Urteil vom 06.07.2006 -
BVerwG 1 D 7.05ECLI:DE:BVerwG:2006:060706U1D7.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 06.07.2006 - 1 D 7.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:060706U1D7.05.0]

Urteil

BVerwG 1 D 7.05

  • VG Münster - 04.03.2005 - AZ: VG 20 K 5552/03.BDG

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung vom 6. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Polizeihauptmeister Müller und
Postbetriebsassistent Alsdorf
als ehrenamtliche Richter
sowie
Postdirektor ...
als Vertreter der Einleitungsbehörde
und
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Postoberschaffners ... gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 4. März 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I

1 1. Der am 6. Mai 1965 geborene Beamte war bis 14. Mai 2000 als Postzusteller in B., danach bis 5. Juli 2000 in P. tätig. Auf Grund der angeschuldigten Vorfälle wurde er aus dem Zustelldienst herausgenommen und im Wechselschichtdienst in der Kommissionierungsanlage der Niederlassung H. der Deutschen Post AG eingesetzt.

2 Mit Verfügung vom 10. August 2000 hat der Leiter der Niederlassung H. hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 bis 3 und 5 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und einen Untersuchungsführer bestellt. Dieser hat das Verfahren durch Entscheidungen vom 28. November 2000, 9. Januar und 25. Januar 2001 auf die übrigen Anschuldigungspunkte ausgedehnt. Mit Anschuldigungsschrift vom 31. Juli 2001 hat der Bundesdisziplinaranwalt dem Beamten zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
1. vom 6. April bis 11. April 1999 schuldhaft ungenehmigt dem Dienst fernblieb; 2. in der Zeit vom 11. Juni 1999 bis zum 14. Mai 2000 die dienstliche Anweisung, Sendungen mit Zustellungsurkunde in einer Liste zu notieren, nicht befolgte; 3. am 4. Oktober 1999 die Durchführung einer Wochenzählung in seinem Zustellbezirk verweigerte und den mit der Zählung beauftragten Kollegen aufforderte, das Dienstgebäude zu verlassen; 4. am 27. März 2000 auf einer Betriebsversammlung ein Flugblatt mit beleidigenden Äußerungen gegen den Dienstherrn und den Betriebsrat verteilte; 5. die dienstlichen Anweisungen vom 12. August 1999 und 8. März 2000, den Begehungsplan seines Zustellbezirks wegen einer Neubemessung zu überprüfen, missachtete; 6. am 8. März 2000 einen Nachsendeauftrag in die Schweiz nicht bearbeitete; 7. der Ladung zu einem Gespräch bei seinem Vorgesetzten am 10. April 2000 nicht Folge leistete; 8. am 13. April 2000 die Bearbeitung nachzusendender Wahlbenachrichtigungskarten verweigerte; 9. vom 25. April 2000 bis 5. Juli 2000 die IBIS-Zählblätter nicht ausfüllte; 10. am 7. Juni 2000 die ordnungsgemäße Abrechnung eines Nachnahmebetrages verweigerte; 11. am 7. Juni 2000 einen Kollegen bedrohte; 12. am 13. Juni 2000 an einer Dienstbesprechung nicht teilnahm; 13. am 27. und 28. Juni 2000 eigenmächtig die Zustellung abbrach; 14. am 5. Juli 2000 einen Vorgesetzten beleidigte und eine dienstliche Anordnung missachtete; 15. sich am 8. August 2000 weigerte, den Empfang eines dienstlichen Informationsschreibens mit seiner Unterschrift zu bestätigen; 16. am 4. August 2000 und 2. November 2000 den Dienst in der Frühschicht vorzeitig beendete; 17. am 7. August 2000 zu spät zum Dienst erschien; 18. am 7. August 2000 eine dienstliche Anordnung nicht befolgte und einen Vorgesetzten beleidigte; 19. in der Zeit vom 7. August 2000 bis 19. Oktober 2000 den Dienst in der Spätschicht achtmal vorzeitig beendete; 20. in der Nachtschicht vom 27. zum 28. August 2000 dem Dienst schuldhaft ungenehmigt fernblieb; 21. die Pflicht zum Tragen von Dienstkleidung beharrlich missachtete; 22. am 11. Oktober 2000 die Anweisung, ein Gespräch mit einem Vorgesetzten zu führen, nicht befolgte; 23. in der Zeit vom 31. Oktober 2000 bis 19. Dezember 2000 die Anweisung, sich bei Schichtbeginn und Schichtende bei der Aufsicht zu melden, wiederholt nicht befolgte; 24. sich am 31. Oktober und 20. November 2000 weigerte, die Arbeit in den Abtragekreisen zu verrichten; 25. die Frühschicht am 20. November 2000 mit 30 Minuten Verspätung antrat; 26. sich am 12. Dezember 2000 gegenüber einem Vorgesetzten ungehörig benahm.

