Beschluss vom 07.03.2006 -
BVerwG 3 B 89.05ECLI:DE:BVerwG:2006:070306B3B89.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.03.2006 - 3 B 89.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:070306B3B89.05.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 89.05

  • Bayerischer VGH München - 07.04.2005 - AZ: VGH 19 B 99.2193

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerden des Klägers und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2005 werden zurückgewiesen.
  2. Der Kläger und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger, der von der Beigeladenen ein Hochwild-Jagdrevier in einer Höhenlage zwischen 1 000 und 2 085 m gepachtet hat, wendet sich gegen ein ihm durch die Jagdbehörde auferlegtes Verbot der Rotwildfütterung. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen. Auch seine Berufung ist durch den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden, weil die Fütterung die Schutzfunktion des Waldes beeinträchtige oder zumindest gefährde und daher als missbräuchlich im Sinne des § 23 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes - AVBayJG - anzusehen und das Verbot ermessensgerecht und verhältnismäßig sei.

2 Die Beschwerden des Klägers und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleiben ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.), noch sind die von den Beschwerdeführern nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler erkennbar (2.).

3 1. Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob in der ihm auferlegten sofortigen Auflösung einer Rotwild-Fütterung eine Verletzung des Hegeziels im Sinne des § 1 Abs. 2 BJagdG - nämlich die Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen zur Erhaltung eines landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten Wildbestandes - gesehen werden muss."

4 Weitgehend im Einklang damit möchte die Beigeladene geklärt wissen,
"ob die sofortige Auflassung der Rotwildfütterung - ohne schrittweise Reduktion - und die damit verbundene vorübergehende zusätzliche Schädigung des Schutzwaldes rechtlich zulässig ist."

5 Zur Begründung seiner Grundsatzfrage weist der Kläger darauf hin, dass die Fütterung an diesem Ort seit 40 Jahren bestehe und wegen der eingetretenen Gewöhnung des Wildes zu befürchten sei, dass ihre sofortige Auflassung die Tiere gefährde. Das sei mit dem bundesrechtlichen Hegebegriff nicht zu vereinbaren und zwinge ihn zu rechtswidrigem Handeln. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Problematik verweist die Beigeladene darauf, dass die Auflassung oder Untersagung einer Vielzahl weiterer im Zusammenhang mit Schutzwäldern betriebener Fütterungen beantragt sei und deshalb eine ebensolche Zahl gleich gelagerter Fälle bevorstehe.

6 a) Die durch beide Beschwerdeführer im Wesentlichen deckungsgleich aufgeworfene Frage kann der Rechtssache schon deswegen nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung verleihen, weil sie sich nicht allgemeingültig beantworten lässt. Der Hinweis des Klägers auf die im vorliegenden Fall eingetretene Gewöhnung des Wildes an den Fütterungsstandort verdeutlicht beispielhaft, dass die Einschätzung, ob und inwieweit die Befolgung der Verfügung der Jagdbehörde mit dem Hegeziel des § 1 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG - kollidiert, von den jeweiligen Einzelumständen abhängig ist, unter anderem auch von der sich nach den örtlichen Gegebenheiten richtenden Prognose, welche Verbissschäden bei den jeweiligen Handlungsalternativen drohen, aber auch davon, von welchen Maßnahmen das Fütterungsverbot begleitet wird. Da die Ermittlung und Beurteilung dieser Einzelumstände jedoch den Tatsacheninstanzen obliegt, erweist sich die vermeintliche Grundsatzrüge der Beschwerdeführer der Sache nach als ein Angriff auf die konkrete Tatsachenfeststellung und -würdigung durch die Vorinstanz.

7 b) Ebenso wenig bezeichnet die Beigeladene eine Grundsatzfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, soweit sie sich zusätzlich dagegen wendet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung für eine sofortige Auflassung der Fütterung anstelle ihrer schrittweisen Reduzierung als eine dem behördlichen Ermessen unterliegende Frage der Zweckmäßigkeit eingeordnet hat. Auch an dieser Stelle ist nicht erkennbar, geschweige denn vorgetragen worden, weshalb der notwendigerweise an den Einzelumständen orientierten Beantwortung dieser Frage eine über den vorliegenden Fall hinausweisende Bedeutung zukommen soll.

8 2. Die von den Beschwerdeführern erhobenen Verfahrensrügen rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

9 a) Der Kläger sieht einen Verfahrensverstoß darin, dass das Berufungsgericht das in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheides angeordnete Kirrungsverbot nicht auf das gesamte Jagdrevier beziehe, obwohl dem Bescheid eine örtliche Beschränkung des Verbots nicht zu entnehmen sei. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen an den in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abgegebenen Erklärungen der Beklagtenvertreterin vorbei geht, wird mit ihm ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bezeichnet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Regelung ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den Verfahrensablauf regelt, ein Verstoß gegen Verfahrensnormen, der den Weg zum Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses, nicht dessen Inhalt betrifft (Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 m.w.N.). Dagegen bestimmt sich die Auslegung der angefochtenen behördlichen Entscheidungen nach materiellem Recht, dessen richtige Anwendung nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.

10 b) Dasselbe gilt, soweit die Beigeladene als verfahrensfehlerhaft beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ausführungen des Sachverständigen nicht richtig gewürdigt und verkannt habe, dass dessen Feststellungen als Abwägungsmaterial bei Erlass des insoweit gerichtlich überprüfbaren Bescheides hätten einbezogen werden müssen. Auch hier geht es nicht um einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens, sondern um die der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnende Beweiswürdigung und die sich gleichfalls nach materiellem Recht bestimmende Beurteilung des Umfangs des der Behörde eingeräumten Ermessens.

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 und § 72 Nr. 1 GKG.