Beschluss vom 07.08.2007 -
BVerwG 8 B 55.07ECLI:DE:BVerwG:2007:070807B8B55.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 55.07

  • VG Frankfurt/Oder - 21.02.2007 - AZ: VG 4 K 1737/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. August 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Postier
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Beigeladene zu 1 drei Viertel und die Beigeladene zu 2 ein Viertel.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 689 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
„ob eine Veräußerung von für den Eigenheimbau und zugehörigen Nebenflächen vorgesehenen unbebauten Grundstücken zu Volkseigentum zur Vermeidung der zulässigen Inanspruchnahme nach dem AufbauG durch einen hierfür bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Abwesenheitspflegschaft bestellten Pfleger generell machtmissbräuchlich i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG ist,
a) wenn der bestellte Abwesenheitspfleger zugleich der künftige Nutzer des betroffenen Grundstücks ist,
b) wenn über die in dem Wirkungskreis bezeichneten Eigenheimflächen hinaus eine im Aufbaugebiet liegende und nach dem Aufbauplan vorgesehene Nebenfläche durch den Abwesenheitspfleger mit verkauft wird“.

3 Diese Fragen lassen sich in einem Revisionsverfahren nicht losgelöst vom Einzelfall und abstrakt beantworten und rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich anhand des § 1 Abs. 3 VermG und die bereits hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Als unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG ist nur eine Maßnahme zu bewerten, die zielgerichtet den Verlust des zu restituierenden Vermögenswertes bezweckt hat. Die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft stellt noch nicht allein deswegen eine unlautere Machenschaft dar, weil die Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nach § 105 Abs. 1 FGB der DDR nicht vorlagen (Beschluss vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 7 B 129.04 -, ZOV 2005, 217; Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108). Für den Fall der Bestellung eines Abwesenheitspflegers zwecks Verkauf von Flüchtlingsvermögen gemäß § 105 Abs. 1 FGB der DDR hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass dessen Bestellung durch das staatliche Notariat allein zum Verkauf eines Grundstücks an einen privaten Dritten zu einem privaten Nutzungszweck in der Regel eine unlautere Machenschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG darstellt (Urteil vom 29. Januar 1998 - BVerwG 7 C 60.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 136). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung liegt die Annahme - vorbehaltlich der Besonderheiten im Einzelfall - nahe, dass für den Fall des Verkaufs eines Grundstücks durch den Abwesenheitspfleger zu Volkseigentum, an dem ihm unmittelbar danach ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, Machtmissbrauch i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG gegeben war. Nichts anderes gilt für den Mitverkauf von Grundstücksflächen, die den Zugang zu einem See ermöglichen sollen, unabhängig davon, ob sich die Abwesenheitspflegschaft hierauf bezogen hat oder nicht.

4 Auf die weiterhin gestellte Frage,
„ob die Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechts für den Eigenheimneubau dann keinen redlichen Erwerb begründet, wenn dem Nutzungsrechtsinhaber bereits im Zeitpunkt seiner Bestellung als Abwesenheitspfleger mit dem Wirkungskreis des Verkaufs des Baugrundstückes zu Volkseigentum dieses Baugrundstück für seinen Eigenheimbau zugewiesen wurde“
würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt indiziert auch im Hinblick auf die bereits vor Bestellung als Abwesenheitspflegerin erfolgte Zuweisung des Baugrundstücks für den Eigenheimbau an diese keinen redlichen Erwerb des dinglichen Nutzungsrechts.

5 2. Das Verwaltungsgericht ist mit seiner Entscheidung auch nicht von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

6 Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung nicht den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz aufgestellt, dass die bloße Mitwirkung des vorgesehenen künftigen Nutzers als Abwesenheitspfleger bei der im Vorfeld einer zulässigen Aufbaugesetzenteignung gemäß dem festgelegten Wirkungskreis durchgeführten Veräußerung zu Volkseigentum Machtmissbrauch i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG sei. Für das Verwaltungsgericht war vielmehr entscheidend, dass die Abwesenheitspflegerin durch den Verkauf des Grundstücks Flurstück 4/2 zu Volkseigentum handfeste Eigeninteressen verfolgt hat. Erst durch die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum war kurze Zeit später die Verleihung des Nutzungsrechts an sie und ihren Ehemann möglich. Diesen Sachverhalt würdigte das Verwaltungsgericht als zielgerichteten Verlust des zu restituierenden Vermögenswertes. Die Frage, ob bereits die Bestellung als Abwesenheitspflegerin mit dem Wirkungskreis der Mitwirkung am Verkauf des Grundstücks Flurstück 4/2 eine unlautere Machenschaft darstellt, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich offengelassen. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

