Verfahrensinformation

Der Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung insbesondere wegen gesundheitlicher - vor allem psychischer - Schädigungen, die er nach seinem Vorbringen infolge verschiedener repressiver Maßnahmen des Ministeriums für Staatsicherheit der ehemaligen DDR erlitten hat. Nach erfolglosem behördlichen Verfahren hat das Verwaltungsgericht seine Klage abgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, dass rechtsstaatswidrige Verfolgungsmaßnahmen des DDR-Regimes etwa Hauptursache noch heute vorhandener Leiden seien, weshalb es an der notwendigen Kausalität zwischen rechtsstaatswidrigen Hoheitsakten mit heute noch feststellbaren Gesundheitsbeschädigungen fehle. Das Bundesverwaltungsgericht wird in dem Revisionsverfahren voraussichtlich Gelegenheit haben, den Gegenstand der Rehabilitierungsentscheidung bei geltend gemachter gesundheitlicher Schädigung und damit zusammenhängend den Prüfungsumfang der Rehabilitierungsbehörden sowie ggf. die an die Kausalität zu stellenden Anforderungen zu klären.


Urteil vom 09.10.2003 -
BVerwG 3 C 1.03ECLI:DE:BVerwG:2003:091003U3C1.03.0

Leitsätze:

Bei Anträgen auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung muss die Rehabilitierungsbehörde prüfen, ob die vom Antragsteller bezeichnete Maßnahme erfolgt ist und ob sie rechtsstaatswidrig ist. Jedenfalls bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit hat sie sich jedoch hinsichtlich der gesundheitlichen Schädigung und ihrer fortwirkenden Folgen auf eine bloße Schlüssigkeitsprüfung zu beschränken, während die endgültige Feststellung den Versorgungsämtern vorbehalten ist.

Bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit kommt eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung auch wegen eines Gesamtkomplexes von Maßnahmen des schlichten Verwaltungshandelns in Betracht.

  • Rechtsquellen
    VwRehaG § 1 Abs. 1 und 5, § 12

  • VG Berlin - 10.12.2001 - AZ: VG 26 A 66.99

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 09.10.2003 - 3 C 1.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:091003U3C1.03.0]

Urteil

BVerwG 3 C 1.03

  • VG Berlin - 10.12.2001 - AZ: VG 26 A 66.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i , L i e b l e r
und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Dezember 2001 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

