Beschluss vom 12.05.2016 -
BVerwG 1 A 4.16ECLI:DE:BVerwG:2016:120516B1A4.16.0

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    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2016 - 1 A 4.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:120516B1A4.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 A 4.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Der Nichtigkeitsantrag der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2016 (BVerwG 1 B 27.16 ) wird verworfen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

1 Die "Nichtigkeitsklage" hat keinen Erfolg.

2 1. Der von der Antragstellerin als "Nichtigkeitsklage" bezeichnete außerordentliche Rechtsbehelf ist bei zweckentsprechender Würdigung ihres Begehrens als Nichtigkeits- und Restitutionsantrag gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2016 (BVerwG 1 B 27.16 ) auszulegen. Mit diesem Beschluss hat der Senat Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2016 (7 OB 11/16) als unzulässig verworfen.

3 Zwar ist das Wiederaufnahmeverfahren seinem Zweck entsprechend, ausnahmsweise aus Gründen materieller Gerechtigkeit nicht mehr anfechtbare Gerichtsentscheidungen aufzuheben, auch gegen der Rechtskraft fähige verfahrensbeendende Beschlüsse statthaft (BVerwG, Beschluss vom 8. April 2015 - 1 A 7.15 - juris Rn. 2). Soweit das Wiederaufnahmeverfahren sich gegen einen Beschluss richtet, wird es nicht durch eine Klage, sondern durch einen Antrag eröffnet, über den durch Beschluss zu entscheiden ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 153 Rn. 5). An die Stelle der Nichtigkeits- und Restitutionsklage tritt in diesem Fall ein entsprechender Antrag, über den seinerseits im Beschlussverfahren zu entscheiden ist. Wird der Rechtsbehelf fälschlicherweise als "Klage" bezeichnet, kann ihn das Gericht als "Antrag" auslegen (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2015 - 5 A 2.15 , 5 PKH 16.15 - juris m.w.N.).

4 2. Der Nichtigkeits- und Restitutionsantrag der Antragstellerin ist aber unzulässig.

5 a) Der Antrag ist schon nicht statthaft. Beschlüsse unterliegen entsprechend § 153 VwGO der Wiederaufnahme nur, wenn sie ein Verfahren abschließen. Dies gilt für Beschlüsse, mit denen eine Revision oder eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde (BVerwG, Beschluss vom 8. April 2015 - 1 A 7.15 - juris Rn. 4 m.w.N.). Um einen derartigen Beschluss handelt es sich bei dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht.

6 b) Die Zuständigkeit des Revisionsgerichts für ein derartiges Wiederaufnahmebegehren wäre nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 584 Abs. 1 Alt. 3 ZPO überdies auf die Fälle der §§ 579, 580 Nr. 4 und 5 ZPO beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 - 4 B 51.01 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 S. 4 m.w.N.). Die Antragstellerin macht indes einen entsprechenden Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund nicht geltend.

7 c) Der Antrag ist auch deshalb unzulässig, weil er nicht gemäß § 67 Abs. 4 VwGO durch einen vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist.

8 d) Schließlich ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht prozessfähig ist.

9 Der Mangel der Prozessfähigkeit folgt jedenfalls aus § 62 Abs. 2 VwGO. Danach ist ein geschäftsfähiger Betreuter bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB, der den Gegenstand des Verfahrens betrifft, nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist. Im Fall der Antragstellerin besteht ein den Gegenstand des Verfahrens betreffender Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB. Das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 18. Dezember 2014 (10 XVII S 1057) nach § 1896 Abs. 1 BGB für die Antragstellerin einen Betreuer u.a. mit dem Aufgabenkreis "Rechtsangelegenheiten" bestellt und gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnet, dass sie zu Willenserklärungen auch in solchen Angelegenheiten (grundsätzlich) der Einwilligung des Betreuers bedarf. Die Voraussetzungen, unter denen die Antragstellerin nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts den Rechtsbehelf ohne Einwilligung des Betreuers einlegen könnte, sind nicht erfüllt. Zwar bedarf der Betreute nach § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB trotz eines angeordneten Einwilligungsvorbehalts nicht der Einwilligung des Betreuers, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Der erhobene Nichtigkeits- und Restitutionsantrag der Antragstellerin gehört nicht zu solchen Willenserklärungen, weil er mit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 2 VwGO verbunden ist. Vorschriften des öffentlichen Rechts, die die Antragstellerin hinsichtlich des hier in Rede stehenden Antrags als handlungsfähig anerkennen, sind nicht ersichtlich.

10 Mithin hätte die Antragstellerin zur wirksamen Einlegung des Antrags der Einwilligung ihres Betreuers bedurft (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Dieser hat eine entsprechende Einwilligung nicht erteilt und die Einlegung des Rechtsbehelfs auch nicht nachträglich genehmigt. Obwohl die Antragstellerin nicht prozessfähig ist, begründet ein erhobener Rechtsbehelf ein begrenztes Prozessrechtsverhältnis, in dem der Senat eine Entscheidung über die Zulässigkeit mit der sich aus § 154 VwGO ergebenen Kostenfolge zu treffen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 1998 - 3 B 70.97 - Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 27 m.w.N.).

11 In entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 1 VwGO, wonach eine unzulässige Revision durch Beschluss zu verwerfen ist, ist auch ein unzulässiger Nichtigkeits- und Restitutionsantrag durch Beschluss zu verwerfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 1994 - 6 A 1.93 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 27 - juris Rn. 4).

12 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VwGO abgesehen.

Beschluss vom 14.06.2016 -
BVerwG 1 A 6.16ECLI:DE:BVerwG:2016:140616B1A6.16.0

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    BVerwG, Beschluss vom 14.06.2016 - 1 A 6.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:140616B1A6.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 A 6.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Das gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit gerichtete Ablehnungsgesuch wird verworfen.
  2. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin wird verworfen.
  3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin ist unzulässig (1.), ebenso ihre Anhörungsrüge (2.).

2 Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 23. Mai 2016 Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 12. Mai 2016 (BVerwG 1 A 4.16 ) eingelegt. Am 31. Mai 2016 hat Vorsitzender Richter Prof. Dr. Berlit verfügt, den Anhörungsschriftsatz dem u.a. für den Aufgabenkreis "Rechtsangelegenheiten" bestellten Betreuer der Antragstellerin, Rechtsanwalt Lars M. zu übersenden mit der Anfrage, ob er seine Einwilligung zur Einlegung dieses Rechtsbehelfs erteilt habe. Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 hat die Antragstellerin einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt und ihn damit begründet, dass dieser ihren Anhörungsschriftsatz dem Betreuer unbefugt zugesandt, damit unter Verletzung strafrechtlicher Vorschriften öffentlich gemacht habe und ihre Rechtsverfolgung massiv und systematisch beeinträchtigt habe. Keiner ihrer Ansprüche sei bis heute durchgesetzt worden.

3 1. Das Ablehnungsgesuch ist unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig zu verwerfen.

4 Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung abgelehnter Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 - 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 und vom 12. November 2012 - 5 PKH 19.12 - juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. ferner etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - NVwZ-RR 2010, 545 f.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22. März 2011 - 4 B 34.10 - juris Rn. 3 und vom 12. November 2012 - 5 PKH 19.12 - juris Rn. 3; BFH, Beschluss vom 25. August 2009 - V S 10/07 - NJW 2009, 3806 f.). So liegt es hier.

5 Die Übersendung der mit Schreiben vom 23. Mai 2016 erhobenen Anhörungsrüge an Rechtsanwalt Lars M. war zur Klärung der Frage geboten, ob der u.a. für den Aufgabenkreis "Rechtsangelegenheiten" bestellte Betreuer der Antragstellerin seine Einwilligung zur Einlegung dieses Rechtsbehelfs erteilt hatte. Denn die Antragstellerin kann derartige mit einem Kostenrisiko verbundene Prozesshandlungen wirksam nur mit Zustimmung ihres Betreuers vornehmen. Das von der Antragstellerin beanstandete Handeln des Richters war daher von vornherein ungeeignet, Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit zu begründen. In der Übersendung des Anhörungsrügeschreibens an den Betreuer liegt auch kein öffentliches Zugänglichmachen des Schreibens. Dass die Antragstellerin mit ihren prozessualen Begehren bisher ohne Erfolg geblieben ist, liegt - wie aus den Gründen der jeweiligen Beschlüsse ersichtlich - u.a. daran, dass sie nicht befugt ist, in Rechtsangelegenheiten ohne Zustimmung ihres Betreuers zu handeln und es zudem an der für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erforderlichen Vertretung gemäß § 67 Abs. 4 VwGO gefehlt hat.

6 2. Auch die Anhörungsrüge ist unzulässig. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Bundesverwaltungsgericht, wie sie § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 VwGO verlangt. Die bloße Wiederholung rechtsirriger Auffassungen lässt nicht einmal ansatzweise einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Antragstellerin erkennen. Auch wurde die Anhörungsrüge nicht gemäß § 152a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 67 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO durch eine Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer in der Vorschrift näher bezeichneten Hochschule erhoben.

7 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird für das Rügeverfahren in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen.