Verfahrensinformation

Der Kläger - ein Kriminalkommissar - stand im Dienst des Landes Berlin. Im vorliegenden Verfahren begehrt er vom Land Berlin eine Neuentscheidung über die Anerkennung weiterer Erfahrungszeiten und die erstmalige (höhere) Festsetzung der Stufe seines Grundgehalts.


Der Kläger ist der Auffassung, die Tatsachen, dass er vor dem Eintritt in den Polizeidienst des Landes Berlin beide juristischen Staatsexamen bestanden und außerdem aufgrund der Teilnahme an mehreren Wehrübungen den Dienstgrad eines Oberleutnants der Reserve erreicht habe, verpflichte das beklagte Land, weitere Erfahrungszeiten anzuerkennen. Dies führe zur Festsetzung einer höheren Grundgehaltsstufe. Das Oberverwaltungsgericht hat das Begehren des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, ein Jurastudium, das zugehörige Referendariat und die Wehrübungen stellten keine gleichwertige hauptberufliche Tätigkeit im Vergleich mit der Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten dar. Auch sei in dem Erwerb einer beruflichen Qualifikation für eine höhere Laufbahn kein besonderer Einzelfall im Sinne des Gesetzes zu sehen, der das Begehren des Klägers stützen könne.


Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein besonderer Einzelfall im Sinne des Berliner Besoldungsrechts vorliege, der die Anerkennung weiterer Erfahrungszeiten und die Festsetzung einer höheren Grundgehaltsstufe rechtfertige, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt sei.


Beschluss vom 08.10.2015 -
BVerwG 4 B 13.15ECLI:DE:BVerwG:2015:081015B4B13.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.10.2015 - 4 B 13.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:081015B4B13.15.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 13.15

  • OVG Berlin-Brandenburg - 08.12.2014 - AZ: OVG 6 A 6.14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Oktober 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 105 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin auf Dimensionierung von baulichem Schallschutz für die hier streitigen Wohngrundstücke als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin sei zwar klagebefugt, denn die planfestgestellten Lärmschutzauflagen begründeten einen Anspruch des Betroffenen gegenüber der Vorhabenträgerin. Der Klägerin fehle aber das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Für die streitigen Grundstücke lägen - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe - noch keine nach den Maßgaben der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 25. April 2013 - OVG 11 A 14.13 - auf der Grundlage einer schalltechnischen Objektbeurteilung erstellten Kostenerstattungsangebote der Beklagten vor. Es sei daher offen, in welchem Umfang der Klägerin für die Grundstücke passive Schallschutzvorrichtungen bzw. Belüftungseinrichtungen angeboten würden. Solange das nicht feststehe, bestehe kein rechtliches Interesse der Klägerin an der Klärung allgemein streitiger Fragen bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms.

II

2 Die auf sämtliche Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Gründe für die Zulassung der Revision sind entweder schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.

3 1. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht gegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die prozessualen Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses nicht überspannt.