I


Der Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung.
Er wurde 1957 in G. geboren und ist bei seinen Eltern aufgewachsen. 1976 schloss er die Oberschule mit dem Abitur ab. Von 1983 bis 1988 studierte er nebenberuflich an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau R. in der Fachrichtung Förder- und Baumaschinen. Von 1986 bis 1990 war er verheiratet und hat zwei 1985 und 1986 geborene Kinder.
1994 und erneut 1995 beantragte der Kläger seine verwaltungsrechtliche und seine berufliche Rehabilitierung. Mit den Anträgen machte er geltend, er habe sich in der letzten Klasse der Oberschule einem Anwerbeversuch des MfS widersetzt, sich in der Folgezeit kritisch gegenüber Regime und System der DDR geäußert und oppositionellen Gruppen angeschlossen. Deshalb sei er vom MfS im Zusammenwirken mit anderen staatlichen Stellen "operativ bearbeitet" worden, um ihn zu "zersetzen". Die Maßnahmen hätten im Abhören von Wohnung und Telefon, in Wohnungs- und Arbeitsplatzdurchsuchungen, in Reisesperren, in Festnahmen und Verhören, in einem - letztlich erfolglosen - Versuch, den Abschluss des Fernstudiums zu verhindern, sowie in Benachteiligungen im beruflichen Fortkommen bestanden. Hierdurch sei er in seiner beruflichen Karriere erheblich beeinträchtigt worden. Zugleich habe er psychische Verletzungen erlitten. Noch heute leide er unter Depressionen und somatischen Beschwerden.
Dem Antrag auf berufliche Rehabilitierung wurde auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG entsprochen. Demgegenüber lehnte das Landesamt für Gesundheit und Soziales des Beklagten den Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ab. Eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung komme nur in Betracht, wenn die Folgen der rechtsstaatswidrigen Maßnahme noch gegenwärtig unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirkten. Die behaupteten psychischen Folgen erreichten dieses Ausmaß nicht. Berufliche Beeinträchtigungen müssten auf einen hoheitlichen Eingriff wie etwa eine Relegation von der Hochschule zurückgehen. Einen solchen Eingriff habe der Kläger aber nicht erlitten; vielmehr habe er sein Fernstudium abschließen können. Der klägerische Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung der Beklagten zur verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung gerichtete Klage abgewiesen. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung allein aufgrund eines "Gesamtkomplexes" staatlicher Repressionsmaßnahmen unterschiedlicher Art - ohne substantiierte Darlegung einzelner Maßnahmen und deren konkreter Auswirkungen - in Betracht komme. Jedenfalls fehle es an hinreichend schweren nachwirkenden Folgen. In Betracht kämen insofern nur gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die vom Kläger behaupteten und während des Rechtsstreits ärztlich attestierten Leiden hätten verschiedene Ursachen, so auch solche aus dem familiären und sozialen Umfeld. Dass konkrete rechtsstaatswidrige Verfolgungsmaßnahmen des DDR-Regimes Hauptursache bestimmter, noch heute vorhandener Leiden seien, lasse sich daher nicht feststellen.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Dass er rechtsstaatswidrige Verfolgungsmaßnahmen erlitten habe, stehe nach seiner beruflichen Rehabilitierung fest; schon deshalb habe die Klage Erfolg haben müssen. Im Übrigen habe die Rehabilitierungsbehörde nicht zu prüfen, ob die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestünden und ob sie auf der Verfolgung beruhten. Das obliege vielmehr erst der Versorgungsbehörde. Zudem habe das Verwaltungsgericht einen falschen Kausalitätsmaßstab gewählt. Es könne nicht verlangt werden, dass die Verfolgung die alleinige oder doch die Hauptursache der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei. Auch könne kein Vollbeweis der Kausalität verlangt werden, wie sich aus § 3 Abs. 5 VwRehaG ergebe, der bloße Wahrscheinlichkeit genügen lasse.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht.
1. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Es beruht auf der Feststellung, dass die vom Kläger behauptete und belegte gesundheitliche Schädigung ihre "Hauptursache" nicht in der von ihm geschilderten "operativen Bearbeitung" durch das MfS in den Jahren seit 1976, sondern zugleich familiäre und soziale Ursachen aus den Jahren nach 1990 habe. Das verkennt den Prüfungsumfang der Rehabilitierungsbehörde.
