Beschluss vom 09.05.2007 -
BVerwG 8 B 87.06ECLI:DE:BVerwG:2007:090507B8B87.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.05.2007 - 8 B 87.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:090507B8B87.06.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 87.06

  • VG Potsdam - 21.08.2006 - AZ: VG 9 K 1269/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. August 2006 wird aufgehoben, soweit die Klage des Klägers zu 2 abgewiesen worden ist.
  2. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 245 420,10 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers zu 2 ist begründet. Die allein geltend gemachte Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den in der mündlichen Verhandlung von den Klägern gestellten Antrag auf Vernehmung des ehemaligen Nachlasspflegers Erich K. verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um einen Beweisantrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gehandelt hat, der noch in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden gewesen wäre, oder nur um eine Beweisanregung, wie das Verwaltungsgericht nach seinem Urteil meint. Auch dann hätte die gewünschte Zeugenvernehmung, die sich zur Klärung des Sachverhaltes aufdrängte, nicht unterbleiben dürfen.

2 Das Anerbieten, den ehemaligen Nachlasspfleger Erich K. „zur Überschuldung zu hören“, hat das Gericht mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, es handele sich dabei um einen Beweisermittlungsantrag. Ein Antrag auf Durchführung einer Beweisaufnahme, die erst selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, unterliegt zwar nicht den Anforderungen an die Behandlung von Beweisanträgen, sondern stellt lediglich eine Anregung zur amtsseitigen Aufklärung des Sachverhaltes dar (vgl. Beschluss vom 20. Mai 1998 - BVerwG 7 B 440.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 153). Bei dem fraglichen Antrag der Kläger handelte es sich aber nicht um einen Beweisermittlungsantrag (vgl. BGHSt 6, 128 <129>). Der Kern der Auseinandersetzung im Tatsächlichen betraf die Frage, ob die anmeldebelasteten Mietgrundstücke im Zeitpunkt des Verzichts der Kläger auf ihr Erbe überschuldet waren. Das Verwaltungsgericht hat die Annahme einer Überschuldungssituation weitgehend auf der Grundlage von Vermutungen abgelehnt: „Unabweisbare Reparaturen seien weder hinreichend dargetan noch sonst ersichtlich“ (UA S. 5). „Konkrete und hinreichend überzeugende Anhaltspunkte“ gäbe es nicht (a.a.O.). „Überprüfbare Angaben, die für eine Unabweisbarkeit sprechen könnten“, fehlten (UA S. 6). Wenn die Kläger in einer solchen Beweislage die Vernehmung des Nachlasspflegers zum Gebäudezustand beantragen, von dem als damaligen Hausmeister und Mieter in einem der beiden Wohngebäude Kenntnisse zur Aufhellung des Sachverhaltes erwartet werden können, so geht es nicht um die Ausforschung, welche Erkenntnismöglichkeiten gegeben sein könnten, sondern um die Tatsachen unmittelbar, die aufgedeckt werden sollen.

3 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Beweisanerbieten auch nicht deswegen unerheblich gewesen, weil der benannte Zeuge von seinem damals erstellten Abschlussbericht voraussichtlich nicht abgewichen wäre. Dieser Vermutung liegt eine unzulässige Vorwegnahme der Würdigung des möglichen Beweisergebnisses zugrunde. Ebenso unzulässig ist der Einwand des Gerichts, die Kläger hätten selbst für eine Substantiierung ihrer Behauptungen Sorge tragen müssen, dass die Gebäude im Verzichtszeitpunkt gravierende Mängel aufwiesen. An solchen Behauptungen hat es nicht gefehlt. Nach ihrer im Schriftsatz vom 1. November 2000 wiedergegebenen Ansicht (GA S. 42) haben sich die Gebäude in einem „geradezu katastrophalen Zustand“ befunden. Insbesondere seien gravierende Mängel zu verzeichnen gewesen an den Schornsteinen, den Elektroinstallationen, den Dächern, den Regenrinnen und den Heizungen. Die erheblichen Substanzschäden hätten aus Sicht eines verständigen Hauseigentümers unverzügliche Maßnahmen erfordert.

4 Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO) Gebrauch.

5 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.