Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um die vermögensrechtliche Rückübertragung des hälftigen Eigentums an einem Grundstück. Der Kläger kehrte im Jahre 1988 von einer Besuchsreise in die Bundesrepublik nicht in die DDR zurück. Seine in der DDR verbliebene Ehefrau stellte einen Ausreiseantrag und veräußerte das streitgegenständliche Grundstück, welches im gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegatten stand, im November 1989 an Dritte. Beide Ehegatten haben Ansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht Halle entschied isoliert über den Anspruch des Klägers und verpflichtete die Beklagte, ihm hälftiges Bruchteilseigentum an dem Grundstück zurückzuübertragen. Das Bundesverwaltungsgericht wird mit Blick auf die Überleitung des Güterstandes der DDR, die das Eigentum an den ehelichen Vermögenswerten im Bruchteilseigentum gewandelt hat, über die Frage zu entscheiden haben, ob die Schädigung von gemeinschaftlichem Eigentum der Ehegatten zu einem Anspruch auf Rückübertragung von Bruchteilseigentum an einzelne von ihnen führt.


Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um die vermögensrechtliche Rückübertragung des hälftigen Eigentums an einem Grundstück. Der Kläger kehrte im Jahre 1988 von einer Besuchsreise in die Bundesrepublik nicht in die DDR zurück. Seine in der DDR verbliebene Ehefrau stellte einen Ausreiseantrag und veräußerte das streitgegenständliche Grundstück, welches im gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegatten stand, im November 1989 an Dritte. Für den Kläger wirkte am Vertragsschluss ein Mitarbeiter der Stadt Halle als Vertreter mit. Beide Ehegatten haben Ansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht Halle entschied isoliert über den Anspruch des Klägers und verpflichtete die Beklagte, ihm hälftiges Bruchteilseigentum am Grundstück zurückzuübertragen. Das Bundesverwaltungsgericht wird mit Blick auf die Überleitung des Güterstandes der DDR, die das Eigentum an den ehelichen Vermögenswerten im Bruchteilseigentum gewandelt hat, über die Frage zu entscheiden haben, ob die Schädigung von gemeinschaftlichem Eigentum der Ehegatten zu einem Anspruch auf Rückübertragung von Bruchteilseigentum an einzelne von ihnen führt.


Urteil vom 29.03.2006 -
BVerwG 8 C 10.04ECLI:DE:BVerwG:2006:290306U8C10.04.0

Leitsatz:

Liegt eine Schädigung eines in ehelicher Vermögensgemeinschaft gesamthänderisch gebundenen Vermögenswertes nur hinsichtlich des Anteils eines Ehegatten vor, kann dies zur Rückübertragung von Bruchteilseigentum führen.

Urteil

BVerwG 8 C 10.04

  • VG Halle - 11.03.2004 - AZ: VG 3 A 440/01 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Hauser
für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. März 2004 werden zurückgewiesen.
  2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 9. März 2005 wird aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die miteinander verheirateten Kläger begehren die vermögensrechtliche Rückübertragung des in Halle gelegenen Hausgrundstücks Dr.-H.-L.-Straße 11, das sie 1982 erworben hatten.

2 Der Kläger kehrte im August 1988 von einer Besuchsreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr in das Gebiet der ehemaligen DDR zurück. Der Rat der Stadt Halle ist daraufhin mit Bestallungsurkunde vom 18. Juni 1990 mit Rückwirkung zum 1. November 1989 zum Treuhänder für den hälftigen Miteigentumsanteil des Klägers bestellt worden.

3 Im Oktober 1988 beauftragte die Klägerin von sich aus einen Sachverständigen für Grundstückswertermittlungen zur Erstellung eines Wertgutachtens für das streitbefangene Grundstück. Der Sachverständige gelangte zu einem Sachwert des Grundstücks von 107 010 Mark.

4 Die Klägerin stellte für sich und ihre Kinder im März 1989 einen Ausreiseantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheiden vom 30. Juni und 6. September 1989 abgelehnt. Mit Schreiben vom 14. September 1989 stellte sie einen Antrag auf gerichtliche Nachprüfung.

