Verfahrensinformation

Die Klägerinnen der vier Revisionsverfahren betreiben ein erdgasbefeuertes Heizkraftwerk (BVerwG 7 C 8.10), Steinkohlekraftwerke (BVerwG 7 C 9.10 und 11.10) und ein Braunkohlekraftwerk (BVerwG 7 C 10.10). Sie begehren für die Zuteilungsperiode 2008 - 2012 die Zuteilung weiterer Emissionsberechtigungen nach Maßgabe des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und des Zuteilungsgesetzes 2012 (ZuG 2012.


Mit ihren Sprungrevisionen gegen die klagabweisenden Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die einschlägigen Zuteilungsregelungen des ZuG 2012 verstießen gegen Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union und gegen nationales Verfassungsrecht. Vor allem seien sie unvereinbar mit dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot und den Grundrechten der Klägerinnen auf Eigentum, auf freie Berufsausübung und auf Gleichbehandlung.


Pressemitteilung Nr. 96/2012 vom 10.10.2012

Klagen auf Mehrzuteilung von CO2-Emissionsberechtigungen erfolglos

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in vier Verfahren über Grundfragen der Zuteilung von CO2-Emissionsberechtigungen nach dem Zuteilungsgesetz 2012 entschieden. Danach stehen die zur Erreichung der Emissionsminderungsziele des Kyoto-Protokolls vorgenommenen Kürzungen der unentgeltlichen Zuteilung der Berechtigungen an Anlagen der Energiewirtschaft mit den gesetzlichen Zuteilungsregelungen und mit höherrangigen Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union sowie des Grundgesetzes in Einklang.


Zwei der Klägerinnen betreiben Steinkohlekraftwerke, je eine ein erdgasbefeuertes Heizkraftwerk bzw. ein Braunkohlekraftwerk. Sie wenden sich gegen die Zuteilungs-bescheide der Deutschen Emissionshandelsstelle und fordern die Mehrzuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen. Ihre Rügen richten sich vor allem gegen die auf Energieanlagen beschränkten Kürzungen der Zuteilungsansprüche. Das Ver-waltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Sprungrevisionen der Klägerinnen hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen:


Die differenzierende Zuteilung kostenloser Zertifikate an Energieanlagen einerseits und Industrieanlagen andererseits stellt keine selektive Begünstigung der Industrie-anlagen einschließlich zugehöriger Industriekraftwerke dar und ist daher nicht an den beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts zu messen. Die Differenzierung wird nämlich durch das Wesen und die allgemeinen Zwecke des Zuteilungssystems gerechtfertigt. Anders als die Energieversorgungsunternehmen sind die Betreiber von Industrieanlagen der Konkurrenz am Weltmarkt ausgesetzt und deshalb allenfalls sehr begrenzt in der Lage, die Kosten für den entgeltlichen Erwerb von Emissionsberechtigungen einzupreisen. Der aus einer verminderten Zuteilung unentgeltlicher Berechtigungen resultierende Kostendruck schüfe deshalb die Gefahr, dass Industrieunternehmen mit ihren Anlagen aus dem Geltungsbereich des Emissionshandelssystems abwanderten. Das liefe dem Ziel des Emissionshandels zuwider, Anreize zur Senkung der Treibhausgasemissionen zu schaffen.


Die verfassungsrechtlichen Einwände der Klägerinnen sind gleichfalls nicht tragfähig. Namentlich verletzen die Kürzungsregelungen nicht die Eigentumsrechte von Kraftwerksbetreibern. Die in der Kürzung der Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des grundrechtlich geschützten Anlageneigentums genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zumal die Kraftwerksbetreiber typischerweise in der Lage sind, Kosten für den Kauf zusätzlich benötigter Zertifikate in den Strompreis einzurechnen.


Von dieser Rechtslage ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht keinen Anlass gesehen, entsprechend den Anregungen der Klägerinnen die Verfahren auszusetzen und Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen.


BVerwG 7 C 8.10 - Urteil vom 10. Oktober 2012

Vorinstanz:

VG Berlin, 10 K 128.09 - Urteil vom 13. April 2010 -

BVerwG 7 C 9.10 - Urteil vom 10. Oktober 2012

Vorinstanz:

VG Berlin, 10 K 17.09 - Urteil vom 13. April 2010 -

BVerwG 7 C 10.10 - Urteil vom 10. Oktober 2012

Vorinstanz:

VG Berlin, 10 K 27.09 - Urteil vom 13. April 2010 -

BVerwG 7 C 11.10 - Urteil vom 10. Oktober 2012

Vorinstanz:

VG Berlin, 10 K 33.09 - Urteil vom 13. April 2010 -


Urteil vom 10.10.2012 -
BVerwG 7 C 11.10ECLI:DE:BVerwG:2012:101012U7C11.10.0

Leitsätze:

1. Die Energieanlagen betreffenden Kürzungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 sind dem Emissionshandel mit dem Ziel der globalen Reduzierung von Treibhausgasen systemimmanent und stellen deshalb keine Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV zu Gunsten von Industrieanlagen dar.

2. Im Falle einer rechtswidrigen Beihilfe gebietet weder Unionsrecht noch nationales Recht die Gleichstellung des nichtbegünstigten Wettbewerbers mit dem Beihilfeempfänger.

3. Die Veräußerungskürzung nach dem Zuteilungsgesetz 2012 steht im Einklang mit den formellen Vorgaben des Art. 11 der Emissionshandelsrichtlinie.

  • Rechtsquellen
    AEUV Art. 107, 108, 267
    EH-RL Art. 1, 2, 9 Abs. 1 und 3, Art. 10, 10a, 11, Anhang III Nr. 5
    ZuG 2012 § 4 Abs. 1 bis 3, §§ 5, 7 Abs. 1, § 8 Abs. 2, §§ 19, 20

  • VG Berlin - 25.08.2010 - AZ: VG 10 K 33.09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2012 - 7 C 11.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:101012U7C11.10.0]

Urteil

BVerwG 7 C 11.10

  • VG Berlin - 25.08.2010 - AZ: VG 10 K 33.09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
am 10. Oktober 2012 für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, wendet sich gegen die Kürzung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 und begehrt eine Mehrzuteilung von ca. 2 Mio. Berechtigungen.

2 Sie betreibt in L. ein in den 1960er-Jahren in Betrieb gegangenes und 2007 erweitertes Steinkohlekraftwerk zur Erzeugung von Strom und Fernwärme mit einer Feuerungswärmeleistung von 50 MW und mehr. Am 15. November 2007 beantragte sie die Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 i.V.m. § 7 des Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 - ZuG 2012). Mit Bescheid vom 12. Februar 2008 wurden ihr für die oben genannte Anlage

3 5 838 850 Emissionsberechtigungen zugeteilt. Die auf die Stromproduktion entfallende Zuteilungsmenge von 7 844 685 Berechtigungen kürzte die Beklagte gemäß § 20 ZuG 2012 unter Anwendung eines Faktors von 0,844001906 um 1 223 755 Berechtigungen; die verbleibende Zuteilungsmenge für die Produkte Strom und Wärme unterzog sie der anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 3 ZuG 2012 um einen Faktor von gerundet 0,8756, was eine Minderung der Zuteilungsmenge um 829 487 Emissionsberechtigungen zur Folge hatte.

4 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die Anlage der Klägerin habe mit der Produktion von Strom der Veräußerungskürzung nach § 20 ZuG 2012 sowie zusätzlich hiermit und mit der Produktion von Wärme der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 unterlegen. Die Kürzungsfaktoren seien in beiden Fällen zutreffend berechnet worden. Die Beschränkung der Veräußerungskürzung auf Energieanlagen stelle keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu Gunsten der Betreiber von Industrieanlagen einschließlich zugeordneter Industriekraftwerke dar; das Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV stehe der Kürzung folglich nicht entgegen. Eine staatliche Beihilfe setze voraus, dass staatliche Maßnahmen eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornähmen und damit a priori selektiv seien. Ausnahmsweise sei eine solche Differenzierung jedoch unbeachtlich, wenn sie aus der Natur der Sache oder der Struktur der Regelung folge, mit der sie in Zusammenhang stehe. Eine Beihilfe könne auch in einer systemwidrigen Ausklammerung von einer Belastung bestehen, wenn der Staat auf Einnahmen verzichte, die er üblicherweise erzielen könnte. Doch liege keine Beihilfe darin, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der entgeltlichen Veräußerung nicht die zulässige Obergrenze von 10 % der auszugebenden Zertifikate ausschöpfe, sondern lediglich ca. 8,8 % der Zertifikate veräußere und damit auf weitere Einnahmen verzichte. Denn dieser Verzicht komme allen dem Handelssystem Unterfallenden zugute, womit es an der Selektivität fehle. Die Schaffung unterschiedlicher Zuteilungsregelungen für verschiedene Sektoren stelle für sich allein noch keine Beihilfe für die Gruppe von Anlagenbetreibern dar, die im Verhältnis zum prognostizierten Bedarf eine günstigere Ausstattung mit Zertifikaten erlangten. Erst wenn dieses ohne eine aus dem Handelssystem ableitbare Rechtfertigung erfolge, könne eine günstigere Zuteilung an eine bestimmte Gruppe von Anlagenbetreibern als Beihilfe gewertet werden. Eine Rechtfertigung folge aus der Annahme des deutschen Gesetzgebers, die Preise für kostenlos zugeteilte Emissionsberechtigungen an Energieanlagen könnten von deren Betreibern in hohem Maße als Opportunitätskosten bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden, so dass für diese Anlagen anders als für Industrieanlagen eine das Handelssystem gefährdende Emissionsverlagerung ausgeschlossen sei.

5 Vieles spreche dafür, dass der Beklagten selbst bei Annahme einer Beihilfe eine Verletzung ihrer Notifizierungspflicht nicht mehr entgegengehalten werden könne. Zwar entbinde die Notifizierung des nationalen Zuteilungsplans nicht von einer Notifizierung nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV gegenüber der Generaldirektion Wettbewerb. Die Generaldirektion Umwelt der Kommission habe jedoch in ihren Beschlüssen über die Vereinbarkeit der nationalen Allokationspläne mit der Emissionshandelsrichtlinie (EH-RL) auch bezüglich der durch Art. 9 Abs. 1 Satz  2 i.V.m. Anhang III Ziff. 5 EH-RL in Bezug genommenen Art. 87 und 88 EG (nunmehr Art. 107, 108 AEUV) jeweils auf die Notwendigkeit einer beihilferechtlichen Notifizierung ausdrücklich hingewiesen, soweit die ihr unterbreiteten Pläne dazu Anlass geboten hätten. Bezüglich der Regelung über die Veräußerungskürzung habe sie hierzu keinen Anlass gesehen. Zudem habe die Kommission ausdrücklich mitgeteilt, dass sie die nationalen Allokationspläne für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 auch im Hinblick auf ihre beihilferechtliche Zulässigkeit geprüft habe; Beanstandungen gegen die Veräußerungskürzung seien insoweit nicht erhoben worden. Die Generaldirektion Umwelt habe mit dem in ihrer abschließenden Genehmigung des Zuteilungsgesetzes 2012 enthaltenen Vorbehalt der etwaigen Prüfung staatlicher Beihilfen in erster Linie die förmliche Zuständigkeit der Generaldirektion Wettbewerb betonen wollen. Für die Notwendigkeit einer nochmaligen Notifizierung des Zuteilungsgesetzes 2012 an die Generaldirektion Wettbewerb bestehe daher kein Anhaltspunkt.

6 Die Veräußerungskürzung stehe auch in Einklang mit Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 und Art. 11 Abs. 2 EH-RL. Die Kommission habe in ihrer Entscheidung vom 29. November 2006 erklärt, der nationale Allokationsplan dürfe auch ohne ihre vorherige Zustimmung geändert werden, wenn es der Verringerung des Anteils der kostenlos zugeteilten Zertifikate diene. Damit habe sie die spätere Regelung über die Veräußerungskürzung gestattet. Konsequenterweise habe sie daher den ihr am 14. August 2007 notifizierten endgültigen Allokationsplan auch hinsichtlich der nunmehr vorgesehenen Veräußerungskürzung weder in ihrer förmlichen Entscheidung vom 26. Oktober 2007 noch in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 14. Oktober 2008 beanstandet.

7 Weder die Veräußerungskürzung noch die anteilige Kürzung verletzten Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 i.V.m. Anhang III Ziff. 5 EH-RL. Eine ungerechtfertigte, gegen Art. 107 und 108 AEUV verstoßende Bevorzugung der Betreiber von Industrieanlagen, insbesondere auch von Industriekraftwerken, liege nicht vor. Die Beschränkung der Kürzung auf Anlagen der Energiewirtschaft sei folgerichtig und sachlich gerechtfertigt. Dies gelte auch, soweit § 4 Abs. 3 ZuG 2012 nicht nur die Stromproduktion, sondern auch die Herstellung von Prozesswärme erfasse. Auch insoweit habe der Gesetzgeber einer Gefahr der Verlagerung von Emissionen nicht begegnen müssen. Ebenso sei es mit Unionsrecht vereinbar, den Umfang der anteiligen Kürzung vom Effizienzstandard der jeweiligen Anlage abhängig zu machen. Der Gesetzgeber habe seine Befugnis zur Pauschalierung nicht dadurch überschritten, dass er die Einspeisung des in Industriekraftwerken erzeugten Stroms in das Stromnetz nicht den Kürzungen nach § 4 Abs. 3 und § 20 ZuG 2012 unterworfen habe; er habe davon ausgehen dürfen, dass die Ermittlung und die Bewertung der darauf zurückzuführenden Emissionsmengen mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand und Unsicherheiten behaftet seien und angesichts der geringen Menge des so erzeugten Stroms eine maßgebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht zu besorgen sei.

8 Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Zu deren Begründung führt sie aus: Die Einführung der Veräußerungskürzung zu Lasten der Betreiber von Energieanlagen verstoße gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, sie erfülle den Tatbestand einer staatlichen Beihilfe. Das Verwaltungsgericht konstruiere mit der Selektivität des Verzichts auf zusätzliche Einnahmen unzutreffend ein in Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Nicht der Verzicht auf Einnahmen müsse selektiv sein, sondern der aus der Beihilfe folgende wirtschaftliche Vorteil. Der wirtschaftliche Vorteil für die Betreiber von Industrieanlagen liege darin, dass sie von der Belastung durch die Veräußerungskürzung verschont blieben, die aus der tatsächlichen Veräußerung von 8,8 % der Berechtigungen folge. Der Staat verzichte gegenüber den Betreibern von Industrieanlagen auf Einnahmen, die er hätte erzielen können, wenn diese ebenso gezwungen wären, Emissionsberechtigungen käuflich zu erwerben. Zudem habe die Beklagte den von Art. 10 EH-RL vorgegebenen Rahmen, nicht mehr als 10 % der Zertifikate zu versteigern, nicht einmal ausgeschöpft. Selbst wenn dem aber so gewesen wäre, dürfte das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe nicht verneint werden. Die Bevorzugung von Industrieanlagen und Industriekraftwerken folge nicht aus der inneren Logik und der Natur des Emissionshandels. Die aus der Veräußerungskürzung folgende Begünstigung von Industrieunternehmen verfälsche den Wettbewerb und beeinträchtige den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.

9 Die in § 20 ZuG 2012 enthaltene Beihilferegelung sei der Kommission entgegen Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht vorab notifiziert worden. Der Umstand, dass die Kommission es bei verschiedenen Gelegenheiten unterlassen habe, Beanstandungen zu erheben, vermöge nichts daran zu ändern, dass eine der Beihilfeverfahrensverordnung entsprechende beihilferechtliche Würdigung der Regelung des § 20 ZuG 2012 durch die Kommission nicht erfolgt sei. Die Entscheidung der Kommission vom 26. Oktober 2007 könne diese schon deshalb nicht ersetzen, weil sie nicht im Rahmen eines beihilferechtlichen Prüfungsverfahrens ergangen sei; zudem sei § 20 ZuG 2012 nicht Gegenstand dieser Entscheidung gewesen. Ebenso nicht nachvollziehbar sei die Überlegung, der im Schreiben der Kommission vom 14. Oktober 2008 formulierte Vorbehalt einer beihilferechtlichen Prüfung biete keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die nochmalige Notifizierung des Zuteilungsgesetzes 2012 an die Generaldirektion Wettbewerb erforderlich sei. Auch sei mit diesem Schreiben nicht lediglich die förmliche Zuständigkeit der Generaldirektion Wettbewerb betont worden. Art. 9 Abs. 3 EH-RL könne insoweit auch nicht als lex specialis verstanden werden; insbesondere könne die Richtlinie eine Abweichung vom Durchführungsverbot nicht erlauben.

10 Aufgrund der Verletzung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV habe die Klägerin einen Anspruch auf veränderte Festsetzung unter Außerachtlassung der §§ 19, 20 ZuG 2012, die unmittelbar vom Durchführungsverbot erfasst und deshalb unanwendbar seien. Diesem Begehren der Klägerin stehe nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entgegen, wonach die Durchsetzung des Durchführungsverbots nicht statthaft sei, wenn eine solche Entscheidung zu einer Ausweitung des Kreises der Beihilfeempfänger führte und damit die Wirkungen dieser Beihilfe verstärkte, statt sie zu beseitigen. Denn die Differenzierung zwischen Energie- und Industrieanlagen wirke wie eine asymmetrische Abgabe, bei der sich die Beihilfe daraus ergebe, dass von zwei miteinander in Wettbewerb stehenden Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern nur eine zu einer Abgabe herangezogen werde. Für diese Fallgestaltung sei anerkannt, dass ein mit der Abgabe belastetes Unternehmen die Erstattung der Abgabe verlangen könne.

11 Die Einführung der Veräußerungskürzung verstoße zudem gegen die formellen Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 EH-RL. Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 erlaube keine einseitige Belastung bestimmter Sektoren. Hintergrund der Regelung sei die Auffassung der Kommission, die Verringerung des Anteils der kostenlos zugeteilten Zertifikate könne ihrem Wesen nach keine Verstöße gegen die Kriterien des Anhangs III der Richtlinie mit sich bringen. Eine qualitative Änderung des Zuteilungsverfahrens, die zu einer unterschiedlichen Belastung verschiedener Sektoren führe, sei aber im Hinblick auf diese Kriterien problematisch und bedürfe einer eigenen Prüfung. Zudem beziehe sich die Entscheidung der Kommission allein auf Änderungen des nationalen Zuteilungsplans, nicht aber auf das gesetzliche Zuteilungsverfahren. Art. 11 Abs. 2 EH-RL erlaube nur solche gesetzliche Zuteilungsregelungen, die auf der Grundlage des nationalen Zuteilungsplans und fristgerecht erlassen worden seien. Nach Art. 11 Abs. 2 EH-RL hätte die Bundesrepublik Deutschland die Entscheidung über die Zuteilung der Berechtigungen mindestens 12 Monate vor Beginn der aktuellen Handelsperiode treffen müssen. Dabei handele es sich um eine absolute Ausschlussfrist. Sie sei hier nicht gewahrt, da die Regelung des § 20 ZuG 2012 der Kommission erst nach Fristablauf am 31. Dezember 2006 zur Kenntnis gegeben worden sei.

12 Sowohl § 20 ZuG 2012 wie auch § 4 Abs. 3 ZuG 2012 verletzten das in Anhang III Ziff. 5 EH-RL geregelte Gleichbehandlungsgebot. Zur Rechtfertigung für die Bevorzugung von Industrieanlagen könne nicht auf die Emissionshandelsrichtlinie 2009 zurückgegriffen werden. Diese gelte erst ab dem 1. Januar 2013. Auch der erhebliche Verwaltungsaufwand, der bei einer Einbeziehung der Industriekraftwerke in die Veräußerungskürzung entstehe, rechtfertige keine Ungleichbehandlung. Dies gelte ebenso für das als maßgeblich erachtete gesetzgeberische Ziel, der Gefahr der Verlagerung von Emissionen entgegenzuwirken; diese bestehe bei Industriekraftwerken nicht. Sollte das gesetzgeberische Ziel in der Abschöpfung von windfall profits liegen, würden solche bei Industriekraftwerken, wenn sie den von ihnen produzierten Strom in das öffentliche Netz einspeisten, ebenso anfallen. Auch insoweit liege eine Ungleichbehandlung vor. Der Schutz von Industrieanlagen vor nachteiligen Wettbewerbsauswirkungen dürfe keine einseitige Belastung von Anlagen der Energiewirtschaft zur Folge haben.

13 Die Klägerin regt an, den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit der Streitsache zu befassen, und beantragt im Übrigen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2010 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Februar 2008 und ihres Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2008 zu verpflichten, der Klägerin weitere Emissionsberechtigungen unter Beachtung der aus der Revisionsbegründung ersichtlichen Vorgaben für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 zuzuteilen.

14 Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

15 Sie tritt dem Vorbringen der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

16 Der Vertreter des Bundesinteresses tritt dem Vorbringen der Beklagten bei und hält die Veräußerungskürzung mit den Vorgaben des Beihilferechts der Europäischen Union für vereinbar; abgesehen davon komme allenfalls eine Verpflichtung der Beklagten in Frage, an Dritte gewährte Beihilfen zurückzufordern.

II

17 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit revisiblem Recht davon ausgegangen, dass die allein Energieanlagen treffende anteilige Kürzung gemäß § 4 Abs. 3 ZuG 2012 sowie die Veräußerungskürzung gemäß §§ 19, 20 ZuG 2012 mit den beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts vereinbar sind (1.). Selbst wenn die Kürzungsregelungen jedoch als Beihilfen zu qualifizieren wären, würde der dann anzunehmende Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot nicht die begehrte Mehrzuteilung von Emissionsberechtigungen rechtfertigen mit der Folge, dass die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht berührt wäre (2.). Mit revisiblem Recht vereinbar sind auch die weiteren Annahmen des Verwaltungsgerichts, dass die Veräußerungskürzung in Einklang steht mit den formellen Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 und Art. 11 Abs. 2 EH-RL (3.) und dass beide Kürzungsregelungen das im Anhang III Ziff. 5 EH-RL enthaltene Gleichbehandlungsgebot nicht verletzen (4.). Die Herbeiführung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV ist weder geboten noch wäre sie entscheidungserheblich (5.).

18 1. Die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 und die Veräußerungskürzung nach §§ 19, 20 ZuG 2012 stellen keine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und stehen damit nicht in Widerspruch zum Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Angesichts des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist von diesen Bestimmungen auszugehen, die mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 die bisherigen Regelungen der Art. 87 und 88 des EG-Vertrages ersetzt haben und vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt worden sind. Da die - primär- und sekundärrechtlichen - Vorschriften des Unionsrechts revisibles Recht darstellen (Beschluss vom 12. Juni 1970 - BVerwG 7 C 35.69 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 43 S. 11 = BVerwGE 35, 277 <278>), sind sie für die revisionsgerichtliche Prüfung als Maßstab heranzuziehen.

19 Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt die Einstufung einer Zuwendung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass es sich zum einen um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt und dass zum anderen dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt wird. Hinzu kommt, dass die Maßnahme geeignet sein muss, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen sowie den Wettbewerb zu verfälschen (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2010 - Rs. C-140/09, Fallimento Traghetti del Mediterraneo - Slg. 2010, I-5243 <Rn. 31> m.w.N.). Dem Selektivitätserfordernis können nicht nur positive Leistungen entsprechen, sondern auch Maßnahmen, die Belastungen mindern, wie es z.B. auf die Befreiung von Abgaben zutrifft (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - Rs. C-66/02, Italien/Kommission - Slg. 2005, I-10901 <Rn. 77 f.> m.w.N.). Ebenso kann eine asymmetrische Heranziehung zu einer Abgabe nur einer von zwei miteinander im Wettbewerb stehenden Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern eine Beihilfe darstellen (EuGH, Urteil vom 7. September 2006 - Rs. C-526/04, Laboratoires Boiron - Slg. 2006, I-07529 <Rn. 33 ff.).

20 Ob eine staatliche Maßnahme selektiven Charakter hat, hängt davon ab, ob sie im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen begünstigt, die sich im Hinblick auf das Regelungsziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (EuGH, Urteil vom 6. September 2006 - Rs. C-88/03, Portugal/Kommission - Slg. 2006, I-7115 <Rn. 54 ff.>). Jedoch fallen staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht unter den Begriff der staatlichen Beihilfe, wenn sich diese Differenzierung aus der Natur oder der Systematik der Regelung ergibt, in die sie eingebunden sind (stRspr, EuGH, Urteile vom 21. Juni 2012 - Rs. C-452/10 P, BNP Paribas und BNL/Kommission - juris Rn. 101, 120, vom 29. März 2012 - Rs. C-417/10, 3M Italia - juris Rn. 40 f., vom 22. Dezember 2008 - Rs. C-487/06 P, British Aggregates/Kommission - Slg. 2008, I-10515 <Rn. 82 f.> und vom 8. November 2001 - Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke - Slg. 2001, I-08365 <Rn. 42> m.w.N.), bzw. eine differenzierende Belastung von Unternehmen dem System „immanent“ ist (EuGH, Urteile vom 8. September 2011 - Rs. C-279/08 P, Niederlande/Kommission - juris Rn. 110 f. und vom 22. November 2001 - Rs. C-53/00, Ferring - Slg. 2001, I-09067 <Rn. 12> m.w.N.). Dabei müssen derartige Maßnahmen an objektive Kriterien gebunden sein; Erwägungen des Umweltschutzes allein können einer Maßnahme den Beihilfecharakter nicht nehmen (EuGH, Urteile vom 22. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 92 und vom 8. November 2001 a.a.O. Rn. 52 f.).

21 In Anwendung dieser Maßstäbe kann entgegen der Revision weder die Unterschreitung des unionsrechtlich vorgesehenen Rahmens einer entgeltlichen Zuteilung von 10 % der Emissionsberechtigungen noch die Begünstigung von Industrieanlagen bzw. Industriekraftwerken durch die Ausklammerung der an diese zuzuteilenden Emissionszertifikate aus den Kürzungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 als staatliche Beihilfe verstanden werden.

22 a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Verzicht des nationalen Gesetzgebers, den in Art. 10 Satz 2 EH-RL für die zweite Zuteilungsperiode gesteckten Rahmen einer Veräußerung von 10 % der Berechtigungen vollständig auszuschöpfen, keine selbstständige beihilferechtliche Relevanz zukommt. Denn dieser Verzicht bezieht sich auf sämtliche dem Anhang 1 zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlagen und kommt nicht lediglich einer bestimmten Gruppe von Anlagenbetreibern, hier den Betreiben von Industrieanlagen, zugute; dies gilt gleichermaßen, als wenn der Staat von der ihm eingeräumten Möglichkeit der Veräußerung von Emissionsberechtigungen in zulässiger Weise (Art. 10 EH-RL) gänzlich abgesehen hätte. Insoweit fehlt es am Merkmal der Selektivität.

23 Wenn die Revision hiergegen einwendet, dass das Verwaltungsgericht damit eine falsche Bezugsgröße in den Blick genommen habe, weil auf den wirtschaftlichen Vorteil abzustellen sei, der in der Verschonung von dem Faktor der Veräußerungskürzung liege, unterfällt dies bereits dem generellen Einwand der Klägerin, dass die in der Kürzungsregelung angelegte Differenzierung zwischen Energie- und Industrieanlagen die Industrieanlagen selektiv begünstige. Denn der Verzicht auf eine vollständige Ausschöpfung des unionsrechtlichen Rahmens berührt nur den Umfang der möglichen Begünstigung, stellt hingegen nicht einen selbstständigen beihilferelevanten Tatbestand dar. Im Übrigen legt § 20 ZuG 2012 zur Erzielung des Berechtigungsaufkommens einen tatsächlichen, allein Energieanlagen treffenden Belastungsfaktor fest; nur von diesem Belastungsrahmen ausgehend ist das Vorliegen einer Verschonungsbeihilfe zu Gunsten von Industrieanlagen zu erwägen.

24 b) Der vorerwähnte generelle Einwand greift nicht durch. Die Kürzungsregelungen führen zwar für Industrieanlagen zu einer vorteilhafteren Ausstattung mit kostenlosen Emissionsberechtigungen, als sie Energieanlagen zuteil wird. Darin liegt eine Begünstigung, ohne dass es darauf ankommt, ob auf die Zuteilung der Berechtigungen an die Industrieanlagen oder auf die Ausklammerung dieser Anlagen aus dem Anwendungsbereich der Kürzungsregelungen abgestellt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - Rs. C-279/08 P, Kommission/Königreich der Niederlande - juris Rn. 107 f.). Diese Begünstigung stellt aber keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, weil die Differenzierung zwischen Energieanlagen einerseits und Industrieanlagen einschließlich deren Industriekraftwerke andererseits durch die allgemeinen Zwecke des Systems, dem die Maßnahme angehört, gerechtfertigt wird und damit dem System immanent ist.

25 Das Emissionshandelssystem steht im Dienst der von der Europäischen Union im Kyoto-Protokoll übernommenen Verpflichtungen. Um die darin vereinbarte Senkung der Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase zu erreichen, hat die Union für die Jahre 2008 bis 2012 eine Reduktion um 8 % gegenüber dem Niveau von 1990 und bis 2020 eine solche von mindestens 20 % zugesagt. Nach dem Lastenverteilungsplan für die EU-Mitgliedstaaten ist die Beklagte gehalten, die Treibhausgasemissionen im Bundesgebiet bis 2012 um 21 % zu verringern. Die Emissionshandelsrichtlinie vom 13. Oktober 2003 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einführung eines anlagenbezogenen Emissionshandelssystems in den Sektoren Energiewirtschaft und energieintensive Industrie (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. den Anhängen I und II EH-RL). Ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht dienen das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz und für die zweite Zuteilungsperiode das Zuteilungsgesetz 2012.

26 Hauptziel der Emissionshandelsrichtlinie ist es somit, die Treibhausgasemissionen erheblich zu verringern, um die Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten aus dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen. Dieses Ziel soll durch Einhaltung einer Reihe von Unterzielen und durch Einsatz bestimmter Instrumente erreicht werden. Aus Art. 1 und dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich, dass hierfür das Gemeinschaftssystem für den Handel mit Treibhausgasemissionsrechten das Hauptinstrument ist. Nach Art. 1 EH-RL soll dieses System in kosteneffizienter und wirtschaftlich effizienter Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinwirken. Bei den weiteren Unterzielen, die mit diesem System erreicht werden sollen, handelt es sich nach dem fünften Erwägungsgrund u.a. um den Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage (EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - Rs. C-504/09 P, Polen/Kommission - juris Rn. 77). Dabei erfasst das Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz nicht nur das Funktionieren des Handelsmarktes selbst, sondern bezieht sich auch auf die im Anhang I EH-RL erfassten Tätigkeitsbereiche, die dem Ziel der Verringerung von Emissionen unterliegen (EuG, Urteil vom 7. November 2007 - Rs. T-374/04, Deutschland/Kommission - Slg. 2007, II-4431 <Rn. 136>). Die nationalen Umsetzungsregelungen sind ebenfalls diesen Zielsetzungen verpflichtet und sollen insbesondere gewährleisten, dass die von Deutschland übernommenen Emissionsminderungspflichten unter Wahrung des vorgenannten Unterziels erfüllt werden.

27 Schon das Hauptziel als solches, erst recht aber Haupt- und Unterziel in ihrer Kombination erfordern eine differenzierende Behandlung von Energie- und Industrieanlagen. Die Grundstruktur des Zuteilungssystems nach dem Zuteilungsgesetz 2012 als wesentlichen Elements des Emissionshandelssystems ist durch die Unterscheidung zwischen diesen beiden Wirtschaftssektoren geprägt, die am Markt unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen. Anders als die Betreiber von Energieanlagen, die vor allem für den deutschen Markt und in untergeordnetem Maße für Absatzmärkte in anderen zum Emissionshandelssystem gehörenden Staaten produzieren, sind die Betreiber von Industrieanlagen, soweit sie dem Emissionshandel unterliegen, typischerweise der Konkurrenz am Weltmarkt ausgesetzt. Sie sind deshalb im Gegensatz zu den Energieversorgungsunternehmen allenfalls sehr begrenzt in der Lage, die Kosten für den entgeltlichen Erwerb von Emissionsberechtigungen einzupreisen (vgl. BTDrucks 16/5240 S. 22; BTDrucks 16/5769 S. 17). Der aus einer verminderten Zuteilung unentgeltlicher Zertifikate resultierende Kostendruck schüfe mithin die Gefahr, dass Industrieunternehmen mit ihren Anlagen aus dem Geltungsbereich des Emissionshandelssystems in Staaten abwandern, die weniger strenge Anforderungen zum Schutz des Klimas stellen. Das liefe dem erwähnten Hauptziel des Emissionshandels zuwider, die Treibhausgasemissionen durch den Anreiz und die Förderung des Strebens nach geringstmöglichen Kosten erheblich zu senken. Eine Verringerung der globalen Treibhausgasemissionen mit den Mitteln des Emissionshandels müsste bereits im Ansatz scheitern, wenn es nicht gelänge, die vom Handelssystem erfassten Sektoren in diesem System zu halten. Das weitere Ziel, die Systemeinführung in einer für die wirtschaftliche Entwicklung der beteiligten Staaten verträglichen Weise zu gestalten, würde ebenfalls verfehlt. Eine Regelung, die diesen Konsequenzen durch stärkere Schonung der Industrieanlagen entgegenwirkt und dadurch die Effizienz des Systems sichert und stärkt, wird demzufolge durch die allgemeinen Zwecke des Systems gerechtfertigt.

