Beschluss vom 08.04.2009 -
BVerwG 9 B 55.08ECLI:DE:BVerwG:2009:080409B9B55.08.0

Beschluss

BVerwG 9 B 55.08

  • Bayerischer VGH München - 07.04.2008 - AZ: VGH 13 A 07.1117

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), mit denen die Kläger Verstöße gegen die Aufklärungspflicht geltend machen, greifen nicht durch.

3 Die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die substantiierte Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschluss vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht.

4 Das Gericht verletzt seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine von einem Rechtsanwalt vertretene Partei nicht beantragt hat (Beschluss vom 22. Februar 1988 - BVerwG 7 B 28.88 - juris <insoweit in Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 11 nicht abgedruckt>). Solche Beweisanträge haben die anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht nicht gestellt, obwohl der Vorsitzende des Flurbereinigungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2008 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass der Senat das Abfindungsflurstück ... als Aussiedlungsstandort im Hinblick auf die Beschaffenheit, Immissionen, Erschließung und Lage grundsätzlich für geeignet halte. Dem Flurbereinigungsgericht hätte sich eine Sachverhaltsaufklärung aus folgenden Gründen auch nicht aufdrängen müssen:

5 a) Die Kläger beanstanden, dass das Flurbereinigungsgericht nicht aufgeklärt habe, ob das Abfindungsflurstück Altlasten oder schädliche Bodenverunreinigungen nach dem Bodenschutzgesetz aufweise. Die Existenz von Altlasten oder schädlichen Bodenverunreinigungen in einem Grundstück könne auch von einem fachmännisch besetzten Flurbereinigungsgericht nicht mittels Augenschein festgestellt werden. Das Flurbereinigungsgericht hat sich jedoch nicht nur auf den Augenschein gestützt, sondern daneben auch hervorgehoben, dass sich selbst den beiden von den Klägern vorgelegten Bodengutachten keine Hinweise auf schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren im Sinne von § 2 Abs. 5 und Abs. 6 BBodSchG entnehmen ließen. Allein der von den Klägern nicht näher substantiierte Verdacht, es handele sich um eine Altlasten- oder zumindest altlastenverdächtige Fläche, legte unter diesen Umständen eine weitere Aufklärung nicht nahe.

6 b) Ebenfalls keinen Verfahrensfehler stellt es dar, dass das Flurbereinigungsgericht nicht aufgeklärt hat, ob der kombinierte Rad- und Fußweg, der im Süden an den an der östlichen Längsseite des Flurstücks ... angrenzenden gekiesten öffentlichen Feld- und Waldweg (Abfindungsflurstück ... - Wegebaumaßnahme 11646 - 7) anschließt, eine Befahrung mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät zulässt. Das Flurbereinigungsgericht ist ersichtlich aufgrund der festgestellten Tatsachen davon ausgegangen, dass dieser Wegeabschnitt als Hauptwirtschaftsweg entsprechend dem Erschließungserfordernis nach § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG unschwer mit den ortsüblichen Maschinen befahrbar ist (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 9. Juli 1964 - BVerwG 1 CB 43.64 - RzF - 4 - zu § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG). Es hat dazu eine Wegebreite von 3,0 m mit 1,5 m breiten befestigten Banketten als ausreichend festgestellt, wie sie den Richtlinien für den ländlichen Wegebau 1999 entspricht, die als technische Regel einschlägige Sachkunde vermitteln (vgl. Urteil vom 18. April 2007 - BVerwG 9 A 34.06 - juris Rn. 39). Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb sich dem Flurbereinigungsgericht gleichwohl eine weitere Aufklärung hierzu hätte aufdrängen sollen. Das gilt auch, soweit sich die Beschwerde auf die Frage bezieht, ob der für die Zufahrt zum Abfindungsflurstück ... vorgesehene Geh- und Radweg hinreichend tragfähig ist, um mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät befahren werden zu können. Das von ihr für die Art und Weise des Verkehrs in Bezug genommene Klagevorbringen (Schriftsätze vom 1. April 2008, S. 5 und vom 4. Mai 2007, S. 12) und das Gutachten des Sachverständigen K. betreffen nicht die Tragfähigkeit dieses Abschnitts der Zufahrt, sondern die Verkehrssicherheit beim Aufeinandertreffen von Radfahrern und schweren landwirtschaftlichen Fahrzeugen; dasselbe trifft auch für die Aussagen in Ziffer 5.2 des Gutachtens des Sachverständigen A. zu. Die nunmehr eingereichte Stellungnahme des Landratsamtes Dillingen vom 10. Juli 2008 (Anlage 2 der Beschwerdebegründung vom 21. August 2008) lag dem Flurbereinigungsgericht nicht vor.

