Beschluss vom 09.12.2005 -
BVerwG 1 B 114.05ECLI:DE:BVerwG:2005:091205B1B114.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.12.2005 - 1 B 114.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:091205B1B114.05.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 114.05

  • Sächsisches OVG - 09.05.2005 - AZ: OVG A 5 B 478/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Dezember 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2005 wird verworfen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig.

2 Sie ist nicht innerhalb der am 13. Juli 2005 abgelaufenen Beschwerdefrist eingelegt worden. Über die Beschwerdefrist war die Beigeladene in dem angefochtenen Urteil ordnungsgemäß belehrt worden. Das Berufungsurteil ist der damaligen Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen - und damit entgegen der Ansicht des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen im Wiedereinsetzungsgesuch auch der Beigeladenen - am 13. Juni 2005 gegen Empfangsbekenntnis (GA zu S. 99) wirksam zugestellt worden (vgl. § 56 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 172, 174 ZPO). Die am 15. August 2005 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Beschwerdebegründung war - abgesehen von der Frage, ob der Begründungsschrift eines Rechtsanwalts überhaupt eine stillschweigende oder konkludente Beschwerdeeinlegung im Wege der Auslegung entnommen werden könnte - bereits deshalb nicht geeignet, die Beschwerdefrist zu wahren. Für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen, weil Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist bereits bei der Einreichung der Begründungsschrift offen zutage traten, besteht kein Anlass. Der Beigeladenen kann auch die mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 - beim Oberverwaltungsgericht eingegangen am 10. Oktober 2005 - beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO nicht gewährt werden.

3 Das folgt hier schon daraus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist verspätet gestellt worden ist. Ausweislich der Akten ist der jetzt für die Beigeladene auftretende Prozessbevollmächtigte am 16. August 2005 vom Oberverwaltungsgericht fernmündlich und schriftlich darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen und das erstinstanzliche Urteil seit 14. Juli 2005 rechtskräftig sei (GA S. 123). Der daraufhin erst am 10. Oktober 2005 angebrachte Wiedereinsetzungsantrag wahrt die Zweiwochenfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO offenkundig nicht. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Beigeladenen nach § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Mit dem Antrag war überdies nicht glaubhaft gemacht, dass die Beigeladene selbst oder ihre frühere Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert waren, die Beschwerdefrist einzuhalten. Auch bei Berücksichtigung der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht ersichtlich, weshalb die frühere, vor dem Oberverwaltungsgericht bestellte Prozessbevollmächtigte gehindert gewesen sein soll, Nichtzulassungsbeschwerde für die Beigeladene fristgemäß einzulegen. Nach deren mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten Schreiben vom 18. Juni 2005 an die Ausländerbeauftragte war sie sich zwar "nicht sicher", ob ihr Schreiben mit dem angefügten Berufungsurteil die Beigeladene erreicht. Weshalb diese Unsicherheit bestand und ob sich die frühere Prozessbevollmächtigte zusätzlich an die Beigeladene persönlich gewandt hat, wird im Wiedereinsetzungsantrag aber auch nicht ansatzweise erläutert. Es liegt daher nahe oder ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Beigeladene für ihre Prozessbevollmächtigte (insbesondere unter der im Berufungsurteil angegebenen Anschrift) nicht erreichbar und bereits deshalb nicht ohne eigenes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist gehindert war. Der jetzige Prozessbevollmächtigte hat zudem in den Rubren seiner Schriftsätze keine Angaben zum Wohnsitz der Beigeladenen gemacht. Es ist daher nach dem - gemäß § 60 Abs. 2 VwGO ebenfalls fristgebundenen - Wiedereinsetzungsvortrag nicht auszuschließen, dass die Beigeladene untergetaucht oder bereits ausgereist ist und deswegen selbst die Nichtbeachtung der Beschwerdefrist zu vertreten hat. Ebenso wenig ist vorgetragen oder erkennbar, dass die Unterlassung der fristgemäßen Einlegung der Beschwerde durch die frühere Prozessbevollmächtigte auf sonstigen Umständen beruhen könnte, die der Beigeladenen ausnahmsweise nicht zuzurechnen wären.

4 Unabhängig hiervon ist die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ferner auch deshalb unzulässig, weil sie den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht entspricht. Mit dem Vorbringen zu § 60 Abs. 7 AufenthG (nicht § 60 a Abs. 7 AufenthG, wie in der Beschwerdebegründung mehrfach ausgeführt) wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher, fallübergreifender Bedeutung nicht aufgezeigt. Mit der angeblich fehlerhaften Prüfung des Berufungsgerichts im vorliegenden Einzelfall lässt sich eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht begründen. Die Beschwerde setzt sich insoweit auch nicht - wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich - mit der Begründung des Oberverwaltungsgerichts zu den maßgeblichen Rechtsgrundsätzen auseinander (UA S. 7 ff.). Die pauschale Behauptung einer Verletzung der "Qualifikationsrichtlinie der EU" hinsichtlich einer danach zu prüfenden Summierung von Einzelgefahren - wiederum ohne Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen - lässt eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht erkennen; das gilt im Übrigen bereits, weil nicht dargelegt ist, inwiefern die angesprochene Richtlinie 2004/83/EG im Ausgangsverfahren und in dem dargestellten Zusammenhang überhaupt anwendbar sein soll. Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass - wie die Beschwerde nicht erkennt und nicht erörtert - bereits nach nationalem Recht bei der Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG eine Einzelfallprüfung mit umfassender Gesamtschau der Gefahrenlage vorzunehmen Ist (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 4. Februar 2004 - BVerwG 1 B 291.03 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75). Mit den weiteren Ausführungen zur "Abschiebbarkeit insbesondere alleinstehender Frauen in Länder, für die die Bundesrepublik Deutschland selbst eine Reisewarnung ausgegeben hat " wendet sich die Beschwerde lediglich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und die Gefahrenprognose, ohne eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung herauszuarbeiten.

5 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.