5 Im späteren vermögensrechtlichen Rückgabeverfahren legte die Klägerin ein von ihr erstelltes Gedächtnisprotokoll vom 2. Februar 1992 vor, ausweislich dessen sie in ihrer Ausreiseangelegenheit am 2. November 1989 einen Laufzettel erhalten habe, mit dem sie ihre Schuldenfreiheit für eine Ausreise nachweisen sollte. Darin hat sie nach ihren Angaben bei der Bank eine Erklärung unterschrieben, dass ihre Kreditanteile am Haus durch Verkauf abgelöst würden. Ausweislich des Gedächtnisprotokolls sei ihr von der Mitarbeiterin der Abteilung Staatliches Eigentum des Rates der Stadt Halle, der Zeugin S., erklärt worden, dass kurzfristig ein Notartermin anberaumt würde und der Staat aufgrund der bestehenden Treuhandschaft über das Vermögen des Klägers über 50 % des Vermögens verfüge. Es sei dann ein Notartermin für den 8. November 1989 mitgeteilt worden, an dem das Haus an eine Frau Dr. R. verkauft werden sollte. Der Termin sei kurzfristig verschoben worden. Sie habe aber am 10. November 1989, dem Tag der Mauereröffnung der Frau Dr. R. erklärt, dass sie das Haus nicht verkaufe, woraufhin diese sehr aggressiv und ungehalten reagiert habe. Am 14. November 1989 sei dann ein Mann bei ihr erschienen, der vorgegeben habe, von Frau Dr. R. geschickt worden zu sein und sie daraufhin ansprach, dass sie das Haus nicht verkaufen wolle. Wörtlich heißt es in dem Gedächtnisprotokoll:
„Mir fiel im Gespräch auf, dass er sehr gut über mich informiert war, berichtete von Aktionen gegen die Reformkräfte, verwies auf meine geringe Autofahrpraxis, wie leicht man da einen Unfall macht, lenkte dann plötzlich auf meinen Sohn D. über, über den er auch genau Bescheid wusste, der ja exmatrikuliert sei, sprach von einer Einberufung zur Armee und dann wieder über Unfälle, die sich plötzlich ereignen können, bot sich an, ihn mit einem Pass über die Grenze zu bringen, denn auch mit Ausreisestempel könne man aufgehalten werden usw. Er hätte dann auch eine Arbeit für ihn. Trotz mehrfacher Aufforderung, mein Haus sofort zu verlassen, redet er immer wieder auf mich ein, dass uns was passiert, wenn ich nicht an Frau Dr. R. verkaufe. Das Gespräch war für mich sehr diffus und überhaupt nicht von seinem Inhalt her verständlich, nervlich belastete mich es aber. Abends besuchten mich K. (die Beigeladenen), denen ich von diesen Vorfällen berichtete, sie beruhigten mich und er versprach mir, zu helfen. Am nächsten Tag kam Herr K. wieder und sagte, er hätte mit Stadtrat U. gesprochen, ich brauchte keine Sorge mehr zu haben, er könne das Haus selbst auch kaufen“.

6 Auf S. 6 des genannten Gedächtnisprotokolls ist davon die Rede, dass die Klägerin im Dezember wieder Frau Dr. R. getroffen habe, die sie auf „den Herrn M.“ angesprochen habe, worauf sie erklärt habe, diesen Mann nie geschickt zu haben. Weiter heißt es: „Ich war derart schockiert, erwog diesen Mann anzuzeigen, K. redeten mir sehr zu. Anfang Dezember war ich bei der Staatsanwaltschaft und diese Angelegenheit mit Herrn M. wurde zu Protokoll genommen“.

7 Mit Schreiben vom 10. Oktober 1989 bat die Notarin S. den Rat der Stadt Halle um Mitteilung, wer im Grundstückskaufvertrag zur Veräußerung des streitigen Grundstücks den Kläger vertrete. Daraufhin teilte der Stadtrat für Finanzen und Preise K. dem Staatlichen Notariat mit, dass die Kollegin S., Bereichsleiter des Staatlichen Eigentums bevollmächtigt werde, beim Abschluss eines Kaufvertrages „über das oben genannte Grundstück bezüglich des AO-2-Anteiles von Herrn W.R., alle erforderlichen Erklärungen zum Abschluss des Vertrages abzugeben“. Diese Vollmacht datiert unter dem 7. November 1989.

8 Unter dem 11. November 1989 wurden für die Klägerin und die vier gemeinsamen Kinder eine Identitätsbescheinigung für die ständige Ausreise und unter dem 14. November 1989 eine Urkunde zur Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR erstellt. Beide Unterlagen wurden der Klägerin am 2. Januar 1990 bei ihrer Ausreise ausgehändigt.

9 In verschiedenen Schreiben wandte sich die Klägerin an die Redaktion einer Zeitung in Halle und bat um Unterstützung in ihrer Ausreiseangelegenheit, wobei sie den Sachverhalt aus ihrer Sicht in verschiedenen Schreiben vom 18. November 1989 und 24. November 1989 darstellte.

10 Am 24. November 1989 schlossen die Klägerin und die benannte Bevollmächtigte Frau S. mit den Beigeladenen vor dem staatlichen Notariat einen Grundstückskaufvertrag über das streitbefangene Grundstück zum Kaufpreis von 107 010 Mark unter Übernahme und Verrechnung der vorhandenen Hypotheken.

11 Ausweislich der Kaufurkunde erklärte Frau S.: „Meine nachstehenden Erklärungen gebe ich als Bereichsleiter für den Rat der Stadt Halle, Abteilung Finanzen, ab und beziehe mich auf die vorliegende Vollmacht des Stadtrates für Finanzen und Preise vom 7. November 1989, in Vertretung für W.R.“

12 Am 20. Juni 1990 sind die Beigeladenen als neue Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks in ehelicher Vermögensgemeinschaft im Grundbuch eingetragen worden.

13 Eine Klage der Kläger auf Zustimmung der Grundbuchberichtigung vor dem Landgericht Halle und später vor dem Oberlandesgericht Naumburg blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Naumburg hielt in seinem Urteil vom 10. November 1994 den Kaufvertrag für zivilrechtlich wirksam, da für den Kläger als Bevollmächtigte des Rates der Stadt Halle Frau S. den Vertrag wirksam abgeschlossen habe.

14 Mit verschiedenen Schreiben, zuletzt vom 20. September 1990, beantragten die Kläger die Rückgabe des streitbefangenen Grundstücks.

15 Mit Bescheid vom 22. August 1995 lehnte die Beklagte die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien nicht Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes. Beim Kläger liege der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht vor. Bei der Klägerin sei der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG zu verneinen.

16 Im September 1995 erhoben die Kläger fristgerecht gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch. Sie bekräftigten im Wesentlichen, dass die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 1 c und des § 1 Abs. 3 VermG vorlägen.

17 Die Beigeladenen erklärten im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 16. Dezember 1995, dass der Kaufvertrag auf Initiative der Kläger selbst zustande gekommen sei. Bei Abschluss des Kaufvertrages habe die Notarin den Rat der Stadt, Abteilung Finanzen, hinzugezogen, weil sie der Ansicht gewesen sei, dass nur der Rat der Stadt Halle wirksame Erklärungen für den Kläger habe abgeben können. Bei der notariellen Verhandlung sei der Inhalt der für die Klägerin ausgestellten Generalvollmacht vom 3. November 1989 verlesen worden. Sie seien geradezu bedrängt worden, das Grundstück zu kaufen. Der Kauf sei nicht wegen besonderer Beziehungen zu staatlichen Stellen, sondern wegen der Freundschaft zu den Klägern zustande gekommen.

18 Die Widerspruchsbehörde hob mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2001 den Bescheid des Beklagten vom 22. August 1995 insoweit auf, als er die Berechtigung des Klägers verneinte. Die Berechtigung des Klägers nach dem Vermögensgesetz wurde festgestellt und dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung seines hälftigen Anteils am streitigen Grundstück dem Grunde nach eingeräumt. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Widerspruchsbehörde ging vom Bestehen einer faktischen staatlichen Verwaltung aus, die einer angeordneten staatlichen Treuhandschaft gleichzustellen sei. Eine Rückübertragung des Eigentumsanteils des Klägers sei aber nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen, da dies nach der Natur der Sache nicht möglich sei. Bezüglich der Klägerin liege ein Schädigungstatbestand nach § 1 Abs. 3 VermG nicht vor. Nach der teilweisen Aufhebung der Anordnung Nr. 2 am 23. November 1989 komme die Annahme einer unlauteren Machenschaft zum Zwangsverkauf nur noch ausnahmsweise in Betracht, weil das zurückgelassene Vermögen nicht mehr unter staatliche Verwaltung habe gestellt werden können und so kein Verkaufszwang aus Sorge um zurückgelassenes Eigentum mehr bestanden habe.

19 Der bei einer Versagung der Ausreise zu erwartende Nachteil habe nicht mehr im Verlust der Ausreisemöglichkeit bestanden, sondern nur in Folgen, die sich aus dem ungenehmigten Verlassen der DDR hätte ergeben können. Bereits der Umstand, dass sie zum Notartermin eine Vollmacht ihres Mannes beigebracht habe, lege nahe, dass das Hausgrundstück freiwillig verkauft worden sei. Sie habe jedenfalls im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gewusst, dass ein Verkauf nicht mehr notwendig gewesen sei, denn bereits am 17. November 1989 habe sie von Frau S. den Umfang der Aufhebung der Anordnung Nr. 2 erfahren. Zudem hätte die Klägerin den Verkauf an Frau Dr. R. am 10. November 1989 erfolgreich verweigern können. Trotz der Verweigerung des Verkaufs am 10. November 1989 seien zudem bereits am 11. November 1989 die Reiseunterlagen ausgefertigt worden.

20 Am 5. Oktober 2001 haben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Halle erhoben. Die zuständige Kammer hat unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung die Verfahren getrennt und zunächst nur über das Klageverfahren des Klägers entschieden und das Klageverfahren bezüglich der Klägerin vertagt, da diese am vorgesehenen Termin zur mündlichen Verhandlung für eine Beweisaufnahme nicht zur Verfügung stand. Mit Urteil vom 11. März 2004 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, an den Kläger das hälftige Bruchteilseigentum am streitbefangenen Grundstück zurückzuübertragen.