7 c) Schließlich liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das Flurbereinigungsgericht nicht von Amts wegen aufgeklärt hat, ob die Erschließung des Abfindungsflurstücks von Norden ausreicht. Es stützt seine Einschätzung der Erschließung in erster Linie auf den im Süden gelegenen kombinierten Wirtschafts-/Rad- und Fußweg. Die Erschließung von Norden trägt die Entscheidung nicht, so dass es auf die jetzt geforderte Aufklärung nicht ankam.

8 2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>, vom 23. April 1996 - BVerwG 11 B 96.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10 S. 15, vom 30. März 2005 - BVerwG 1 B 11.05 - NVwZ 2005, 709 und vom 2. August 2006 - BVerwG 9 B 9.06 - NVwZ 2006, 1290). An einer Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Gesetz oder aufgrund in der höchst-richterlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtsgrundsätze ergibt oder in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. So liegen die Dinge hier.

9 a) Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Ist die Abfindung mit einer Aussiedlungsfläche in einer anderen Gemeinde als der Gemeinde der Hofstelle mit § 44 Abs. 2 FlurbG vereinbar, wenn der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft über das konkretisierte und verfestigte Aussiedlungsvorhaben auf der vom Teilnehmer in die Flurbereinigung eingelegten Aussiedlungsfläche informiert war?“

10 Soweit die Kläger damit geklärt wissen wollen, ob ihr Wunsch nach Vollaussiedlung im Rahmen des § 44 Abs. 2 FlurbG hätte abgewogen und ihm Rechnung getragen werden müssen, würde sich die Frage im Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Flurbereinigungsgericht ist entscheidungstragend auch davon ausgegangen, dass das Vollaussiedlungsvorhaben bis zum nach seiner Auffassung maßgeblichen Zeitpunkt des Wunschtermins am 22. November 1999 und der Zwischenverhandlung vom 5. Juni 2000 nicht angemeldet worden und deshalb nicht nach § 44 Abs. 2 FlurbG abzuwägen war. Die Beschwerde greift weder die tatsächliche Feststellung des Flurbereinigungsgerichts zur fehlenden Anmeldung des Wunsches nach einer Vollaussiedlung noch dessen Rechtsauffassung zu dem für die Abwägung maßgeblichen Zeitpunkt mit einer Verfahrens- bzw. Grundsatzrüge an (vgl. zu letzterem Beschluss vom 19. Mai 1981 - BVerwG 5 CB 13.80 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 39; Urteil vom 23. August 2006 - BVerwG 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 30).

