Urteil vom 11.01.2007 -
BVerwG 1 D 16.05ECLI:DE:BVerwG:2007:110107U1D16.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.01.2007 - 1 D 16.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:110107U1D16.05.0]

Urteil

BVerwG 1 D 16.05

  • VG Berlin - 02.09.2005 - AZ: VG 85 A 21.03

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. Januar 2007,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller als Vorsitzender,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Amtsinspektor Kroppen
und Postbetriebsassistentin Zwack
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektorin ...
als Vertreterin der Einleitungsbehörde
und
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Polizeiobermeisters ... gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 2. September 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I

1 1. Der im Jahr 1966 geborene Beamte wurde im August 1990 zum Leutnant der Nationalen Volksarmee der DDR ernannt. Am 3. Oktober 1990 wurde er in die Bundeswehr übernommen; im Januar 1991 trat er in den Dienst des Bundesgrenzschutzes und wurde am 21. Juli 1994 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Seit Anfang 1998 war er in der Fahndungsgruppe der Bundesgrenzschutzinspektion X. in B., danach seit Mai 1999 bis zum Beginn der disziplinarischen Vorermittlungen Ende Juni 2000 als so genannter fankundiger Beamter bei der Überwachung gewaltbereiter Fußballanhänger eingesetzt.

2 Nach Durchführung der Untersuchung hat der Bundesdisziplinaranwalt mit Anschuldigungsschrift vom 24. Oktober 2003 dem Beamten vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
1. zwischen Anfang 1998 und Mitte 2000 ohne Anzeige bzw. Genehmigung an mindestens 170 Tagen Nebentätigkeiten ausgeübt habe,
2. in demselben Zeitraum in mindestens sechs Fällen an insgesamt 65 Tagen dem Dienst schuldhaft unerlaubt ferngeblieben sei,
3. am 22. September 2001, als er vorläufig des Dienstes enthoben gewesen sei, eine Nebentätigkeit ausgeübt habe, ohne hierfür zuvor eine Genehmigung eingeholt zu haben.

3 2. Das Verwaltungsgericht ... hat den Beamten durch Urteil vom 2. September 2005 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des erdienten Ruhegehaltes für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. In den Urteilsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt:

4 - Zum Anschuldigungspunkt 1:
In der Zeit vom 26. Februar 1998 bis 26. Juni 2000 sei der Beamte in mindestens 130 Fällen für mehrere Auftraggeber gegen Entgelt einer Nebentätigkeit nachgegangen, ohne im Besitz der erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein. Er habe das Lagergelände der Fa. L. bewacht, Ordnerdienste bei Veranstaltungen geleistet, beim Aufbau und Abbau von Bühnen mitgearbeitet sowie Transport- und Kurierfahrten unternommen. Darüber hinaus habe er im Auftrag der Fa. W. das Sicherheitskonzept für die große öffentliche Feier „Welcome 2000“ zum Jahreswechsel 1999/2000 ... eigenverantwortlich erstellt und während der Veranstaltung den Einsatz der privaten Sicherheitskräfte koordiniert. Die Nebentätigkeiten seien nach Art und Umfang nicht genehmigungsfähig gewesen.

5 - Zum Anschuldigungspunkt 2:
Von März 1998 bis Mai 2000 sei der Beamte in sechs zusammenhängenden Zeiträumen an insgesamt 65 Arbeitstagen durchgehend nicht zum Dienst erschienen, obwohl er zumindest eingeschränkt dienstfähig gewesen sei.

6 Zwar sei der Beamte während der Fehlzeiten stets krankgeschrieben gewesen. Den privatärztlichen Attesten komme jedoch kein Beweiswert zu. Die Krankschreibungen für die Zeit vom 21. Februar bis 3. März 2000 habe der Beamte dadurch herbeigeführt, dass er eine Fußverletzung vorgetäuscht habe. Dies folge zum einen daraus, dass er am 24. Februar 2000 ganztägig eine Nebentätigkeit als Ordner bei einer Aktionärsversammlung ... ausgeübt habe. Zum anderen habe er in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 2000 von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr das Lager der Fa. L. bewacht und die vorgesehenen Kontrollgänge durchgeführt, um unmittelbar danach die Krankschreibung verlängern zu lassen.

7 Während der übrigen fünf Fehlzeiträume habe der Beamte in insgesamt 18 Fällen eine Nebentätigkeit als Objektbewacher ausgeübt. Während der Fehlzeit vom 17. November bis 13. Dezember 1999 habe er sich zudem mit der Vorbereitung der Silvesterfeier 1999/2000 beschäftigt.

8 Der Facharzt für Psychiatrie Dr. Z. habe in den Gutachten vom 6. Juni und 5. November 2001 bei dem Beamten zwar eine agoraphobische Symptomatik festgestellt. Der Beamte habe aber zum Dienst erscheinen und seine Dienstleistung anbieten müssen, weil er die Innendiensttätigkeiten eines fankundigen Beamten uneingeschränkt habe wahrnehmen können.

