Beschluss vom 07.04.2017 -
BVerwG 6 B 61.16ECLI:DE:BVerwG:2017:070417B6B61.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.04.2017 - 6 B 61.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:070417B6B61.16.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 61.16

  • VG Minden - 11.06.2015 - AZ: VG 11 K 1801/14
  • OVG Münster - 20.09.2016 - AZ: OVG 2 A 1666/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. April 2017
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 127,96 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt.

2 Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide, durch die der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Monate Januar bis März 2013 sowie Oktober bis Dezember 2013 nebst Rücklastschriftkosten und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 127,96 € festgesetzt hat. Die Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO zurückgewiesen und die Revision gegen den Beschluss nicht zugelassen.

3 Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob
§ 2 und § 4 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) gegen höherrangiges Recht verstoßen und mit seinen Regelungen hinreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist bzw. ob der Katalog der Befreiungen von der Beitragspflicht zu eng gefasst ist.

4 Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 - 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306).

5 Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben: Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​180316U6C6.15.0] - (BVerwGE 154, 275) und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​150616U6C35.15.0] - geklärt. In den Gründen dieser Urteile hat das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsfrage abgehandelt und die Gründe für ihre Beantwortung dargelegt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelungen der §§ 2 ff. des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) über die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar sind. Das Beschwerdevorbringen des Klägers enthält keine neuen, bislang nicht bedachten Gesichtspunkte. Vielmehr setzt der Kläger den Rechtsauffassungen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils seine eigenen, abweichenden Rechtsauffassungen entgegen. Der Umstand, dass er mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einverstanden ist, ist aber nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung seiner Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.

6 Auf den zentralen Einwand des Klägers, dass der Rundfunk sich auch nicht teilweise über Werbung finanzieren dürfe, weil Werbung Menschen manipulieren könne, musste das Bundesverwaltungsgericht nicht eingehen. Das geforderte Verbot der Werbefinanzierung entzöge der Rundfunkbeitragspflicht nicht etwa die Grundlage, sondern würde ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Gegenteil noch stärker hervortreten lassen. Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass der Gesetzgeber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Werbeeinnahmen gestatten kann, solange sie die Gebührenfinanzierung nicht in den Hintergrund drängen. Eine Mehrzahl von Einnahmequellen kann im Gegenteil geeignet sein, einseitige Abhängigkeiten zu lockern und die Programmgestaltungsfreiheit der Rundfunkanstalten zu stärken (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88 - BVerfGE 83, 238 <310 f.>; Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 - BVerfGE 87, 181 <200>). Aus dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen ("Öffentlich-rechtliche Medien - Aufgabe und Finanzierung") ergeben sich insoweit keine zusätzlichen rechtlichen Gesichtspunkte.

7 Auch der Kritik des Klägers an der "finanziellen Überversorgung" des Rundfunks, die zu einer Überschreitung seines Grundversorgungsauftrags führe, lässt sich kein neues Argument entnehmen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesverwaltungsgericht in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt, dass die Rundfunkanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit berechtigt und verpflichtet sind, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen an die Erfüllung des Rundfunkauftrags eigenverantwortlich sicherzustellen. Es obliegt ihnen zu entscheiden, wie sie ihre Programme gestalten, d.h. welche Sendungen sie zu welcher Zeit und auf welchem Verbreitungsweg ausstrahlen (Programmfreiheit). Wegen der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss über den voraussichtlichen Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ein unabhängiges, außerhalb der Staatsorganisation stehendes Gremium entscheiden. Nach den Bestimmungen des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags prüft die hierfür eingerichtete Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) die finanziellen Vorstellungen der Rundfunkanstalten daraufhin nach, ob sie sich im Rahmen des Rundfunkauftrags halten, d.h. in Zusammenhang mit der Herstellung und Verbreitung der Programme stehen, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und diejenige der öffentlichen Haushalte berücksichtigen. Die Landesgesetzgeber dürfen von dem Vorschlag der KEF nur aus medienpolitisch neutralen Gründen abweichen, die offenzulegen sind (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 19 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 20 ff.). Ob die Höhe des Rundfunkbeitrags in dem im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelten Verfahren zutreffend festgesetzt worden ist, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Regelungen der §§ 2 ff. RBStV nicht relevant und wäre daher in dem vom Kläger erstrebten Revisionsverfahren nicht zu klären.

