Beschluss vom 11.09.2015 -
BVerwG 7 B 21.15ECLI:DE:BVerwG:2015:110915B7B21.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.09.2015 - 7 B 21.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:110915B7B21.15.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 21.15

  • VG Neustadt a. d. Weinstraße - 07.04.2014 - AZ: VG 4 K 726/13.NW
  • OVG Koblenz - 12.03.2015 - AZ: OVG 10 A 10472/14.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. September 2015
durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. März 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG -) vom 26. November 2008 (RP GVBl. 2008, 296) Zugang zu der Kalkulation des Nahwärmepreises in einem Neubaugebiet, für das die Beklagte einen Anschluss- und Benutzungszwang an die Versorgung mit Nahwärme begründet hat. Die Nahwärmeversorgung ist der Beigeladenen übertragen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Dem Anspruch auf Informationszugang stehe der in § 11 Satz 2 LIFG gewährleistete Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen. Die genannte Vorschrift finde auf die Beigeladene Anwendung. Sie stehe zwar nicht im hier in Rede stehenden Baugebiet, aber im übrigen Gemeindegebiet im Wettbewerb zu anderen Anbietern. Diese könnten aus den Unterlagen zur Wärmepreiskalkulation den einheitlichen Gaseinkaufspreis entnehmen und hieraus in Verbindung mit den allgemein zugänglichen weiteren Kostenpositionen die Gewinnmarge der Beigeladenen ermitteln. Dadurch könne ihr ein Wettbewerbsnachteil entstehen.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

3 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4 1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

5 a) Der Kläger rügt, dass das Oberverwaltungsgericht ihm kein Schriftsatzrecht zu den Gasbezugsbedingungen der Beigeladenen und den Rückschlüssen von diesen Bedingungen auf die Preiskalkulation im "Wettbewerbsbereich" gewährt habe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs könnte hierin allenfalls dann liegen, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die mit gerichtlichem Schreiben vom 10. März 2015 in Aussicht gestellte Entscheidung über seinen schriftsätzlich angekündigten Antrag, ihm Schriftsatznachlass zu gewähren, bestanden hätte. Das hat er ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Oberverwaltungsgerichts (GA Bd. III, Bl. 697) nicht getan. Die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert zudem regelmäßig die substanziierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 4 B 4.03 - juris Rn. 4). Auch daran fehlt es hier.

6 b) Eine Verletzung von Beweisgrundsätzen sieht der Kläger darin, dass das Oberverwaltungsgericht der von der Beklagten und der Beigeladenen erstmals in der Berufungsinstanz unternommenen Substanziierung der Betriebsgeheimnisse gefolgt sei. Insoweit verkennt er, dass (angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen sind. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers ist erst überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2012 - 7 BN 6.11 - juris Rn. 13 m.w.N.). Hierfür trägt der Kläger nichts vor. Soweit er einen Verstoß gegen die Darlegungs- und Beweislast rügt, betrifft auch dies eine Frage des sachlichen Rechts (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2012 a.a.O.).

7 c) Der Kläger meint, die Vorinstanzen hätten durch die Beiladung der Gemeindewerke H. GmbH das Gebot fairen Verfahrens verletzt. Das Verfahren nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz sei zweipolig, die Beigeladene von der Beklagten nur intern zu beteiligen. Es verschiebe die prozessuale Chancengleichheit, wenn er auch die Prozesslasten und -kosten der Beigeladenen zu tragen habe.

