Urteil vom 11.11.2003 -
BVerwG 1 D 11.03ECLI:DE:BVerwG:2003:111103U1D11.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.11.2003 - 1 D 11.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:111103U1D11.03.0]

Urteil

BVerwG 1 D 11.03

  • BDiG, Kammer I - ... -, - 14.01.2003 - AZ: BDiG I VL 9/01 -

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Diziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. November 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Fernmeldebetriebsinspektorin Ursel B e s t ,
Technischer Amtsinspektor Ulrich P r i e t z e l
als ehrenamtliche Richter
sowie
Leitender Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
und
Justizangestellte ... ,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Lokomotivbetriebsinspektors a.D.
  2. ... gegen das Urteil des Bundesdiziplinargerichts, Kammer I - ... -, vom 14. Januar 2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den am ... in ... geborenen Ruhestandsbeamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
unerlaubt mit Betäubungsmitteln gehandelt hat.
Im sachgleichen Strafverfahren ist der Beamte durch Urteil des Landesgerichts L. vom 19. Dezember 2000 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 14. Januar 2003 dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt und ihm einen Unterhaltsbeitrag von 75 v.H. auf die Dauer von 12 Monaten bewilligt. Es hat seiner Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO folgende tatsächliche Feststellungen im rechtkräftigen Urteil des Landgerichts L. zugrunde gelegt:
"Der Angeklagte (das ist der Beamte) war im Februar 1999 zu einer Geburtstagsfeier des mit ihm befreundeten Zeugen U. U. eingeladen. Auf dieser Geburtstagsfeier wurde dem Angeklagten nach seiner unwiderlegten Einlassung der gesondert verfolgte R. G. vorgestellt. Der Angeklagte und G. kamen nicht ausschließbar miteinander ins Gespräch. Man stellte fest, dass man ein gemeinsames Hobby besaß: den Kraftsport. Der Angeklagte, der in den Jahren 83 bis 87 ein Kraftsportstudio in A. betrieb und früher auch Kraftsportler bei der Hessenmeisterschaft betreute, hatte in dieser Zeit auch für Sportkameraden Trainingspläne und Kraftsportlerernährungspläne aufgestellt. Im Rahmen dessen hatte der Angeklagte auch Stoffe zur Leistungssteigerung besorgt. Der Angeklagte und G. unterhielten sich angeregt über die Möglichkeiten eines Kraftsporttrainings. G. erkannte, dass er in dem Angeklagten einen kompetenten Gesprächspartner hatte. Auch in den Folgewochen trafen sich G. und der Angeklagte, um weiter über ihr Hobby zu sprechen. G. bat den Angeklagten, ihm bei Ausarbeitung eines Trainingsprogrammes zu helfen. In der Folgezeit trat G. an den Angeklagten heran, weil er im Rahmen der Gespräche mitbekommen hatte, dass dieser noch intensive Kontakte zur aktiven Kraftsportszene hatte. G. eröffnete dem Angeklagten seinen Wunsch, dieser möge ihm die in der Wettkampfphase bei Kraftsportlern gelegentlich verwendeten Aufputschmittel Ephitrin und insbesondere Amphetamine besorgen. Darüber hinaus bat G. den Angeklagten auch um Kokain und Ecstasy-Tabletten. Der Angeklagte versprach G., sich einmal umhören zu wollen.
Der Angeklagte sprach einen Bekannten namens T. M. an. Er erhielt von diesem bei einem Treffen im März 2000 vier verschlossene Beutel zu je 100 g und einen angebrochenen Beutel mit 40 - 50 g eines weißen, trockenen, amphetaminähnlichen Pulvers. Hierbei handelte es sich um eine bislang auf dem Markt unbekannte Designerdroge mit dem Wirkstoff 4-MOPPP [2-(Pyrrolidin-1-yl)-1-(p-methoxyphenyl)propan-1-on]. Als wirksame Dosis werden 50 - 100 mg vermutet. Gesicherte Erfahrungen fehlen.