28 Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass die Differenzierung zwischen Energie- und Industrieanlagen keine Eigenart der deutschen Zuteilungsregelungen darstellt. Ausweislich einer Mitteilung der Kommission vom 22. Dezember 2005 (KOM <2005> 703 endgültig S. 4) teilten die Mitgliedstaaten schon in der ersten Zuteilungsperiode Emissionsberechtigungen an Stromerzeuger im Allgemeinen restriktiver zu als an Anlagenbetreiber aus anderen dem System unterfallenden Sektoren. Die Kommission ist dieser Gefahr der Emissionsverlagerung mit zeitlichem Verzug auch selbst entgegengetreten; sie hat am 24. Dezember 2009 ein Verzeichnis der Sektoren und Teilsektoren beschlossen, von denen angenommen wird, dass sie einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind (Az.: K <2009> 10251).

29 Daran anknüpfend sieht Art. 10a Abs. 12 EH-RL i.d.F. der Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausemissionszertifikaten (ABl EG Nr. L 140 S. 63) für diese als schutzbedürftig erachteten Anlagen der Industrie für den Zeitraum vom 2013 bis 2020 weiterhin die Zuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen vor, während Zuteilungen für Energieanlagen - von Ausnahmen abgesehen - nach Art. 10a Abs. 3 EH-RL Fassung 2009 nur noch entgeltlich erfolgen. Die mit einer Besserstellung der Industrieanlagen verbundene Übergangsphase für die Einführung des neuen Emissionshandelssystems soll erst im Jahr 2027 enden (Art. 10a Abs. 11 EH-RL Fassung 2009). Eine frühzeitige und tendenziell stärkere Belastung der Energieanlagen durch gekürzte Zuteilungen kostenloser Emissionsberechtigungen erweist sich damit als zum Erreichen des Ziels der zugesagten Emissionsminderung systemimmanent im Unionsrecht angelegt.

30 Eine abweichende beihilferechtliche Beurteilung der gesetzlichen Kürzungsregelungen ist auch nicht mit Rücksicht auf Industriekraftwerke geboten. Industriekraftwerke mögen zwar ebenfalls zur Einspeisung des Wertes unentgeltlich erhaltener Emissionsberechtigungen in der Lage sein, soweit sie den erzeugten Strom am Markt absetzen. Sie fallen unter die Zuteilungsregelungen für Industrieanlagen aber nur dann, wenn sie als Bestandteile oder Nebeneinrichtungen von Industrieanlagen genehmigt worden sind (§ 1 Abs. 2 der 4. BImSchV), also für diese eine dienende Funktion wahrnehmen. Angesichts dieser durch die Genehmigungslage dokumentierten Primärausrichtung auf die dem industriellen Sektor zuzuordnende Hauptanlage liegt es in der Logik des Zuteilungssystems, sie nicht aus dem Zuteilungsregime für die Hauptanlage auszuklammern (§ 3 Abs. 3 Satz 2 TEHG a.F.).

31 2. Selbst wenn die gesetzlichen Kürzungsregelungen aber als Beihilfe zu qualifizieren wären, würde das der Revision nicht zum Erfolg verhelfen (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der dann anzunehmende Verstoß gegen das Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV würde nicht die von der Klägerin erstrebte Zuteilung zusätzlicher Emissionsberechtigungen rechtfertigen und deshalb die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht in Frage stellen.

32 Zwar erwachsen im Falle einer ungerechtfertigten Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige dem nicht begünstigten Wettbewerber aus dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unmittelbare Rechte, deren Durchsetzung durch eine Klage vor den staatlichen Gerichten gegen den die Beihilfe gewährenden Mitgliedstaat zu verfolgen ist. Diese kann eine Verhinderung der Auszahlung rechtswidriger Beihilfe bzw. die Rückforderung bereits gewährter rechtswidriger Beihilfen (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - Rs. C-71/04, Xunta de Galicia - Slg. 2005, I-07419 <Rn. 49>), die Zahlung von Zinsen während der Dauer der Rechtswidrigkeit (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - Rs. C-199/06, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication - Slg. 2008, I-00469 <Rn. 52 und 55>) oder Schadensersatz für Mitbewerber (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - Rs. C-334/07 P, Kommission/Freistaat Sachsen - Slg. 2008, I-09465 <Rn. 54>) und zudem einstweilige Maßnahmen gegen rechtswidrige Beihilfen zum Gegenstand haben. Darüber hinaus ist ein Schadensersatzanspruch in Erwägung zu ziehen, der sich unmittelbar gegen den Beihilfeempfänger richtet (EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - Rs. C-39/94, SFEI u.a. - Slg. 1996, I-03547 <Rn. 72 bis 75>). Dagegen kann ein Unternehmen zur Kompensation der Benachteiligung in aller Regel nicht eine der Beihilfe entsprechende Leistung an sich selbst beanspruchen. So ist anerkannt, dass ein Unternehmen, das Abgaben entrichten muss, im Allgemeinen nicht geltend machen kann, dass die Befreiung eines anderen von diesen Abgaben nach Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ist, um sich selbst der Entrichtung dieser Abgaben zu entziehen (EuGH, Urteil vom 15. Juni 2006 - Rs. C-393/04, Air Liquide -Slg. 2006, I-5293 <Rn. 48>). Die Ausweitung einer rechtswidrigen Befreiung auf den Konkurrenten stellt keinen angemessenen Rechtsschutz gegen Verstöße nach Art. 108 Abs. 3 AEUV dar; denn dadurch würden die wettbewerbswidrigen Wirkungen einer rechtswidrigen Beihilfe nicht beseitigt, sondern sogar noch verstärkt (EuGH, Urteile vom 15. Juni 2006 a.a.O. <Rn. 45>, vom 5. Oktober 2006 - Rs. C-368/04, Transalpine Ölleitung - Slg. 2006, I-09957 <Rn. 49, 51 f.>). Selbst wenn man mit der Revision im vorliegenden Falle vom Vorliegen einer rechtswidrigen Verschonungsbeihilfe zu Gunsten von Industrieanlagen und Industriekraftwerken ausgehen wollte, könnte die Klägerin daher nach den Vorgaben des Unionsrechts für ihre Energieanlage keine Mehrzuteilung von Emissionsberechtigungen durch Außerachtlassung der beiden Kürzungsregelungen einfordern.

33 Das von der Revision in Bezug genommene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7.September 2006 (Rs. C-526/04, Laboratoires Boiron, Slg. 2006, I-07529) lässt keine anderen Schlüsse zu. In dem seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Fall waren Pharmahersteller, die beim Direktverkauf ihrer Erzeugnisse im Wettbewerb zu Pharmagroßhändlern standen, zu einer Direktverkaufsabgabe herangezogen worden, die dazu diente, die allein Pharmagroßhändler treffende Pflicht zur Vorratshaltung zu kompensieren, tatsächlich aber zu einer Überkompensation führte. In diesem Fall einer asymmetrischen (nur den Herstellern auferlegten) Abgabe hat der Gerichtshof die Heranziehung zur Abgabe als solche im Umfang der Überkompensation als Durchführung einer Beihilfe gewertet und deshalb den Herstellern insoweit einen Rückgewähranspruch zugebilligt. Von dieser besonders gelagerten Fallgestaltung unterscheidet sich die Anwendung der §§ 20 und 4 Abs. 3 ZuG 2012 grundlegend. Bei der differenzierenden Zuteilung von Emissionszertifikaten geht es bereits begrifflich nicht um die Rückgewähr einer dem benachteiligten Wettbewerber auferlegten asymmetrischen Leistung. Die Betreiber von Energieanlagen sind zu keiner Leistung herangezogen worden; sie haben keine Abgaben geleistet, deren Erstattung sie beanspruchen könnten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2006 a.a.O. <Rn. 39 bis 41>). Anders als die Betreiber von Industrieanlagen und Industriekraftwerken haben sie lediglich gekürzte - kostenlose - Zuteilungen erhalten. Eine solche sektorale Differenzierung staatlicher Leistungsgewährung entspricht - abgesehen von der Frage der Systemimmanenz - dem Regelfall beihilferechtlich erheblichen Handelns, der dadurch gekennzeichnet ist, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige durch staatliche Maßnahmen gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen begünstigt werden. Eine Mehrzuteilung von Zertifikaten an die Betreiber von Energieanlagen ist in einer solchen Fallgestaltung umso weniger in Betracht zu ziehen, als es sich dabei um eine endgültig wirkende Maßnahme handeln würde, die dem vorläufigen Charakter des Durchführungsverbots zuwiderliefe. Überdies bestünde die Gefahr, dass das Allokationssystem des Zuteilungsgesetzes 2012 aus den Fugen geriete, wollte man den Betreibern großer Energieanlagen Ansprüche auf ungekürzte Zuteilungen von Zertifikaten zuerkennen; solche Ansprüche ließen sich mit den Reservemengen des § 5 ZuG 2012 nicht ohne Weiteres auffangen, wie ein Blick auf das mit Urteil vom heutigen Tage entschiedene Parallelverfahren BVerwG 7 C 10.10 zeigt.

34 Gesichtspunkte effektiven Rechtsschutzes schlössen es gleichfalls nicht aus, den durch die Anwendung der Kürzungsregelungen belasteten Betreiber von Energieanlagen auf Ansprüche zu verweisen, die auf die Rückgängigmachung der Begünstigung für die Betreiber von Industrieanlagen zielen. Die rechtstechnische Umsetzung dieser Ansprüche richtet sich mangels einschlägiger unionsrechtlicher Regelungen nach nationalem Verfahrensrecht. Die deutschen Verfahrensvorschriften ermöglichen die Rückforderung zwar nur, falls der Verwaltungsakt, der die Grundlage der gewährten Beihilfe bildet, entweder nichtig ist oder beseitigt wird (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - BVerwGE 138, 322 Rn. 14 f. = Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 14). Dies bedeutet, dass der benachteiligte Anlagenbetreiber den Verwaltungsakt - vorbehaltlich dessen hier nicht in Betracht zu ziehender Nichtigkeit - anfechten muss, um die Rückgewähr zu erreichen. Im Bereich des Emissionshandels kann sich hierbei die Notwendigkeit ergeben, eine Vielzahl von Zuteilungsbescheiden anzufechten. Daraus resultiert aber gleichwohl kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz, der verlangt, dass Verfahrenvorschriften die Ausübung materieller Rechte weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 45 m.w.N.). Denn die Bescheide müssen nicht einzeln aufgeführt werden. Um sie hinlänglich zu bezeichnen, wie es § 82 Abs. 1 VwGO verlangt, reicht es aus, sich pauschal gegen sämtliche Zuteilungsbescheide zu wenden, die ohne Anwendung der Kürzungsregelungen erlassen worden sind (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 19). Die mangels Bekanntgabe der Bescheide an Dritte für die Anfechtung geltende Jahresfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Dritte von ihrer Existenz und ihrem Inhalt sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 18); auch sie stellt mithin keine Hürde dar, die einen auf Rückabwicklung der ungekürzten Zuteilungen gerichteten Rechtsschutz übermäßig erschweren würde.

35 3. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Vorschriften über die Veräußerungskürzung im Zuteilungsgesetz 2012 verstießen nicht in einer zur Unwirksamkeit der Regelung führenden Weise gegen die Emissionshandelsrichtlinie, obgleich der zum Gegenstand der Kommissionsentscheidung vom 29. November 2006 gewordene nationale Zuteilungsplan vom 28. Juni 2006 noch keine Veräußerungskürzung vorsah und die Mindestfrist von zwölf Monaten vor Beginn der Zugteilungsperiode nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EH-RL bei Erlass des die Kürzungsregelung enthaltenden Zuteilungsgesetzes 2012 bereits verstrichen war, ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36 Letztere Frist kann nicht als Ausschlussfrist in dem Sinne verstanden werden, dass nach Fristablauf, d.h. nach dem 31. Dezember 2006, keine nationalstaatlichen Regelungen über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen mehr getroffen werden können. Denn damit hätte es ein Mitgliedstaat in der Hand, sich seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie durch Untätigkeit zu entziehen. Gleichermaßen wie bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur fristgerechten Umsetzung von Richtlinien (EuGH, Urteil vom 19. März 1991 - Rs. C-310/89, Kommission/Niederlande - Slg. 1991, I-1381 Ls 2) bleibt der jeweilige Mitgliedstaat auch nach Ablauf der Frist des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EH-RL verpflichtet, ein Zuteilungsgesetz zu erlassen. Zudem kann nicht außer Acht bleiben, dass die Kommission gegenüber Mitgliedstaaten selbst erst nach Fristablauf auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 EH-RL ablehnende Entscheidungen getroffen hat (vgl. die Entscheidungen der Kommission zum polnischen Zuteilungsplan vom 26. März 2007 und zum lettischen Zuteilungsplan vom 13. Juli 2007), was den jeweiligen Mitgliedstaat nicht aus seiner weiteren Pflicht zur Umsetzung der Emissionshandelsrichtlinie entlassen sollte und konnte. Soweit der dreißigste Erwägungsgrund der Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 über den nationalen Zuteilungsplan Deutschlands in seinem Satz 2 bezogen auf die Frist des Art. 11 Abs. 2 EH-RL von einer „absoluten Ausschlussfrist“ spricht, bezieht sich dies auf die in Satz 1 enthaltene Aussage, wonach Mitgliedstaaten nach Fristablauf keine anderen Änderungen der nationalen Zuteilungspläne mehr vorschlagen dürfen als die in der Entscheidung der Kommission vorgesehenen Änderungen, nicht aber auf den Ausschluss einer abschließenden Entscheidung des nationalen Gesetzgebers.

37 Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 EH-RL scheidet gleichfalls aus. Nach Art. 9 Abs. 1 EH-RL sind allein die Mitgliedstaaten für die Aufstellung der nationalen Zuteilungspläne und die endgültige Entscheidung über die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate zuständig. Die Kontrollbefugnis der Kommission beschränkt sich nach Art. 9 Abs. 3 EH-RL auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle (EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - Rs. C-504/09 P, Polen/Kommission - juris Rn. 45 ff.). Deshalb sind Änderungen des nationalen Zuteilungsplans auch nach Ablauf der dreimonatigen Entscheidungsfrist des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 EH-RL oder einer vorherigen Entscheidung der Kommission weiterhin möglich (EuG, Urteil vom 7. November 2007 - Rs. T-374/04, Deutschland/Kommission - Slg. 2007, II - 4431 Rn. 105 f.); die nachfolgende Anzeige einer Änderung setzt eine neue Dreimonatsfrist in Gang (EuG, Urteil vom 22. März 2011 - Rs. T-369/07, Lettland/Kommission, juris Rn. 57). Äußert sich die Kommission innerhalb dieser Dreimonatsfrist nicht, so wird der nationale Zuteilungsplan endgültig und kann vom Mitgliedstaat umgesetzt werden, ohne dass hierfür eine allgemeine Genehmigung der Kommission erforderlich wäre (EuG, Beschluss vom 30. April 2007 - Rs. T-387/04, EnBW Energie Baden-Wüttemberg/Kommission, Slg. 2007, II-01195 <Rn. 120>). Mit Schreiben vom 14. August 2007 teilte die Beklagte der Kommission die „abschließende Änderung und Umsetzung des deutschen Nationalen Allokationsplans für die Periode 2008 bis 2012“ in Form des zwischenzeitlich beschlossenen Zuteilungsgesetzes 2012 mit; in der hierzu ergangenen Entscheidung der Kommission vom 26. Oktober 2007 wird gegen die neu eingefügte Veräußerungskürzung keine Einwendung erhoben. Damit ist den formellen Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 EH-RL Genüge getan.

38 Wollte man hiergegen - trotz Anzeige der bereits endgültigen Gesetzesfassung - mit Blick auf die Anforderungen der Ziff. 10 des Anhangs III EH-RL Bedenken erheben, so scheidet ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 EH-RL dennoch aus. Dies folgt aus dem dritten Erwägungsgrund der Entscheidung der Kommission vom 26. Oktober 2007, wonach die Kommission diejenigen Aspekte der Angaben Deutschlands in seiner Entscheidung nicht weiter berücksichtigt hat, die lediglich die Durchführung der Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 betreffen. Im Rahmen einer zulässigen Vorabkontrolle (EuG, Urteil vom 23. November 2005 - Rs. T-178/05, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. II-04807 <Rn. 64>; Beschluss vom 30. April 2007 a.a.O. Rn. 111, 115) hatte die Kommission diesbezüglich am 29. November 2006 bereits in Art. 3 Ziffer 2 entschieden, dass der nationale Zuteilungsplan (nur) dann ohne vorherige Zustimmung von der Kommission geändert werden darf, wenn „es der Verringerung des Anteils der kostenlos zugeteilten Zertifikate im Rahmen der in Artikel 10 der Richtlinie genannten Grenzen dient“. Das Verwaltungsgericht hat diesen Passus zu Recht dahingehend ausgelegt, dass damit auch die nachträgliche Einfügung der Veräußerungskürzung in die Zuteilungsregelungen im Sommer 2007 gedeckt ist. Der Verweis der Revision auf den achtundzwanzigsten Erwägungsgrund der Entscheidung verfängt nicht. Dort ist davon die Rede, dass die Verringerung des Anteils der kostenlos zugeteilten Zertifikate innerhalb der in Art. 10 der Richtlinie vorgegebenen Grenzen akzeptiert werde, da hier keine vorherige Bewertung durch die Kommission erforderlich sei. Der Einwand der Revision, dass unter diese Einschränkung nur quantitative, nicht aber qualitative Änderungen des Zuteilungsverfahrens fielen, greift nicht durch. Denn jede (im Allokationsplan neu vorgesehene) Veräußerung von Emissionsberechtigungen innerhalb der Befugnis des Art. 10 EH-RL führt zwingend dazu, dass die bisher vorgesehenen Zuteilungsmengen anders verteilt werden und verschiedene Sektoren damit einer unterschiedlichen Behandlung unterliegen können. Dies geht bereits weit über lediglich quantitative Änderungen hinaus. Die Kommission hat solche umfangreichere Weiterungen im achtundzwanzigsten Erwägungsgrund auch akzeptiert, wenn sie ausdrücklich darauf hinweist, dass die Verringerung kostenloser Zuteilungen das Kriterium 5 des Anhangs III EH-RL beachten muss und Sektoren nicht unterschiedlich im Sinne einer ungerechtfertigten Bevorzugung von Tätigkeiten behandeln darf. Mit letzterem wird von der Vorabkontrolle auch der Fall der nachträglichen (erstmaligen) Aufnahme einer Veräußerungskürzung in den nationalen Allokationsplan erfasst.

39 Seine Bestätigung findet ein derart umfassendes Verständnis der Vorabkontrolle in der Entscheidung vom 29. November 2006 durch die Mitteilung der Kommission vom selben Tag an den Rat und das Europäische Parlament über die Bewertung der nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen. Dort verweist die Kommission darauf, dass mehrere Mitgliedstaaten beabsichtigten, den Anteil der zu versteigernden Zertifikate in Verbindung mit einer restriktiveren Zuteilung an Stromerzeuger anzuheben. In einigen Mitgliedstaaten werde die Versteigerung noch geprüft. Deswegen gestatteten die Entscheidungen über die Pläne für den zweiten Handelszeitraum es den Mitgliedstaaten, den Anteil der zu versteigernden Zertifikate innerhalb der in Art. 10 der Richtlinie genannten Grenzen nach der Bewertung der Kommission, aber vor der Verabschiedung der endgültigen Entscheidung über den nationalen Zuteilungsplan gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie anzuheben.

40 4. Die Kürzungsregelungen des § 4 Abs. 3 und des § 20 ZuG 2012, die ausschließlich Anlagen der Stromwirtschaft belasten, verletzen nicht Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 i.V.m. Anhang III Ziff. 5 EH-RL.

41 Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 EH-RL ist der nationale Zuteilungsplan auf objektive und transparente Kriterien zu stützen einschließlich der in Anhang III genannten Kriterien. Nach dem Kriterium 5 darf der Plan Unternehmen oder Sektoren gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Art. 87 und 88 EG (jetzt Art. 107, 108 AEUV), nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden. Hiermit wird der allgemeine Gleichheitsgrundsatz konkretisiert (EuG, Urteil vom 7. November 2007 a.a.O. Rn. 153), der besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Rs. C-127/07, Arcelor Atlantique et Lorraine - Slg. 2008, I-09895 Rn. 23).

42 Die Ungleichbehandlung von Anlagen der Energiewirtschaft und der Industrie insoweit, als allein Zuteilungen an Energieanlagen der anteiligen Kürzung und der Veräußerungskürzung unterfallen, ist objektiv gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zuzubilligen, wenn seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet und wenn er komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss. Ist ein komplexes System umzustrukturieren oder neu zu schaffen, ist es dem Gesetzgeber gestattet, einen schrittweisen Lösungsansatz zu Grunde zu legen. In Anbetracht der Neuheit und der Komplexität des Emissionshandelssystems fügt sich das gewählte schrittweise Vorgehen, das sich auf die in der ersten Phase seiner Umsetzung gesammelten Erfahrungen stützt, in den Wertungsspielraum des Gesetzgebers ein (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 61 ff. m.w.N.).

43 Bei der Ausgestaltung der Übergangsphasen bis hin zu einer vollständigen Einbeziehung der erfassten Sektoren in ein entgeltliches Zuteilungssystem ab dem Jahre 2027 musste der Gesetzgeber darauf bedacht sein, mögliche Störungen des Funktionierens dieses Systems bei seiner Einführung und in der Übergangsphase auszuschließen. Wie oben bereits ausgeführt, durfte einerseits mit der Einführung des Emissionshandelssystems keine Verlagerung der Emissionen von Industrieanlagen in Länder befördert werden, die den strengen Anforderungen des Systems nicht unterlagen. Da andererseits nach den Erkenntnissen aus der ersten Handelsperiode es den Betreibern von Energieanlagen weitgehend möglich war, Zertifikatskosten auf den Endverbraucher abzuwälzen, entsprach es den allgemeinen Zielen des Systems, diesen Sektor durch die Kürzung unentgeltlicher Zuteilungen - im Wege der anteiligen Kürzung bezogen auf die gesamte Produktpalette und im Wege der Veräußerungskürzung allein bezogen auf das Produkt Strom - stärker zu belasten als den Sektor der Industrieanlagen.

44 Wie gleichfalls bereits oben im Rahmen der beihilferechtlichen Prüfung ausgeführt wurde, fehlt es an einer unzulässigen Differenzierung auch insoweit, als der in Industriekraftwerken erzeugte und - da für die industrielle Produktion nicht benötigt - in das Stromnetz eingespeiste Strom den Kürzungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 nicht unterworfen worden ist. Über die dortigen Ausführungen hinaus ist zur Behandlung der Industriekraftwerke zusätzlich zu berücksichtigen, dass angesichts der unterschiedlichen Zuteilungsmethoden auf der Basis historischer Emissionen für Bestandsanlagen der Industrie einerseits (§ 6 Abs. 1 ZuG 2012) und auf der Basis von Benchmarks für Energieanlagen andererseits (§ 7 Abs. 1 ZuG 2012) der Anteil des Industriekraftwerks an den historischen Emissionen der Industrie-Gesamtanlage separat hätte ermittelt werden müssen, wofür es an verfügbaren Daten mangelt und was deshalb zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand genötigt hätte. Auch Letzteres rechtfertigt die Nichteinbeziehung von Industriekraftwerken in die Kürzungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 (vgl. auch EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 a.a.O. <Rn. 65>), zumal damit lediglich Regelungen für eine Übergangsphase getroffen wurden.