9 - Zum Anschuldigungspunkt 3:
Am 22. September 2001 habe der Beamte in der Zeit von 3.00 Uhr bis 22.00 Uhr bei einem Straßenfest in B. im Auftrag des Zeugen M. dessen Mitarbeiter angeleitet und betreut. Der Beamte sei nicht im Besitz der erforderlichen Nebentätigkeitsgenehmigung gewesen.

10 Demnach habe der Beamte insgesamt vorsätzlich gegen das Verbot verstoßen, Nebentätigkeiten ohne die erforderliche Genehmigung auszuüben (Anschuldigungspunkte 1 und 3) und sei dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben (Anschuldigungspunkt 2).

11 Das Gewicht des Dienstvergehens erfordere die Entfernung des Beamten aus dem Dienst. Diese Maßnahme sei bereits aufgrund der intensiven Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten während eines Zeitraums von zweieinhalb Jahren gerechtfertigt. Der Beamte habe sich einen Zweitberuf aufgebaut. Er habe geschäftliche Kontakte gepflegt und seine Dienste angeboten. Die Nebentätigkeiten hätten zeitweilig den Umfang einer Vollzeitbeschäftigung angenommen. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass der Beamte den Nebentätigkeiten während der Zeiten seiner Krankschreibungen unvermindert nachgegangen sei. Auch das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst stelle in seiner Gesamtheit eine schwerwiegende Verfehlung dar.

12 3. Mit seiner Berufung, die auf den Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme gerichtet ist, macht der Beamte geltend, die Entfernung aus dem Dienst sei überzogen. Er habe seiner Dienststelle mitgeteilt gehabt, dass er Nebentätigkeiten ausübe. So habe er bereits im Jahr 1993 für den Einsatz als Ordner der Fa. P. ... eine Nebentätigkeitsgenehmigung beantragt. Dieses Schreiben habe er seinem damaligen Dienstgruppenleiter übergeben, der es weitergeleitet habe. Eine Antwort habe er nicht erhalten. Daher habe er angenommen, es sei alles in Ordnung. Ende 1996 oder Anfang 1997 sei er im Dienst angerufen und gefragt worden, ob seine Nebentätigkeit noch aktuell sei. Dies habe er bejaht. Im Dezember 1999 habe ihm sein damaliger Dienstvorgesetzter trotz Urlaubssperre Erholungsurlaub gewährt, um ihm die Vorbereitung der Silvesterfeier zu ermöglichen.

13 Die zu den Krankschreibungen führenden körperlichen Beschwerden habe er nicht vorgetäuscht. Sie hätten ihre Ursache in psychischen Störungen gehabt, was er aber damals nicht gewusst habe. Die Gutachten Dr. Z. gäben für die Annahme einer eingeschränkten Dienstfähigkeit nichts her. Mit der Nebentätigkeit am 22. September 2001 habe er das Ziel verfolgt, gegen die ihm inzwischen bekannten psychischen Störungen anzugehen.

14 Dass der Dienstherr noch Vertrauen in ihn setze, zeige sich daran, dass er seit Januar 2002 trotz des laufenden Disziplinarverfahrens Dienst als Kontroll- und Streifenbeamter am Flughafen ... geleistet, seit Dezember 2002 mehrfach an begleiteten Rückführungen (Abschiebungen) mitgewirkt und im Sommer 2004 einen Fortbildungslehrgang absolviert habe.

II

15 Die Berufung des Beamten hat keinen Erfolg.

16 Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil es vor dem 1. Januar 2002 förmlich eingeleitet worden ist (§ 85 Abs. 1 und 3 BDG; zum Übergangsrecht vgl. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).

17 Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, sodass der Senat den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.

18 1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel und der Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung, soweit ihnen gefolgt werden kann, hält der Senat die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und würdigt diese disziplinarrechtlich wie folgt:

19 Zum Anschuldigungspunkt 1:
Der Beamte hat in der Zeit zwischen 26. Februar 1998 und 26. Juni 2000 in 130 Fällen gegen Entgelt für die Unternehmen W. GmbH, K GmbH und Y. Sicherheitsdienst gearbeitet. Er war als Objektbewacher, Ordner bei Veranstaltungen, Kurier- und Transportfahrer und Helfer beim Aufbau und Abbau von Bühnen tätig. In ungefähr 50 Fällen hat er im Auftrag der Fa. K GmbH das Lagergelände der Fa. L. bewacht. Hierbei war der Beamte vor allem nachts im Einsatz. Zu der Bewachungstätigkeit gehörten Kontrollgänge, bei denen er regelmäßig seinen Hund dabei hatte.

