Beschluss vom 10.05.2004 -
BVerwG 7 B 31.04ECLI:DE:BVerwG:2004:100504B7B31.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.05.2004 - 7 B 31.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:100504B7B31.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 31.04

  • VG Berlin - 09.12.2003 - AZ: VG 9 A 484.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Mai 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 37 341,35 € festgesetzt.

I


Der Kläger wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück an die Beigeladene. Deren Rechtsvorgänger waren Juden und hatten das streitige Grundstück 1936 an die Rechtsvorgängerin des Klägers veräußert. Das Vermögensamt übertrug das Eigentum an dem zu DDR-Zeiten staatlich verwalteten, aber nicht enteigneten Grundstück an die Beigeladene zurück. Nach erfolglosem Widerspruch des Klägers hat das Verwaltungsgericht mangels Widerlegung der Verfolgungsbedingtheit des Veräußerungsgeschäfts auch dessen Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

II


Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die aufgeworfene Frage,
ob der Nachweis in § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 REAO, dass ein nach dem 15. September 1935 getätigtes Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus getätigt worden wäre, den konkreten Beweis verlangt, das ein anderer Umstand als der des Verfolgungszwangs alleiniger Grund für das Rechtsgeschäft war, oder ob der Nachweis genügt, dass das Rechtsgeschäft auch ohne Verfolgungsdruck in identischer Form abgeschlossen worden wäre, es also rein tatsächlich keine Abweichungen zu Rechtsgeschäften "Nichtverfolgter" aufweist,
ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits beantwortet.
Unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 REAO und die Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 14 S. 62 <69>) entschieden, dass der Nachweis schon bei Mitursächlichkeit der Herrschaft des Nationalsozialismus ausgeschlossen ist. Mit Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 8 C 10.03 - (amtlicher Abdruck S. 18 f.; zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) hat das Bundesverwaltungsgericht ferner ausgeführt, ein Rechtsgeschäft sei seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus zustande gekommen, wenn der Vertragsschluss vom nationalsozialistischen Verfolgungsdruck unbeeinflusst war und auf anderen Ursachen beruhte. Die nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen müssen danach hinweggedacht werden können, ohne dass der Vertragsschluss entfiele. Solche Fälle fehlenden Ursachenzusammenhangs sind etwa bei der Veräußerung von Vermögenswerten im Rahmen regulärer Geschäftstätigkeit, zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens oder anlässlich üblicher Nachlassauseinandersetzungen oder bei Feilbieten einer Ware vor dem 30. Januar 1933 sowie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Überschuldung ohne Zusammenhang mit der NS-Herrschaft denkbar. Hingegen reicht jeder adäquat kausale Verursachungsbeitrag, der auf einem Verfolgungsmotiv beruht, aus, um die Annahme auszuschließen, das Rechtsgeschäft wäre auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden (Urteil vom 26. November 2003, amtlicher Abdruck S. 19 f.).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vermutung, es liege ein Zwangsverkauf vor, nicht bereits - wie es der Beschwerde vorschwebt - durch den Nachweis widerlegt werden kann, das Rechtsgeschäft weise nach Inhalt und Form keine Abweichungen von Rechtsgeschäften "Nichtverfolgter" auf. Das angefochtene Urteil steht mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ergebnis im Einklang; Anhaltspunkte für die fehlende Mitursächlichkeit der Herrschaft des Nationalsozialismus - geschweige denn einen entsprechenden Nachweis - hat es nicht feststellen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Umstand Berücksichtigung findet, dass der Kläger nur zu einem Zwölftel am Nachlass beteiligt ist (vgl. Beschluss vom 2. August 1999 - BVerwG 8 KSt 12.99 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 105).