45 5. Zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter ist die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht geboten. Namentlich sind der Beihilfebegriff des Art. 107 AEUV und die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt. Die Vorgaben der genannten Regelungen haben dadurch so scharfe Konturen erhalten, dass deren Anwendung auf den hier zu beurteilenden Fall zu eindeutigen Ergebnissen führt.

46 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 15.03.2013 -
BVerwG 7 KSt 2.13ECLI:DE:BVerwG:2013:150313B7KSt2.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.03.2013 - 7 KSt 2.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:150313B7KSt2.13.0]

Beschluss

BVerwG 7 KSt 2.13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. März 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und Brandt
beschlossen:

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen die Festsetzung des Streitwertes in dem Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 7 C 11.10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Die Gegenvorstellung der Klägerin gibt dem Senat keinen Anlass, die Festsetzung des Streitwerts in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2012 zu ändern. Weder bindet die vorläufige Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG, die wegen ihres Charakters der Vorläufigkeit oft schon aus Gründen der Praktikabilität ohne Weiteres an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz anschließen kann, den Senat bei der endgültigen Festsetzung noch hat es der bisherigen Rechtsprechung des Senats entsprochen, bei Streitigkeiten über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen ausgehend von einem pauschalierten Betrag von 10 € je Berechtigung den Streitwert auf 2,5 % des Wertes der bislang erfolgten Gesamtzuteilung an die jeweilige Anlage zu deckeln. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 3. Juli 2012 - BVerwG 7 KSt 1.12 - darauf hingewiesen, dass sich in Streitigkeiten über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) und für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend ist, der den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG). Hierzu und zu dem weiteren Einwand der Klägerin, dass der Streitwert im Rechtsmittelverfahren durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszugs begrenzt sei (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GKG), hat der Senat mit Beschluss vom 21. Februar 2013 - BVerwG 7 C 18.11 - (UA S. 22 f.) folgendes ausgeführt, woran festzuhalten ist:
Nach § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert für das Revisionsverfahren nach der sich aus dem Antrag des Rechtsmittelführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Klägerin hat im Revisionsverfahren beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 weitere Emissionsberechtigungen zuzuteilen. Die sich für sie ergebende Bedeutung dieses Begehrens wird durch das Produkt aus dem börsennotierten Preis eines Zertifikats am nach § 40 GKG maßgebenden Tag der Einlegung der Revision (16,41 € am 12. Mai 2011) und der Zahl der begehrten Emissionsberechtigungen (hier: 3 891 154) abgebildet (= 65 330 737 €). Der Börsenpreis spiegelt trotz seiner Schwankungen das wirtschaftliche Interesse an einer Emissionsberechtigung realistischer wider als ein gegriffener pauschaler Marktwert (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Juni 2011 - OVG 12 B 49.09 - juris Rn. 40 <10 €>). Der Börsenpreis bei Revisionseinlegung kann nicht nur für die an diesem Tag bereits fälligen Emissionsberechtigungen - die Behörde hatte Berechtigungen bis zum 28. Februar eines Jahres auszugeben, für das Berechtigungen abzugeben sind (§ 9 Abs. 2 Satz 3 TEHG a.F.) -, sondern mangels anderer Anhaltspunkte auch für die erst künftig fällig werdenden Berechtigungen angesetzt werden.
... Die Praxis der Verwaltungsgerichte, für Klagen auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung 2,5 % der Investitionssumme anzusetzen (vgl. Nr. 19.1.1 des Streitwertkatalogs), kann nicht dazu führen, auch bei Klagen auf Zuteilung weiterer Emissionsberechtigungen nur 2,5 % der begehrten Berechtigungen zu berücksichtigen. Die Investitionssumme geht über das wirtschaftliche Interesse an der Errichtung einer Anlage und die mit ihr verbundenen Gewinnerwartungen typischerweise weit hinaus. Das ist beim Marktpreis einer Emissionsberechtigung und dem wirtschaftlichen Interesse an ihrer Erlangung nicht der Fall. Schließlich kann auch § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG, wenn - wie hier - der Kläger Rechtsmittelführer ist, nicht zu einer Begrenzung des Streitwertes führen. Nach dieser Vorschrift ist der Streitwert durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges begrenzt. Ihr Sinn besteht darin, den Wert des Streitgegenstandes auch dann auf die Höhe des Streitwertes des ersten Rechtszuges zu begrenzen, wenn das an sich nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgebliche Interesse des Beklagten als Rechtsmittelkläger höher als das des Klägers zu bewerten wäre. Vertrauensschutz für den Kläger, wenn er selbst Rechtsmittelführer ist und deshalb sein Interesse unverändert die Höhe des Streitwertes bestimmt, lässt sich daraus nicht herleiten. Außerdem kommt es für § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht auf die Höhe des in der ersten Instanz festgesetzten, sondern des nach § 52 Abs. 1 GKG objektiv angemessenen Streitwertes an (Beschlüsse vom 14. Oktober 1988 - BVerwG 4 C 58.84 - Buchholz 360 § 25 GKG Nr. 3 S. 3 = Rechtspfleger 1989, 171 und vom 10. Dezember 1992 - BVerwG 6 B 42.92 - Buchholz 360 § 14 GKG Nr. 4 S. 2 = juris Rn. 2; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1998 - III ZR 56/98 - NJW-RR 1998, 452). Dieser war hier ausgehend von einem Börsenpreis eines Zertifikats bei Eingang der Klage am 21. Januar 2009 von 11,12 € wegen der in § 39 Abs. 2 GKG festgelegten Obergrenze nicht geringer als im Revisionsverfahren.
Gemäß § 39 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert höchstens 30 000 000 €. Für eine weitergehende Deckelung fehlt es an einer normativen Grundlage. Sie ist auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten. Anhaltspunkte dafür, dass die Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes durch die Streitwertfestsetzung unangemessen erschwert werden könnte, sind angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Emissionshandels für die Beteiligten nicht ersichtlich.

Beschluss vom 22.05.2013 -
BVerwG 7 KSt 4.13ECLI:DE:BVerwG:2013:220513B7KSt4.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.05.2013 - 7 KSt 4.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:220513B7KSt4.13.0]

Beschluss

BVerwG 7 KSt 4.13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und Brandt
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 15. März 2013 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Die Klägerin hat entgegen § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht dargelegt, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in dem angegriffenen Beschluss vom 15. März 2013 in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Sie hat nicht aufgezeigt, dass der Senat bei der Beurteilung ihres Vorbringens im Rahmen der Gegenvorstellung entscheidungserheblichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat.

2 Die Klägerin unterstellt, dass sich der Senat mit dem Hilfsantrag zu 3. der Gegenvorstellung inhaltlich nicht auseinander gesetzt hat und greift darüber hinaus lediglich die Richtigkeit des die Gegenvorstellung zurückweisenden Beschlusses an.

3 Der Senat hat sich der Rechtsauffassung der Klägerin nicht anschließen können, wonach auch der Streitwert im Rechtsmittelverfahren eines Klägers gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges begrenzt sei und dieser folglich im vorliegenden Fall auf 22 585 622,00 € hätte festgesetzt werden müssen. Dies wird in der Beschlussbegründung ausdrücklich verlautbart und durch wörtliche Wiedergabe eines die Auslegung des § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG behandelnden Senatsbeschlusses begründet. Dass der Senat in Einklang mit der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung, die zwar noch auf der alten, in § 47 Abs. 1 und 2 GKG inhaltlich aber unverändert fortgeführten Regelung des § 14 Abs. 1 und 2 GKG a.F. beruht, zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, als die Klägerin für richtig hält, berührt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.

4 Sollte die Klägerin mit dem Hinweis, der Senat habe sie in seinem Beschluss vom 15. März 2013 erstmals mit der Rechtsauffassung konfrontiert, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht anwendbar sei, das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung geltend machen wollen, kann sie mit dieser Rüge schon deshalb nicht durchdringen, weil diese Rechtsauffassung gefestigter Rechtsprechung entspricht.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.