Beschluss vom 09.04.2009 -
BVerwG 3 B 126.08ECLI:DE:BVerwG:2009:090409B3B126.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.04.2009 - 3 B 126.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:090409B3B126.08.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 126.08

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 12.09.2008 - AZ: OVG 16 A 1198/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. September 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers, der von einer ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen will, bleibt ohne Erfolg. Die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

2 Dem Kläger wurde 1998 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (zwei Stunden nach der Fahrt wurde eine Blutalkoholkonzentration 1,56 Promille gemessen) und unerlaubten Entfernens vom Unfallort die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 12 Monaten angeordnet. Der Beklagte versagte die beantragte Neuerteilung der Fahrerlaubnis, nachdem ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, es sei zu erwarten, dass der Kläger auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Der Kläger selbst räumte Alkoholabhängigkeit ein. Im August 2004 erwarb der Kläger in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B; im dort ausgestellten Führerschein ist sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland angegeben. Als der Kläger ein vom Beklagten angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beibrachte, wurde ihm mit Bescheid vom 21. März 2005 das Recht aberkannt, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Die Klage und die Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg; beide Vorinstanzen hielten die Aberkennung für rechtmäßig.

3 1. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zum einen die Frage, ob es ohne Weiteres und insbesondere ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs zulässig sei, die Entziehung einer Fahrerlaubnis, die ab ihrer Zustellung wirke, in eine rückwirkende Nichtanerkennung dieser Fahrerlaubnis wegen einer offenkundigen Verletzung des Wohnsitzerfordernisses umzudeuten. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon deshalb nicht dargetan, weil sich die genannte Frage hier weder im Berufungsverfahren gestellt hat noch in der Revision stellen würde. Weder der Beklagte selbst noch das Oberverwaltungsgericht haben die im Bescheid vom 21. März 2005 verfügte Aberkennung umgedeutet. Nach den Urteilen des Senats vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 3 C 26.07 und 3 C 38.07 - juris, Rn. 26 und Rn. 23 bedarf es in Fällen dieser Art auch keiner Umdeutung.

4 2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache will der Kläger außerdem damit begründen, dass fraglich sei, wer Adressat der vom Europäischen Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06, Wiedemann u.a. und Rs. C-334/06 bis C-336/06, Zerche u.a.) erstmals formulierten Nichtanerkennungsbefugnis ist. Diese Frage ist jedoch bereits revisionsgerichtlich beantwortet. In seinen Urteilen vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 3 C 26.07 und 3 C 38.07 - juris, hat der Senat hierzu ausgeführt (a.a.O. Rn. 36 und Rn. 34):
„Bei dem den Mitgliedstaaten vom Europäischen Gerichtshof zugestandenen Recht, in ihrem Hoheitsgebiet die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrberechtigung unter den genannten Voraussetzungen abzulehnen (‚kann’), handelt es sich um eine rechtliche Befugnis der Mitgliedstaaten zu einer entsprechenden Gestaltung ihres innerstaatlichen Rechts und nicht etwa um die Begründung eines Ermessensspielraums der Verwaltungsbehörden. Das folgt schon daraus, dass der Europäische Gerichtshof hier Regelungen einer Richtlinie ausgelegt hat, also eines Instruments des sekundären Gemeinschaftsrechts, das, wie Art. 249 EG zu entnehmen ist, gerade auf die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angelegt ist und sich an sie richtet.“

5 Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein weiterer Klärungsbedarf. Den genannten Entscheidungen des Senats ist zu entnehmen, dass sich - entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung - aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein nicht herleiten lässt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei der Fahrerlaubnisentziehung eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt hätte. Soweit der Kläger die Anwendbarkeit von § 28 Abs. 4 FeV in Zweifel zieht, war dies weder für die Entscheidung des Berufungsgerichts von Bedeutung noch wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren über das hinaus zu klären, was dazu in den Urteilen des Senats vom 11. Dezember 2008 schon ausgeführt wurde (vgl. dort Rn. 25 und 22).

6 3. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, auf welche Art und Weise der Aufnahmemitgliedstaat die Nichtanerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis durchsetzen könne, führt ebenfalls nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage im angestrebten Revisionsverfahren ohnehin nicht stellen; eine Einziehung des Führerscheins, auf die in der Beschwerdebegründung unter anderem abgestellt wird, hatte der Beklagte von vornherein nicht angeordnet. Auch wenn man die Fragestellung darauf beschränkt, inwieweit es zulässig ist, die Aberkennung des Rechts zum Gebrauchmachen von der Fahrerlaubnis im ausländischen Führerschein zu vermerken, ist eine Revisionszulassung nicht gerechtfertigt. Die Antwort ist, was das innerstaatliche Recht angeht, unmittelbar aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 und 2 FeV zu entnehmen. Diese Regelungen erlegen dem Fahrerlaubnisinhaber eine Pflicht zur Vorlage des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde auf und ermächtigen die Behörde zur Eintragung der Entscheidung über die Entziehung im Führerschein (vgl. zur Auslegung von § 47 Abs. 2 FeV in der vor dem In-Kraft-Treten der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 geltenden Fassung: VGH München, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - 11 CS 05.15 05 - BayVBl 2006, 305). Ebenso liegt es auf der Hand und bedarf keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung, dass nicht anders als der Fahrerlaubnisinhaber auch der Mitgliedstaat, der die EU-Fahrerlaubnis erteilt und das entsprechende Führerscheindokument ausgestellt hat, den Vorgaben der EU-Führerscheinrichtlinie unterliegt. Auch der Ausstellermitgliedstaat hat also die nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaates vorgesehenen Maßnahmen hinzunehmen, jedenfalls soweit diese dem Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG gestattet sind. Was die Fahrerlaubnis als solche angeht, hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 präzisiert, in welchem Umfang es dem Aufnahmemitgliedstaat nicht verwehrt ist, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis in seinem Hoheitsgebiet zu verweigern. Was den Führerschein betrifft, in dem diese Entscheidung anschließend dokumentiert werden soll, sieht die EU-Führerscheinrichtlinie selbst vor, dass der Aufnahmemitgliedstaat Eintragungen auch in einem ausländischen Führerschein vornehmen darf (vgl. für den Führerschein in Papierform Anlage 1 Nr. 4: „die für die Verwaltung des Führerscheins erforderliche Angaben“ und für den Führerschein in Kartenform Anlage 1a Nr. 3: „die für dessen Verwaltung unerlässlichen Angaben“). Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass zu den danach eintragungsfähigen Angaben auch die Aberkennung des Rechts gehört, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat Gebrauch zu machen.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.