Diese chemische Substanz ist nicht in der Anlage I zu § 1 BtMG aufgeführt. Sie ist chemisch eng verwandt mit einer Verbindung 4-MPPP. Bei dieser Substanz handelt es sich ebenfalls um eine Designerdroge, die ursprünglich nicht dem BtMG unterfiel. Nach deren Auftauchen wurde sie auf Betreiben der Strafverfolgungsbehörden unter Nr. 23 Anlage I Teil A) zu § 1 BtMG aufgeführt. Nachdem dies geschehen war, erschien die synthetische Droge mit dem Wirkstoff 4-MOPPP auf dem Markt. Das HLKA strebt an, die Aufnahme auch dieses Stoffes in der Anlage I Teil A) zu § 1 BtMG zu bewirken. Ziel der synthetischen Herstellung des Stoffes 4-MOPPP war, eine Substanz zu erzeugen, die nicht dem BtMG unterliegt, aber so wirkt wie Betäubungsmittel. Es sollte eine Lücke im BtMG ausgenutzt werden.
M. übergab dem Angeklagten ferner mindestens 155 blaue Tabletten. Diese Tabletten waren mit einem so genannten Phönix-Impressum versehen. Sie werden in der Drogenszene W. als blaue Reichsadler bezeichnet, weil der Eindruck eine adlerähnliche Gestalt aufweisen soll. Eine blaue Tablette mit dem Gewicht von 1,17 g enthielt die Wirkstoffe: N-Benzylpiperazin, m-Trifluormethylphenylpiperazin (TFMPP) und PCMPA. Die Wirkstoffe N-Benzylpiperazin und TFMPP sind Komponenten, die im Chemikalienhandel beziehbar sind. Diese haben eine amphetamin- und ecstasyartige Wirkung. Der dritte in dieser 'blauen Reichsadler'-Tablette gefundene hochwirksame Wirkstoff PCMPA wurde in der 13. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung vom Oktober 1999 unter Nr. 24 in der Anlage I Teil A) aufgenommen. Hierbei handelt es sich um ein so genanntes Phencyclidin (PCP)-Derivat. M. brachte auch mindestens 28 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % mit.
Es ließ sich nicht ausschließen, dass der Angeklagte diese Stoffe auf Kommissionsbasis übernahm, der Verkaufserlös zwischen M. und dem Angeklagten geteilt werden sollte und der Angeklagte an M. im Nachhinein einen Geldbetrag in einer Größenordnung von 1 000 bis 1 200 DM zahlte. Zwischen dem Angeklagten und M. wurde für das amphetaminähnliche Pulver ein Preis von 5,00 DM/g vereinbart, für die 'blauen Reichsadler' 3,00 DM pro Tablette und für das Kokain 60,00 DM/g. Es konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte das Pulver, die Tabletten und das Kokain als eine einheitliche Lieferung an G. abgeben wollte. Es konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass M. dem Angeklagten erklärte, bei dem amphetaminähnlichen Pulver handele es sich um einen Stoff, auf den im Augenblick das Betäubungsmittelgesetz noch nicht anwendbar sei. Es konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte sämtliche Verkäufe aus dieser einen, ihm von M. übergebenen Menge tätigte. Die Kammer konnte auch nicht ausschließen, dass G. dem Angeklagten im Nachhinein erklärte, er könne nicht alles auf einmal kaufen, und den Erwerb des Kokains mit der Begründung ablehnte, es sei ihm zu lasch. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte daraufhin entschloss, die Stoffe in kleineren Mengen an G. abzugeben. Er verkaufte jedenfalls im Folgenden das amphetaminähnliche Pulver an die gesondert verfolgten R. G. und A. A. als Amphetamin. Beide waren der Meinung, dass es sich bei dem Pulver um Amphetamin handele, und stuften dieses als Amphetamin guter Qualität ein. Die 'blauen Reichsadler' verkaufte der Angeklagte an G. und A. als Ecstasy.
Verkäufe an G.:
In der Zeit zwischen Ende April 1999 bis Dezember 1999 (vor Weihnachten) verkaufte der Angeklagte an den gesondert verfolgten R. G. bei mindestens sechs Verkaufsakten insgesamt 160 g des amphetaminähnlichen Pulvers und mindestens 100 'blaue Reichsadler' zu Preisen von 8,00 DM/g Pulver und 8,00 DM pro Tablette. Bei der ersten Lieferung fuhren G. und A. zum Hause des Angeklagten. G. erklärte A., er wolle jetzt 'Stoff' bei L. besorgen. A. verblieb im Fahrzeug. Bei diesem ersten Geschäft erhielt G. von dem Angeklagten den angebrochenen Beutel mit dem Gewicht von 40 - 50 g des Pulvers sowie 20 'Reichsadler'. Im Übrigen konnten keine genauen Feststellungen getroffen werden, welche exakte Menge bei den einzelnen Verkäufen übergeben wurden.
