Beschluss vom 12.01.2009 -
BVerwG 8 B 84.08ECLI:DE:BVerwG:2009:120109B8B84.08.0

Beschluss

BVerwG 8 B 84.08

  • VG Halle - 24.06.2008 - AZ: VG 1 A 298/06 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Die Beschwerde versäumt es schon, den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen. Das Beschwerdevorbringen wird generell damit umrissen, dass es in der Sache im engeren Sinne grundsätzlich darum gehe, wie vermögensentziehende Maßnahmen der DDR-Staatsorgane gegenüber kommunalen Stiftungen zu beurteilen sind, wenn diese selbst als Stiftungsorgane auftraten. Das Verwaltungsgericht habe den Aspekt nicht beleuchtet, dass die Klägerin nicht erst durch den Kaufvorgang selbst betroffen gewesen sei. Vielmehr seien seit 1945 die juristisch selbständigen Stiftungen einer zielgerichteten Kollektivverfolgung aus systempolitischen Gründen unterlegen gewesen, die auf systematische Ausblutung und Existenzbeseitigung der Stiftungen als juristische Personen ausgerichtet gewesen seien. Dieses Vorbringen zeigt keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mit fallübergreifendem Gewicht auf.

3 Soweit die Beschwerde meint, die widerlegbare Vermutung für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust, die gemäß § 1 Abs. 6 VermG nur begrenzt auf nationalsozialistische Verfolgungsfälle im Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 gelte, müsse durch ergänzende Auslegung über eine Analogie auf Veräußerungen kommunalen Stiftungsvermögens nach der SED-Machtübernahme angewendet werden, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Es liegt weder eine planwidrige Regelungslücke vor, noch ist die Interessenlage der Klägerin mit dem Kreis der Verfolgten im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG vergleichbar. § 1 Abs. 6 VermG enthält eine - über die Gemeinsame Erklärung hinausgehende - inhaltliche Erweiterung des Restitutionsgrundsatzes. Er bezieht Vermögensverluste unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in den Geltungsbereich des Gesetzes mit ein. Soweit der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 7 VermG, der auf Nr. 9 der Gemeinsamen Erklärung zurückgeht, die Restitution von Vermögensentziehungen geregelt hat, die im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlichen Entscheidungen früherer DDR-Behörden erfolgt sind, verbietet sich ebenfalls mangels Vergleichbarkeit eine Analogie. Bei § 1 Abs. 7 VermG handelt es sich grundsätzlich um einen Rechtsfolgenverweis (zu Ausnahmen vgl. Urteil vom 6. August 2008 - BVerwG 8 C 2.08 - NJ 2008, 569), d.h. § 1 Abs. 7 VermG schafft keinen eigenen Restitutionstatbestand, sondern ist anspruchsbegrenzender Natur. Er setzt die Aufhebung einer durch eine rechtsstaatswidrige Entscheidung herbeigeführten Vermögenseinziehung durch die dafür nach „anderen Vorschriften“ zuständigen Stellen voraus bzw. die der Aufhebung entsprechende Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit (Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1).

4 2. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht verfahrensfehlerhaft gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).

5 Die Klägerin hält dem Verwaltungsgericht vor, sie habe wegen eines unterlassenen richterlichen Hinweises, dass das Ruhen des Verfahrens nicht angeordnet werde, nicht mehr zur Sache vorgetragen. Es habe innerhalb der erstinstanzlichen Korrespondenz keine inhaltliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien stattgefunden. Auch in der mündlichen Verhandlung sei eine ausführliche Erörterung der politisch motivierten Verfolgung von kommunalen Stiftungen in der DDR nicht mehr möglich gewesen.

6 Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Beteiligten müssen demgemäß auch Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können (Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177; vom 15. August 1991 - BVerwG 4 C 11.90 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 238 und vom 5. März 1992 - BVerwG 3 C 48.90 - Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr. 31).

7 Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2008 hat der Bevollmächtigte der Klägerin übereinstimmend mit dem Vertreter der Beklagten erklärt, dass die Anordnung, das Verfahren ruhen zu lassen, nicht mehr begehrt wird. In Anbetracht dessen, dass die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde und die Beteiligten im Anschluss daran ihre Sachanträge gestellt haben, musste die Klägerin davon ausgehen, dass das Gericht in der Sache entscheiden und nicht das Ruhen des Verfahrens anordnen wird. Der Klägerinbevollmächtigte hatte im übrigen sowohl im Klageverfahren ausreichend Gelegenheit, sich schriftlich zur Streitsache zu äußern, als auch in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit, sich um eine Schriftsatzfrist zu bemühen, wenn aus seiner Sicht weiterer Sach- und Rechtsvortrag geboten war. Es fällt in seinen Verantwortungsbereich, wenn er die Prozesssituation nicht richtig einschätzt und es unterlässt, auf aus seiner Sicht bedeutsame Aspekte hinzuweisen und eine entsprechende Schriftsatzfrist zu beantragen.

8 Durch die kurzfristige Beiladung der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht berührt.

9 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.