Beschluss vom 08.11.2002 -
BVerwG 1 B 20.02ECLI:DE:BVerwG:2002:081102B1B20.02.0

Beschluss

BVerwG 1 B 20.02

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 22.08.2001 - AZ: OVG 2 L 281/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2002
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. August 2001 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Eine solche Frage zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob eine Vergewaltigung durch staatliche Sicherheitskräfte grundsätzlich Ausdruck staatlicher Verfolgung ist". Sie legt aber weder in Auseinandersetzung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, inwiefern diese Frage weiterer Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht bedarf, noch zeigt sie auf, dass es auf die Frage der Staatlichkeit der Verfolgung bei Zugrundelegung der Feststellungen des Berufungsgerichts
(§ 137 Abs. 2 VwGO) vorliegend in einem Revisionsverfahren überhaupt ankäme.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Übergriffe staatlicher Amtswalter dem Staat zuzurechnen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits grundsätzlich geklärt. Pflichtwidrige, in Überschreitung der Amtsgewalt verübte Taten seiner Amtsträger (so genannte Exzesstaten) sind dem Staat danach nur dann zuzurechnen, wenn er sie ausdrücklich oder stillschweigend unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt (vgl. Urteile vom 22. April 1986 - BVerwG 9 C 318.85 - BVerwGE 74, 160, 163, und vom 19. Mai 1987 - BVerwG 9 C 198.86 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 69; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315, 352). Inwieweit der Fall der Klägerin auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts Anlass zu weiterführender rechtsgrundsätzlicher Entwicklung dieser Rechtsprechung bieten könnte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Unabhängig davon macht die Beschwerde auch nicht deutlich, inwiefern sich die von ihr aufgeworfene Frage der staatlichen Zurechenbarkeit der - vom Berufungsgericht nur unterstellten und nicht abschließend geprüften - von Soldaten verübten Vergewaltigung in einem Revisionsverfahren stellen würde. Denn das Berufungsgericht hat eine Vorverfolgung der Klägerin wegen dieser Rechtsgutverletzung nicht mangels staatlicher Zurechenbarkeit, sondern mangels Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal - hier die geltend gemachte oppositionelle politische Tätigkeit des Bruders der Klägerin - nach seiner tatrichterlichen Würdigung verneint. Dass auch im Fall von Folter oder Vergewaltigung eine solche Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal erforderlich ist, um den Eingriff als politische Verfolgung zu qualifizieren, entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 - BVerfGE 81, 142, 151; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - BVerwG 9 C 36.83 - BVerwGE 67, 184, 193, und Beschluss vom 22. Dezember 1995 - BVerwG 9 B 589.95 - <juris>). Hinsichtlich dieses Gesichtspunkts macht die Beschwerde Revisionsgründe nicht geltend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.