Der Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung beurteilt sich im vorliegenden Falle nach § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes - VwRehaG - vom 23. Juni 1994 (BGBl I S. 1311) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1620), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3986). Er hat nach dem Wortlaut des Gesetzes vier (positive) Voraussetzungen (zusätzlich ist die negative Voraussetzung des § 2 Abs. 2 VwRehaG zu prüfen): Es muss - erstens - eine Verwaltungsmaßnahme einer deutschen behördlichen Stelle im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 vorliegen, die - zweitens - mit Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und - drittens - zu einem Eingriff in eines der drei geschützten Rechtsgüter Gesundheit, Vermögen oder Beruf geführt hat; schließlich müssen - viertens - die Folgen des Eingriffs noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. Das dritte und das vierte Tatbestandsmerkmal enthalten jeweils ein Element der Kausalität: einerseits die Kausalität zwischen der hoheitlichen Maßnahme und der Rechtsgutsverletzung (sog. Primärschaden), andererseits diejenige zwischen diesem Eingriff und den fortwirkenden Folgen (sog. Sekundärschäden). Die Rehabilitierungsbehörde muss prüfen, ob die vom Antragsteller bezeichnete Maßnahme erfolgt ist und ob sie rechtsstaatswidrig ist. Jedenfalls bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit hat sie sich jedoch im Übrigen auf eine bloße Schlüssigkeitsprüfung zu beschränken. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Das Gesetz überantwortet die Entscheidung über die Rehabilitierung als solche und die Entscheidung über einen etwaigen Ausgleich der fortwirkenden Folgen zwei unterschiedlichen Behörden in unterschiedlichen Verwaltungsverfahren. Die Entscheidung über die Rehabilitierung obliegt der Rehabilitierungsbehörde (§ 12 VwRehaG), diejenige über den Ausgleich fortwirkender Folgen (vgl. § 2 Abs. 1 VwRehaG) je nach der Art des Primärschadens dem Versorgungsamt bei Gesundheitsschädigung (§ 12 Abs. 4 VwRehaG), der nach dem Vermögensgesetz zuständigen Behörde bei Eingriffen in Vermögenswerte (§ 7 VwRehaG i.V.m. dem Vermögensgesetz) und verschiedenen Sozialleistungsträgern bei beruflicher Benachteiligung (§ 8 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG). Die beiderseitigen Zuständigkeiten sind so zu bestimmen, dass Doppelprüfungen mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen möglichst vermieden werden.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG sind die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde für die nachgeschalteten Fachbehörden bindend. Dies betrifft zum einen die genaue Bezeichnung der hoheitlichen Maßnahme, die den Anknüpfungspunkt für mögliche Folgeansprüche bildet. Es betrifft zum anderen die Qualifizierung dieser Maßnahme als rechtsstaatswidrig. Gerade auf diese wertende Beurteilung bezieht sich ihre fachliche Kompetenz. Hinzu kommt die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung, sofern von ihr Rechtsfolgen ausgegangen sind, und damit ihre Beseitigung als Rechtsgrund für diese Rechtsfolgen.
Inwieweit die Rehabilitierungsbehörde auch zu dem mit der rechtsstaatswidrigen Maßnahme verbundenen Eingriff und zu dessen nachwirkenden Folgen die nachgeschaltete Fachbehörde bindende Feststellungen zu treffen hat, ist je nach der Art des verletzten Rechtsguts unterschiedlich zu beurteilen. Beim Rechtsgut Beruf etwa muss die Rehabilitierungsbehörde auch die Verfolgungszeit ermitteln; hierzu muss sie die berufliche Benachteiligung im Wege eines Vergleichs zwischen der vor der Maßnahme ausgeübten oder angestrebten und der infolge der Maßnahme tatsächlich ausgeübten Berufstätigkeit genau bezeichnen (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG) und auch Kausalitätsfragen namentlich unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens prüfen (§ 2 Abs. 2 BerRehG). Das erfordert Feststellungen jedenfalls zum Primärschaden, zu dessen Fortwirken bis zum 2. Oktober 1990 (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BerRehaG) und zur diesbezüglichen Kausalität.