7 Das Verwaltungsgericht weicht mit dem Rechtssatz, dass ein nach § 105 FGB der DDR bestellter Abwesenheitspfleger danach machtmissbräuchlich handelt, wenn er für die pflegebedürftige Person ein Rechtsgeschäft trotz der positiven Kenntnis vornimmt, dass das betreffende Rechtsgeschäft gerade nicht im Rahmen des durch die Pflegschaftsbestellung festgelegten Wirkungskreises, sondern außerhalb dieses von § 105 Abs. 3 Satz 2 FGB der DDR vorgegebenen Rahmens geschlossen wird und dementsprechend keine gesetzliche Vertretungsbefugnis nach § 105 Abs. 3 Satz 2 FGB der DDR besteht, nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 21. Oktober 2004 ab. Die Entscheidungen sind schon vom Sachverhalt nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall bestand für das verkaufte Grundstück Flur 4/4 keine Abwesenheitspflegschaft, während es in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2004 um die Bestellung einer Abwesenheitspflegschaft zur Vertretung des Eigentümers im Inanspruchnahmeverfahren nach dem Aufbaugesetz ging. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierin den Rechtssatz aufgestellt, dass die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft noch nicht allein deshalb eine unlautere Machenschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG darstellt, weil die Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nach § 105 Abs. 1b FGB der DDR nicht vorlagen. Hinzukommen muss vielmehr als weitere Voraussetzung, dass die handelnden Behörden bewusst gegen § 105 Abs. 1b FGB der DDR verstoßen haben, um mit der Anordnung der Pflegschaft überhaupt erst den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - BVerwGE 104, 186 <189> zur Verletzung von Vorschriften über das Enteignungsverfahren). Im vorliegenden Fall hat die Abwesenheitspflegerin nach dem festgestellten Sachverhalt des Verwaltungsgerichts bewusst gegen den ihr zugewiesenen Wirkungskreis verstoßen bzw. diesen überschritten.

8 3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

9 Die Beschwerde macht geltend, mit den das angegriffene Urteil tragenden Gründen verstoße das Verwaltungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz und Denkgesetze. Der vom Verwaltungsgericht angestellte Vergleich mit den Regelungen des Vormundschaftsrechts für Minderjährige, wonach bei bestimmten Rechtsgeschäften ein Pfleger anstelle des Vormunds für den Minderjährigen zu bestellen sei, passe nicht auf ein Rechtsgeschäft der Abwesenheitspflegerin gemäß dem übertragenen Wirkungskreis „Veräußerung eines Grundstücks zu Volkseigentum“. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Beschwerde nicht gegen die richterliche Überzeugungsbildung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern gegen die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Sie zieht aus dem festgestellten Sachverhalt lediglich andere Schlüsse als das Verwaltungsgericht.

10 Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen Denkgesetze verstoßen, weil es nach Ansicht der Beschwerde von der falsch festgestellten Tatsache ausgegangen sei, dass der Abwesenheitspfleger die ihm vom zuständigen Organ der Pflegschaft übertragene Veräußerung zu Volkseigentum nicht vornehmen durfte, wenn der Pfleger einer der künftigen Mitnutzer einer Teilfläche gewesen sei. Wenn das Organ der Pflegschaft einen Mitverkauf einer Fläche beurkundet habe, für die keine Abwesenheitspflegschaft bestellt worden sei, liege darin konkludent die Erweiterung des Wirkungskreises des von ihm bestellten Pflegers oder zumindest die Genehmigung des Handelns hinsichtlich des um dieses Wegflurstück überschrittenen Wirkungskreises. Unabhängig davon, dass es sich bei dem Vortrag nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Überlegung handelt, ist der von der Beschwerde gezogene Schluss aus dem vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang festgestellten Sachverhalt nicht zwingend.

11 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 4 GKG.