20 Hinsichtlich des jeweiligen Auftraggebers, des Zeitpunkts und der Dauer der einzelnen Nebentätigkeiten nimmt der Senat Bezug auf die umfassende Auflistung der 130 Nebentätigkeiten in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils von S. 6 oben bis S. 9 unten (vgl. zur Zulässigkeit von Bezugnahmen im Berufungsurteil Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 267 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 267 Rn. 2a m.w.N.).

21 Darüber hinaus hat der Beamte im Auftrag der Fa. W. GmbH eigenverantwortlich das Sicherheitskonzept für die öffentliche Massenveranstaltung „Welcome 2000“ zum Jahreswechsel 1999/2000 ... erarbeitet und umgesetzt. Der Beamte hat den Einsatzplan für die privaten Sicherheitskräfte erstellt, für den Auftraggeber an Besprechungen teilgenommen und den Einsatz der ungefähr 600 privaten Sicherheitskräfte koordiniert und überwacht. Seine Tätigkeit hat sich von November 1999 bis Anfang Januar 2000 erstreckt. Er hat dafür eine Nettovergütung von 11 000 DM erhalten.

22 Weiterhin hat der Beamte am 24. Februar 2000 für die Dauer von dreizehneinhalb Stunden bei einer Aktionärsversammlung ... als Ordner gearbeitet.

23 Auftragnehmerin der Nebentätigkeiten war formell die Ehefrau des Beamten, die hierfür im November 1997 ein Gewerbe angemeldet hatte. Dementsprechend wurden die Rechnungen mit dem Briefkopf des Unternehmens der Ehefrau geschrieben, jedoch oft von dem Beamten unterzeichnet.

24 Der Beamte hat in der Berufungshauptverhandlung zugestanden, die festgestellten Nebentätigkeiten ausgeübt zu haben. Art und Umfang ergeben sich aus den Auftrags- und Abrechnungsunterlagen in der Beiakte des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens - Staatsanwaltschaft ... Az. 85 Js .../00.

25 Die Ausübung der Nebentätigkeiten war gemäß § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 BBG genehmigungspflichtig. Nebentätigkeitsgenehmigungen bedürfen der Schriftform. Gleiches gilt für Genehmigungsanträge (§ 65 Abs. 6 Satz 1 BBG i.d.F. des Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetzes vom 21. Februar 1985, BGBl I S. 371). Der Antragsteller hat die für die Entscheidung erforderlichen Nachweise über Art und Umfang der Nebentätigkeit vorzulegen. Er muss Nachweise über die Entgelte und geldwerten Vorteile aus der Nebentätigkeit führen und jede Änderung von Art und Umfang der Nebentätigkeit sowie des erzielten Entgelts unverzüglich schriftlich anzeigen (§ 65 Abs. 6 Satz 2 BBG i.d.F. des Zweiten Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetzes vom 9. September 1997, BGBl I S. 2294).

26 Der Beamte hat für die festgestellten Nebentätigkeiten weder Genehmigungsanträge gestellt noch schriftliche Nebentätigkeitsgenehmigungen erhalten. Er hat weder behauptet noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihm eine Genehmigung mündlich in Aussicht gestellt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn als wahr unterstellt wird, dass er im Jahr 1993 eine Nebentätigkeit schriftlich angezeigt, die Ausübung von Nebentätigkeiten 1996/97 auf telefonische Anfrage bestätigt und im Dezember 1999 Erholungsurlaub für die Vorbereitung der Feier zum Jahreswechsel 1999/2000 erhalten hat. Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken:

27 Die Anzeige im Jahr 1993 hat sich nach den Angaben des Beamten auf eine Tätigkeit für die Fa. P. ... bezogen. Sie kann die festgestellten Nebentätigkeiten ab Februar 1998 schon deshalb nicht erfasst haben, weil der Beamte diese mehrere Jahre später für andere Auftraggeber erbracht hat.

28 Auch das 1996/97 geführte Telefongespräch konnte schon wegen des Zeitpunkts keinen Bezug zu den festgestellten Nebentätigkeiten aufweisen. Darüber hinaus sind die Angaben des Beamten zu diesem Vorgang auch in der Berufungshauptverhandlung unsubstantiiert geblieben: Es fehlt jeder Hinweis darauf, auf welche Nebentätigkeiten (Art, Umfang und Auftraggeber) sich das Telefongespräch bezogen haben soll.

29 Schließlich liegt auf der Hand, dass die Gewährung von Erholungsurlaub für Dezember 1999 ungeachtet der dafür maßgeblichen Gründe nicht geeignet war, die Genehmigung der umfangreichen Tätigkeit des Beamten bei der Vorbereitung der Feier zum Jahreswechsel 1999/2000 zu ersetzen.

30 Nach seinen Einlassungen in der Berufungshauptverhandlung hat der Beamte gewusst, dass er die Nebentätigkeiten ohne Genehmigung nicht ausüben durfte.

31 Nach alledem hat der Beamte in den 130 Fällen, die in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils aufgelistet sind, sowie durch seine Tätigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung der Feier zum Jahreswechsel 1999/2000 und durch seine Ordnertätigkeit am 24. Februar 2000 vorsätzlich gegen das Verbot verstoßen, genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ohne Genehmigung auszuüben (§ 54 Satz 3, § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 BBG).

