Beschluss vom 11.02.2005 -
BVerwG 7 B 157.04ECLI:DE:BVerwG:2005:110205B7B157.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.02.2005 - 7 B 157.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:110205B7B157.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 157.04

  • VG Berlin - 03.09.2004 - AZ: VG 31 A 179.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. September 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Auskehr des Erlöses aus dem investiven Verkauf eines Grundstücks. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Verlust des Grundstücks durch die GmbH, deren Gesellschafter die Rechtsvorgänger der Kläger waren, nicht auf eine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes - VermG - zurückzuführen sei und die Kläger im Übrigen ihre vermögensrechtlichen Ansprüche wirksam an die Beigeladenen abgetreten hätten.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Ihr Vorbringen verdeutlicht nicht, worin die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerügten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegen sollen (1.). Ebenso wenig ist erkennbar, dass das Urteil auf den von den Klägern nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichneten Verfahrensmängeln beruht (2.). Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (3.).
1. Im Hinblick auf die Abweichungsrügen genügt die Beschwerde der Kläger bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung eines solchen Rechtsbehelfs. Die Kläger wenden sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Vermögensverlust und der rassischen Verfolgung der Rechtsvorgänger verneint hat, und sehen eine Divergenz zu den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 12.00 - (BVerwGE 114, 68), vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 10.00 - (BVerwGE 114, 75) sowie vom 27. Juni 2002 - BVerwG 7 C 28.01 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 16). Zur Begründung der vermeintlichen Abweichungen machen sie geltend, dass das Verwaltungsgericht die rassische Verfolgung ihrer Rechtsvorgänger in der Zeit von Ende 1930 bis zur Machtergreifung ignoriert habe. Darüber hinaus habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass der Rechtsvorgänger des Klägers zu 2 im Frühjahr 1933 in die Tschechoslowakei geflohen und zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung bereits verhaftet gewesen sei; es habe dessen Vertreibung, Verfolgung und Verhaftung als unerheblich angesehen, weil der andere Miteigentümer Maßnahmen gegen die Zwangsversteigerung hätte treffen können. Schließlich habe das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG nicht alle in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten erschöpft. Vielmehr habe es ihr tatsächliches Vorbringen sowie die Erinnerungen des Rechtsvorgängers der Kläger zu 1 falsch und selektiv zitiert und die systematische Verfolgung der jüdischen Theater- und Lichtspielhausbesitzer durch die SA vor der Machtergreifung unberücksichtigt gelassen.
Dieses Vorbringen verdeutlicht nicht auch nur ansatzweise, worin nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rügefähige Divergenzen zu den herangezogenen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts liegen sollen. Die Kläger arbeiten keine einander widersprechenden Rechtssätze des angegriffenen Urteils und der angeblichen Divergenzentscheidung heraus, sondern beschränken sich darauf, die Feststellung und Würdigung der maßgeblichen Tatsachen durch das Verwaltungsgericht in der Art einer Berufungsbegründung infrage zu stellen. Eine Abweichung im Rechtssinne wird auf diese Weise nicht dargetan. Das gilt auch, soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe unter Verkennung der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht die in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft; denn selbst wenn dies zuträfe, handelte es sich um einen bloßen Subsumtionsmangel.
Den Klägern hilft es auch nicht weiter, wenn man ihr Vorbringen zur Begründung der Divergenzrügen zugleich als Verfahrensrügen begreift, soweit es eine mangelhafte Sachaufklärung und eine selektive Würdigung des Tatsachenmaterials zum Gegenstand hat; denn die Vorwürfe sind überwiegend zu unsubstantiiert, als dass sich Verstöße gegen § 86 Abs. 1 oder § 108 Abs. 1 VwGO feststellen ließen. Hinreichend konkret ist der Vortrag der Kläger allerdings, soweit sie in diesem Zusammenhang geltend machen, dass das Verwaltungsgericht die antisemitischen Aktionen der SA vor 1933 ausgeblendet habe. Diese Rüge geht jedoch daran vorbei, dass es aus der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts auf diesen - von ihm durchaus zur Kenntnis genommenen (vgl. S. 4, Ende des 1. Absatzes, der Urteilsgründe) - Vortrag nicht ankam.
2. Auch soweit die Kläger ausdrücklich Verfahrensmängel rügen, bleibt die Beschwerde erfolglos.
a) Die Kläger sehen ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG zunächst dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht den Schriftsatz der Beigeladenen vom 24. August 2004 verwertet habe, ohne dass sie hinreichende Gelegenheit gehabt hätten, zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen. Diese Rüge ist nicht berechtigt. Zwar trifft es zu, dass das Verwaltungsgericht den Klägern diesen mit umfangreichen Anlagen versehenen Schriftsatz mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum 2. September 2004 übermittelt hat, wobei der Schriftsatz erst am 26. August 2004 vom Gericht zur Post gegeben worden ist. Dennoch bleibt es den Klägern verwahrt, diesen Sachverhalt zur Grundlage einer Verfahrensrüge zu machen; denn es wäre ihnen unbenommen geblieben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Erklärungsfrist zu beantragen, falls ihnen die bis dahin gewährte Zeit zur Stellungnahme nicht ausreichend war. Da sie diese Möglichkeit, sich das für erforderlich gehaltene rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht genutzt haben, können sie dieses Versäumnis nicht im Wege einer Verfahrensrüge wettmachen.
b) Soweit die Kläger den Gehörsverstoß auch darin sehen, dass das Verwaltungsgericht das tatsächliche Vorbringen in ihrem Schriftsatz vom 3. April 2003 ignoriert habe, ist ebenfalls kein Verfahrensmangel erkennbar. Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, dass das Gericht den Vortrag zur Verfolgung der Rechtsvorgänger der Kläger vor der Machtergreifung ausweislich des Tatbestandes des angegriffenen Urteils durchaus zur Kenntnis genommen, ihn aber bei der rechtlichen Würdigung aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt hat. Soweit es um das Verfolgungsschicksal zwischen 1933 und 1935 geht, legen die Kläger nicht dar, welche konkreten von ihnen vorgetragenen Ereignisse das Verwaltungsgericht aus seinen Erwägungen ausgeblendet hat. Vielmehr beanstanden sie der Sache nach, dass das Gericht diesen Vortrag nicht in ihrem Sinne gewürdigt hat. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO vermitteln jedoch nur einen Anspruch darauf, dass der Vortrag der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird; sie gebieten nicht, dass das Gericht bei der Bewertung der Tatsachen dem Vortragenden folgt. Soweit die Kläger auch an dieser Stelle die selektive Verwertung der Erinnerungen des Rechtsvorgängers der Kläger zu 1 rügen, mangelt es ihrem Vortrag wiederum an der erforderlichen Substanz, um einen Mangel der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO feststellen zu können.
3. Die Rechtssache weist auch nicht die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf.
Eine Zulassung der Revision nach dieser Vorschrift kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Rechtsfragen ausschließlich die vom Verwaltungsgericht angenommene Wirksamkeit der Abtretung der vermögensrechtlichen Ansprüche an die Beigeladenen betreffen. Da das angegriffene Urteil eigenständig tragend auch darauf gestützt ist, dass keine Schädigungsmaßnahme feststellbar ist, könnte die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der beiden Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO geltend gemacht wird und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall, weil die sich auf die Verneinung der Schädigungsmaßnahme beziehenden Rügen nicht durchgreifen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 sowie § 72 Nr. 1 GKG.