Beschluss vom 11.05.2006 -
BVerwG 1 B 94.05ECLI:DE:BVerwG:2006:110506B1B94.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.05.2006 - 1 B 94.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:110506B1B94.05.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 94.05

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 22.06.2005 - AZ: OVG 4 LB 28/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Mai 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), das Berufungsgericht habe den Beweisantrag des Klägers, die seinen Schwager Ali S. vertretenden Rechtsanwälte zu belastenden Aussagen des Schwagers zu befragen, abgelehnt; diese Ablehnung, die unter „ersichtlich absurd(er)“ Missdeutung des Beweisantrags erfolgt sei, finde im Prozessrecht keine Stütze. Diese Rüge greift nicht durch. Zunächst geht die Beschwerde nicht auf die selbständig tragende Begründung des Berufungsgerichts ein, der Kläger habe in der Türkei jedenfalls nicht landesweit mit politischer Verfolgung zu rechnen (vgl. BA S. 4 f.). Die Rüge hinsichtlich der Ablehnung des Beweisantrags geht aber auch im Übrigen fehl. Das Berufungsgericht hat die Formulierung des Beweisantrags im Wesentlichen wörtlich wiedergegeben und eine Auslegung gewählt, die inhaltlich zweifelhaft sein mag, vom Wortlaut her jedoch nahe liegt. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht ergänzend mit der vom Kläger offenbar gemeinten Zielrichtung des Beweisantrags befasst und unter Hinweis auf eine „eindeutige“ Auskunft des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass die im Beweisantrag angesprochene Darstellung des Klägers zu belastenden Aussagen des Schwagers von der Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht bestätigt werde. Mit ihrer Kritik erhebt die Beschwerde in Wahrheit keine Gehörsrüge, sondern wendet sich gegen die Würdigung des klägerischen Vorbringens durch das Berufungsgericht. Der Sache nach greift die Beschwerde damit die dem Tatrichter vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung als ihrer Ansicht nach unzutreffend an. Sie verkennt dabei, dass etwaige Mängel der Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich - und so auch hier - dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzurechnen sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).

3 Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Beschwerde als weitere Gehörsverletzung, dass das Berufungsgericht dem Vorbringen des Klägers zu geheimen Vernehmungsprotokollen nicht nachgegangen sei. Auch in diesem Zusammenhang geht die Beschwerde nur unzureichend auf die Auffassung des Berufungsgerichts ein, der Kläger habe in der Türkei nicht landesweit mit politischer Verfolgung zu rechnen (BA S. 4 f. und 6). Wenn die Beschwerde hierzu anmerkt, diese Begründung sei „überraschend“, dann übersieht sie, dass das Berufungsgericht diese Auffassung bereits in seinem Urteil vom 3. Dezember 2003 - 4 LB 25/95 - vertreten hat (vgl. insbesondere UA S. 11). Auf die entsprechenden Passagen in diesem Urteil, das vom Senat aus anderen Gründen aufgehoben worden ist (Beschluss vom 22. September 2004 - BVerwG 1 B 70.04 -), hat das Berufungsgericht auch in der jetzt angefochtenen Berufungsentscheidung Bezug genommen (BA S. 4 f.). Mit der Begründung des Berufungsgerichts, bei dem Beweisangebot des Klägers hinsichtlich der geheimen Protokolle handele es sich um einen Ausforschungsbeweis, setzt sich die Beschwerde nicht näher auseinander. Ihr Hinweis auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes zu internen Ermittlungsvorgängen der türkischen Sicherheitskräfte ändert hieran nichts. Denn diese Auskunft, von der unklar bleibt, ob sie dem Berufungsgericht vorgelegen hat, bietet keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorbringen des Klägers, über Aussagen, die unter Folter erpresst worden seien, würden geheime Protokolle verfasst, die nicht in die allgemein zugänglichen Akten gelangten.

4 Schließlich geht auch der Vorwurf fehl, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt hinsichtlich eines weiteren Schwagers des Klägers - Hüseyin S. - unzureichend aufgeklärt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde bemängelt, das Berufungsgericht hätte im Hinblick auf eine mögliche Gefahr indirekt vermittelter Sippenhaft prüfen müssen, ob nach diesem Schwager in der Türkei auch heute noch gefahndet wird. Dieser Schwager ist nach dem Vorbringen des Klägers 1991 bei Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär getötet worden. Der Kläger hat im erneuten Berufungsverfahren weder beantragt, zur Frage der Fahndung Beweis zu erheben, noch überhaupt etwas zu einer aktuellen Gefährdung des Klägers aufgrund einer Fahndung nach seinem Schwager vorgetragen. Dass sich dem Berufungsgericht unter diesen Umständen von sich aus eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen, macht die Beschwerde nicht ersichtlich. Sie legt auch nicht hinreichend substanziiert dar, aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Beteiligten vor seiner Entscheidung auf die Frage der Fahndung und deren Aktualität hätte hinweisen sollen.

5 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.