Beschluss vom 12.05.2009 -
BVerwG 4 B 34.09ECLI:DE:BVerwG:2009:120509B4B34.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2009 - 4 B 34.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:120509B4B34.09.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 34.09

  • Hessischer VGH - 03.02.2009 - AZ: VGH 3 A 1207/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

3 a) Die Rechtsfrage, ob und inwieweit bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Veränderungssperre bzw. dem Vorliegen einer rechtswidrigen Verhinderungsplanung das vorherige Vorgehen einer Gemeinde zu berücksichtigen ist oder ob lediglich - unter Außerachtlassung der vorherigen Umstände sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art - auf die zuletzt geltende Veränderungssperre abgestellt werden kann, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie der Verwaltungsgerichtsgerichtshof zu Gunsten der Klägerin beantwortet hat. Er hat nämlich berücksichtigt, dass der Wille zur Verhinderung des Bauvorhabens der Klägerin tatsächlich zunächst der maßgebliche Impuls der Beklagten zum planerischen Tätigwerden gewesen ist (UA S. 22). Wenn er die mit der letzten Veränderungssperre gesicherte Planung gleichwohl nicht als unzulässige Verhinderungsplanung gewertet hat, so beruht dies darauf, dass er sich von der planerischen Vorstellung der Beklagten überzeugt hat, dem vormals von der Brennelementeproduktion geprägten geschlossenen Industriegebiet nunmehr einen anderen, auch für Gewerbebetriebe geöffneten Charakter geben zu wollen (UA S. 23).

4 An diese, ihr ungünstige Würdigung des Sachverhalts knüpft die Klägerin die Frage, ob und inwieweit das Geschehen vor Erlass einer Veränderungssperre bei der Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit zu berücksichtigen ist, wie etwa
- die öffentlichen Äußerungen der Organe des Oberbürgermeisters einer Gemeinde, man werde dem Vorhaben „alles Mögliche an Knüppeln zwischen die Beine werfen“,
- die aktenkundige Einschaltung eines Rechtsberaters mit dem Ziel der Erarbeitung konkreter Verhinderungsmöglichkeiten zur Ablehnung eines Bauvorhabens,
- der Erlass von insgesamt drei Veränderungssperren während des Genehmi-gungs- bzw. des gerichtlichen Verfahrens.

5 Diese Frage ist einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich, weil ihre Beantwortung, wie die beispielhaften Konkretisierungen zeigen, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die Wahl abstrahierender Formulierungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Klägerin in Wahrheit die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung kritisiert, die Beklagte betreibe keine unzulässige Verhinderungsplanung. Damit kann sie die Zulassung der Grundsatzrevision nicht erreichen.

6 b) Die Frage nach dem Verhältnis der Planungshoheit der Gemeinde zum Fachplanungsrecht nötigt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie so unbestimmt-offen formuliert ist, dass sie nur für eine Vielzahl gedachter Fälle nach Art eines Lehrbuchs beantwortet werden könnte. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens. Die Frage, ob und inwieweit sich eine Gemeinde unter Berufung auf ihre Planungshoheit zur Sachwalterin privater Interessen erheben kann bzw. ob und inwieweit sie im Rahmen ihrer Planung in den Kompetenzbereich der Fachbehörden (hier der Strahlenschutzbehörden) eingreifen kann, verkennt wiederum, dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit eine der Klägerin nachteilige Rechtsposition nicht eingenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beklagten weder die Befugnis zugestanden, sich zur Sachwalterin privater Interessen zu machen, noch ihr erlaubt, sich die Kompetenz einer Fachbehörde anzueignen. Er hat der Beklagten vielmehr bescheinigt (UA S. 23), sich innerhalb ihrer Befugnisse gehalten zu haben, „da sie auch im Rahmen der Bauleitplanung mit in ihren Abwägungsprozess einzustellen hat, welche Auswirkungen bestimmte Nutzungen auf andere im Plangebiet vorgesehene Nutzungsarten oder außerhalb des Plangebiets vorgesehenen Nutzungen haben bzw. haben werden“. An dieser Aussage geht die Fragestellung der Klägerin vorbei.

7 c) Die Grundsatzrevision ist ferner nicht zur weiteren Klärung der Frage zuzulassen, unter welchen Voraussetzungen eine Veränderungssperre als Sicherungsmittel rechtlich ausscheidet. Die Klägerin legt nicht dar, dass der Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, eine Veränderungssperre dürfe u.a. dann nicht erlassen werden, wenn rechtliche Mängel der Planung schlechterdings nicht behebbar seien (Beschluss vom 21. Dezember 2005 - BVerwG 4 BN 61.05 -), der Fortentwicklung bedarf. Sie bedient sich der Grundsatzrüge stattdessen, um zu rügen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, die Planung der Beklagten beschwöre sehenden Auges Konflikte herauf, indem sie ein Industriegebiet mit bestandsgeschützten Betrieben der Nuklear- und Chemieindustrie zu einem Gewerbegebiet mache. Insoweit gilt freilich auch hier, dass mit der einzelfallbezogenen Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht dargelegt werden kann.

8 d) Schließlich lösen die Rechtsfragen zu § 1 Abs. 3 BauGB die Zulassung der Revision nicht aus. Erneut und wiederum irrig benutzt die Klägerin das Institut der Grundsatzrüge, um dem Verwaltungsgerichtshof eine unzutreffende Sachverhaltswürdigung vorzuhalten, nämlich nicht erkannt zu haben, dass sich die Begründungen aller drei erlassener Veränderungssperren in leeren Worthülsen erschöpfen und lediglich vorgeschoben sind, um einen angeblichen planerischen Willen der Beklagten vorzutäuschen.

9 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

10 Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Er ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die von der Klägerin bemühte Entscheidung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - (Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2) sich nicht zu § 1 Abs. 3, Abs. 7 BauGB verhält. Auf diese Bestimmungen ist aber die von der Klägerin beanstandete Aussage (UA S. 23) gemünzt, es sei nicht zu beanstanden, „dass die Beklagte die mit der Errichtung von Zwischenlagern radioaktiver Abfälle aus dem Bundesgebiet und/oder dem Ausland, gleich welcher Herkunft, verbundenen Probleme bauleitplanerisch auch unter dem Gesichtspunkt sicherheitsrelevanter Aspekte betrachtet und mit in ihre Erwägungen einstellt, welche Chancen eine Neuorientierung des Plangebiets bei weiterer Zulassung derartiger Zwischenlager hätte“. Im Übrigen ging es in der Entscheidung vom 26. März 2007 um eine andere Rechtsfrage als vorliegend, nämlich nicht um die Frage nach der Reichweite der Befugnis einer Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung, sondern um die Frage, ob eine Gemeinde unter Berufung auf ihre Planungshoheit einen atomrechtlichen Planfeststellungsbeschluss anfechten kann. Die Entscheidung vom 26. März 2007 enthält daher auch keinen abstrakten Rechtssatz des Inhalts, auf die mit der Errichtung von Zwischenlagern für radioaktive Abfälle verbundenen Probleme dürfe die Bauleitplanung nicht reagieren.

11 Die Kostenentscheidung beruht § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.