Beschluss vom 11.02.2003 -
BVerwG 3 B 135.02ECLI:DE:BVerwG:2003:110203B3B135.02.0

Beschluss

BVerwG 3 B 135.02

  • VG Berlin - 06.06.2002 - AZ: VG 27 A 405.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i und Dr. B r u n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Die klagende Stadt berühmt sich, Eigentümerin eines später in Volkseigentum überführten Gasversorgungsunternehmens gewesen zu sein, zu dem u.a. die von ihr mit der Klage zurückverlangten Gasleitungen in mehreren von ihr zwischenzeitlich eingemeindeten Nachbarorten gehörten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen; die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
Ist - wie im vorliegenden Fall - die angefochtene Entscheidung auf mehr als eine für sich allein den Entscheidungsausspruch tragende Begründung gestützt, so kann die Revision nach der einheitlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein durchgreifender Zulassungsgrund geltend gemacht wird (vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. April 1985 - BVerwG 3 B 26.85 - Buchholz 310 § 132 Nr. 232 und vom 9. April 1981 - BVerwG 8 B 44.81 - Buchholz 310 § 132 Nr. 197 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154) zum einen auf die Annahme gestützt, die Klägerin hätte allenfalls die Restitution des Gesamtunternehmens, nicht aber von Unternehmensteilen verlangen können. Zum anderen scheitere der Klageanspruch daran, dass das Treuhandunternehmen, in dessen Eigentum das volkseigene Gasversorgungsunternehmen kraft Umwandlung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG) übergegangen sei, vor der behördlichen Entscheidung über den Zuordnungsantrag der Klägerin teilprivatisiert worden war. Zwar setzt sich die Beschwerde gegen beide Begründungsstränge zur Wehr, jedoch greift sie damit jedenfalls in Hinblick auf den erstgenannten nicht durch.
Rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt nach Ansicht der Klägerin der Klärung folgender Fragen zu:
Stellt ein vom Gesamtunternehmen abspaltbares Teilunternehmen einen einzelnen Vermögensgegenstand im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 3 Vermögensgesetz dar?
Schließt § 3 Abs. 1 Satz 3 Vermögensgesetz die selbständige Restitution eindeutig abgrenzbarer Teilunternehmen eines ehemals einheitlichen Unternehmens aus, wenn die Restitution sämtlicher Teilunternehmen des ursprünglichen Unternehmens beantragt worden ist?
Beide Fragen lassen sich anhand der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils beantworten, so dass der für eine Revisionszulassung erforderliche Klärungsbedarf zu verneinen ist.
Die im Vermögenszuordnungsrecht entsprechend anwendbare Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG besagt, dass ein Berechtigter, der einen Anspruch auf Rückgabe eines Unternehmens stellt oder stellen könnte, seinen Antrag nicht auf die Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände beschränken kann (Vorrang der Unternehmensrestitution vor der Singularrestitution). Den vom Gesetzgeber gegenübergestellten Kategorien "Unternehmen" und "einzelne Vermögensgegenstände" fügt die Beschwerde eine dritte an, nämlich die des Teilunternehmens. Dies erweist sich als der Versuch, die normative Begrenzung zu unterlaufen. Die angeführte Vorschrift lässt schon von ihrem Wortlaut her nur ein "entweder/oder" zu, und zwar in dem Sinne, dass von einer Singularrestitution auszugehen ist, wenn nur Teile eines Unternehmens zurückverlangt werden. Das von der Beschwerde eingeführte Konstrukt des Teilunternehmens ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Betriebs- oder Unternehmensteile sind weder Unternehmen, noch stehen sie ihnen gleich, da sie als bloße Untergliederungen in jeder Hinsicht abhängig sind von dem (Gesamt-)Unternehmen, zu dem sie gehören und keine eigenen unternehmerischen Ziele verfolgen können (vgl. Urteil des Senats vom 27. August 1998 - BVerwG 3 C 24.97 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 19 S. 35).
Der Begriff "Teilunternehmen" weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht handhabbare Konturen auf. Wenn schon - wie die Beschwerde annimmt - die Gasleitungen in einigen Stadtgebieten der Klägerin als restituierbare Teilunternehmen zu gelten hätten, so wäre eine Unterscheidung von den nicht zu restituierenden "einzelnen Vermögensgegenständen" praktisch nicht mehr möglich. Der Senat vermag die Bewertung der Leitungen als "eindeutig abgrenzbare(r) Teilunternehmen" (s. Frage 2) nicht nachzuvollziehen.
Die von der Klägerin begehrte Rückgabe würde auch dem Zweck widersprechen, dem der Ausschluss der Singularrestitution dient. Da das streitgegenständliche Vermögen nach wie vor als Teil der örtlichen Gasversorgung genutzt wird, könnte diese bei einer Zuordnung an Dritte unter Umständen gefährdet sein. Der Vorrang der Unternehmensrestitution dient aber gerade dem Zweck, lebensfähige Unternehmen zu erhalten und die Gläubiger vor einer Schmälerung der Haftungsgrundlage zu schützen (vgl. Urteil vom 6. April 1995, a.a.O., S. 159).
Da die Klage bereits aus den voranstehenden Gründen keinen Erfolg haben kann, braucht auf die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.