11 Soweit sich die Grundsatzrüge auf eine Teilaussiedlung (Stallungen ohne Wohnhaus) beziehen sollte, ist die Zulassung der Revision ebenfalls nicht gerechtfertigt. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, weshalb der Wunsch, eine Aussiedlungsfläche für die Errichtung von Stallungen zu erhalten, die - wie die eingebrachte Aussiedlungsfläche - auf dem Gebiet der Gemeinde der Hofstelle liegt, nicht nur dem privaten Lebensbereich des Teilnehmers zuzuordnen ist (vgl. dazu Urteil vom 5. Juni 1961 - BVerwG 1 C 231.58 - RzF - 12 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG; Urteil vom 9. Oktober 1973 - BVerwG 5 C 37.72 - BVerwGE 44, 92 <95>), sondern nach § 44 Abs. 2 FlurbG berücksichtigt werden muss. Der Begriff der „Ortslage“ in § 44 Abs. 4 FlurbG, auf den die Beschwerde verweist, gibt insoweit nichts her. Denn für die nach dem Wortlaut dieser Bestimmung maßgebliche Entfernung zwischen Landabfindung und Ortslage ist die Zugehörigkeit der Abfindungsfläche zu einem bestimmten Gemeindegebiet ohne Relevanz; das Abfindungsflurstück in einer anderen Gemeinde als derjenigen der Hofstelle kann näher an dieser oder an der Ortslage liegen als die Einwurfsfläche im Gebiet der „Heimatgemeinde“. Inwiefern der Standort der Aussiedlungsfläche mit Blick auf die Planungshoheit der jeweiligen Gemeinde wesentlichen Einfluss auf Ertrag, Benutzung und Verwertung im Sinne des § 44 Abs. 2 FlurbG haben sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen, zumal die Gemeinde bei Erteilung des Einvernehmens für das Aussiedlungsvorhaben nach § 36 Abs. 2, § 35 BauGB keinen Ermessensspielraum besitzt. Soweit die Beschwerde schließlich annimmt, die Zuteilung einer Aussiedlungsfläche in einem anderen Gemeindegebiet könne dazu führen, dass sich der betroffene Teilnehmer einer neuen Produktionsgenossenschaft (Milchgenossenschaft) anschließen müsse, hat das Flurbereinigungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen, ohne dass insoweit Aufklärungsrügen erhoben worden wären.

12 b) Hinsichtlich der weiteren Frage,
„Ist ein zur Aussiedlung zugeteiltes Abfindungsflurstück zugänglich im Sinne des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG, wenn die Zufahrt zu diesem Grundstück straßenverkehrsrechtlich eingeschränkt ist?“,
ist ein Klärungsbedarf nicht erkennbar.

13 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat jeder Teilnehmer gemäß § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG Anspruch auf eine Erschließung, die ihm die Benutzung seiner Abfindungsflurstücke jederzeit ohne besondere Schwierigkeiten ermöglicht; der Neubesitz soll dem Teilnehmer für jede dort mögliche und erlaubte funktionsgerechte Benutzung „zugänglich“ sein (Urteil vom 30. September 1992 - BVerwG 11 C 8.92 - RzF - 28 - zu § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG). Hier hat das Flurbereinigungsgericht ausgeführt, dass die Erschließung des neuen Abfindungsflurstücks ... gesichert sei und auch durch die straßenverkehrsrechtliche Beschilderung eines Wegeabschnitts als „Geh- und Radweg“ mit Zusatz „Mofa frei“ und „landwirtschaftlicher Verkehr frei“ nicht beeinträchtigt werde. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern der vorliegende Fall gleichwohl Gelegenheit zur weitergehenden Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen in einem Revisionsverfahren geben könnte. Insbesondere legt sie nicht dar, dass sich aus § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG ein genereller Anspruch auf eine straßenverkehrsrechtlich uneingeschränkte Zufahrt zum Abfindungsflurstück ergeben könnte, der über die Sicherung der funktionsgerechten Benutzung desselben hinaus geht.

14 c) Die Frage,
„Ist die Abfindung mit einer Aussiedlungsfläche mit § 44 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 FlurbG vereinbar, wenn die ausreichende Erschließung im Sinne des Baurechts nicht gegeben bzw. gesichert ist?“,
würde sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen und deshalb auch nicht geklärt werden können. Insoweit fehlt es nämlich an hinreichenden Tatsachenfeststellungen, die einer rechtlichen Überprüfung zugrunde gelegt werden könnten. Zur baurechtlich ausreichenden Erschließung (§ 35 BBauG) hat das Flurbereinigungsgericht keine Tatsachen festgestellt und sich dazu auch nicht geäußert.

15 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.