Beschluss vom 11.08.2004 -
BVerwG 4 BN 34.04ECLI:DE:BVerwG:2004:110804B4BN34.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.08.2004 - 4 BN 34.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:110804B4BN34.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 34.04

  • OVG Rheinland-Pfalz - 27.05.2004 - AZ: OVG 1 C 11860/03

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin zu 2 beimisst.
1.1 Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob ein Fall der unzulässigen planerischen Vorwegbindung vorliegt, wenn "die planende Körperschaft Eigentümerin von im Bereich eines aufzustellenden Plans liegenden Grundstücken ist, deren Veräußerung gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig mit einer auf den Erwerber abgestimmten Planung von der Körperschaft beabsichtigt ist". Die Fragestellung erstreckt sich auch auf die Konstellation, "dass ein bestimmter Inhalt eines in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplans durch privatvertraglich vereinbarte Bedingungen unmittelbare Auswirkungen auf das Ob und/oder auf die Höhe des der planenden Körperschaft zufließenden Verkaufserlöses hat".
Die aufgeworfenen Fragen führen nicht zu einem revisionsgerichtlichem Klärungsbedarf. Sie lassen sich auf der Grundlage des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantworten. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - (BVerwGE 45, 309) entschieden, dass es dem Gebot der gerechten Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange widerspricht, wenn der abschließende Abwägungsvorgang durch vorherige Bindungen der Gemeinde sachwidrig verkürzt wird. In dieser Entscheidung hat der Senat jedoch zugleich klargestellt, dass dem Planverfahren vorgeschaltete Besprechungen, Abstimmungen, Zusagen, Verträge u.a. geradezu unerlässlich sein können, um überhaupt sachgerecht planen und eine angemessene, effektive Realisierung dieser Planung gewährleisten zu können (a.a.O., S. 317). Das Abwägungsgebot schließt nicht aus, dass zwischen der Gemeinde und einem potentiellen Bauherrn (Investor) kooperiert wird; es verlangt jedoch, dass der Plan letztlich auf einer eigenverantwortlichen und abgewogenen Willensentscheidung der Gemeinde beruht. Das gilt auch für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Sinne von § 12 BauGB. Die Grenzen zulässiger Kooperation sind überschritten, wenn die Gemeinde sich den Vorstellungen des Vorhabenträgers uneingeschränkt (bedingungslos) unterordnet und als sein Vollzugsorgan auftritt. Ob eine Bebauungsplanung diese Grenze verletzt, kann sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles beurteilen. Verallgemeinerungsfähige Aussagen sind über den erreichten Stand der Rechtsprechung hinaus kaum zu treffen. Die von der Beschwerde formulierten Fragen sind auf Einzelheiten des vorliegenden Streitfalls zugeschnitten und könnten dem beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren keinen Anlass zu grundsätzlichen, über den vorliegenden Streitfall hinausgreifenden Ausführungen von allgemeiner Bedeutung geben.
1.2 Die Beschwerde möchte ferner sinngemäß geklärt wissen, ob die bei der Auslegung von Verträgen geltende Regel "falsa demonstratio non nocet" im Bereich des Bauplanungsrechts gilt und welche Bedeutung ihr dabei zukommt. Diese Frage zielt auf die Auffassung des Normenkontrollgerichts, es könne dahinstehen, ob das Plangebiet noch - wie es in der Planbegründung heiße - Bestandteil des "Kurgebiets" der Antragsgegnerin sei. Die Vorinstanz hat hierzu ausgeführt, die Antragsgegnerin habe jedenfalls den Charakter des Plangebiets, das in unmittelbarer Nähe zum städtischen Kurgebiet liege, zutreffend beurteilt; die Bezeichnung als "Kurgebiet" könne daher allenfalls als unschädliche Falschbezeichnung angesehen werden.
Die Fragestellung der Beschwerde führt ebenfalls nicht zu einer Grundsatzfrage des revisiblen Rechts. An die Auslegung eines Bebauungsplans, der dem irrevisiblen Recht angehört, ist das Revisionsgericht gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Die Würdigung der Planbegründung, die ihrerseits zur Auslegung des Bebauungsplans herangezogen werden kann, obliegt ebenfalls dem Tatrichter. Kommt dieser zu dem Ergebnis, dass die Planbegründung bei der Umschreibung des Plangebiets zwar eine falsche Bezeichnung verwendet, die unzutreffende Begriffswahl auf das Abwägungsergebnis jedoch keinen maßgeblichen Einfluss gehabt habe und damit unerheblich im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB geblieben sei, wäre diese Beurteilung auch in einem Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Bundesrechtliche Bedenken gegen eine solche Auslegung des Bebauungsplans und seiner Begründung sind nicht ersichtlich. Einen besonderen städtebaulichen Klärungsbedarf legt die Beschwerde auch nicht dar.
1.3 Die von der Beschwerde schließlich formulierte Frage, ob "Plan-Rand-Grundstücke, die die rechtfertigenden Voraussetzungen für eine belastende Planung - im Gegensatz zu den sonstigen den Planbereich bildenden Grundstücken - nicht aufweisen, aus dem Planbereich herausgenommen werden müssen/der Plan-Bereich sich nicht auf sie erstrecken darf", ist in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Sache nach greift die aufgeworfene Frage die Ansicht der Vorinstanz an, der Bereich des Plangebiets, in dem das (nicht denkmalgeschützte) Grundstück der Antragstellerin zu 2 liege, sei weitgehend durch denkmalgeschützte Villen geprägt; mit der Festschreibung des bestehenden Zustands in diesem Bereich habe die Antragsgegnerin den Belangen des Denkmalschutzes entsprechen wollen. Eine in die verallgemeinernde Form einer Grundsatzfrage gekleidete, im Kern aber einzelfallbezogene Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtskontrolle ist nicht geeignet, einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zu begründen.
2. Die erhobene Divergenzrüge ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt.
Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben (revisiblen) Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr.). Eine solche Divergenz zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Normenkontrollgericht legt das von der Beschwerde angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - (BVerwGE 45, 309) seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde und gelangt in Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin das Verbot einer die Abwägung sachwidrig verkürzenden Vorwegbindung nicht verletzt habe. Die Beschwerde sieht dies zwar anders. Eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten, vom Tatrichter nicht in Frage gestellten Rechtssatzes stellt jedoch keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.
3. Die Beschwerde sieht darin, dass das Normenkontrollgericht in der Verwendung des Begriffs "Kurgebiet" in der Planbegründung (allenfalls) eine nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unschädliche Falschbezeichnung sieht, einen Verfahrensmangel. Der Sache nach greift sie damit wiederum die tatrichterliche Auslegung des streitbefangenen Bebauungsplans an, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Normenkontrollgericht allgemeine Auslegungsgrundsätze und damit den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt haben könnte, führt die Beschwerde jedoch nicht an. Derartiges ist wie ausgeführt (vgl. unter 1.1) auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung.