Beschluss vom 10.07.2003 -
BVerwG 1 B 271.02ECLI:DE:BVerwG:2003:100703B1B271.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.07.2003 - 1 B 271.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:100703B1B271.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 271.02

  • Bayerischer VGH München - 02.07.2002 - AZ: VGH 20 B 01.30831

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juli 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerden der Beklagten und des Beteiligten wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juli 2002 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Die Beschwerden haben mit Verfahrensrügen Erfolg (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der angefochtene Beschluss verletzt die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Wegen dieser Verfahrensmängel, auf denen die Entscheidung beruht, weist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Zu Recht beanstanden die Beschwerden, dass sich dem Berufungsgericht aus seiner insoweit maßgeblichen Würdigung der Sach- und Rechtslage eine weitere Sachaufklärung zu der Frage hätte aufdrängen müssen, ob der Kläger die ihm im Nordirak drohende existenzielle Notlage nicht in gleicher Weise auch an seinem Herkunftsort zu erwarten hätte. Der angefochtene Beschluss legt seiner Entscheidungsfindung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts zugrunde, dass Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht genießt, wem eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Als Voraussetzungen hierfür nennt er, dass der Betroffene in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sein müsse und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen dürfen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (UA S. 6 und 7). Bei der Subsumtion dieser Voraussetzungen im vorliegenden Fall trifft das Berufungsgericht aber keine Feststellungen zu der Frage, ob die von ihm für den Nordirak angenommene existenzielle Gefährdung des Klägers nicht auch an dessen Herkunftsort im Grenzgebiet zum Nordirak bestünde. Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen weiteren Sachaufklärung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der angefochtene Beschluss enthält keinerlei Ausführungen dazu, dass die für den Nordirak angenommene Gefährdung am Herkunftsort des Klägers so nicht bestünde. Darin liegt hier zugleich ein Begründungsmangel gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wie die Beklagte zusätzlich rügt. Auf die weiteren im Rahmen der Beschwerden geltend gemachten Revisionszulassungsgründe kommt es wegen der Zurückverweisung der Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO nicht mehr an.