Beschluss vom 12.08.2005 -
BVerwG 8 B 53.05ECLI:DE:BVerwG:2005:120805B8B53.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.08.2005 - 8 B 53.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:120805B8B53.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 53.05

  • VG Dresden - 28.10.2004 - AZ: VG 4 K 1125/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2004 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  2. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat Erfolg. Die Rechtssache hat zwar keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), es liegt aber ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2 a) Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig: Müssen die vom Vorhabenträger bereits vor Erlass eines Investitionsvorrangbescheides getätigten Investitionen dahingehend unberücksichtigt bleiben, dass sich die Überprüfung der Verwirklichung des Vorhabens im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen allein nach den Investitionen nach Erlass des Investitionsvorrangbescheides richtet?

3 Selbst wenn die gestellte Frage durch das Urteil des Senats vom 24. November 2004 - BVerwG 8 C 21.03 - (Buchholz 428.1 § 7 InVorG Nr. 2) noch nicht ausreichend geklärt ein sollte, käme es in einem Revisionsverfahren auf diese Frage nicht entscheidungserheblich an. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei, jeweils selbständig tragende Gründe gestützt, so dass die Revision nur dann zugelassen werden kann, wenn die Beschwerde gegen alle tragenden Begründungen jeweils mit Erfolg einen der gesetzlichen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO geltend gemacht hat. Daran fehlt es hier.

4 Das Verwaltungsgericht hat einerseits argumentiert, dass der Feststellungsbescheid deswegen ergehen konnte, weil die vom Beigeladenen nach dem Investitionsvorrangbescheid durchzuführende investive Maßnahme im Wesentlichen fertig gestellt ist. Andererseits ist es davon ausgegangen, dass die investive Maßnahme deswegen als durchgeführt gilt, weil ein Widerruf gemäß § 15 InVorG ausgeschlossen ist. Es sei jedenfalls ein anderes Vorhaben durchgeführt worden, das den Anforderungen an einen besonderen Investitionszweck im Sinne des § 3 Abs. 1 InVorG entspreche. Die Nichtdurchführung oder Änderung beruhe auf dringenden, vom Vorhabenträger nicht zu vertretenden Gründen.

5 Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam formulierte Frage steht lediglich im Zusammenhang mit der Begründung, dass die investiven Maßnahmen im Wesentlichen fertig gestellt seien. Dagegen hat die Beschwerde nicht dargetan, dass die Frage auch für die weitere Begründung, das reduzierte Vorhaben erfülle die Anforderungen an einen besonderen Investitionszweck im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 InVorG, ein Widerruf sei daher ausgeschlossen, entscheidungserheblich ist.

6 b) Die Verfahrensrüge der Beschwerde hat Erfolg.

7 Die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt vor. Das Urteil kann hierauf beruhen.

8 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon kann zwar grundsätzlich ausgegangen werden; allerdings setzt dies voraus, dass die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und -verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen nicht nur im Tatbestand erwähnt, sondern in den Entscheidungsgründen auch verarbeitet werden oder dass ggf. ihre fehlende Entscheidungserheblichkeit dargelegt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2004 - 2 BvR 779/04 - EuGRZ 2004, 656 = LKV 2005, 116; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 102 <110 f.> und Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11> m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des BVerfG).

9 Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht ist in den Entscheidungsgründen auf den zentralen Vortrag des Klägers nicht eingegangen, die auf Grund des Investitionsvorrangbescheides an den Beigeladenen veräußerten Flurstücke seien teilweise für die Investition nicht benötigt worden, weil einerseits der geplante A-Händler-Status, der allein eine entsprechend große Fläche vorausgesetzt habe, nicht realisiert worden sei und weil das Flurstück Nr. 57/6 an den Sohn des Beigeladenen zu Wohnzwecken veräußert worden sei. Den Entscheidungsgründen ist auch nicht zu entnehmen, warum dieser Vortrag nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts unerheblich ist.

10 Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob auch die Rüge eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht und den Überzeugungsgrundsatz begründet ist, weil sich dem Verwaltungsgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, der Frage nachzugehen, ob die nach den vorgelegten Rechnungen eingekauften Materialien für den Betrieb auf den streitigen Flurstücken oder für den anderen Betrieb des Beigeladenen bzw. für benachbarte Wohnhäuser der Familie Verwendung gefunden haben.

11 Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

12 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.