Anders liegt es beim Rechtsgut Gesundheit. Das Folgeverfahren zur Milderung der Folgen einer gesundheitlichen Schädigung richtet sich nach dem Bundesversorgungsgesetz; zuständig sind die Versorgungsämter (§§ 3 bis 6 VwRehaG). Deren Entscheidungen beziehen sich regelmäßig sowohl auf die Verursachung der gesundheitlichen Schädigung wie auf deren weitere gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen (vgl. § 1 Abs. 1 BVG, § 81 Abs. 1 SVG, § 1 Abs. 1 OEG, § 52 Abs. 1 BseuchG u.a.). Für beide Kausalitätsschritte hat das soziale Entschädigungsrecht Rechtsregeln entwickelt (vgl. etwa § 1 Abs. 3 BVG, dem § 3 Abs. 5 VwRehaG nachgebildet ist). Außerdem besitzen die Versorgungsämter insoweit eine besondere Fachkunde. Es kann nicht angenommen werden, dass diese rechtliche und fachliche Entscheidungskompetenz im Rehabilitierungs(folgen)recht eingeschränkt ist. Dementsprechend beschränkt § 12 Abs. 4 VwRehaG die Rehabilitierungsbehörde auf Feststellungen zur Rechtsstaatswidrigkeit der Maßnahme im Sinne des § 1 und behält "die nach dem Bundesversorgungsgesetz erforderlichen Feststellungen" der Versorgungsbehörde vor. Freilich mag die rechtsstaatswidrige Maßnahme gerade in der gesundheitlichen Schädigung liegen; dann muss sich die bindende Feststellung der Rehabilitierungsbehörde hierauf erstrecken. Doch wird das eher selten sein. Vielfach wird die rechtsstaatswidrige Maßnahme die gesundheitliche Schädigung erst zur weiteren Folge haben. Gerade Fälle einer erst nach einiger Zeit auftretenden gesundheitlichen Schädigung aber werfen typischerweise Kausalitätsfragen auf, deren Beantwortung der Versorgungsbehörde vorbehalten ist.
b) Das bedeutet indes nicht, dass die Rehabilitierungsbehörde die Fragen, auf welche sich ihre bindenden Feststellungen nicht erstrecken, völlig ungeprüft zu lassen hat. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG macht schon nach seinem Wortlaut die Rehabilitierung davon abhängig, dass die rechtsstaatswidrige Maßnahme zu einem Eingriff in eines der drei geschützten Rechtsgüter geführt hat und dass die Folgen dieses Eingriffs noch gegenwärtig unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. Das sind keine bloßen Verweisungen auf die nachgeschalteten Verfahren wegen möglicher Folgeansprüche. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Beschränkung auf Eingriffe in diese drei Rechtsgüter sowie das zusätzliche Erfordernis noch gegenwärtig fortwirkender schwerer und unzumutbarer Folgen mit der erklärten Absicht eingefügt, die Rehabilitierung nur für die gravierendsten Fälle zu eröffnen, um die nur begrenzt verfügbaren Verwaltungsressourcen der Neuen Länder nicht zu überlasten (BTDrucks 12/4994, S. 22). Dies führt dazu, dass die Rehabilitierungsbehörde die hier in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG - soweit sie nicht selbst abschließende Feststellungen zu treffen hat - jedenfalls im Sinne einer speziellen Sachentscheidungsvoraussetzung, nämlich als besonders normierte Anforderungen an das (subjektive) Rehabilitierungsinteresse des Antragstellers und an das (objektive) Rehabilitierungsbedürfnis - vergleichbar dem Rechtsschutzbedürfnis im Prozess - zu prüfen hat. Auch die Gesetzesbegründung macht diese Tatbestandsmerkmale zum Prüfstein für das schützenswerte Interesse des Betroffenen an einer Beseitigung der rechtsstaatswidrigen Maßnahme (BTDrucks 12/4994, S. 22 <unter 7.>).
Der Antragsteller muss daher schon der Rehabilitierungsbehörde sowohl seine Verletzung in einem der drei geschützten Rechtsgüter als auch diejenigen gegenwärtigen Nachteile darlegen, deren Ausgleich er im weiteren Verfahren erstrebt; und er muss dartun, inwiefern die Verletzung als auch die gegenwärtigen Nachteile als Folge der rechtsstaatswidrigen hoheitlichen Maßnahme erscheinen, also von dieser verursacht - zumindest mitverursacht - sind. Diese Darlegung schließt ein, dass er seine diesbezüglichen tatsächlichen Behauptungen im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren glaubhaft macht (vgl. § 13 Abs. 2 VwRehaG sowie § 12 Abs. 4 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 15 Vfg-KOV). Die Rehabilitierungsbehörde darf den Antrag ohne weiteres ablehnen, wenn dies unterbleibt. Sie hat ferner zu prüfen, ob die dargelegten gegenwärtigen Beeinträchtigungen - ihre Erweislichkeit unterstellt - schwer und unzumutbar sind; denn dies ist eine wertende Beurteilung mit typisch rehabilitierungsrechtlichem Gepräge (vgl. hierzu die Erläuterungen in der Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 12/4994, S. 