8 Die Rüge ist unbegründet. Die erfolgte Beiladung ist unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und daher grundsätzlich der Beurteilung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO). Eine Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung erhoben wird, ist deshalb nur dann zulässig, wenn sie sich nicht unmittelbar gegen die revisionsgerichtlich nicht nachprüfbare Vorentscheidung als solche wendet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet; andernfalls würde der gesetzlich angeordnete Beschwerdeausschluss umgangen und damit die aus prozessökonomischen Gründen vorgesehene Bindungswirkung des § 557 Abs. 2 ZPO missachtet werden können (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2013 - 6 B 3.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 55 Rn. 16). Einen weiterwirkenden Mangel des angefochtenen Urteils in diesem Sinne zeigt der Kläger nicht auf. Dass das Gericht der Beigeladenen aufgrund ihrer Beteiligtenstellung (§ 63 Nr. 3 VwGO) rechtliches Gehör gewährt und dem Kläger als unterlegener Partei gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt hat, ist eine typische prozessuale Begleiterscheinung der Beiladung und kein weiterwirkender Mangel im dargelegten Sinne. Unabhängig hiervon zeigt der Kläger nicht auf, warum das Oberverwaltungsgericht die vom Verwaltungsgericht nach § 65 Abs. 2 VwGO ausgesprochene Beiladung (GA Bd. I, Bl. 108) hätte aufheben sollen. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung haben zwar nicht vorgelegen, weil die Beigeladene auch im Falle einer Verpflichtung zur positiven Bescheidung des Informationszugangsantrags nicht Adressatin des begehrten Verwaltungsakts wäre (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - juris Rn. 13). Wenn Informationen begehrt werden, die - wie hier - Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Dritten enthalten können, berührt die Entscheidung über den Informationszugang jedoch rechtliche Interessen des Dritten; dies rechtfertigt eine einfache Beiladung. Auf die Unterscheidung zwischen notwendiger und einfacher Beiladung kam es vorliegend nicht an. Einen abweichenden Sachantrag kann zwar nur ein notwendig Beigeladener stellen (§ 66 Satz 2 VwGO); die Beigeladene hat einen abweichenden Sachantrag aber nicht gestellt. Beklagte und Beigeladene haben sowohl vor dem Verwaltungs- als auch vor dem Oberverwaltungsgericht denselben Sachantrag gestellt.

9 d) Der Kläger sieht schließlich eine Verletzung des fairen Verfahrens, des rechtlichen Gehörs und eine Überraschungsentscheidung darin, dass das Oberverwaltungsgericht das Urteil auf die Versorgungssituation innerhalb des gesamten Gemeindegebiets gestützt habe und damit auf einen Umstand, zu dessen Vortrag es die Berufungsklägerinnen neun Tage vor der Verhandlung aufgefordert habe; er selbst habe keinen Hinweis erhalten, was zur Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils sachdienlich und notwendig sei. Die Behörde müsse das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen selbst und innerhalb der im Landesinformationsfreiheitsgesetz bestimmten Frist für die Entscheidung über einen Antrag auf Informationszugang prüfen.

10 Auch diese Rüge ist unbegründet. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt einseitig ermittelt und dadurch das Gebot fairen Verfahrens verletzt haben könnte, zeigt der Kläger nicht auf. Die Beklagte hatte den Antrag auf Informationszugang von vornherein unter Berufung auch auf den durch § 11 LIFG gewährleisteten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen abgelehnt (vgl. Bescheid vom 7. August 2012, BA 2, Bl. 35). Die Beigeladene hatte bereits in ihrer Berufungsbegründung u.a. unter Beweis gestellt, dass sie sowohl zur Erzeugung der Nahwärme für das Neubaugebiet als auch für die allgemeine Erdgasversorgung ihrer Kunden Erdgas zu den gleichen Bezugskonditionen einkaufe (Schriftsatz vom 21. August 2014, S. 2 <GA Bd. II, Bl. 494>). Ausgehend hiervon hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte und die Beigeladene lediglich um "weitere" Darlegung zur Frage gebeten, ob der Gasbezug für die Versorgung des Neubaugebiets mit Nahwärme und für die übrigen Geschäftsbereiche zu gleichen Bezugskonditionen erfolge (GA Bd. III, Bl. 663). Diese Aufforderung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Welchen Hinweis das Gericht dem Kläger hätte geben sollen und was er hierauf hätte vortragen können, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Da das Oberverwaltungsgericht seinen Hinweis an die Beklagte und die Beigeladene auch dem Kläger zur Kenntnis gegeben hatte und die Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung erörtert hat, konnte seine Erwägung, dass die Kalkulationsunterlagen für das Neubaugebiet Rückschlüsse auf die Preiskalkulation der Beigeladenen im Bereich der Erdgasversorgung im übrigen Gemeindegebiet zulassen (UA S. 13), den Kläger nicht überraschen. In welcher Weise das Oberverwaltungsgericht sonst seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt haben sollte, legt der Kläger selbst nicht dar.

11 2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Darlegung erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Eine solche Rechtsfrage hat der Kläger nicht formuliert. Sie ließe sich dem Vorbringen im Übrigen auch nicht sinngemäß entnehmen. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich die Berufungsklägerinnen wegen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen nur sehr eingeschränkt berufen könnten, führt dies nicht auf eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Informationsanspruch den durch § 11 LIFG gewährleisteten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, also nicht revisibles Landesrecht entgegen gehalten. Soweit der Kläger den vom Oberverwaltungsgericht bejahten Wettbewerbsnachteil der Beigeladenen für nicht plausibel hält, richtet sich seine Kritik gegen die Tatsachenwürdigung des Oberverwaltungsgerichts; eine Rechtsfrage ist nicht erkennbar.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.