Beschluss vom 08.07.2016 -
BVerwG 3 B 72.15ECLI:DE:BVerwG:2016:080716B3B72.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.07.2016 - 3 B 72.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:080716B3B72.15.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 72.15

  • VG Hannover - 08.09.2015 - AZ: VG 5 A 2988/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 8. September 2015 werden zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu gleichen Teilen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 14 958,75 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Lastenausgleich zur Verrechnung. Ihnen war als Erben ihrer unmittelbar geschädigten Mutter Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) für einen Wegnahmeschaden an Betriebsvermögen gewährt worden. Da später für das Betriebsvermögen eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz - EntschG) gewährt werden sollte, teilte das zuständige Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen - Thüringer Vermögensamt - der Ausgleichsverwaltung mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 die nach § 7 EntschG gekürzte Bemessungsgrundlage mit und bat um Festsetzung des mit dieser gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2, § 8 EntschG zu verrechnenden Rückforderungsbetrages des Lastenausgleichs. Das Ausgleichsamt Hannover erließ unter dem 31. Oktober 2011 Rückforderungsbescheide zur Verrechnung, mit denen von den Klägern jeweils knapp 7 500 € Hauptentschädigung zurückgefordert wurden. Die Beschwerden gegen die Rückforderung blieben ebenso erfolglos wie die hiergegen erhobenen Klagen. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des klageabweisenden Urteils auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der durch Hauptentschädigung (Endgrundbetrag und Zinszuschlag) abgegoltene Schaden sei durch die Mitteilung des Thüringer Vermögensamtes über die gekürzte Bemessungsgrundlage ausgeglichen. Dass es an einem Bescheid über die Festsetzung der Bemessungsgrundlage fehle, stehe dem Schadensausgleich nicht entgegen, weil hierfür nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EntschG eine Mitteilung genüge. Darin liege nicht der von den Klägern gesehene logische Fehler, weil die angefochtenen Bescheide keine Rückzahlung anordneten, sondern lediglich die - hier richtig berechnete - Höhe des Rückforderungsbetrages verbindlich festsetzten. Dieser werde später mit der Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz verrechnet.

2 Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleiben ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

3 1. Die Beschwerden sprechen das Verhältnis der Sätze 1 und 2 des § 8 Abs. 1 EntschG an, ohne dazu eine genaue Rechtsfrage zu formulieren, und beanstanden damit in der Sache bloße Rechtsanwendungsfehler, die eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Den Ausführungen ist aber hinreichend deutlich zu entnehmen, dass es um die Bestätigung der Rechtsauffassung geht, die Rückforderung könne nur nach einer "ordnungsgemäßen" Festsetzung der Bemessungsgrundlage durch Verwaltungsakt und nicht schon aufgrund der bloßen Mitteilung einer beabsichtigten Gewährung von Entschädigung erfolgen. Abgesehen davon, dass die Recherche des Beklagten keine vergleichbaren Rückforderungsfälle ergeben hat, sodass eine fallübergreifende Klärung nicht zu erwarten ist, lässt sich die aufgeworfene Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten: Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EntschG "gilt" die der Ausgleichsverwaltung von der zuständigen Behörde (hier dem Thüringer Vermögensamt) mitgeteilte Bemessungsgrundlage als Schadensausgleichsleistung in Geld im Sinne des § 349 Abs. 3 LAG. Mit diesem gesetzlich fingierten Schadensausgleich ist die Grundlage für die Rückforderung von Lastenausgleich gelegt. Darauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen.

4 Klärungsbedürftige Fragen zu diesem Zusammenhang zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Insbesondere ist im angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 10. Juli 2008 (3 B 97.07 - ZOV 2008, 264) richtig dargelegt, dass die gesetzliche Konstruktion keinen logischen Fehler aufweist und dem von Rückforderung Betroffenen keinen Rechtsnachteil aufbürdet. Etwaige Fehler bei der Festsetzung des Rückforderungsbetrages oder der Berechnung der Entschädigung können in den jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden. Die Beschwerde irrt, wenn sie insoweit annimmt, es sei aus logischen Gründen unumgänglich, dass vor der Ermittlung des Rückforderungsbetrages die Höhe der Bemessungsgrundlage verbindlich festgesetzt werde. Für den vollen Schadensausgleich genügt nach § 349 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 342 Abs. 3 LAG, dass überhaupt ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz besteht. Die Höhe der Entschädigung ist für die Berechnung des Rückforderungsbetrages nach dem Lastenausgleichsgesetz ohne Bedeutung. Das erschließt sich schon daraus, dass sich die Entschädigung erst berechnen lässt, wenn der von der gekürzten Bemessungsgrundlage gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 EntschG abzuziehende Lastenausgleich betragsmäßig feststeht. Einwände gegen die Höhe des Rückforderungsbetrages können mit Rechtsbehelfen gegen den Rückforderungsbescheid vorgebracht werden. Sollte später wider Erwarten keine Entschädigung gezahlt werden, erledigt sich die Rückforderung von Lastenausgleich ohne Weiteres. Denn sie entfällt nach § 349 Abs. 1 Satz 3 LAG, soweit aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigungsleistungen (etwa nach dem Entschädigungsgesetz) wegen der nach dem Lastenausgleichsgesetz gewährten Ausgleichsleistungen gekürzt worden sind. Eine derartige andere gesetzliche Vorschrift ist § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 EntschG: Sie lässt an die Stelle der Rückforderung der Hauptentschädigung eine Verrechnung treten, die ihrerseits aber die tatsächliche Gewährung von Entschädigung voraussetzt. Einer eigenständigen Durchsetzung ist ein (bestandskräftiger) Bescheid über die Rückforderung zur Verrechnung nicht zugänglich.

5 2. Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht auf, soweit sie wegen des gemäß § 349 Abs. 4 LAG zurückgeforderten Zinszuschlags einen "Gesetzeswiderspruch" sehen will, der vermeintlich aus einer fehlenden zeitlichen Übereinstimmung der Zinsregelungen im Lastenausgleichsgesetz und im Entschädigungsgesetz folgt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die Rückforderung des als Lastenausgleich gewährten Zinszuschlags nach § 349 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 LAG mit Verfassungsrecht im Einklang steht. Ebenso wenig unterliegt es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Zinszuschlag nach § 2 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 1 und 3 EntschG in Verbindung mit dem Lastenausgleichsgesetz von der nach § 7 EntschG gekürzten Bemessungsgrundlage abgezogen wird (BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1997 - 3 C 10.97 - BVerwGE 105, 110; BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - BVerfGE 102, 254 <330 f.>; Beschluss vom 30. Oktober 2002 - 1 BvL 13/96 u.a. - BVerfGE 106, 201 <206 ff.>). Der Beschwerde lassen sich keine Gesichtspunkte entnehmen, die diese Rechtsprechung in Frage stellen oder weitergehenden Klärungsbedarf aufwerfen.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.