22 sowie für die Folgen einer beruflichen Benachteiligung § 8 Satz 2 VwRehaG). Schließlich hat sie auch zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen als "unmittelbare" Folge der rechtsstaatswidrigen Maßnahme in Betracht kommen, ob sie also nach der allgemeinen Lebenserfahrung als typische Folge der rechtsstaatswidrigen Maßnahme erscheinen (vgl. BTDrucks 12/4994 ebenda). Sie hat hingegen nicht zu prüfen, ob die behaupteten und belegten Beeinträchtigungen tatsächlich vorliegen. Ebenso wenig hat sie zu prüfen, ob sie tatsächlich durch die rechtsstaatswidrige Verwaltungsmaßnahme verursacht oder jedenfalls mitverursacht sind. Hierzu würde es ihr - anders als den Versorgungsämtern - an der erforderlichen Fachkompetenz ermangeln. Insofern hat sie sich mit einer Schlüssigkeitsprüfung des Vortrags des Antragstellers zu begnügen; die nähere Prüfung - ggf. einschließlich einer Beweisaufnahme - obliegt insofern allein der Behörde, welche über die Folgeansprüche entscheidet.
Soweit die Rehabilitierungsbehörde hiernach prüfen muss, ob eine gesundheitliche Schädigung durch die rechtsstaatswidrige Maßnahme sowie fortwirkende Folgen dieses Eingriffs vom Antragsteller schlüssig dargelegt sind, hat sie die rechtlichen Maßstäbe des nachgeschalteten Verfahrens vor der Versorgungsbehörde zugrunde zu legen. Das gilt namentlich für Fragen der Kausalität. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58 m.w.N.; stRspr), der sich das Bundesverwaltungsgericht für das Dienstunfallrecht der Beamten angeschlossen hat (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1989 - BVerwG 2 C 38.86 - BVerwGE 81, 265 <268> m.w.N.), sind als ursächlich für den eingetretenen Schaden nur diejenigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Unter mehreren zusammenwirkenden Bedingungen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg beigetragen hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs haben.
c) Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anspruchs auf verwaltungsrechtliche Rehabilitation davon abhängig gemacht, dass die Kausalität zwischen den vom Kläger angegebenen hoheitlichen Maßnahmen und den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht nur schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht sein, sondern objektiv vorliegen müsse. Es hat die Klage allein deshalb abgewiesen, weil diese Kausalität nicht gegeben sei. Das verkennt den Prüfungsumfang der Rehabilitierungsbehörde nach § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG.
Das Verwaltungsgericht hat ferner verlangt, dass die rechtsstaatswidrige Maßnahme die "Hauptursache" der dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigung sein müsse. Das wird dem Kausalitätsbegriff des sozialen Entschädigungsrechts nicht gerecht, der der Schlüssigkeitsprüfung zugrunde zulegen ist.
Das Verwaltungsgericht hat auch nicht näher geprüft, ob die vom Kläger behaupteten und durch zwei ärztliche Atteste belegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - ihr Vorliegen unterstellt - schwer und unzumutbar sind und ob sie obendrein als unmittelbare, d.h. nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise erwartbare Folge der vom Kläger geschilderten "operativen Bearbeitung" angesehen werden können.
2. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat Zweifel angedeutet, ob eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sich überhaupt auf einen "Gesamtkomplex" von Maßnahmen beziehen könne, die nicht einzeln konkretisiert sind. Diese Zweifel sind jedenfalls für gesundheitliche Schädigungen infolge einer "operativen Bearbeitung" durch das oder auf Veranlassung des MfS unbegründet.
Allerdings setzt das Gesetz für den direkten Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG das Vorhandensein einer konkreten, genau angebbaren Verwaltungsentscheidung voraus. Nur von einer konkreten Verwaltungsentscheidung können weiterhin Rechtsfolgen ausgehen (vgl. Art. 19 EV, § 15 VwRehaG); nur eine konkrete Verwaltungsentscheidung kann daher im Rehabilitierungsverfahren aufgehoben werden.
