Beschluss vom 09.08.2004 -
BVerwG 7 B 49.04ECLI:DE:BVerwG:2004:090804B7B49.04.0

Beschluss

BVerwG 7 B 49.04

  • VG Dresden - 05.11.2003 - AZ: VG 4 K 238/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 76 005 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Feststellung ihrer Berechtigung in Bezug auf zwei Grundstücke (Flst. 17 b und 261 a), die 1940 von einer aus ihren Rechtsvorgängern Oscar Bruno G., Bruno Georg G. und Isolde P. bestehenden OHG erworben und 1953 in Volkseigentum überführt wurden; dabei wurde das Unternehmen, eine Konservenfabrik, nebst dem im Eigentum der Ehefrau und Vorerbin des 1951 verstorbenen Oscar Bruno G., Emma Martha G., stehenden Grundstück Flst. 146 dem VEB ... M. zugeordnet; die dem Rat der Stadt M. zugeordneten Grundstücke Flst. 17 b und 261 a gelangten 1956 im Wege des Rechtsträgerwechsels zu dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen. Der Überführung in Volkseigentum vorausgegangen waren 1952 eine strafrechtliche Verurteilung des OHG-Gesellschafters Bruno Georg G., durch die das Unternehmen eingezogen wurde, und eine Enteignung des Vermögens der Emma Martha G. infolge ihrer Ausreise aus der DDR Anfang 1953. Das Strafurteil gegen Bruno Georg G. wurde 1992 hinsichtlich der Vermögenseinziehung für rechtsstaatswidrig erklärt. Die Produktion von Rohkonserven auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der OHG wurde 1990 stillgelegt. Das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte die Berechtigung der OHG i.L. fest und lehnte die Rückgabe der Flst. 17 b und 261 a ab. Das Verwaltungsgericht hat die auf Rückgabe dieser Grundstücke gerichtete Klage abgewiesen, weil sie bei Stilllegung des Unternehmens nicht mehr zu dessen Vermögen gehört hätten und mangels gesonderter Schädigung nicht der Einzelrestitution unterlägen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Abweichung von dem Beschluss vom 1. November 1993 - BVerwG 7 B 190.93 - (Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 11) zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger für eine gesonderte, die beiden Grundstücke betreffende Schädigungsmaßnahme im Zusammenhang mit der Unternehmensenteignung die Beweislast tragen, weicht nicht von der Divergenzentscheidung ab. Abgesehen davon, dass nach dem Beschwerdevorbringen das Verwaltungsgericht keinen hierzu in Widerspruch stehenden Rechtssatz aufgestellt, sondern eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten hat, steht das angegriffene Urteil im Einklang mit den in der Divergenzentscheidung entwickelten Grundsätzen. Mit dem Rechtssatz, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, grundsätzlich zu ihren Lasten geht, stimmt die Annahme des Verwaltungsgerichts überein, bei einer Enteignung von Unternehmensvermögen sei die Behauptung einer gegen einzelne Vermögensgegenstände des Unternehmens gerichteten eigenständigen, die Einzelrestitution auslösenden Schädigungsmaßnahme von dem Anspruchsteller nachzuweisen. Von dem weiteren Rechtssatz, dass sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten lässt, ob eine Umkehr der Beweislast oder Beweiserleichterungen in Betracht zu ziehen sind, ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. Auch die in diesem Zusammenhang hilfsweise geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); denn die Beschwerde arbeitet keine bisher ungeklärte Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung heraus, sondern beschränkt sich auf Angriffe gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall.
Grundsätzliche Bedeutung verleihen der Rechtssache auch nicht die aufgeworfenen Fragen zum Vorliegen einer eigenständigen, zielgerichteten Schädigung einzelner Vermögensgegenstände bei der Entziehung eines Unternehmens durch Strafurteil. Dieses Vorbringen geht an dem vom Verwaltungsgericht festgestellten und nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhalt vorbei, wonach keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beiden Grundstücke einer eigenständigen Schädigungsmaßnahme unterworfen wurden. Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass bei einer Unternehmensenteignung eine Einzelrestitution nur in Betracht kommt, wenn die Verstaatlichung des Unternehmens nicht alle dazugehörigen Vermögensgegenstände erfasste und diese gesondert zugunsten eines anderen Rechtsträgers enteignet wurden (Urteil vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <97>; Beschluss vom 22. Dezember 1999 - BVerwG 7 B 141.99 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 37). Eine solche Fallgestaltung kann allerdings nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass neben der Unternehmensenteignung eine eigenständige Enteignung von Vermögensgegenständen vorgenommen wurde. Allein der Umstand, dass das in einem einheitlichen Vorgang enteignete Unternehmensvermögen zwei verschiedenen Rechtsträgern zugeordnet wurde, ist für sich genommen nicht geeignet, die Annahme einer von der Unternehmensenteignung gesonderten Schädigungsmaßnahme zu begründen (Beschluss vom 12. Mai 2000 - BVerwG 7 B 22.00 - VIZ 2000, 600). Angesichts dessen geht die von der Beschwerde gezogene Schlussfolgerung, dass der durch eine strafrechtliche Entziehung des Unternehmensvermögens Betroffene schlechter gestellt sei als ein Unternehmenseigentümer, dessen Unternehmen auf andere Weise enteignet wurde, am Problem vorbei.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde sieht eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht nicht erwogen habe, ob unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung zugunsten der Kläger in Betracht komme. Dieses Vorbringen betrifft die Anwendung des materiellen Rechts und kann damit die Verfahrensrüge nicht begründen. Der Überzeugungsgrundsatz ist auch nicht dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht eine Bestätigung für das Vorliegen eines einheitlichen Vorgangs der Unternehmensenteignung in der Zuordnung des Flst. 146 erblickt hat, für das anstelle des zunächst als Rechtsträger vorgesehenen Rats der Stadt der VEB Rohkonservenfabrik als Rechtsträger bestimmt wurde. Der Vorwurf der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe hierbei aktenwidrig verkannt, dass das Flst. 146 nicht zum Unternehmensvermögen gehörte, ist unbegründet. Die einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sollten ersichtlich nur belegen, dass sich die Zuordnung des enteigneten Vermögens zu verschiedenen Rechtsträgern als verwaltungstechnisches Abwicklungselement und nicht als gesonderte Enteignung darstellte. Hierfür war nicht entscheidungserheblich, dass das Flst. 146 kein Unternehmensvermögen war, sondern im Eigentum der ebenfalls enteigneten Emma Martha G. gestanden hatte. Auch der behauptete Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht übersehen, dass für die OHG laut Handelsregisterauszug im August 1952 ein Treuhänder bestellt wurde und die beiden Grundstücke der OHG bereits im Jahr 1948 veräußert werden sollten. Dass es die von der Beschwerde wiederholte Auffassung, es sei neben der Unternehmensenteignung zielgerichtet eine eigenständige Enteignung der beiden Grundstücke vorgenommen worden, nicht geteilt hat, begründet den behaupteten Verfahrensfehler nicht. Im Übrigen geht die Annahme der Beschwerde, die Enteignung der OHG sei erst mit der Löschung der Firma im Handelsregister im Februar 1954 "tatsächlich vollzogen bzw. beendet" worden, an dem im Vermögensrecht maßgeblichen faktischen Enteignungsbegriff vorbei, von dem das Verwaltungsgericht der Sache nach zutreffend ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I S. 390), i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718). Eine anteilige Verringerung des Streitwerts wegen einer möglichen Berechtigung der nicht beteiligten Isolde Philipp kommt mit Blick auf den im Klageverfahren gestellten Hauptantrag nicht in Betracht.