21 Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückübertragung des ihm gehörenden hälftigen Anteils am Eigentum des streitbefangenen Grundstücks in der Form von Bruchteilseigentum zu. Die Berechtigtenstellung des Klägers sei bestandskräftig festgestellt durch den im Übrigen angefochtenen Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides. Zwischen den Beteiligten sei allein streitig, ob der Kläger auch Anspruch auf eine Naturalrestitution des gesamten Grundstücks an eine Gesamthandsgemeinschaft zusammen mit seiner Ehefrau habe oder ob er zumindest die Rückübertragung seines vormaligen Vermögensanteils in Form eines 50%igen Bruchteilseigentums verlangen könne. Nur vom Letzteren könne ausgegangen werden, denn mit seinem Hauptantrag würde der Kläger mehr zurückverlangen, als ihm ursprünglich als Eigentum zugehörig gewesen sei, denn er sei lediglich Eigentümer eines in ehelicher Vermögensgemeinschaft gesamthänderisch gebundenen hälftigen Eigentumsanteils an dem streitbefangenen Grundstück gewesen. Dies würde dem Grundsatz der Konnexität widersprechen, der die Gleichartigkeit des vom Schädigungstatbestand betroffenen Vermögenswerts und dem Restitutionsgegenstand voraussetze. Die Rückübertragung des hälftigen Bruchteilanteils am streitigen Grundstück sei aber an den Kläger rechtlich möglich. Deshalb stelle die Versagung der Naturalrestitution wegen einer rechtlichen Unmöglichkeit im Widerspruchsbescheid sich als rechtswidrig dar. Auch ein eventueller redlicher Erwerb des Grundstücks durch die Beigeladenen komme nicht in Betracht. Denn nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG sei die Rückübertragung ausgeschlossen, wenn natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum erworben hätten. Das gelte aber nach Satz 2 Buchst. a nicht bei der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden, sofern das dem Erwerb zu Grunde liegende Rechtsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung des Berechtigten geschlossen worden sei, abgesehen von Fällen, dass der Erwerb vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich beantragt oder sonst aktenkundig angebahnt worden sei, wovon hier nicht auszugehen sei.

22 In dem durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. März 2004 abgetrennten Streitverfahren der Klägerin hat das Verwaltungsgericht bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik eine Auskunft bezüglich des Verkaufs des streitbefangenen Grundstücks eingeholt.

23 In der Auskunft vom 8. Juli 2004 heißt es: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass aus sämtlichen Erfassungen wie auch Unterlagen keine Hinweise oder Informationen in Zusammenhang mit dem Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks durch Frau R. hervorgehen. Es wird lediglich als Wohnanschrift der o.g. Person erwähnt.“

24 In der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2005 hat das Verwaltungsgericht Beweis über die Umstände, die zum Verkauf des streitbefangenen Grundstücks führten, durch Vernehmung der Zeugin Frau S. und des Sohnes der Kläger A.R. erhoben.

25 Mit Urteil vom 9. März 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin das hälftige Bruchteilseigentum am streitbefangenen Grundstück zurückzuübertragen. Zugleich ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben worden, als er dem entgegensteht.

26 Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Rückübertragung des ihr zustehenden hälftigen Anteils am streitbefangenen Grundstück. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG liege vor. Es sei von einer Nötigung und einem Machtmissbrauch durch staatliche Stellen auszugehen. Es lägen besondere Umstände vor, die die ausreisewillige Klägerin in eine ernstliche Zwangslage versetzt hätten, denn der Klägerin sei von einem Mitarbeiter der Staatssicherheit angedroht worden, ohne den Verkauf des Hauses könne ihr leicht ein Autounfall zustoßen. Auch müsse ihr Sohn D. mit einer Einberufung zur Nationalen Volksarmee rechnen. Die Überzeugung der Kammer gründe sich dabei auf den Vortrag der Klägerin und die Aussage ihres Sohnes.

27 Der Sachverhalt sei bereits mit dem zeitnah vorgelegten Gedächtnisprotokoll der Klägerin vom 2. Februar 1992 in das Verwaltungsverfahren eingeführt. Es enthalte die Ereignisse im Detail. Der Kern des Vortrages würde seit dem nicht verändert. Den Sachverhalt hätte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals glaubhaft geschildert. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Besucher tatsächlich von der Staatssicherheit gekommen sei. Dafür spreche die von der Klägerin berichtete Detailkenntnis des Besuchers über ihren Ausreisefall. Es handele sich um Kenntnisse, die nur aus den staatlichen Unterlagen stammen konnten. Gleichwohl habe die Kammer erwogen, der Besucher habe seine Stellung nur vorgetäuscht und sei in Wirklichkeit von der zuvor von der Klägerin abgelehnten Käuferin beauftragt worden. Das widerspreche aber nach der Lebenserfahrung den Verhältnissen in der ehemaligen DDR zu diesem Zeitpunkt. Denn der Besucher hätte damit rechnen müssen, dass sein Auftreten gerade gegenüber einem Jugendlichen bekannt würde und Konsequenzen hätte aufbeschwören müssen. Es wäre unter dieser Annahme auch nicht erklärbar, wie der Besucher auf interne Informationen gekommen wäre.