4 Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es offen sei, in welchem Umfang der Klägerin für ihre Grundstücke passive Schallschutzvorrichtungen bzw. Belüftungseinrichtungen angeboten würden. Solange dies nicht feststehe, bestehe kein rechtliches Interesse der Klägerin an der Klärung streitiger Fragen bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms (UA S. 8). Es sei zudem weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vorliegend ausnahmsweise die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes geboten sei (UA S. 8 f.). Der Klägerin sei es zumutbar, zunächst die - für sie mit keinerlei Kostenrisiko verbundene - Anspruchsermittlung durch die Beklagte abzuwarten, um auf dieser Grundlage die im Einzelfall dann noch streitigen Fragen gerichtlich klären zu lassen (UA S. 9). Hiergegen wendet die Beschwerde ein, aufgrund der öffentlichen Verlautbarungen der Beklagten stehe "aller Wahrscheinlichkeit nach" fest, welchen Inhalt die schalltechnische Anspruchsermittlung haben werde. Es sei daher mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG "schlecht" vereinbar, die Klägerin auf den Erhalt der schalltechnischen Anspruchsermittlung zu verweisen und ihr zuzumuten, gegen die aus ihrer Sicht systematisch falsche Umsetzung des Schallschutzprogramms für jedes ihrer Grundstücke einzeln gerichtlich vorgehen zu müssen. Damit wird der geltend gemachte Verfahrensfehler jedoch nicht aufgezeigt. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Rechtsschutzziel der Klägerin (§ 88 VwGO) auf die verbindliche Klärung der für die Umsetzung des Schallschutzprogramms maßgeblichen Grundlagen und daher im Ergebnis auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtet ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch geklärt, dass vorbeugende Klagen nur dann zulässig sind, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf nachgängigen Rechtsschutz - einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes - mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 26 m.w.N.). Davon wäre etwa dann auszugehen, wenn dem Kläger nicht zugemutet werden kann, die Vornahme eines Realakts abzuwarten und erst dann dagegen vorzugehen (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 45 = juris Rn. 46). Solche unzumutbaren Nachteile für die Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht festgestellt; sie werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

5 2. Die Beschwerdebegründung vermag die Zulassung der Grundsatzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu rechtfertigen.

6 Die Klägerin möchte - in unterschiedlichen Fassungen - in der Sache grundsätzlich klären lassen, ob es möglich ist, Einwendungen gegen die Umsetzung von begünstigenden Schutzauflagen in einem Planfeststellungsbeschluss bereits vor Verfügung der konkreten Schutzmaßnahmen durch den Vorhabenträger im Klagewege geltend zu machen, oder ob gerichtlicher Rechtsschutz erst erlangt werden kann, wenn der Vorhabenträger die Schutzmaßnahmen bereits gegenüber dem Kläger verfügt hat. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Wie dargelegt, sind die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse bei vorbeugenden Klagen in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt. Ob danach das besondere schützenswerte Interesse gegeben ist, ist eine Frage der Umstände des konkreten Einzelfalles und einer allgemein verbindlichen Klärung entzogen. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7 3. Die geltend gemachte Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheitert ebenfalls an der mangelnden Darlegung i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

8 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem unter anderem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.

9 Die Klägerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - (BVerwGE 81, 164) ab. Der von ihr auf Seite 23 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtssatz findet sich aber - wie die Beklagte zu Recht anmerkt - nicht in der angegriffenen Entscheidung. Dass die planfestgestellten Lärmschutzauflagen einen Anspruch des Betroffenen gegenüber der Vorhabenträgerin begründen, stellt das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fest. Zu dem Rechtssatz, Rechtsschutz setze stets voraus, dass die geltend gemachten Mängel bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms sich auch auf das Grundstück des Klägers auswirkten, verhält sich die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts indes nicht. Es geht auch nicht um den Umstand, dass der Kläger einen auf Leistung an sich selbst gerichteten, bislang nicht erfüllten Anspruch geltend macht. Der Anspruch der Klägerin auf Schallschutzmaßnahmen wird nicht in Frage gestellt.

10 4. Die von der Beschwerde weiter für klärungsbedürftig gehaltenen materiellrechtlichen Fragen, die die Klägerin (Beschwerdebegründung S. 25 - 35) zu den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts unter IV. (UA S. 9 - 18) aufwirft, begründen mangels Entscheidungserheblichkeit keinen Zulassungsgrund.

11 Das Oberverwaltungsgericht hat zwar ausführlich, in der Sache aber lediglich ergänzend ausgeführt, dass die Klage - soweit sie entscheidungsreif ist - im Übrigen auch unbegründet wäre. Entgegen der Annahme der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung aber nicht "mit zwei unabhängigen Säulen" begründet. Es gilt vielmehr, dass wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung eine Klage oder ein Normenkontrollantrag nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden darf. Aus diesem Grund ist eine von der Vorinstanz der Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts grundsätzlich als nicht geschrieben zu behandeln (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 - 5 B 29.14 - juris Rn. 12 m.w.N.).

12 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.