Verkäufe an A.:
A. bezog zunächst von G. Amphetamine. Nach Meinungsverschiedenheiten mit G. führte er etwa Mitte März 2000 (etwa vier Wochen vor Ostern) mit dem Angeklagten ein Anbahnungsgespräch zur Lieferung von Betäubungsmitteln. Er erhielt eine kleine Probe eines als Amphetamin angegebenen Stoffes. Beide wurden sich einig, dass A. beim Angeklagten in der Folgezeit kaufen könne. Sie wurden sich auch über die Preise einig, die denen im Verhältnis des Angeklagten zu G. entsprachen (8,00 DM/g Amphetamin und pro Tablette Ecstasy). Pro Gramm Kokain wurde ein Preis von mindestens 100,00 DM vereinbart.
In der Zeit zwischen Mai 2000 und dem 02. Juli 2000 kaufte A. vom Angeklagten 4 x jeweils mindestens 20 g des als Amphetamin behandelten Pulvers sowie 2 x 20 'blaue Reichsadler' und 1 x 15 bis 16 'blaue Reichsadler'. Das genaue Datum der ersten beiden Verkäufe konnte nicht festgestellt werden. Bei dem ersten Treffen erschien A. beim Angeklagten. Er erhielt 20 g des Pulvers und 20 Tabletten. Das zweite Treffen fand Anfang Juni bei A. statt. Der Angeklagte fuhr zu A., auch um sich einen 'Motorrad-Chopper' anzuschauen. Das dritte Treffen fand am 30. Juni wiederum beim Angeklagten statt. Bei dem letzten Kauf am 02. Juli erhielt A. 20 g des Pulvers. Der Angeklagte verkaufte ferner an A. in der genannten Zeitspanne bei den erwähnten Verkäufen mindestens 10 g Kokain zu einem Preis von 100,00 DM. Es handelte sich einmal um einen Verkauf von 5 g, im Übrigen um Abgaben kleinerer Mengen. Nähere Einzelheiten konnten insoweit nicht festgestellt werden.
Nachdem der gesondert verfolgte A. von der Polizei festgenommen wurde und den Angeklagten als seinen Lieferanten benannt hatte, wurde dieser am 04. Juli 2000 festgenommen. Im Rahmen einer Durchsuchung am 05. Juli 2000, die zunächst ergebnislos verlief, entschloss sich der Angeklagte, nunmehr reinen Tisch zu machen, und führte die Polizeibeamten in ein Nachbarhaus in einen Keller. Dort schloss der Angeklagte einen kleinen Raum auf. In diesem befand sich im hinteren Bereich ein roter Metallkoffer, der mit zwei kleinen Schlössern abgeschlossen war. Der Angeklagte öffnete den Koffer und händigte den Polizeibeamten zwei Beutel (Gewicht 103 g und 104 g) mit den restlichen bei ihm verbliebenen 4-MOPPP und ca. 18 g Kokainzubereitung sowie weitere Medikamente und Aufputschmittel für den Bodybuildingsportbereich aus. Die Ermittlungsbehörden hatten keine Hinweise auf dieses Versteck."
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht L. u.a. zugunsten des Beamten § 31 BtMG angewandt, weil er seinen Lieferanten M. benannt hat. Andernfalls - so ist in dem Strafurteil ausdrücklich festgehalten - hätte es auf eine Freiheitsstrafe etwa in Höhe der von der Staatsanwaltschaft beantragten zwei Jahre erkannt.
Das Bundesdisziplinargericht hat das Handeln des Ruhestandsbeamten mit Betäubungsmitteln als Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG und als außerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG gewertet, weil das Verhalten des Ruhestandsbeamten im besonderen Maße zu Ansehens- und Vertrauensbeeinträchtigung geeignet sei. Auch sei diese Beeinträchtigung allgemein bedeutsam; denn der Beamte habe eine besondere Verantwortungslosigkeit gezeigt, indem er wiederholt durch die Verkäufe von Stoffen, die dem Betäubungsmittelgesetz unterlägen, dazu beigetragen hätte, dass die Gesundheit Dritter durch die Aufnahme dieser Stoffe gefährdet, wenn nicht gar geschädigt werde.