3 2. Das Verwaltungsgericht hat den Beamten durch Urteil vom 4. März 2005 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Diesem Urteilsausspruch liegen folgende tatsächlichen Feststellungen zugrunde:

4 Obwohl dem Beamten Urlaub nur vom 15. März bis 5. April 1999 (drei Wochen) bewilligt worden sei, habe er seinen Dienst als Zusteller im Zustellstützpunkt B. erst am Montag, dem 12. April 1999, d.h. vier Wochen nach Urlaubsbeginn wieder aufgenommen (Anschuldigungspunkt 1).

5 In der Zeit vom 11. Juni 1999 bis 14. Mai 2000 habe der Beamte weisungswidrig Absender und Empfänger von Sendungen mit Zustellungsurkunde nicht in ein Formblatt eingetragen (Anschuldigungspunkt 2). Am 4. Oktober 1999 habe sich der Beamte geweigert, den Zeugen L. bei der angeordneten Zählung der Postsendungen seines Zustellbezirks zu unterstützen. Er habe dem Zeugen erklärt, er erteile ihm Hausverbot, und ihn aufgefordert, das Dienstgebäude zu verlassen (Anschuldigungspunkt 3).

6 Vor Beginn einer Betriebsversammlung am 27. März 2000 habe der Beamte im Versammlungsraum ungefähr 60 Exemplare eines mit seinem Namen gekennzeichneten Flugblattes ausgelegt, in dem die Post als „kriminelles Unternehmen“ und der Leiter der Niederlassung H., der Zeuge J., als „Don J. und seine Mafiakollegen“ bezeichnet worden seien. Weiter habe es in dem Flugblatt geheißen, der Betriebsrat unterstützte die verbrecherischen Handlungen der Leitung der Niederlassung (Anschuldigungspunkt 4).

7 Am 12. August 1999 und am 8. März 2000 habe sich der Beamte trotz dienstlicher Anordnungen geweigert, den Begehungsplan seines Zustellbezirks zu aktualisieren (Anschuldigungspunkt 5). Im März 2000 habe er einen Nachsendeauftrag in die Schweiz nicht bearbeitet (Anschuldigungspunkt 6). Der Beamte sei ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Mitarbeitergespräch beim Leiter des Zustellstützpunktes P. erschienen, zu dem dieser ihn für den 10. April 2000 schriftlich geladen habe (Anschuldigungspunkt 7). Nachzusendende Wahlbenachrichtigungen für die Landtagswahl habe der Beamte weisungswidrig nicht bearbeitet (Anschuldigungspunkt 8). Während seiner Zustellertätigkeit in B. und P. habe er in der Zeit vom 25. April bis 5. Juli 2000 die täglich auszufüllenden Zählblätter über die Postsendungen seines Zustellbezirks nicht abgegeben (Anschuldigungspunkt 9).