8 Schließlich besteht auch in Bezug auf die Befreiungsregelungen kein zusätzlicher Klärungsbedarf. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass der bewusste Verzicht auf ein Rundfunkempfangsgerät keinen besonderen Härtefall begründen kann, der - neben den in § 4 Abs. 1, 2 und 6 Satz 2 RBStV genannten sozialen Gründen - nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zur Befreiung von der Beitragspflicht führt. Eine derartige Auslegung dieses Begriffs widerspräche dem Normzweck der §§ 2 ff. RBStV, weil die Rundfunkbeitragspflicht für private Haushalte nach dem Regelungskonzept dieser Bestimmungen in Abkehr von der früheren Rundfunkgebührenpflicht gerade unabhängig von dem Bereithalten eines Empfangsgeräts bestehen soll. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht von Personen, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, als "kleineres Übel" in Kauf nehmen, um die zunehmende "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu beenden. Die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebührenpflicht durch die wohnungsbezogene

9 Rundfunkbeitragspflicht war sachgerecht, wenn nicht geboten, um die verfassungsrechtlich notwendige gleichmäßige Belastung aller Personen mit Rundfunkempfangsmöglichkeit zu gewährleisten. Dieses Ziel der Landesgesetzgeber könnte nicht erreicht werden, wenn Wohnungsinhaber aufgrund der Behauptung, nicht über eine Rundfunkempfangsmöglichkeit zu verfügen, von der Beitragspflicht befreit werden müssten, sofern der Rundfunkanstalt der Nachweis des Gerätebesitzes nicht gelingt. Dies würde in der Sache eine Rückkehr zur gerätebezogenen Rundfunkgebührenpflicht bedeuten, die die Landesgesetzgeber wegen des drohenden strukturellen Erhebungsdefizits aufgeben durften. Eine Beitragsbefreiung, die den Wohnungsinhabern die Beweislast für das Fehlen einer Rundfunkempfangsmöglichkeit auferlegt, ist nicht sinnvoll, weil dieser Nachweis nicht erbracht werden kann. Darüber hinaus handelt es sich bei den bewussten "Rundfunkverweigerern" nach den statistisch belegten, allgemeinkundigen Tatsachen um eine Gruppe, die im Verhältnis zu der Gesamtheit

10 der Wohnungsinhaber sehr klein sein muss (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 9, 34 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 10, 36 ff.). Auf die absolute Zahl der betroffenen Haushalte oder den Betrag der hierauf entfallenden Mehreinnahmen kommt es bei der erforderlichen statistischen Betrachtung entgegen der Auffassung des Klägers nicht an.

11 Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung hat einen Verteilungsmaßstab zur Folge, der als noch vorteilsgerecht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers erstreckt sich auch auf den Verteilungsmaßstab. Da es unmöglich ist, die Größe des individuellen Vorteils, d.h. die Nutzungsgewohnheiten der Rundfunkteilnehmer, zu bestimmen, können bei der Festlegung des Verteilungsmaßstabs Gründe der Praktikabilität berücksichtigt werden. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an die Wohnung hat den Vorteil, dass für die Beitragserhebung nur ein Wohnungsinhaber (Bewohner) bekannt sein muss. Ein personenbezogener Maßstab ("Pro-Kopf-Beitrag") erfordert demgegenüber einen größeren Ermittlungsaufwand, ohne zu mehr als nur geringen Verschiebungen der individuellen Beitragsbelastungen zu führen (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 43 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 45 ff.). Keine im Ergebnis andere Beurteilung gilt für die Beitragspflicht der Inhaber mehrerer Wohnungen. Ihre Inanspruchnahme für jede einzelne Wohnung ist von dem Gedanken des Vorteilsausgleichs und der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis bei der Beitragsgestaltung gedeckt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 und 6 C 23.16 -).

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.