28 Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die mit der Ausreise befassten staatlichen Behörden auf die Klägerin noch bis zum Verkauf des Grundstücks am 24. November 1989 Druck ausgeübt hätten, ihr Grundstück zu verkaufen, und dies zur Bedingung für eine legale Ausreise gemacht hätten.

29 Die Kammer sei davon überzeugt, dass der dargelegte Verkaufsdruck zum Verkauf geführt habe, um der Klägerin zumindest den Verkaufserlös und die im Haus befindlichen Mobilien zu sichern.

30 Im Übrigen sei die Rückübertragung des streitigen Vermögenswertes nicht ausgeschlossen. Insbesondere sei die Rückübertragung des hälftigen Bruchteils am streitigen Grundstück an die Klägerin rechtlich möglich. Denn letztlich würde durch die Rückübertragung von Bruchteilseigentum der Zustand herbeigeführt, der ohne die Schädigung gleichfalls eingetreten wäre. Das Grundstück sei im Übrigen auch nicht durch die Beigeladenen redlich erworben worden. Ein Redlichkeitsschutz sei bezüglich des erst am 24. November 1989 abgeschlossenen Rechtsgeschäfts nicht mehr möglich.

31 Das Verwaltungsgericht hat bezüglich des Klageverfahrens des Klägers die Revision zugelassen. Bezüglich des Streitverfahrens der Klägerin hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

32 Mit ihren Revisionen bekämpfen die Beklagte und die Beigeladenen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts in den beiden Urteilen. Das Verwaltungsgericht habe gegen § 4 Abs. 1 VermG verstoßen. Denn im Gegensatz zu einer Erbengemeinschaft könne das Institut der ehelichen Vermögensgemeinschaft nicht mehr aufleben. Die für zulässig erachtete Rückübertragung von Bruchteilseigentum verstoße gegen den Grundsatz der Konnexität. Beklagte und Beigeladene beantragen,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. März 2004 und 9. März 2005 aufzuheben und die Klagen jeweils abzuweisen.

33 Die Kläger beantragen,
die Zurückweisung der Revisionen.

II

34 1. Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. März 2004 bleiben erfolglos. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht.

35 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Berechtigtenfeststellung des Klägers bestandskräftig durch den Widerspruchsbescheid festgestellt ist, steht mit der Rechtslage im Einklang. Der Widerspruchsbescheid bejaht den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG.

36 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die in einem Bescheid eines Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen ausgesprochene Feststellung der Berechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG eine selbständige Teilentscheidung. Sie erwächst isoliert in Bestandskraft, wenn sie nicht angefochten wird. Eine Besonderheit gilt dann, wenn die Rückübertragung aufgrund von Ausschlussgründen abgelehnt wird. Wenn in diesem Falle der Berechtigte sein Begehren auf Rückübertragung gerichtlich weiterverfolgt, kann der Verfügungsberechtigte die ihn zunächst nicht beschwerende behördliche Feststellung der Berechtigung auch noch im Rahmen des Klageverfahrens angreifen und auf sie noch die verwaltungsgerichtliche Prüfung erstrecken. Diese einem Anschlussrechtsmittel vergleichbare Befugnis sichert den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz, da der Verfügungsberechtigte nach Ergehen des vermögensrechtlichen Bescheides zunächst mangels Beschwer gehindert war, die den Anmelder begünstigende Berechtigtenfeststellung selbständig anzugreifen (vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - BVerwGE 97, 286 <288 f.>; Urteil vom 16. April 1998 - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310 <312 f.>; Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 39.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 159). Wenn der Verfügungsberechtigte die Feststellung der Berechtigung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht angreift, entfällt eine Überprüfung des Bescheides durch das Verwaltungsgericht. Damit erwächst die Feststellung der Berechtigung in Bestandskraft und kann in späteren Verfahren oder im Rahmen eines Rechtsmittels nicht mehr in Frage gestellt werden.

