Beschluss vom 11.11.2002 -
BVerwG 8 B 28.02ECLI:DE:BVerwG:2002:111102B8B28.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.11.2002 - 8 B 28.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:111102B8B28.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 28.02

  • VG Weimar - 03.12.2001 - AZ: VG 3 K 1570/99.We

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 4. Dezember 2001 wird dieses Urteil aufgehoben.
  2. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 127 822,97 € (entspricht 250 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Sein Urteil ist eine Überraschungsentscheidung. In seinem Urteil lehnt das Verwaltungsgericht eine Teilrückgabe des streitgegenständlichen Grundstücks mit folgender Begründung ab: Eine Teilrückgabe komme nicht in Betracht, weil sie von der Natur der Sache her unmöglich sei; denn sie führe zu einem rechtswidrigen Zustand. Die Grundstücksfläche wäre für die Kläger ohne die Inanspruchnahme eines Notwegerechts, über das die Verbindung zum öffentlichen Wegenetz hergestellt werden müsste, nämlich nicht nutzbar (vgl. VG-Urteil amtlicher Umdruck S. 21). Von keinem Verfahrensbeteiligten war aber die Frage, ob eine Teilrückgabe unmöglich ist, angesprochen worden. Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht jeden Hinweis auf diesen von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Umstand unterlassen.
Hätte das Verwaltungsgericht die Beteiligten hierauf hingewiesen, hätten die Kläger vortragen können, dass die Aussage in den Entscheidungsgründen des Urteils von tatsächlichen Annahmen ausgeht, die im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen, die das Verwaltungsgericht selbst im Tatbestand seines Urteils getroffen hat, stehen. In den Entscheidungsgründen geht das Verwaltungsgericht nämlich offensichtlich davon aus, dass das Nachbargrundstück (Flur Nr. 16/1) im Eigentum der Beigeladenen steht. Im Tatbestand hat es aber festgestellt, dass dieses Nachbargrundstück an die Kläger zurückübertragen worden ist (vgl. VG-Urteil amtlicher Umdruck S. 5). Über das an eine öffentliche Straße angrenzende in ihrem Eigentum stehende Nachbargrundstück können die Kläger ohne weiteres den Teil des streitgegenständlichen Grundstücks nutzen. Eines Notwegerechts bedarf es hierzu nicht. All dies ist den Beteiligten nunmehr bekannt. Deshalb sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten versucht, die Sache vergleichsweise zu regeln. Die Kläger haben dem Senat den Entwurf eines gerichtlichen Vergleichs vorgelegt und vorgeschlagen diesen aufgrund eines Verfahrens nach § 106 Satz 2 VwGO zu schließen. Der Senat sieht jedoch davon ab, den Beteiligten einen in Form eines Beschlusses ergehenden Vorschlag eines gerichtlichen Vergleichs zu unterbreiten. Zweck des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist es allein, zu prüfen, ob einer der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision vorliegt. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist in diesem Verfahren nicht möglich. Schon dies spricht gegen das von den Klägern angeregte Verfahren. Vor allem aber würde der Senat nur einen Vorschlag machen, den er insgesamt für sachgerecht hält. Dem Senat ist es nicht möglich, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob der Entwurf der Kläger insgesamt sachgerecht ist; denn der Entwurf sieht auch eine Vereinbarung über die Höhe des Kaufpreises für die von den Beteiligten sinnvollerweise angestrebte Veräußerung des Grundstücksteils vor. Ob der genannte Kaufpreis in etwa dem Verkehrswert entspricht, ist dem Senat nicht bekannt.
Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Es bleibt den Beteiligten unbenommen, in dem erneuten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen Vergleich zu schließen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.