gegen die Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), sowie gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) gesehen.

27 Der Geheimschutzbeauftragte ist mit der Übernahme der tatsächlichen Feststellungen des Disziplinargerichtsbescheids von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Er bzw. der Militärische Abschirmdienst als mitwirkende Behörde (§ 3 Abs. 2 SÜG) waren schon deshalb nicht zu weitergehenden Ermittlungen und eigenen Feststellungen verpflichtet, weil der Antragsteller das ihm vorgeworfene Verhalten als solches, wie schon im gerichtlichen Disziplinarverfahren, auch bei der Sicherheitsüberprüfung eingeräumt hat. Der Vortrag in der Beschwerdebegründung, dass der Antragsteller den Disziplinargerichtsbescheid akzeptiert habe, „um hier endlich Ruhe zu haben“, obwohl er sich in Wahrheit „ungerecht behandelt und verurteilt“ gefühlt habe, betrifft nicht das tatsächliche Geschehen, sondern dessen rechtliche Bewertung und - nach Meinung des Antragstellers unverhältnismäßig strenge - Sanktionierung.

28 Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte in dem Fehlverhalten bei der Anfertigung der Diplomarbeit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit erkannt hat. Er hat mit dieser Einschätzung weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.

29 Der Geheimschutzbeauftragte hat zu Recht angenommen, dass es sich bei dem Verstoß gegen die Regeln für die Anfertigung von Diplomarbeiten und damit gegen die für die Erlangung des Fachhochschulabschlusses maßgebliche Prüfungsordnung um eine schwerwiegende Pflichtverletzung und nicht, wie es der Antragsteller darstellt, um eine Bagatelle oder Nebensächlichkeit handelt. Als eine solche ist der Vorfall im Übrigen auch von der Prüfungskommission des Fachbereichs M. nicht betrachtet worden. Wie sich aus der in der Personalgrundakte des Antragstellers befindlichen Anschuldigungsschrift vom 13. Juli 2005 (unter B II, Bl. 2-8) ergibt, hat der Vorsitzende der Prüfungskommission aufgrund der Verstöße des Antragstellers beim Zitieren aus fremden Quellen mit Bescheid vom 30. September 2004 die bisherige Bewertung der Diplomarbeit aufgehoben, diese mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet und das Diplom vom 18. Dezember 2003 (Personalgrundakte unter A I, Bl. 17) aberkannt; der Antragsteller hat daraufhin eine neue Diplomarbeit (Thema: ... - Literaturstudie) erstellt und sein Diplom (mit Urkunde vom 7. April 2005) wieder erhalten (Personalgrundakte unter A I, Bl. 19-21). Die Einwände des Antragstellers, dass die in Rede stehenden Textpassagen nichts mit der eigentlichen Prüfungsleistung zu tun gehabt und im Rahmen der Gesamtbewertung der Arbeit nicht interessiert hätten, dass die Arbeit ungeachtet der Beanstandung der Zitierweise als „bestanden“ bewertet worden sei und dass die eigentliche inhaltliche Leistung erbracht und entsprechend positiv bewertet worden sei, sind deshalb - bezogen auf den Gesamtzusammenhang, in dem die Dienstpflichtverletzung steht - irreführend und falsch. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Berücksichtigung der „Wertung des für die Diplomarbeit zuständigen Prof. K.“, der ausweislich der Anschuldigungsschrift die (ursprüngliche) Diplomarbeit nachträglich beanstandet hatte, das Verhalten des Antragstellers in ein günstigeres Licht setzen könnte. Zur Bedeutung der Diplomprüfung und damit mittelbar des Fehlverhaltens des Antragstellers ist ergänzend anzumerken, dass das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid vom 22. November 2002 die - dann zum 21. April 2004 erfolgte - Übernahme des Antragstellers in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten unter den Vorbehalt einer erfolgreichen Beendigung des Studiums gestellt hatte.

30 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es ferner, dass der Geheimschutzbeauftragte seine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers wesentlich auf dessen Verletzung der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), gestützt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluss vom 6. September 2007 - BVerwG 1 WB 61.06 -) kommt Verstößen gegen die Wahrheitspflicht, deren Bedeutung im vorliegenden Fall zusätzlich durch die der Diplomarbeit beizufügende eidesstattliche Erklärung unterstrichen war, ein besonderes Gewicht bei der sicherheitsrechtlichen Beurteilung zu. Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können (vgl. allgemein zum Stellenwert der Wahrheitspflicht Urteil vom 26. Januar 2000 - BVerwG 2 WD 33.99 - Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 124 m.w.N.). Ob es sich bei dem Verstoß gegen die Wahrheitspflicht um ein „Versagen in Kernbereichen soldatischer Pflichten“ bzw. eine Verletzung von „Kernpflichten“ handelt, ist im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung. Maßgeblich für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG ist allein, ob der sich aus der Verletzung von Dienstpflichten ergebende tatsächliche Anhaltspunkt geeignet ist, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen zu begründen.

31 Auch mit seiner prognostischen Einschätzung des Sicherheitsrisikos hat der Geheimschutzbeauftragte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. zum Erfordernis einer Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner Verhältnisse Beschlüsse vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom 27. September 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 -). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte aus der Verletzung der Wahrheitspflicht bei der Anfertigung der Diplomarbeit die Besorgnis abgeleitet hat, dass der Antragsteller den Anforderungen an einen Geheimnisträger im Hinblick auf Sorgfalt, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit nicht jederzeit entsprechen werde und er deshalb derzeit noch nicht uneingeschränkt für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit geeignet sei. Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Geheimschutzbeauftragte angesichts der Erheblichkeit der Umstände, insbesondere der mangelnden Sorgfalt im Zusammenhang mit einer eidesstattlichen Erklärung, eine Nachbewährungszeit für erforderlich gehalten hat, um eine verlässliche positive Entwicklungsprognose stellen zu können. Die für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte - insbesondere seine persönlichen Belastungen im Prüfungszeitraum sowie die positive Stellungnahme seines Vorgesetzten - hat der Geheimschutzbeauftragte mit der Zulassung der Wiederholungsüberprüfung im Dezember 2008 und damit im Sinne einer deutlichen Verkürzung der regelmäßigen Frist von fünf Jahren (Nr. 2710 Abs. 2 Satz 1 ZDv 2/30) berücksichtigt, die eine Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit günstigstenfalls bereits nach einem Zeitraum von rund zweieinviertel Jahren seit Erlass des Bescheids ermöglicht. Er hat damit zugleich - einzelfallbezogen - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen, wobei es insbesondere zulässig ist, hinsichtlich der erforderlichen Nachbewährung auch auf die Laufzeit eines vom Truppendienstgericht verhängten Beförderungsverbots abzustellen (vgl. Beschlüsse vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 15.03 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 16 = NZWehrr 2004, 168 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 5.08 -).

32 Rechtmäßig ist auch, dass der Geheimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf die Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Risikoeinschätzung ergeben sich im vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) abweichenden Gesichtspunkte.

33 Weitere Einwände gegen die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, wie etwa eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.