37 Diese Rechtsprechung verwehrt auch dem Senat die von den Beigeladenen im Revisionsverfahren begehrte Überprüfung der Berechtigtenfeststellung. In seinem Widerspruchsbescheid vom 7. September 2001 hat das Regierungspräsidium Halle festgestellt, dass der Kläger Berechtigter nach dem Vermögensgesetz ist. Gleichwohl ist von Seiten der Beigeladenen im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht erklärt worden, dass sie die Berechtigtenfeststellung „in Form eines zulässigen Angriffs hinreichend deutlich in Frage“ (vgl. Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 39.97 - a.a.O. S. 498) stellen. Die Beigeladenen haben keinen Sachantrag gestellt und sich auch schriftsätzlich zur Berechtigtenfeststellung nicht geäußert. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung haben sie keinen Einwand zur Berechtigtenfeststellung erhoben. Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 12) geht zwar hervor, dass der Beigeladene erklärt hat, er habe das Grundstück wirksam und redlich erworben und er habe sich nichts vorzuwerfen. Obwohl ein Redlichkeitsschutz für die Beigeladenen von vornherein wegen des Abschlusses des dem Erwerb zugrunde liegenden Geschäfts nach dem 18. Oktober 1989 ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VermG) und sich damit diese Äußerung über den wirksamen und redlichen Erwerb nicht auf den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 VermG beziehen kann, lässt sich diesen Ausführungen aber nicht entnehmen, dass die Beigeladenen die im Bescheid vorgenommene Bejahung des Schädigungstatbestandes in Frage stellen wollten. Selbst wenn den Beigeladenen zugute zu halten ist, dass sie anwaltlich nicht vertreten waren und wegen der möglichen Kostenlast nach § 154 Abs. 3 VwGO von der Stellung eines Sachantrages abgesehen haben, ohne die Sach- und Rechtslage rechtlich zu überblicken, hätten sie aufgrund des auf Rückgabe des Grundstücks gerichteten klägerischen Antrages sich dahingehend äußern müssen, dass sie auch den Schädigungstatbestand in Frage stellen, was sie im Übrigen in ihrer Stellungnahme im Widerspruchsverfahren vom 16. Dezember 1995 ausdrücklich getan haben. Die Beigeladenen hätten gegebenenfalls auf den Inhalt dieses Schreibens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verweisen müssen. Ihre möglicherweise bestehende rechtliche Unkenntnis kann nicht zu Lasten der klagenden Partei gehen.

38 Das Urteil vom 11. März 2004 verletzt auch mit seiner Annahme kein Bundesrecht, dass an den Kläger das hälftige Bruchteilseigentum an dem streitbefangenen Grundstück zurückzuübertragen ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ist zwar die Rückübertragung des Eigentumsrechts ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her nicht möglich ist. Davon ist aber im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht für Erbengemeinschaften entschieden, dass es nicht möglich ist, im Wege der Restitution anstatt einer früheren gesamthänderisch gebundenen Berechtigung Bruchteilseigentum nach §§ 1008 ff., 741 ff. BGB einzuräumen (Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 7 C 14.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 93 S. 286). Eine gesamthänderisch gebundene Berechtigung ist auch hier anzunehmen. Das Grundstück stand im gemeinschaftlichen Eigentum der Kläger. Das Familiengesetzbuch der DDR sah als gesetzlichen Güterstand die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der Ehegatten vor (§§ 13 ff. FGB); über Häuser und Grundstücke konnten die Ehegatten nur gemeinsam verfügen (§ 15 FGB). Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Regelung des § 2a VermG aber nicht für den Fall der ehelichen Vermögensgemeinschaft heranzuziehen ist. Denn der Gesetzgeber hat an anderer Stelle spezielle Regelungen geschaffen, wie das Institut der ehelichen Vermögensgemeinschaft nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu behandeln ist. Dieses ist mit der Wiedervereinigung im Regelfall untergegangen. Denn nach Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB gelten vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR die Vorschriften über den gesetzlichen Güterstand, sofern die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuches der DDR gelebt und nichts anderes vereinbart haben, wovon hier auszugehen ist. Wenn sich aber der eheliche Güterstand nach einer speziellen gesetzlichen Regelung richtet, so wandelt sich dementsprechend der hälftige ideelle Gesamthandsanteil am Ehevermögen zu Bruchteilseigentum. Dies ergibt sich auch aus Art. 234 § 4a Abs. 1 Satz 1 EGBGB, wonach gemeinschaftliches Eigentum Bruchteilseigentum wird, sofern die Ehegatten nicht durch ausdrückliche Erklärung den bisherigen Güterstand beibehalten haben.

39 Wenn auch beide Ehegatten bereits vor der Wiedervereinigung ihren Aufenthalt in die Bundesrepublik verlegten und sich damit die Umwandlung der ehelichen Vermögensgemeinschaft in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach § 3 des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4. August 1969 (BGBl I S. 1067) bestimmte, ist in der Regelung des Art. 234 §§ 4 und 4a EGBGB das gesetzliche Leitbild für die Umwandlung der ehelichen Vermögensgemeinschaft der DDR zu sehen, unabhängig davon, ob diese Vorschriften hier analog anzuwenden sind. Nach der vom Gesetzgeber bestimmten Umwandlung der ehelichen Vermögensgemeinschaft in den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, den beide Gesetze vorsehen, scheidet im Unterschied zur Erbengemeinschaft ein (Wieder-)Aufleben der ehelichen Vermögensgemeinschaft aus und ist eine Rückübertragung nur in der Form von Bruchteilseigentum möglich.