8 Der Beamte sei der Aufforderung seines Vorgesetzten vom 7. Juni 2000 nicht nachgekommen, für einen Ende Mai 2000 vereinnahmten Nachnahmebetrag von 48,10 DM das Zählblatt und einen Ersatznachnahmezahlschein auszufüllen. Stattdessen habe er Geld und Unterlagen in einen Briefbehälter gelegt (Anschuldigungspunkt 10). Am 7. Juni 2000 habe der Beamte dem Zeugen Jä. erklärt, als dieser ihn auf seine Pflicht zur Bearbeitung einer nachzusendenden Pressesendung habe hinweisen wollen: „Wenn sie zwei Meter in meinem Umkreis sind, hat das nicht nur dienstliche, sondern auch private Konsequenzen.“ (Anschuldigungspunkt 11). Am 13. Juni 2000 habe der Beamte ohne Angabe von Gründen nicht an einer Dienstbesprechung teilgenommen (Anschuldigungspunkt 12).

9 Am 27. Juni 2000 habe der Beamte dem Leiter des Zustellstützpunkts B. unter Hinweis auf das Ende seiner täglichen Dienstzeit einen Behälter mit Postsendungen seines Zustellbezirks übergeben und sich trotz mehrerer Aufforderungen geweigert, die Sendungen auszutragen. Am nächsten Tag (28. Juni 2000) habe der Beamte einem Kollegen einen Behälter mit Postsendungen seines Zustellbezirks übergeben und den Dienst beendet (Anschuldigungspunkt 13). Am 5. Juli 2000 habe der Beamte zu Beginn eines Mitarbeitergesprächs im Büro des Leiters des Zustellstützpunkts P. zu dem Leiter der Personalabteilung gesagt: „Der, der immer die Sch... macht.“ (Anschuldigungspunkt 14).

10 Am 8. August 2000 habe sich der - inzwischen in den Innendienst nach H. umgesetzte - Beamte geweigert, die Empfangsbestätigung für ein Informationsschreiben zu unterzeichnen (Anschuldigungspunkt 15). Am 4. August 2000 habe er das Dienstgebäude in H. um 14.54 Uhr verlassen, obwohl sein Dienst erst um 15.00 Uhr geendet habe. Am 2. November 2000 habe er die bis 15.00 Uhr dauernde Schicht bereits um 14.50 Uhr beendet (Anschuldigungspunkt 16). Am 7. August 2000 habe der Beamte den um 14.00 Uhr beginnenden Dienst um fünf Minuten zu spät angetreten (Anschuldigungspunkt 17). Am 7. August 2000 habe sich der Beamte geweigert, den Abteilungsleiter Be. wegen der Aufnahme zweier Verhandlungsniederschriften in das Büro eines Kollegen zu begleiten. Dabei habe er den Abteilungsleiter als „kriminell“ bezeichnet (Anschuldigungspunkt 18).

11 Am 7., 21., 22. und 23. August, am 28. und 29. September sowie am 13. und 19. Oktober 2000 habe der Beamte seinen jeweils bis 22.45 Uhr dauernden Schichtdienst in H. ungefähr eine Stunde früher beendet, um den letzten Zug nach P. zu erreichen (Anschuldigungspunkt 19). Zu der Nachtschicht vom 27. bis 28. August 2000 (Sonntag auf Montag) sei er nicht erschienen, weil er irrtümlich angenommen habe, die Schicht falle in seinen Urlaub (Anschuldigungspunkt 20).

12 Während seiner Tätigkeit als Zusteller habe der Beamte keine Dienstkleidung getragen, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei (Anschuldigungspunkt 21).

13 Am 11. Oktober 2000 habe der Beamte Aufforderungen des Abteilungsleiters nicht Folge geleistet, diesen zur Bekanntgabe einer Stellungnahme des Postbetriebsarztes in das Büro eines Kollegen zu begleiten (Anschuldigungspunkt 22). Am 31. Oktober und am 2. November 2000 habe der Beamte die Anweisung des Niederlassungsleiters nicht befolgt, sich ab 30. Oktober 2000 zu Dienstbeginn und Dienstende bei der Aufsicht des Briefzentrums H. zu melden (Anschuldigungspunkt 23). Am 31. Oktober und am 20. November 2000 habe sich der Beamte erneut geweigert, Behälter von den Verteilrutschen zu nehmen und auf den Behälterwagen zu stellen, obwohl der Betriebsarzt, wie der Beamte gewusst habe, festgestellt habe, dass er dieser Arbeit körperlich gewachsen sei (Anschuldigungspunkt 24).