32 Zum Anschuldigungspunkt 2:
Der Beamte ist an 19 Arbeitstagen vom 1. bis 25. März 1998, an drei Arbeitstagen vom 15. bis 17. April 1998, am 30. und 31. August 1999, an 20 Arbeitstagen vom 17. November bis 13. Dezember 1999, an zehn Arbeitstagen vom 21. Februar bis 3. März 2000 und an 11 Arbeitstagen vom 17. bis 31. Mai 2000 jeweils durchgehend, gestützt auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, nicht zum Dienst erschienen. Er hat diese Abwesenheitszeiten in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt.

33 Während der Abwesenheitszeiten in den Jahren 1999 und 2000 waren nach den Dienstplänen, die der Senat mit den Verfahrensbeteiligten in der Berufungshauptverhandlung eingesehen hat, an insgesamt sieben Arbeitstagen Außeneinsätze als fankundiger Beamter, d.h. die Begleitung und Überwachung gewaltbereiter Fußballanhänger vorgesehen und zwar am 20., 23., 24. und 27. November 1999, am 26. und 27. Februar 2000 und am 20. Mai 2000.

34 In allen sechs Zeiträumen hat der Beamte in insgesamt 18 Fällen das Lagergelände der Fa. L. bewacht. Hinsichtlich des Zeitpunkts und der Dauer dieser Bewachungstätigkeiten nimmt der Senat Bezug auf die umfassende Auflistung in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils von S. 11 Mitte bis S. 12 oben, deren Richtigkeit der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat ebenfalls eingeräumt hat. In der Abwesenheitszeit vom 17. November bis 13. Dezember 1999 hat sich der Beamte mit der Vorbereitung der Feier zum Jahreswechsel 1999/2000 befasst. In die Fehlzeit vom 21. Februar bis 3. März 2000 fiel der ganztägige Einsatz des Beamten am 24. Februar 2000 als Ordner bei einer Aktionärsversammlung .... Hierfür musste er bereits am Vortag anreisen. Sein Auftraggeber hatte ihn bereits am 17. Februar 2000 als Ordner gemeldet.

35 Der Beamte war für alle Abwesenheitszeiten lückenlos krankgeschrieben. Für den Zeitraum vom 21. Februar bis 3. März 2000 hatte ihn zunächst der Facharzt für Chirurgie Dr. C. am 22. Februar 2000 krankgeschrieben, weil der Beamte angegeben hatte, sich am Vortag auf dem Weg zur Arbeit den Fuß vertreten zu haben. Die Krankschreibung wurde von Dr. S., der damaligen Vertragsärztin des Bundesgrenzschutzes, am 28. Februar 2000 bis zum 3. März verlängert, weil ihr der Beamte erklärt hatte, er habe immer noch Schmerzen. Die für die übrigen Fehlzeiten eingereichten privatärztlichen Atteste enthalten keine Diagnose. Der Beamte hat als Gründe für diese Krankschreibungen glaubhaft angegeben, er habe an Magen- und Darmbeschwerden mit Durchfall und Erbrechen, Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen und Übelkeit gelitten. Einmal sei er wegen einer Ohrenentzündung krankgeschrieben worden.

36 In den zur Klärung der dauernden Dienstfähigkeit des Beamten in Auftrag gegebenen neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 6. Juni und 5. November 2001 bescheinigte der Arzt für Psychiatrie Dr. Z. dem Beamten agoraphobische Symptome, d.h. Angststörungen mit Panikattacken, die sich bei den Außeneinsätzen als fankundiger Beamter ausgebildet hätten. Der Beamte habe sich zunehmend gefürchtet, auf engstem Raum mit gewaltbereiten Fußballanhängern zusammen zu sein. Die Störung sei nicht chronisch; sie könne durch eine Verhaltenstherapie behandelt werden.

37 Die rechtliche Würdigung dieser Feststellungen ergibt, dass der Beamte während der angeschuldigten sechs Zeiträume zwischen März 1998 und Mai 2000 an insgesamt 58 Arbeitstagen dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BBG). Ausgenommen sind diejenigen Arbeitstage während der Abwesenheitszeiten, an denen der Beamte Dienst als fankundiger Beamter im Außeneinsatz zu leisten hatte.