Bei Realakten und anderen Maßnahmen, die nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet waren, liegt es jedoch anders. Eine Aufhebung derartiger Maßnahmen kommt nicht in Betracht; an deren Stelle tritt die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit (§ 1 Abs. 5 VwRehaG). Damit bleibt denkbar, dass sich eine solche Feststellung nicht nur auf eine einzelne Maßnahme, sondern auch auf einen Gesamtkomplex mehrerer Maßnahmen beziehen kann. Ob dies auch für Eingriffe in die Rechtsgüter Vermögen, Beruf oder Ehre anzunehmen ist, mag dahinstehen. Bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit jedenfalls kommt eine Rehabilitierung auch wegen eines Gesamtkomplexes von Maßnahmen des schlichten Verwaltungshandelns in Betracht. Der Gesetzgeber wollte gerade auch "psychischen Terror durch Überwachungsmaßnahmen, gezielt sachwidrige Medikation oder psychiatrische Behandlung etc." erfassen, die zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt haben (BTDrucks 12/4994, S. 32). Das schließt Maßnahmen ein, die nicht als einzelne, sondern nur in ihrer Abfolge und in ihrem Zusammenwirken dem Betroffenen auf längere Sicht gesundheitliche Schäden - namentlich psychischer Art - zufügten. In erster Linie ist hierfür an die Maßnahmen der "Zersetzung" zu denken, wie sie in Nr. 2.6 der Richtlinie des MfS Nr. 1/76 (GVS MfS 008-100/76) erläutert werden. Dementsprechend stellt auch das Bundesministerium der Justiz in seinem "Merkblatt zur verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung" (Stand Juli 1997) gerade die jahrelange Bespitzelung und Drangsalierung durch die Stasi, die zu Gesundheitsstörungen geführt hat, als Anwendungsfall von § 1 Abs. 5 VwRehaG heraus (VIZ 1998, S. 313 <315>).
Auch in derartigen Fällen muss die Rehabilitierungsentscheidung freilich einen tauglichen Anknüpfungspunkt für denkbare Folgeansprüche nach den §§ 3 ff. VwRehaG bieten (vgl. § 12 Abs. 4 VwRehaG). Das setzt voraus, dass die mehreren Einzelmaßnahmen möglichst genau - zumindest nach ihrer Art und ihrem Zeitpunkt oder Zeitraum - bezeichnet werden. Ferner müssen sie durch einen angebbaren Umstand zu einem "Gesamtkomplex" verbunden werden. Dieser Umstand ist regelmäßig in einem einheitlichen Plan oder Willensentschluss zu suchen. Derartige Einzelmaßnahmen sind nämlich typischerweise Ausfluss einer einheitlichen Entscheidung der staatlichen Stellen - insbesondere des MfS -, den Betroffenen in dieser Weise "operativ zu bearbeiten". Das Rechtsstaatswidrigkeitsurteil bezieht diesen leitenden Willensentschluss (der freilich seinerseits mehrfach erneuert worden sein kann) notwendig ein. Durch ihn werden die einzelnen Maßnahmen erst ihren gemeinsamen - rechtsstaatswidrigen - Sinn erhalten und zu einer Kette von einheitlich motivierten Maßnahmen verbunden. Der Antragsteller muss auch diesen leitenden Plan oder Willensentschluss belegen. Hierzu kann er sich der Akten der sog. Gauck-Behörde und anderer Quellen bedienen.
3. Der Kläger hat behauptet und belegt, dass er Opfer einer derartigen "operativen Bearbeitung" des MfS gewesen sei, welche bei ihm zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt habe. Sofern die gesundheitliche Schädigung als schwer und unzumutbar anzusehen ist und nach der allgemeinen Lebenserfahrung als typischerweise erwartbare Folge der geltend gemachten "operativen Bearbeitung" erscheint, kommt eine Rehabilitierung nach § 1 Abs. 5 VwRehaG in Betracht. Die Entscheidung über den geltend gemachten Rehabilitierungsanspruch erfordert dann die Prüfung, ob die "operative Bearbeitung" des Klägers in der von diesem behaupteten Weise stattgefunden hat, und die Würdigung, ob sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist.
Diese Prüfung erübrigt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb, weil der Beklagte festgestellt hat, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes - BerRehaG - vom 23. Juni 1994 (BGBl I S. 1311) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1625) sei. Diese Feststellung bezieht sich nicht auf die vorliegend angesprochenen hoheitlichen Maßnahmen der behördlichen Stellen der DDR, sondern auf Benachteiligungen am Arbeitsplatz. Sie beruht dementsprechend nicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG, mit dem das Berufliche Rehabilitierungsgesetz an eine Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz anknüpft, sondern auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG, die "andere" - also gerade nicht hoheitliche - Maßnahmen erfasst.
Da dem Revisionsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen verwehrt sind, ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.