14 Dass der Beamte am 20. November 2000 zu der um 5.30 Uhr beginnenden Frühschicht erst um 6.00 Uhr erschienen sei, könne ihm nicht angelastet werden (Anschuldigungspunkt 25).

15 Am 12. Dezember 2000 sei der Beamte auf den Abteilungsleiter Be. zugetreten, als dieser eine Besuchergruppe durch das Briefzentrum H. geführt habe, und habe für die Gruppe hörbar geäußert: „Herr Be., wenn Sie mich noch einmal bedrohen, dann ...“ (Anschuldigungspunkt 26).

16 Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Beamten hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 als vorsätzliches, hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 20 als fahrlässiges Fernbleiben vom Dienst gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG gewürdigt. Durch die vorzeitigen Beendigungen des Dienstes und die verspäteten Dienstantritte im Umfang von fünf bis 60 Minuten an insgesamt elf Tagen (Anschuldigungspunkte 16, 17 und 19) habe der Beamte schuldhaft gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf gemäß § 54 Satz 1 BBG und zur Befolgung von Dienstvorschriften gemäß § 55 Satz 2 BBG verstoßen. Jedenfalls hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 19 (vorzeitiges Verlassen der Spätschicht in acht Fällen um jeweils ungefähr eine Stunde) habe der Beamte vorsätzlich gehandelt. Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2, 3, 5 bis 16, 18, 21 bis 24 habe sich der Beamte jeweils geweigert, Vorschriften und Anordnungen über die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben als Zusteller zu beachten und damit vorsätzlich gegen die Befolgungspflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG verstoßen. In sechs Fällen (Anschuldigungspunkte 3, 4, 11, 14, 18 und 26) habe sich der Beamte gegenüber Vorgesetzten und Kollegen beleidigend und ungebührlich verhalten und damit seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BBG vorsätzlich verletzt. Lediglich hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 25 sei er freizustellen.

17 Der Beamte sei aus dem Dienst zu entfernen, weil er durch sein dienstliches Verhalten das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört habe. Zwar rechtfertige keine der nachgewiesenen Verfehlungen für sich genommen die Entfernung aus dem Dienst. Es müsse jedoch angenommen werden, dass Pflichtenmahnungen den Beamten nicht erreichten. Sie würden seinem dienstlichen Verhalten nicht mehr gerecht. Bei seinem Verbleib im Dienst sei ein geordneter Dienstbetrieb nicht gewährleistet. Diese Schlussfolgerungen drängten sich auf Grund der zahlreichen Verstöße gegen grundlegende und leicht einsehbare Dienstpflichten, insbesondere auf Grund der häufigen vorsätzlichen Missachtung dienstlicher Vorschriften und Anordnungen über einen längeren Zeitraum sowie der Uneinsichtigkeit des Beamten auf. Der Beamte fühle sich durch dienstliche Vorgaben nicht gebunden, sondern verrichte seinen Dienst nach seinen persönlichen Vorstellungen. Dieses Verhalten habe er nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens unvermindert fortgesetzt.

18 3. Mit seiner Berufung beantragt der Beamte, ihn unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils freizusprechen, hilfsweise auf eine mildere Maßnahme zu erkennen.

19 Der Beamte macht im Wesentlichen geltend, die von ihm nicht befolgten dienstlichen Vorgaben seien sachwidrig oder schikanös gewesen. Während seiner Zustellertätigkeit sei ihm zugemutet worden, in erheblichem Umfang unbezahlte Mehrarbeit zu leisten. Bei den angeschuldigten Äußerungen habe er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Von manchen Vorgesetzten, etwa von den Zeugen Jä. und Be., habe er sich bedroht gefühlt. Die Deutsche Post AG habe nicht bewiesen, dass die Darstellungen in der Anschuldigungsschrift richtig seien.