38 Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG setzt voraus, dass der Beamte aktuell dienstfähig ist. Das Erfordernis der Dienstfähigkeit stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG dar. Solange ein Beamter dienstunfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht befreit, weil er sie nicht erfüllen kann. Dienstunfähig ist der Beamte, wenn er aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes außer Stande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen. Legt der Beamte zum Beleg seines Unvermögens, Dienst zu tun, Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit im Regelfall jedenfalls dann nur durch die Einschaltung des Amtsarztes geführt werden, wenn die Bescheinigungen eine Diagnose enthalten. Denn es bedarf regelmäßig medizinischer Sachkunde, um ärztliche Befunde zu überprüfen (Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 10.05 - Rn. 34, 35 zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

39 Dagegen steht hier trotz der privatärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen zur Überzeugung des Senats fest, dass die ihnen zugrunde liegenden körperlichen Beschwerden die Dienstfähigkeit des Beamten nicht beeinträchtigt haben; der Beweiswert der Bescheinigungen ist insoweit entkräftet.

40 Die Krankschreibungen durch die Ärzte Dr. C. und Dr. S. für den Zeitraum vom 21. Februar bis 3. März 2000 hat der Beamte dadurch erreicht, dass er ihnen gegenüber wahrheitswidrig angegeben hat, er habe sich den Fuß vertreten und deshalb Schmerzen. Denn die Nebentätigkeiten, die er während dieser Fehlzeiten ausgeübt hat, lassen nur den Schluss zu, dass seine körperliche Leistungsfähigkeit und somit seine Dienstfähigkeit nicht eingeschränkt war. So ging der Beamte am 24. Februar 2000 für die Dauer von dreizehneinhalb Stunden einer Tätigkeit als Ordner bei einer Aktionärsversammlung ... nach. Für diesen Einsatz hatte ihn sein Auftraggeber bereits am 17. Februar gemeldet. Dies beweist, dass sich der Beamte am 22. Februar hat krankschreiben lassen, um der zeitaufwändigen Ordnertätigkeit ... nachgehen zu können. Unmittelbar vor der Verlängerung der Krankschreibung am 28. Februar 2000 hatte er in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr das Lagergelände der Fa. L. bewacht. Diese Tätigkeit war mit Kontrollgängen verbunden.

41 Ungeachtet der körperlichen Beschwerden kann die Dienstfähigkeit des Beamten auch in den übrigen fünf Zeiträumen als erwiesen gelten, weil er die Tätigkeit als Objektbewacher wahrgenommen hat, obwohl er krankgeschrieben war.

42 Der Beamte war im Jahr 1998 einer Fahndungsgruppe zugewiesen. Dabei oblag es ihm insbesondere, bei Straftaten oder sonstigen Störungen der öffentlichen Sicherheit auf dem Bahngelände einzuschreiten. In seiner Funktion als fankundiger Beamter hatte der Beamte seit Mai 1999 gewaltbereite Fußballanhänger während der Spieltage auf den Bahnhöfen, in den Zügen und im Stadion zu begleiten und zu überwachen. Bei polizeilich relevanten Sachverhalten musste er einschreiten. Er hatte während dieser Einsätze Kontakt mit der Einsatzleitung der Polizei und den Ordnern der Fußballvereine zu halten. Diese Einsätze fanden meistens an Wochenenden statt. Zu seinen Aufgaben im Innendienst gehörte es, die Erkenntnisse seiner Außendiensteinsätze auszuwerten, d.h. Berichte zu schreiben und Anzeigen zu bearbeiten, Kontakte zu den Dienststellen der Landespolizei zu halten und bei der Vorbereitung künftiger Einsätze mitzuwirken. Diese Tätigkeit nahm den weitaus größeren Teil der Arbeitszeit ein.

43 Diesen dienstlichen Anforderungen war der Beamte ungeachtet der von ihm geschilderten körperlichen Beschwerden gewachsen. Letztere haben die Dienstausübung nicht beeinträchtigt. Für die Innendiensttätigkeiten liegt dies auf der Hand. Der Nachweis der körperlichen Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit in der Fahndungsgruppe und danach für die Außeneinsätze als fankundiger Beamter ist aus folgenden Gründen erbracht:

44 Während er krankgeschrieben war, ist der Beamte überwiegend nachts für die Dauer von bis zu zehn Stunden einer Bewachungstätigkeit nachgegangen. Dabei sind Einsätze jeweils unmittelbar nach der ersten Krankschreibung eines Fehlzeitraums zu verzeichnen: So hat der Beamte bereits einen Tag nach der Krankschreibung am 1. März 1998, während des gesamten Fehlzeitraums vom 1. bis 25. März insgesamt fünfmal, für jeweils zehn Stunden das Lagergelände der Fa. L. bewacht. Während der Fehlzeiten am 30. und 31. August 1999 hat er die Nebentätigkeit an beiden Tagen wahrgenommen. Nach der Krankschreibung am 17. November 1999 war er am 20. und 21. November, nach der Krankschreibung am 17. Mai 2000 noch am gleichen Tag für sechs Stunden für die Fa. L. tätig. Nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung hat er bei den Nebentätigkeiten keine Beschwerden gehabt. Dem entspricht die Aussage des Zeugen B. vom 9. November 2000, wonach sich der Beamte mehrfach kurz vor Beginn einer Ordner- oder Bewachungstätigkeit krank gemeldet und dann tatsächlich gefehlt habe. Daraus folgt, dass der Beamte Nebentätigkeiten nur wahrgenommen hat, wenn er sich gesundheitlich in der Lage fühlte.

