Beschluss vom 08.02.2005 -
BVerwG 2 B 55.04ECLI:DE:BVerwG:2005:080205B2B55.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.02.2005 - 2 B 55.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:080205B2B55.04.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 55.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.03.2004 - AZ: OVG 1 A 661/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und Dr. H e i t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. März 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gegeben ist.
1. Der Kläger hat geltend gemacht, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren eine konkrete Rechtsfrage von entscheidungserheblicher Bedeutung beantwortet werden kann, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen. Er muss darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage die Entscheidung über sein Klagebegehren abhängt. Zudem muss er erläutern, worin der allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedarf an der rechtlichen Klärung der Frage liegen soll. Hierfür reichen Hinweise auf die tatsächliche Bedeutung der Frage für eine Vielzahl von Fällen nicht aus (Urteil vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr).
Der Kläger hat als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufgeworfen,
"ob die Gewährung einer Dienstbefreiung für geleistete Nachtdienststunden eines Beamten verwehrt werden kann, weil die Summe der Nachtdienststunden den zur Gewährung einer Dienstbefreiung erforderlichen Schwellenwert zwar insgesamt und auch innerhalb von 12 Monaten, regelmäßig über Jahre hinweg, jedoch nicht in einem Kalenderjahr erreicht".
Diese Fragestellung ist mehrdeutig; sie lässt zwei Auslegungen zu. Nach der Formulierung soll womöglich geklärt werden, ob die Nachtdienststunden, die gemäß § 5 Abs. 4 ArbZV für die Gewährung von Dienstbefreiung erforderlich sind, innerhalb eines kalendermäßig nicht bestimmten Zeitraums von 12 Monaten geleistet werden dürfen. Die Frage kann aber auch so zu verstehen sein, dass es dem Kläger um die Klärung geht, ob § 5 Abs. 4 ArbZV die Anrechnung von nicht abgegoltenen Nachtdienststunden bei der Ermittlung der Schwellenwerte im folgenden Kalenderjahr gestattet oder vorschreibt. Auch aus dem weiteren Beschwerdevortrag erschließt sich der Bedeutungsgehalt der Frage nicht eindeutig. Dies kann letztlich dahingestellt bleiben, weil keine Auslegung zur Zulassung der Revision führt:
Mit seinem Klagebegehren hat der Kläger bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens geltend gemacht, der Beklagte müsse die in einem Kalenderjahr geleisteten, am Ende dieses Jahres nicht durch Dienstbefreiung abgegoltenen Nachtdienststunden im folgenden Kalenderjahr bei der Ermittlung der Schwellenwerte anrechnen. Diese Arbeitsstunden dürften nicht verfallen. Dementsprechend hat der Kläger in der Berufungsverhandlung beantragt, den Beklagten zu verurteilen, zu seinen Gunsten diejenige Summe von Nachtdienststunden, die in einem Kalenderjahr angefallen sind, die nicht den Schwellenwert erreicht, den § 5 Abs. 4 ArbZV für die Gewährung von Dienstbefreiung voraussetzt, bei der Prüfung einer möglichen Gewährung von Dienstbefreiung im jeweils folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen.
Daraus folgt, dass in der vorliegenden Rechtssache kein Bedarf an der Klärung besteht, ob Bemessungszeitraum für die Ermittlung der Schwellenwerte gemäß § 5 Abs. 4 ArbZV das Kalenderjahr oder ein kalendermäßig nicht bestimmter Zeitraum von 12 Monaten ist. Denn das Klagebegehren beruht auf der rechtlichen Grundlage, dass maßgeblicher Bemessungszeitraum das Kalenderjahr ist. Nur unter dieser Voraussetzung macht die Anrechnung von Nachtdienststunden im folgenden Kalenderjahr Sinn. Müssten die Schwellenwerte gemäß § 5 Abs. 4 ArbZV innerhalb eines nicht kalendermäßig bestimmten Zeitraums erreicht werden, so ginge das Klagebegehren ins Leere. Die Klage wäre offensichtlich unbegründet. Die Frage, ob ein Bemessungszeitraum mit flexiblem Anfang und Ende anstelle des Kalenderjahres maßgeblich ist, stellte sich, wenn ein anderes Klagebegehren, nämlich Ansprüche auf Gewährung von Dienstbefreiung wegen des Erreichens der Schwellenwerte innerhalb dieses Zeitraums, geltend gemacht würde. Hierfür bedürfte es einer Klageänderung, die in einem Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Hinsichtlich der Frage, ob § 5 Abs. 4 AZVO NW die Berücksichtigung von Nachtdienststunden im folgenden Kalenderjahr gestattet oder vorschreibt, hat der Kläger nicht dargelegt, dass ein Bedarf an rechtsgrundsätzlicher Klärung besteht. Hierfür hätte die Beschwerdebegründung jedenfalls in Grundzügen auf den rechtlichen Streitstoff eingehen müssen, wie ihn das Berufungsgericht durch seine Auslegung von § 5 Abs. 4 AZVO NW nach Systematik und Normzweck vorgegeben hat. Der Kläger hätte Gesichtspunkte vortragen müssen, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des Berufungsgerichts begründen können (Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825). Ein derartiger Beschwerdevortrag fehlt: Die Ausführungen zur "Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers" sind für die Auslegung von § 5 Abs. 4 AZVO NW ebenso wenig von Bedeutung wie die Aussage, es fehle an einem "dienstlichen Bedürfnis" für die Verwaltungspraxis des Beklagten. Die Hinweise auf die weitreichende tatsächliche Bedeutung der Rechtssache sind nicht geeignet, um einen Klärungsbedarf in rechtlicher Hinsicht darzulegen.
2. Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe den Inhalt eines Aushangs vom 25. April 1990 nicht berücksichtigt, macht der Kläger geltend, sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO sei verletzt worden.
Das vom Gehörsanspruch umfasste Recht auf Berücksichtigung erfordert, dass das Gericht das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten vollständig zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidungsfindung in Erwägung zieht. Daraus folgt jedoch nicht, dass jeder vorgetragene tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkt in den Entscheidungsgründen abgehandelt werden muss. Aus dem Umstand, dass das Gericht auf Vorbringen eines Beteiligten nicht eingegangen ist, kann nur dann der Schluss auf einen Gehörsverstoß gezogen werden, wenn dieses Vorbringen den Kern des Beteiligtenvortrags zu einem maßgeblichen Gesichtspunkt betrifft (BVerfGE 65, 293, 295; 86, 133, 145).
Der Kläger hat den behaupteten Gehörsverstoß nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Es gibt keine Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass er den Aushang zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat. Der Vortrag, er habe den Aushang in der mündlichen Verhandlung übergeben, lässt sich nicht belegen. Die Übergabe wird weder im Tatbestand des Berufungsurteils noch in der Sitzungsniederschrift über die Berufungsverhandlung erwähnt. Zudem enthalten die Gerichtsakten keine Abschrift des Aushangs oder einen Hinweis auf diesen. Insbesondere findet sich ein solcher Hinweis in den Schriftsätzen des Klägers nicht.
Darüber hinaus reichen die Angaben in der Beschwerdebegründung nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Aushang einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt des Verfahrens betrifft. Denn der Kläger hat den Inhalt nur stichwortartig dargestellt. Auch hat er der Beschwerdebegründung nicht wie behauptet eine Kopie des Aushangs beigefügt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., § 71 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.