II

20 Die Berufung des Beamten hat keinen Erfolg.

21 Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und –grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (§ 85 Abs. 1 und 3 BDG; zum Übergangsrecht Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515). Die bei der Deutschen Post AG beschäftigten Bundesbeamten unterliegen hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit den Regeln über den beamtenrechtlichen Dienst und damit dem Disziplinarrecht (Urteil vom 20. August 1996 - BVerwG 1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377 f.>).

22 1. Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, so dass der Senat den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.

23 Auf Grund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel und der Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung, soweit diesen gefolgt werden kann, hält der Senat hinsichtlich der einzelnen Anschuldigungspunkte die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und würdigt diese disziplinarrechtlich wie folgt:

24 Zum Anschuldigungspunkt 1:

25 In der Woche vom 6. April (Dienstag nach Ostern) bis 10. April 1999 erschien der Beamte nicht im Zustellstützpunkt B., um Dienst als Zusteller zu tun, obwohl ihm für diese Woche Urlaub weder bewilligt noch zugesagt worden war. Der Beamte hatte Erholungsurlaub für die Zeit vom 15. März bis 10. April 1999 (vier Wochen) beantragt. Der für die Bewilligung zuständige Beamte, der Zeuge Br., sagte dem Beamten in der Woche vor Urlaubsbeginn fernmündlich die Bewilligung von zwei Wochen Erholungsurlaub ab 15. März 1999 (Montag) zu. Weiterhin teilte er mit, er werde sich bemühen, dem Beamten eine dritte Urlaubswoche zu ermöglichen. Nach dem Urlaubsantritt des Beamten stellte sich heraus, dass die Verlängerung um eine dritte Woche gewährt werden konnte, weil eine Zustellerin aus dem Krankenstand zurückgekehrt war. Schriftliche und fernmündliche Versuche, den Beamten darauf hinzuweisen, dass er ab dem 6. April 1999 wieder zum Dienst zu erscheinen habe, schlugen fehl, weil er unerreichbar war. Um seinen Ausfall zu kompensieren, musste eine Kollegin ihren Urlaub abbrechen.

26 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen C. vom 14. März 1999 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie des Vermerks des Zeugen Br. vom 13. April 1999 und dessen Aussage vom 14. Dezember 2000. Demgegenüber ist die Behauptung des Beamten unglaubhaft, der Beamte M. habe ihm vor Urlaubsantritt zugesagt, vier Wochen Urlaub gingen in Ordnung. Diese Behauptung ist ersichtlich aus der Luft gegriffen; sie wird durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt. Der Beamte hat sie erstmals in der Hauptverhandlung vor dem Senat aufgestellt. Er hat nicht zu erklären vermocht, warum er sich nicht bereits während der Untersuchung oder vor dem Verwaltungsgericht entsprechend eingelassen hat. Zudem steht die Behauptung in Widerspruch zu den in sich stimmigen und nachvollziehbaren Angaben der Zeugen Br. und C. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Zeugen falsche Angaben hätten machen sollen. Hingegen hat sich der Beamte gegenüber dem Senat nicht immer an die Wahrheit gehalten. So hat er anfangs den Erhalt des Fragebogens zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Abrede gestellt, obwohl er diesen bei sich hatte.