Zu Lasten des Ruhestandsbeamten sei der lange Tatzeitraum zu berücksichtigen. So habe er zunächst im Jahr 1999 über etwa ein 3/4 Jahr mit dem amphetaminähnlichen Pulver und den "blauen Reichsadlern" gehandelt. Statt dann sein strafbares Handeln zu beenden, habe er selbiges im Mai 2000 bis zu seiner Verhaftung erneut aufgenommen und sei in diesem Zeitraum auch nicht davor zurückgeschreckt, ca. 10 g des in seinem Besitz befindlichen Kokains von insgesamt 28 g in mehreren Teilmengen zu verkaufen. Ferner sei erschwerend zu berücksichtigen, dass der Handel mit einer nicht geringen Menge im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes - hier 10 g - festgestellt worden sei. Der erhebliche kriminelle Gehalt der Gesamtverfehlung zeige sich auch an der ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Die vom Landgericht L. verhängte Freiheitsstrafe von 11 Monaten sei nur um einen Monat unter der Grenze von 12 Monaten Freiheitsstrafe geblieben, bei der das Beamtenverhältnis gemäß § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG kraft Gesetzes geendet hätte. Diese strafrechtliche Einstufung der Verhaltensweisen des Ruhestandsbeamten durch das Strafmaß habe auch präjudizielle Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme, da hier die Ansehensschädigung und Vertrauensbeeinträchtigung von den Straftaten selbst und ihren einzelnen Umständen abhingen. Durchgreifende Milderungsgründe lägen nicht vor.
Aufgrund des feststehenden kriminellen Verhaltens des Ruhestandsbeamten sei das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn als endgültig zerstört anzusehen und die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen.
3. Gegen dieses Urteil hat der Ruhestandsbeamte nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Er trägt im Wesentlichen vor:
Das Bundesdisziplinargericht habe den Milderungsgrund der erheblichen freiwilligen Mitwirkungshandlung des Beamten, die ohne die Erwartung einer strafrechtlichen Begünstigung erfolgt sei, übersehen, und die Bemühungen des Beamten zur Auf-deckung und Zerstörung einer Drogenproduktion nicht angemessen gewürdigt. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 26. November 1997 (BVerwG 1 D 57.97 ) festgestellt, dass eine Mitwirkungshandlung eines strafrechtlich verfolgten Beamten zur Überführung und strafrechtlichen Verfolgung Dritter grundsätzlich nicht geeignet sei, das erhebliche Fehlverhalten des Beamten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Dies sei im Wesentlichen mit dem Druck des laufenden Ermittlungsverfahrens und seiner gewählten Verteidigungsstrategie zu begründen. Dies gelte jedoch nicht, wenn, wie hier, Tatsachen vorlägen, die für eine Freiwilligkeit der Mitwirkung sprächen, wie sie das Bundesdisziplinargericht zwar festgestellt, aber nicht gewürdigt habe:
Die am 5. Juli 2000 erfolgte Hausdurchsuchung bei ihm, dem Beamten, wäre nämlich ergebnislos verlaufen, hätte er sich nicht im Zuge der Hausdurchsuchung den Ermittlungsbehörden vollkommen freiwillig und in Kenntnis möglicher strafrechtlicher Konsequenzen offenbart. Er habe, wie das Landgericht L. zutreffend festgestellt habe, zu keinem Zeitpunkt mit der Entdeckung der gefundenen Betäubungsmittel rechnen müssen. Erst durch seine Offenbarung sei eine strafrechtliche Verfolgung und schließlich seine eigene Verurteilung wegen nicht unerheblichen Besitzes von Betäubungsmitteln möglich geworden, zumal die Glaubwürdigkeit des einzigen Belastungszeugen A. als gering einzuschätzen gewesen sei. Ihm, dem Beamten, sei bewusst gewesen, dass durch die Hausdurchsuchung erhebliche Beweise zu Tage kämen, die ihn strafrechtlich außerordentlich belasten würden. Dennoch habe er sich entschlossen, in allen Belangen nunmehr "reinen Tisch" zu machen. Die Bewertung seiner Mitwirkungshandlung als eine ausschließlich in Erwartung einer milderen Bestrafung gemachten Handlung sei nicht folgerichtig: Hätte er sich nicht offenbart, hätte ihm zumindest eine viel geringere Strafe gedroht, als sie tatsächlich verhängt worden sei, weil der Umfang des Drogenbesitzes ungeklärt geblieben wäre. Er habe nicht nur in einer Zwangslage an der Aufklärung mitgewirkt, sondern aus tätiger Reue und Abkehr von seinem Fehlverhalten. Dieses spezifische Verhalten sei aufgrund der genannten Besonderheiten rechtlich der freiwilligen Offenbarung vor Entdeckung der Tat gleichzustellen. Durch die Benennung seines eigenen Lieferanten und durch die aktive Mitwirkung an der damit ermöglichten Ermittlung des Herstellers der synthetischen Drogen sei überdies eine ganz erhebliche Gefahrenquelle in Form einer Produktionsstätte beseitigt worden.