40 Die Rückübertragung von Bruchteilseigentum (nur) an den Kläger steht der vermögensrechtliche Konnexitätsgrundsatz nicht entgegen. Er setzt die Gleichartigkeit von Schädigungs- und Restitutionsgegenstand voraus; eine Begünstigung des nicht geschädigten Ehegatten ist danach ausgeschlossen (vgl. z.B. Beschluss vom 29. Januar 2004 - BVerwG 8 B 132.03 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 50 S. 42; Urteil vom 24. Oktober 1996 a.a.O.). Dem insbesondere von der Beklagten erhobenen Einwand fehlender Gleichartigkeit ist entgegenzuhalten, dass nach § 3 Abs. 1a VermG im Wege der Restitution dasjenige Recht zu begründen ist, das dem früheren Recht entspricht oder am ehesten entspricht, wenn das frühere Recht nach den seit dem 3. Oktober 1990 geltenden Vorschriften nicht wiederbegründet werden kann. Auch wenn die Regelung unmittelbar nur die Rückübertragung beschränkt dinglicher Rechte betrifft, kann in der Vorschrift ein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke erblickt werden, dass die Rückübertragung nicht daran scheitern soll, dass das frühere Recht infolge des Systemwechsels erloschen oder rechtlich umgestaltet ist, wenn für die Restitution ein vergleichbares Rechtsinstitut zur Verfügung steht (vgl. Urteil vom 28. Juni 1996 - BVerwG 7 C 8.95 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 84 S. 254). Eine rechtliche Umgestaltung ist hier - anders als bei der Erbengemeinschaft - erfolgt. Eine Begünstigung des anderen Ehegatten, über dessen Berechtigung nach dem Vermögensgesetz das Verwaltungsgericht noch entscheiden muss, tritt durch die Übertragung des Bruchteilseigentums nicht ein. Durch die Eintragung im Grundbuch wird allein der Kläger dinglich begünstigt. Ausgleichsansprüche im Rahmen des Zugewinnausgleichs, deren Entstehung und Realisierung ungewiss sind, stellen keine Begünstigung dar, die der Konnexitätsgrundsatz verhindern will.

41 2. Die Revisionen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 9. März 2005 führen hingegen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Denn die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat in rechtsfehlerhafter Weise den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VwGO bejaht.

42 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts nach dem 23. November 1989 - wie vorliegend - der Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG regelmäßig nicht mehr erfüllt. Denn von dem mit einem Veräußerungsverlangen konfrontierten Ausreisewilligen konnte bei der gebotenen objektiven Betrachtung erwartet werden, dass er sich dieser Forderung durch einen Verzicht auf die Erteilung der Ausreisegenehmigung entzog und beispielsweise einen privaten Verwalter für sein Grundvermögen einsetzte (Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 <317>). Nur ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn nämlich bei Vorliegen besonderer Umstände der Ausreisewillige in eine ernstliche Zwangslage versetzt worden ist. Derartige Fallgestaltungen liegen etwa dann vor, wenn die mit dem Ausreisebegehren befassten Stellen der DDR damit gedroht haben, ein ungenehmigtes Verlassen des Landes mit polizeilichen oder strafrechtlichen Mitteln verhindern zu wollen oder das zurückgelassene Grundstück - entgegen der geänderten Rechtslage - unter staatliche Treuhandverwaltung zu stellen oder an einen Dritten zu veräußern (Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94 - a.a.O.). Zusätzlich zu einem solchen unter Drohung erfolgten Verlangen ist weiterhin zu prüfen, ob dieses Verlangen ursächlich für den Eigentumsverlust war. Vom Vorliegen solcher besonderen Umstände, die eine ernstliche Zwangslage für den Ausreisewilligen zur Folge haben, ist das Verwaltungsgericht unter Heranziehung aktenwidriger Feststellungen ausgegangen, was zu einer Verletzung des § 1 Abs. 3 VermG führt.

43 Ein offensichtlicher Widerspruch zwischen einer tatsächlichen Feststellung im Urteil des Tatsachengerichts und der Aktenlage ist ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Verwaltungsvorgänge, aus denen sich ein solcher offensichtlicher Widerspruch ergibt, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und im Urteil verwendet worden sind. Dieser Widerspruch macht nicht nur eine Beweiswürdigung unrichtig, sondern stellt vielmehr eine Rechtsverletzung der jeweiligen materiellrechtlichen Bestimmung, die angewandt wird, dar. Bindungswirkungen entfalten solche offensichtlich aktenwidrigen Tatsachenfeststellungen nicht (vgl. Urteil vom 29. April 1988 - BVerwG 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291 <297 f.> = Buchholz 402.25 § 20 AsylVfG Nr. 3; Urteil vom 12. März 1985 - BVerwG 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93 <97>).