45 Dass der Beamte körperlich imstande war, die in die Abwesenheitszeiten fallenden Außeneinsätze als fankundiger Beamter zu leisten, beweist die zeitliche Abfolge von Bewachungstätigkeiten und dienstplanmäßig vorgesehenen Außeneinsätzen. Diese waren in Zeiten der Krankschreibung nach dem Dienstplan erst vorgesehen, nachdem der dienstlich abwesende Beamte bereits als Objektbewacher tätig war. So war er während des Zeitraums vom 17. November bis 13. Dezember 1999 bereits am 20. und 21. November 1999 als Bewacher tätig, während dienstliche Außeneinsätze am 20., 23., 24. und 27. November anstanden. Während des Zeitraums vom 17. bis 31. Mai 2000 bewachte der Beamte am 17. Mai das Lagergelände, während ein dienstlicher Außeneinsatz erst am 20. Mai vorgesehen war.

46 Die dem Beamten bescheinigte Angststörung steht dem Nachweis seiner Dienstfähigkeit nur für diejenigen sieben Arbeitstage während der Abwesenheitszeiten entgegen, an denen er nach den Dienstplänen Außeneinsätze als fankundiger Beamter hätte leisten sollen (20., 23., 24. und 27. November 1999; 26. und 27. Februar 2000; 20. Mai 2000). Zugunsten des Beamten legt der Senat den Befund Dr. Z. seiner rechtlichen Würdigung zugrunde, ohne den Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Gutachten vom 6. Juni und 5. November 2001 nachzugehen. Weiterhin unterstellt er zugunsten des Beamten, dass die Angststörungen bereits während der festgestellten Zeiträume des Fernbleibens vom Dienst ausgebildet waren.

47 Davon ausgehend bestehen jedenfalls ernsthafte Zweifel an der psychischen Eignung des Beamten für Außeneinsätze als fankundiger Beamter, weil diese Tätigkeit für mehrere Stunden ein Zusammensein mit gewaltbereiten Fußballanhängern auf engstem Raum erfordert. Nach dem Befund Dr. Z. konnte die räumliche Nähe nach Dauer und Intensität bei dem Beamten Angst auslösen und Panikreaktionen hervorrufen. Nach den Aussagen des Gutachters haben sich die agoraphobischen Symptome während derartiger Einsätze entwickelt.

48 Dagegen lassen sich aus den Gutachten keine Einschränkungen der Dienstfähigkeit für die anderen polizeilichen Aufgaben herleiten, die dem Beamten zwischen März 1998 und Mai 2000 übertragen waren. Dies liegt für die Innendiensttätigkeit auf der Hand. Aber auch die vorhergehende Tätigkeit in der Fahndungsgruppe war mit der Überwachung gewaltbereiter Fußballanhänger nicht vergleichbar, weil sich der Beamte nicht inmitten einer von ihm als bedrohlich empfundenen Menschenmenge aufhalten musste. Dass sich der Beamte nicht generell gehindert sah, bei Zwischenfällen einzuschreiten, wird durch seine - in der Berufungshauptverhandlung wiederholten - glaubhaften Angaben belegt, er sei während seiner Einsätze als Ordner und Objektbewacher uneingeschränkt einsatzbereit gewesen. Insbesondere habe er keine Angst empfunden. So habe er bei einer Pressekonferenz im März 1999 eine Person überwältigt, die mit einer echt aussehenden Pistolenattrappe auf den früheren Bundesaußenminister ... gezielt habe.

49 Demnach war der Beamte während der festgestellten Abwesenheitszeiten lediglich an sieben Arbeitstagen nicht dienstfähig, an denen Außeneinsätze als fankundiger Beamter auf dem Dienstplan standen. An den übrigen 58 Arbeitstagen war er imstande, die anstehenden dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen. An diesen Tagen ist er dem Dienst unerlaubt ferngeblieben, wobei er seine Dienstleistungspflicht jedenfalls bedingt vorsätzlich verletzt hat.

50 Ein dienstfähiger Beamter, der ungenehmigt keinen Dienst leistet, handelt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Dienstfähigkeit“ mit bedingtem Vorsatz, wenn er ernsthaft für möglich hält, dienstfähig zu sein, und im Hinblick darauf billigend in Kauf nimmt, die Dienstleistungspflicht zu verletzen (Urteil vom 9. April 2002 - BVerwG 1 D 17.01 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 25).

51 Hier war sich der Beamte während sämtlicher Fehlzeiträume bewusst, den jeweiligen dienstlichen Anforderungen körperlich gewachsen zu sein. Dies folgt daraus, dass er zu Beginn der Fehlzeiträume jeweils mehrstündige Bewachungstätigkeiten wahrgenommen hat. In der Zeit vom 21. Februar bis 3. März 2000 war er darüber hinaus trotz der attestierten Fußverletzung ganztägig als Ordner ... im Einsatz. Dementsprechend hat der Beamte in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt, er sei sich über seine Dienstleistungspflicht im Klaren gewesen.