II


Die Berufung des Ruhestandsbeamten hat keinen Erfolg.
Das Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nach bisherigem Recht, d.h. nach den Verfahrensregeln und -grund-sätzen der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist auf das Disziplinarmaß beschränkt. Der Senat ist daher an die Tat- und Schuldfeststellungen des Bundesdisziplinargerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als außerdienstliches Dienstvergehen gebunden; er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
1. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat der Ruhestandsbeamte durch das vom Strafgericht geahndete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn schwer belastet. Dieser Vertrauensverlust wiegt so schwer, dass dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen ist.
Das Bundesdisziplinargericht ist zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Senats zur disziplinaren Einstufung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ausgegangen. Der Senat hat wiederholt zu erkennen gegeben, dass auch das Anliegen des Gesetzgebers, mit dem Betäubungsmittelgesetz den schädlichen Auswirkungen des Zunehmens des Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren von dem Einzelnen, aber auch von der Allgemeinheit, insbesondere von der Jugend, abzuwehren, bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen ist (vgl. z.B. Urteil vom 12. Juli 1994 - BVerwG 1 D 31.93 - ZBR 1995, 26 m.w.N.). Wer diesen staatlichen Zielen zuwider handelt, offenbart regelmäßig eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit. Das ist auch dienstrechtlich von erheblicher Bedeutung. Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich wird allerdings das disziplinare Gewicht des Dienstvergehens maßgebend von den besonderen Umständen des Einzelfalls bestimmt (stRspr, z.B. Urteil vom 7. Mai 1996 - BVerwG 1 D 82.95 - BVerwGE 103, 316 <320>). Dies bedeutet, dass in schweren Fällen eine dem förmlichen Disziplinarverfahren vorbehaltene Maßnahme, d.h. bei einem aktiven Beamten eine Gehaltskürzung, Degradierung oder in besonders schweren Fällen sogar die Entfernung aus dem Dienst oder - wie hier bei einem Ruhestandsbeamten - die Aberkennung des Ruhegehalts zu verhängen ist (vgl. z.B. Urteil vom 7. Mai 1996 a.a.O.; Urteil vom 29. April 1986 - BVerwG 1 D 141.85 -; Urteil vom 25. Ok-tober 1983 - BVerwG 1 D 37.83 - = DÖD 1984, 88).
2. Hier liegen erschwerende Umstände vor, die es erfordern, auf die bei einem Ruhestandsbeamten mögliche Höchstmaßnahme zu erkennen. Diese erschwerenden Umstände hat die Vorinstanz zutreffend erörtert: Der Ruhestandsbeamte hat über einen längeren Zeitraum, nämlich von Ende April 1999 bis zu seiner Festnahme im Juli 2000 mit Betäubungsmitteln gehandelt. Er unterhielt als Verkäufer von Betäubungsmitteln Verkaufbeziehungen zu mindestens zwei Personen. Besonders erschwerend ist, dass der Ruhestandsbeamte u.a. wegen Handeltreibens mit der harten Droge Kokain (mindestens 10 g zu einem Preis von 100 DM/g) verurteilt worden ist. Er selbst war es, der auf Nachfrage initiativ geworden ist, um die von G. gewünschten Suchtstoffe zu organisieren. Dem Beamten musste klar sein, dass er sich damit auf ein kriminelles Milieu einließ. Auch die von dem Ruhestandsbeamten erzielten Verkaufserlöse waren nicht unerheblich und offenbarten damit beträchtlichen Eigennutz: Allein aus den Verkäufen an den strafgerichtlich gesondert verfolgten Angeklagten G. muss der Ruhestandsbeamte mindestens 2 080 DM erzielt haben. Aus den Verkäufen an A. errechnet sich ebenfalls ein Verkaufserlös von mindestens 2 080 DM. Die von ihm erzielten Gewinnspannen lagen zwischen 37,5 % und 62,5 % der Verkaufserlöse.