44 Derartige aktenwidrige Feststellungen sind in dem Urteil des Verwaltungsgerichts enthalten. Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die Klägerin den Kaufvertrag vom 24. November 1989 unter äußerem Druck und zwar durch die angeblich zuvor ausgesprochenen Drohungen durch einen Mitarbeiter der Staatssicherheit abgeschlossen habe. Die Kammer begründet ihre Überzeugung insoweit mit dem Vortrag der Klägerin aus dem Gedächtnisprotokoll vom 2. Februar 1992 und der Aussage des Sohnes. In dem zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Gedächtnisprotokoll heißt es aber ausdrücklich auf S. 6, dass diese Drohung im Zusammenhang mit dem von der Klägerin abgelehnten Verkauf an Frau Dr. R. erfolgt sein soll. Die Klägerin habe im Dezember 1989 Frau Dr. R. wieder getroffen und sie auf den Herrn M. angesprochen. Aus den Worten der Klägerin: „Ich war derart schockiert, erwog diesen Mann anzuzeigen“, was in der Folgezeit dann auch geschah, folgt, dass die Klägerin erst im Dezember 1989 überhaupt von einem äußeren Verkaufsdruck infolge einer Drohung eines Mitarbeiters der Staatssicherheit ausgegangen ist. Hierzu steht die vom Verwaltungsgericht angenommene Zwangslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Widerspruch.

45 Da sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Eine Tatsachenfeststellung für das Vorliegen eines anderen Schädigungstatbestandes ist nicht vorhanden. Anhaltspunkte dafür lassen sich auch dem Vorbringen der Beteiligten nicht entnehmen.

46 Das Verwaltungsgericht wird nunmehr erneut zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von einer ernstlichen Zwangslage auszugehen war. Es wird zu klären haben, ob der genannte Herr M. wirklich ein Bediensteter der Staatssicherheit war, wenn er von Frau Dr. R. geschickt worden war. Hierzu bietet sich die Vernehmung des Herrn M. und der als erste Käuferin vorgesehenen Frau Dr. R. an. Ebenso kommt eine weitere Rückfrage bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Betracht, zumal bei dieser Dienststelle auch mehrere Karteierfassungen bezüglich des Klägers und der Klägerin geführt worden sind. Ferner wird die Kammer überprüfen können, ob gegen den genannten angeblichen Stasimitarbeiter aufgrund der Anzeige der Klägerin von Anfang Dezember 1989 Ermittlungen bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft geführt worden sind.

47 Das Verwaltungsgericht wird weiterhin bei der erneuten Beweiserhebung berücksichtigen müssen, dass Zeugen vom Hörensagen nur einen begrenzten Beweiswert haben. Die im bisherigen Verfahren erfolgten Schilderungen des Sohnes der Klägerin beruhen nämlich weitgehend auf der Wahrnehmung von Dritten. Im Übrigen wird das Verwaltungsgericht zu prüfen haben, ob die Aussage der Klägerin ohne weiteres als Beweismittel herangezogen werden durfte oder nur unter den strengen Voraussetzungen der Parteivernehmung. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch nicht die das Rechtsgeschäft beurkundende Notarin als Zeugin vernommen, obschon diese nach dem Vortrag der Klägerin seinerzeit gegen das Verhalten des Rates der Stadt interveniert hatte.

48 Der Senat weist darauf hin, dass nur für den Fall, dass der besagte Herr M. als Mitarbeiter der Staatssicherheit Druck auf die Klägerin vor dem Verkauf ausgeübt haben sollte, der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG in Betracht kommt, denn diese Vorschrift ist auf die Wiedergutmachung staatlichen Unrechts angelegt und setzt damit zumindest voraus, dass das Verhalten privater Dritter von staatlichen Stellen gedeckt wurde (vgl. Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 17.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 105).
Gödel Dr. Pagenkopf Dr. von Heimburg
Richter am Bundesverwaltungs- Dr. Hauser
gericht Postier ist wegen
Erkrankung an der Beifügung
seiner Unterschrift gehindert.
Dr. Pagenkopf

Beschluss vom 09.03.2009 -
BVerwG 8 C 10.04ECLI:DE:BVerwG:2009:090309B8C10.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2009 - 8 C 10.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:090309B8C10.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 C 10.04

  • VG Halle - 11.03.2004 - AZ: VG 3 A 440/01 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
beschlossen:

Der Antrag der Rechtsanwälte ... vom 15. Januar 2009, über die Kosten im Verfahren W. R. gegen die Stadt H. zu entscheiden, wird an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen.

Gründe

1 Für die beantragte Entscheidung über die Kostentragung im Verfahren des Herrn W. R. gegen die Stadt H. ist das Verwaltungsgericht Halle zuständig. Der 8. Senat hat in dem zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verwaltungsstreitverfahren des Herrn W. R. und der Frau I. R. am 29. März 2006 - BVerwG 8 C 10.04 - folgendes Urteil verkündet:
„Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. März 2004 werden zurückgewiesen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 9. März 2005 wird aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.“

2 In dem Urteilstenor ist - wie ohne weiteres ersichtlich ist - die Entscheidung über die Kosten für das gesamte Verfahren dem Verwaltungsgericht Halle zugewiesen worden. Dies trägt dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung Rechnung. Das Verwaltungsgericht Halle hat deshalb über die Kosten in dem verbundenen Verfahren - ggf. unter Einbeziehung der im Vergleich vereinbarten Kostenregelung - zu entscheiden.