Beschluss vom 08.11.2016 -
BVerwG 10 B 18.16ECLI:DE:BVerwG:2016:081116B10B18.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.11.2016 - 10 B 18.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:081116B10B18.16.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 18.16

  • VG Berlin - 16.06.2016 - AZ: VG 29 K 293.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2016
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt Geldausgleich nach § 13 des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz - VZOG) für ein Grundstück, welches vor Überführung in Volkseigentum im Eigentum ihrer Rechtsvorgängerin stand. Die Treuhandanstalt privatisierte das Grundstück mit Vertrag vom 9. Oktober 1991. Anstelle der ursprünglich beantragten Restitution des gesamten Grundstücks begehrt die Klägerin nun die Erlösauskehr für eine Teilfläche. Mit Schreiben vom 8. November 2011 schlug die Beigeladene der Klägerin mit dem Hinweis, dass ihre Berechtigung offensichtlich sei, den Abschluss einer Erlösauskehrvereinbarung vor. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an. Mit Bescheid vom 22. September 2015 lehnte der Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Geldausgleich mit der Begründung ab, das streitgegenständliche Grundstück sei bei seiner Privatisierung betriebsnotwendig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beigeladene habe den geltend gemachten Erlösauskehranspruch mit ihrem Schreiben vom 8. November 2011 nicht wirksam anerkannt. Jedenfalls habe sie ein etwaiges Anerkenntnis in der Folge widerrufen. Im Übrigen stehe einem Erlösauskehranspruch entgegen, dass das streitgegenständliche Grundstück bei seiner Privatisierung betriebsnotwendig gewesen sei.

2 Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Beschwerde hiergegen bleibt ohne Erfolg. Die zur Begründung geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

3 1. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) dadurch verletzt, dass es die Unwirksamkeit eines Anerkenntnisses der Beigeladenen aus deren Irrtum über eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. März 2009 - 3 C 9.08 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 33) abgeleitet habe. Diese Änderung der Rechtsprechung sei auf Betreiben der Beigeladenen selbst bereits im Jahr 2009 erfolgt. Es sei daher undenkbar, dass sie sich bei Abgabe ihrer Erklärung am 8. November 2011 darüber im Irrtum befunden habe.

4 Damit ist eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nicht dargetan. Der Überzeugungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Er ist verletzt, wenn das Gericht von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgeht oder die Überzeugungsbildung an inneren Mängeln leidet, etwa weil sie gegen die Gesetze der Logik verstößt oder gedankliche Brüche oder Widersprüche enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16). An solchen Mängeln leidet die verwaltungsgerichtliche Überzeugungsbildung nicht. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht darauf gestützt, dass die Beigeladene sich über eine Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts geirrt habe. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Erklärung der Beigeladenen vom 8. November 2011 aus materiell-rechtlichen Gründen kein wirksames Anerkenntnis darstellen könne, weil dem - unabhängig davon, ob man die Erklärung als abstraktes oder als kausales Schuldanerkenntnis verstehe - das Fehlen eines Schuldgrundes in Form eines Anspruchs auf Geldausgleich nach § 13 VZOG entgegenstehe. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2009 wird lediglich genannt, um die rechtliche Verknüpfung zwischen dem Fehlen eines Schuldgrundes und der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unwirksamkeit eines eventuellen Anerkenntnisses zu belegen.

5 2. Die Klägerin meint weiter, das Verwaltungsgericht habe seine aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Begründung seiner Entscheidung dadurch verletzt, dass es das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1975 - 4 C 79.73 - entscheidungstragend verarbeitet, die danach erforderlichen rechtlichen Begründungsschritte aber nicht ausgeführt habe. In der genannten Entscheidung sei ein gemeinschaftlicher Rechtsirrtum der Beteiligten maßgeblich für die Annahme der Unwirksamkeit eines Schuldanerkenntnisses gewesen. Einen Irrtum auch der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Geldausgleich nach § 13 VZOG habe das Verwaltungsgericht aber nicht festgestellt. Ein solcher habe auch nicht bestanden, wie sich eindeutig aus dem der Klageschrift beigefügten und dort in Bezug genommenen Schreiben der Klägerin vom 28. Februar 2012 ergebe. Als das Schreiben der Beigeladenen vom 8. Februar 2011 mit dem Angebot zum Abschluss einer Erlösauskehrvereinbarung bei ihr eingegangen sei, habe ihr jeder Tatsachenstoff gefehlt, um die Betriebsnotwendigkeit des streitgegenständlichen Grundstücks bei dessen Privatisierung zu prüfen.

6 Eine Verletzung der Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ist damit nicht dargetan. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verpflichtet das Gericht, die Gründe für seine richterliche Überzeugung in dem Urteil anzugeben, soweit sie für die Entscheidung erforderlich sind. Die das Urteil tragenden Schlussfolgerungen müssen auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts sowie der dazu angestellten Erwägungen nachvollziehbar sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 2016 - 9 B 55.15 - Buchholz 448 § 14 Nr. 2 Rn. 22). Die Rügen der Klägerin betreffen lediglich Gesichtspunkte, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt hat. Nach dessen materiell-rechtlicher Auffassung kam es auf einen gemeinsamen Irrtum der Beigeladenen und der Klägerin über die Rechtslage bzw. über die Betriebsnotwendigkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nicht an. Das Verwaltungsgericht hat lediglich ausgeführt, dass einem möglicherweise aus der Erklärung der Beigeladenen vom 8. Februar 2011 ableitbaren abstrakten Schuldanerkenntnis die Einrede von dessen Kondizierbarkeit entgegenstünde, weil es an einem Schuldgrund gemäß § 13 VZOG fehle. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, die Beigeladene könne einer Forderung der Klägerin aus einem solchen Schuldanerkenntnis eine Gegenforderung auf Rückgewähr entsprechend §§ 812 ff. BGB entgegenhalten. Zum Beleg für diese - und nur diese - Rechtsbehauptung hat es auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1975 Bezug genommen. Einen gemeinsamen Irrtum von Klägerin und Beigeladener hat das Verwaltungsgericht als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Anerkenntnisses der Beigeladenen dagegen nicht gefordert.

7 3. Die Klägerin meint schließlich, das Verwaltungsgericht habe den aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Überzeugungsgrundsatz dadurch verletzt, dass es einen Irrtum der Klägerin über die Betriebsnotwendigkeit des streitgegenständlichen Grundstücks angenommen habe, ohne sich mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 2012 auseinanderzusetzen. Aus dem genannten Schreiben folge unzweifelhaft, dass ein solcher Irrtum bei ihr mangels Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht bestanden habe.

8 Die Rüge greift unabhängig davon, ob man sie als Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes oder eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs versteht, nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung, wie ausgeführt, keine Annahme eines gemeinsamen Irrtums der Beigeladenen und der Klägerin über das Bestehen eines Geldausgleichsanspruchs bzw. die Betriebsnotwendigkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zugrunde gelegt.

9 4. Darüber hinaus kann die Beschwerde auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin die weitere selbstständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, die Beigeladene habe sich jedenfalls durch einen wirksamen Widerruf erfolgreich von einem Schuldanerkenntnis gelöst, nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Sie setzt der Argumentation des Verwaltungsgerichts insoweit lediglich ihre abweichende materiell-rechtliche Rechtsauffassung entgegen, ein Widerruf sei unzulässig.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.