Auch wenn bei Drogendelikten anders als bei Zugriffsdelikten kein Katalog anerkannter Milderungsgründe existiert, sondern Milderungsgründe jeglicher Art von Bedeutung sein können, kommt dem Ruhestandsbeamten ein solcher nicht zugute. Entgegen seinem Vorbringen in der Berufung kann ihm der Milderungsgrund der Offenbarung vor Tatentdeckung nicht zugebilligt werden. Ob der Ruhestandsbeamte den Ermittlungsbeamten die in einem Nebenhaus versteckte Ware freiwillig gezeigt hat, kann offen bleiben. Im Strafverfahren ist der Ruhestandsbeamte wegen unerlaubten Handeltreibens (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und n i c h t aber wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) bestraft worden. Die aufgefundene restliche Ware war damit nicht Gegenstand des Strafverfahrens und ist es auch nicht im Disziplinarverfahren geworden. Es ist auch nicht etwa so, dass der Ruhestandsbeamte durch das Aufzeigen der Waren entgegen einer für ihn günstigen Beweissituation reinen Tisch gemacht hätte. Auch nach der zunächst erfolglosen Durchsuchung war nämlich diese Situation für ihn keineswegs günstig. Er war bereits dem Zeugen A. gegenübergestellt worden, wusste, dass dieser ihn belasten konnte, und musste sich auch darüber im Klaren sein, dass dieser es war, der die Polizei auf seine Spur gebracht hatte. Ebenso wusste er, dass A. aufgrund der vorausgegangenen Dreiecksgeschäfte den G. als weiteren Zeugen benennen konnte, der seinerseits dem Beamten nicht sonderlich wohlgesonnen war. Die Sache stand daher für den Ruhestandsbeamten schlecht. Das Vorzeigen der restlichen Ware muss daher als schwacher Versuch gewertet werden, zu retten, was noch zu retten war.
Die Benennung des Lieferanten M. führte im Strafverfahren nach § 31 Nr. 1 BtMG dazu, dass die Verurteilung unter einem Jahr blieb und nicht kraft Gesetzes zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führte. Dieser vom Strafgericht bereits mildernd berücksichtigte Gesichtspunkt ist nicht von solchem Gewicht, dass er dem Ruhestandsbeamten im Disziplinarverfahren sozusagen ein zweites Mal zugute kommen und zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen könnte. Dieses nachträgliche Wohlverhalten ist erst durch nachdrückliches, ergebnisorientiertes Einwirken des Verteidigers zustande gekommen und kann das vertrauenszerstörende strafbare Verhalten nicht annähernd aufwiegen. Es hat den seinerzeit noch aktiven Beamten zwar vor einer sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses nach § 48 Nr. 1 BBG bewahrt. Dieser Umstand allein kann jedoch nicht dazu führen, dass das Beamtenverhältnis - nunmehr das eines Ruhestandsbeamten - auch über das Disziplinarverfahren hinaus fortgesetzt werden müsste. Dazu hätten weitere Gesichtspunkte hinzutreten müssen, welche zu Zeiten des aktiven Dienstes die Annahme eines Restvertrauens in den Beamten noch hätten rechtfertigen können. Solche zusätzlichen Milderungsgründe, wie sie beispielsweise im Urteil des Senats vom 14. Dezember 2000 (BVerwG 1 D 40.99 ) zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führten (fehlendes Gewinnstreben; eigene Drogenabhängigkeit; Schicksalsschlag, der den Beamten aus der Bahn warf; Pflichtverletzung durch agent provocateur veranlasst), sind im vorliegenden Verfahren nicht gegeben. Daher muss es bei der Aberkennung des Ruhestandsgehalts verbleiben.
Mit dem erstinstanzlich bewilligtem Unterhaltsbeitrag hat es sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.