27 Danach ist der Beamte in der Zeit vom 6. bis 10. April 1999 vorsätzlich ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben; er hat die geschuldete Dienstleistungspflicht vorsätzlich nicht erfüllt (Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG). Ein dienstfähiger Beamter wird nur durch eine rechtswirksame Urlaubsbewilligung oder -zusage von der Dienstleistungspflicht entbunden. Ein pflichtwidriges Fernbleiben vom Dienst liegt selbst dann vor, wenn die Bewilligung des Urlaubs rechtswidrig versagt oder nachträglich ausgesprochen worden ist (Urteil vom 12. April 2000 - BVerwG 1 D 12.99 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 20; stRspr). Der Beamte wusste bei Urlaubsantritt am 15. März 1999, dass ihm nur zwei Wochen Urlaub bewilligt worden waren. Er erkundigte sich nicht, ob ihm eine dritte und vierte Urlaubswoche bewilligt werden konnte. Daher nahm er zumindest billigend in Kauf, in diesem Zeitraum dem Dienst ungenehmigt, nämlich ohne Urlaubsbewilligung fernzubleiben. Das hatte er gegenüber dem Zeugen C. auch so angekündigt.

28 Zum Anschuldigungspunkt 2:

29 Im Juni 1999 ordnete der Leiter der Niederlassung H. an, dass die Zusteller die Namen von Absender und Empfänger förmlich zuzustellender Sendungen in das Formular für den Niederlegungsnachweis dieser Sendungen einzutragen hatten, wenn die Zustellung durch Niederlegung und entsprechende Benachrichtigung des Empfängers erfolgt war. Eine solche Eintragung nahm ca. 33 Sekunden in Anspruch. Der Beamte weigerte sich trotz entsprechender Aufforderungen, die Eintragungen vorzunehmen.

30 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen S. vom 14. Juni 1999, des Vermerks der Zeugin Sch. vom 29. Juni 1999, der Aussage des Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000 sowie des Vermerks des Untersuchungsführers über eine telefonische Auskunft des Zeugen Jo. vom 30. Januar 2001. Zugunsten des Beamten geht der Senat davon aus, dass der Niederlassungsleiter die Anordnung nach drei bis sechs Wochen wieder aufhob.

31 Danach hat der Beamte jedenfalls über einen Zeitraum von drei Wochen vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

32 Zum Anschuldigungspunkt 3:

33 Am 4. Oktober 1999 wollte der Zeuge L. im Zustellstützpunkt B. wie vorher angekündigt Postsendungen zählen. Als der Zeuge gegen 8.00 Uhr den Arbeitsplatz des Beamten aufsuchte, um mit dem Zählen zu beginnen, sagte ihm der Beamte, er erteile ihm Hausverbot, er habe drei Minuten Zeit, um das Gebäude zu verlassen. Auf die Aufforderungen des Zeugen L., die Zählung nicht zu behindern, erwiderte der Beamte „noch zwei Minuten“ und „noch eine Minute“. Daraufhin brach der Zeuge die Zählung am Arbeitsplatz des Beamten ab.

34 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussage des Zeugen L. vom 14. Dezember 2000. Demgegenüber kann dem Beamten nicht geglaubt werden, dass es zu dem dargestellten Vorfall gekommen sei, weil der Zeuge L. absprachewidrig die von dem Beamten in Fächer sortierten Sendungen vor Ende dieses Arbeitsvorgangs herausgezogen habe. Es gibt keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, der für die Richtigkeit dieses Hergangs spricht. Der Beamte hat ihn erstmals in der Hauptverhandlung vor dem Senat behauptet. Er hat nicht zu erklären vermocht, warum er sich nicht bereits während der Untersuchung oder vor dem Verwaltungsgericht entsprechend eingelassen hat.

35 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Zudem stellt sein unkollegiales Verhalten gegenüber dem Zeugen L. eine vorsätzliche Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten im Dienst dar (§ 54 Satz 3 BBG).