52 Die von Dr. Z. als Ursache der körperlichen Beschwerden attestierte Angststörung konnte das Verhalten des Beamten schon deshalb nicht beeinflussen, weil sie ihm in den Zeiten des Fernbleibens vom Dienst nicht bekannt war. Sie wurde erst mehr als ein Jahr nach dem Ende des letzten Fehlzeitraums im Mai 2000 attestiert. Nach seinen Einlassungen in der Berufungshauptverhandlung hat der Beamte während der Abwesenheitszeiten nicht den Schluss gezogen, aufgrund seiner Gefühle der Angst und des Unbehagens womöglich keinen Dienst verrichten zu können. Dementsprechend blieb er dem Dienst nicht fern, weil bestimmte Angst auslösende Einsätze anstanden.

53 Zum Anschuldigungspunkt 3:
Am 22. September 2001 war der Beamte in der Zeit von 3.00 Uhr bis 22.00 Uhr im Auftrag des Zeugen M. als Ordner bei einem Straßenfest in B. tätig. Der Beamte hatte die Aufgabe, die Sicherheitskräfte anzuleiten und zu betreuen. Er war auch zu diesem Zeitpunkt, während der vorläufigen Dienstenthebung, nicht im Besitz einer Nebentätigkeitsgenehmigung, obwohl er wusste, dass die Tätigkeit genehmigungspflichtig war. Demnach hat er nochmals vorsätzlich gegen das sich aus § 54 Satz 3, § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 BBG ergebende Verbot verstoßen, genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ohne Genehmigung auszuüben.

54 2. Die festgestellten vorsätzlichen Dienstpflichtverletzungen des Beamten stellen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ein einheitliches Dienstvergehen dar. Dieses wiegt so schwer, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 BDO) gerechtfertigt ist.

55 Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, darüber nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder habe durch sein Fehlverhalten eine erhebliche, nicht wiedergutzumachende Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamten herbeigeführt. Unter diesen Voraussetzungen ist er als Beamter nicht mehr tragbar (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>).

56 Sowohl die Ausübung zahlreicher ungenehmigter Nebentätigkeiten als auch das vorsätzliche Fernbleiben vom Dienst an insgesamt 58 Arbeitstagen stellen nach Art und Umfang schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen dar. Sie sind jeweils für sich genommen geeignet, das Vertrauensverhältnis schwer zu erschüttern. Zusammengenommen haben sie einen endgültigen Vertrauensverlust zur Folge.

57 Ein vorsätzlich unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von insgesamt mehreren Monaten ist regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich um einen durchgehenden oder mehrere kürzere Zeiträume handelt. Aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, offenbart ein längeres ununterbrochenes oder mehrfach wiederholtes Fernbleiben ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit (Urteile vom 22. April 1991 - BVerwG 1 D 62.90 - BVerwGE 93, 78 <80 ff.> und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 1 D 26.02 - juris Rn. 54 ff.). Daher ist in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn im Einzelfall gewichtige Entlastungsgründe zugunsten des Beamten zu berücksichtigen sind.

58 Der Beamte ist während eines Zeitraums von zwei Jahren insgesamt sechsmal dem Dienst für neunzehn, drei, zwei, zwanzig, zehn und elf Arbeitstagen durchgehend vorsätzlich ferngeblieben. Bei Abzug der sieben Arbeitstage, für die seine Dienstfähigkeit nicht als nachgewiesen gelten kann, beläuft sich die Summe der vorsätzlich unerlaubten Fehlzeiten auf insgesamt 58 Arbeitstage, d.h. auf mehr als zwei Monate. Damit ist die Grenze des für eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses noch Hinnehmbaren bereits ohne Einbeziehung der ungenehmigten Nebentätigkeiten erreicht.

59 Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Dezember 1990 - BVerwG 1 D 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378> und vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338>).

60 Hier hat sich der Beamte massiv über das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten hinweggesetzt. Diese Einschätzung folgt bereits aus Häufigkeit und Gesamtdauer der Verstöße. Der Beamte hat die Nebentätigkeiten während einer Dauer von zwei Jahren und vier Monaten häufig, nämlich in mehr als 130 Fällen ausgeübt. Zudem waren die angeschuldigten Nebentätigkeiten nach Art und Umfang offensichtlich nicht genehmigungsfähig, worüber sich der Beamte im Klaren war. Nimmt man alle festgestellten Nebentätigkeiten in den Blick, so liegen die Versagungsgründe gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 3 BBG vor. Die Nebentätigkeiten stellten sich nach Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit als nicht genehmigungsfähige Ausübung eines Zweitberufs dar. Der Beamte hat gewerbsmäßig, d.h. mit Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Er hat die Aktivitäten wegen der guten Verdienstmöglichkeiten im Laufe der Zeit bewusst ausgedehnt. Er hat alles getan, um sich außerdienstlich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. So hat er sich um Ordner- und Bewachungsaufträge beworben.