36 Zum Anschuldigungspunkt 4:

37 Kurz vor Beginn der Betriebsversammlung am 27. März 2000 im Café „D.“ in P. verteilte der Beamte ungefähr 60 Exemplare eines von ihm verfassten Flugblattes im Versammlungsraum. Darin heißt es u.a.: „In meinem Fall hält sich dieses kriminelle Unternehmen an keine Vereinbarungen. ... Das liegt scheinbar in der Natur von Don J. und seinen Mafia-Kollegen, denn sonst kann ich mir die Verleugnungen und Lügen dieser Personen nicht erklären. Doch viel schlimmer finde ich es, dass der Betriebsrat die verbrecherischen Handlungen der Leitung der Niederlassung unterstützt. Der Betriebsrat könnte als neuen Erfolg seiner Verhandlungen bekannt geben, Husten am Arbeitsplatz ist wieder erlaubt, aber dafür erhält jeder Zustellbezirk eine Straße zusätzlich. Allein die Rahmenregelungen dieser Veranstaltung verstoßen in vielen Punkten gegen bestehende Gesetze. ... Wann wird das Schild ‚Arbeit macht frei’ wieder über den Posthof gehängt?“

38 Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Senat in Augenschein genommenen Exemplar des Flugblattes und den Angaben des Beamten in der Hauptverhandlung vor dem Senat.

39 Danach hat der Beamte vorsätzlich in schwerwiegender Weise gegen die in § 54 Satz 3 BBG verankerten Pflichten zum kollegialen Verhalten und zur Wahrung des Betriebsfriedens verstoßen. Die wiedergegebenen Äußerungen sind offensichtlich nicht vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Zwar darf ein Beamter seine Interessen gegenüber Vorgesetzten und Dienstherrn mit Nachdruck verfolgen und dabei mit freimütiger und offener Kritik sowie mit harten Worten für seine Sache eintreten. Kritische Wertungen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sind zulässig, wenn sie eine sachliche Grundlage haben und für die Gegenseite erkennbar dem sachlichen Ziel der Rechtswahrung dienen. Der Beamte darf seine Meinung zu tatsächlichen Umständen ohne Rücksicht auf deren Erweisbarkeit vorbringen, wenn er von ihrer Richtigkeit ausgeht und dafür tatsächliche Anhaltspunkte hat. Jedoch wird die disziplinarrechtlich relevante Grenze des Zulässigen überschritten, wenn der Beamte zu Diffamierungen greift (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - NVwZ-RR 2006, 485 <486>; stRspr).

40 Die schriftlichen Äußerungen des Beamten in dem Flugblatt knüpfen nicht an Tatsachen an. Es handelt sich um Werturteile, die bereits auf Grund der Wortwahl diffamierenden Charakter haben. Schon deshalb konnten sie nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein. So warf der Beamte dem damaligen Leiter der Niederlassung H., dem Zeugen J., pauschal und ohne weitere Erklärung „Verleugnungen und Lügen“ sowie „verbrecherische Handlungen“ vor. Den Betriebsrat - und damit dessen Mitglieder - bezichtigte er, die „verbrecherischen Handlungen“ zu unterstützen. Die Deutsche Post AG bezeichnete er als „kriminelles Unternehmen“.

41 Zum Anschuldigungspunkt 5:

42 Zur Vorbereitung der Neubemessung der Zustellbezirke forderte die Zeugin Bi. den Beamten am 12. August 1999 auf, den Begehungsplan seines Zustellbezirks auf fehlende und fehlerhafte Einträge zu überprüfen und den Plan entsprechend zu berichtigen. Der Beamte weigerte sich mit der Begründung, er habe keine Zeit und leiste ständig Überstunden. Auch nachdem ihm die Zeugin Bi. erklärt hatte, die Überprüfung des Plans sei bei der Arbeitszeitbemessung berücksichtigt, hielt er seine Weigerung aufrecht.

43 Am 2. März 2000 forderte der Zeuge T. den Beamten auf, den Begehungsplan seines Zustellbezirks zu aktualisieren. Der Beamte weigerte sich mit der Begründung, er sei nur vertretungsweise in dem Bezirk tätig. Auch nachdem ihm der Zeuge mitgeteilt hatte, er werde voraussichtlich in dem Bezirk bleiben, hielt der Beamte seine Weigerung aufrecht.

44 Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund der Aussagen der Zeugin Bi. und des Zeugen T. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat sie nicht in Abrede gestellt.