61 Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass der Beamte den Nebentätigkeiten während der Zeiten der Krankschreibung nachgegangen ist. Er ist dem Dienst ferngeblieben, um sich Nebentätigkeiten widmen zu können. Schließlich hat er sich noch während des Disziplinarverfahrens bei dem Zeugen M. erneut darum bemüht, Aufträge zu erhalten, und einen solchen Auftrag am 22. September 2001 ausgeführt, um sich für Folgeaufträge zu empfehlen.

62 Demgegenüber kann die Anzeige von Nebentätigkeiten für die Fa. P. ... im Jahr 1993 ebenso wenig mildernd einbezogen werden wie das 1996/97 geführte Telefongespräch über Nebentätigkeiten und die Genehmigung von Erholungsurlaub zur Vorbereitung der Silvesterfeier 1999/2000. Denn der Beamte hat nicht ernstlich angenommen, aufgrund dieser Vorgänge berechtigt gewesen zu sein, die festgestellten Nebentätigkeiten auszuüben.

63 Diese Tätigkeiten sind für das Ansehen der Bundespolizei in hohem Maße schädlich. Polizeibeamte sind mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet; im Dienst repräsentieren sie den Staat. Sichtbares Zeichen hierfür ist die Uniform (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 <93>). Diese besondere Stellung erfordert eine gewisse Zurückhaltung im außerdienstlichen Bereich. Es wird in der Öffentlichkeit kritisch gesehen und schadet dem Ansehen der Polizei, wenn Polizeibeamte ihre dienstlich erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen dazu nutzen, um sich Nebenverdienste als private Sicherheitskräfte zu verschaffen. Dies gilt erst recht für den Aufbau eines Zweitberufs im Sicherheitsgewerbe. Ansehensbeeinträchtigungen können sich wiederum nachteilig auf die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben auswirken.

64 Die Gesamtwürdigung des Dienstvergehens ergibt, dass sich der Beamte im Hinblick auf die Erfüllung grundlegender Dienstpflichten als in hohem Maße unzuverlässig erwiesen hat. Aus Art, Häufigkeit und zeitlicher Dauer der Verfehlungen muss geschlossen werden, dass er auch künftig keine Gewähr böte, seine Dienstpflichten, insbesondere die Dienstleistungspflicht uneingeschränkt zu erfüllen. Auch kann aufgrund seines Verhaltens nicht die Prognose getroffen werden, er werde auf Dauer Gelegenheiten zur Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten verstreichen lassen. Hinzu kommt, dass er durch Art und Umfang der Nebentätigkeiten und deren Wahrnehmung in Zeiten der Krankschreibung das Ansehen der Bundespolizei beeinträchtigt hat.

65 Der Umstand, dass der Beamte nach der Aufdeckung der Verfehlungen zeitweilig weiterbeschäftigt und für besondere Aufgaben herangezogen worden ist, an Fortbildungslehrgängen teilgenommen und sich in verschiedenen Tätigkeitsbereichen bewährt hat, ist nicht geeignet, eine mildere Disziplinarmaßnahme zu rechtfertigen. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses obliegt den Verwaltungsgerichten unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung. Sie haben ohne Bindung an die Auffassung des Dienstherrn zu beurteilen, ob ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist. Ist dies der Fall, so vermag daran auch eine vorübergehende Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten während des Disziplinarverfahrens nichts zu ändern. Denn das Vertrauen bezieht sich auf das Amt im statusrechtlichen Sinne (Urteile vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <53> und vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 26).

66 Auch die lange Dauer des Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte wie hier durch sein Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört hat (BVerfG, Beschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1998 - BVerwG 1 D 23.97 - BVerwGE 113, 229 <235> und vom 8. Juni 2005 a.a.O. Rn. 27).

67 3. Mit dem vom Verwaltungsgericht bewilligten Unterhaltsbeitrag gemäß § 77 Abs. 1 BDO hat es schon deshalb sein Bewenden, weil die Einleitungsbehörde bis zum Schluss der Berufungshauptverhandlung keinen Änderungsantrag gestellt hat (vgl. § 80 Abs. 4 BDO).

68 Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf zu erleichtern. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Der Beamte ist gehalten, sich als Arbeit suchend zu melden, sich fortwährend auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im Internet zu bewerben und auch selbst, beispielsweise durch telefonische Nachfragen oder eigene Stellengesuche, initiativ zu werden. Der Nachweis dieser Bemühungen und deren Erfolglosigkeit sind Voraussetzungen einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO nach Antragstellung beim zuständigen Verwaltungsgericht. Dies gilt in dem vorliegenden sog. Altfall auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes (Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 10).

69 Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.