45 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

46 Zum Anschuldigungspunkt 6:

47 Im März 2000 lag für den Zustellbezirk des Beamten ein Nachsendeauftrag für eine Anschrift in der Schweiz vor. Der Beamte sorgte nicht für die Weiterleitung der Postsendungen in die Schweiz, obwohl dies, wie er wusste, zu seinen Aufgaben als Zusteller gehörte. Stattdessen schickte er die Sendungen an die - für Nachsendungen ins Ausland nicht zuständige - INA-Zentrale in Köln, die sie an den Beamten zurückgab. Eine Aufforderung seines Vorgesetzten, des Zeugen Lü., vom 8. März 2000, den Nachsendeauftrag ordnungsgemäß zu bearbeiten, widersetzte sich der Beamte mit den Worten, er sehe dies nicht ein. Schließlich händigte er dem Zeugen Lü. die nachzusendenden Postsendungen aus, damit dieser den Auftrag bearbeiten konnte. Einer schriftlichen Aufforderung des Zeugen Jä., eines Mitglieds der Stellenleitung des Zustellstützpunktes P., vom 29. März 2000, wegen dieses Vorfalls am 3. April 2000 um 15.30 Uhr zu einem Gespräch bei ihm zu erscheinen, kam der Beamte ohne Angabe von Gründen nicht nach.

48 Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Lü. und Jä. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat sie nicht in Abrede gestellt.

49 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG ergibt, durfte der Beamte die Gesprächsaufforderung nicht einfach unbeachtet lassen.

50 Zum Anschuldigungspunkt 7:

51 Am 10. April 2000 erschien der Beamte ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Mitarbeitergespräch bei dem damaligen Leiter des Zustellstützpunktes P., dem Zeugen Jo., obwohl dieser ihn mit Schreiben vom 24. März 2000 für den 10. April 2000 um 15.45 Uhr zu diesem Gespräch geladen hatte. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass betriebliche Einsatzfähigkeit, krankheitsbedingte Fehlzeiten und die Arbeitssituation besprochen werden sollten. Außerdem wurde der Beamte darauf hingewiesen, dass die Teilnahme zu den Dienstpflichten gehöre.

52 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen Jo. vom 24. März 2000, seines Vermerks vom 11. April 2000 sowie seiner Aussage vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

53 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG ergibt, durfte er die Ladung nicht einfach unbeachtet lassen.

54 Zum Anschuldigungspunkt 8:

55 Am 13. April 2000 teilte der Vorgesetzte des Beamten, der Zeuge Lü., den Zustellern des Zustellstützpunktes B. bei Dienstbeginn mit, die Nachsendungen der Wahlbenachrichtigungen für die Landtagswahl müssten von ihnen selbst bearbeitet werden. Sie dürften nicht an die INA-Zentrale weitergeleitet werden. Dennoch legte der Beamte Wahlbenachrichtigungen für seinen Zustellbezirk in den INA-Behälter. Nachdem der Zeuge Lü. dies bemerkt hatte, forderte er den Beamten auf, die Sendungen zu bearbeiten. Dem kam der Beamte ohne Angabe von Gründen nicht nach. An seiner Stelle nahm der Zeuge Lü. die Nachsendungen vor.

56 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jä. vom 18. April 2000 und der Aussage des Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

57 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

58 Zum Anschuldigungspunkt 9:

59 In der Zeit vom 25. April 2000 bis zum Ende seiner Tätigkeit als Zusteller in B. am 14. Mai 2000 gab der Beamte mit einer Ausnahme die täglich auszufüllenden Zählblätter nicht ab, in die er die Anzahl der Postsendungen seines Zustellbezirks einzutragen hatte. Auch während seines Einsatzes als Zusteller in P. in der Zeit vom 15. Mai bis 5. Juli 2000 gab er keine Zählblätter ab. Mehrfachen Aufforderungen der Vorgesetzten, die Zählblätter ordnungsgemäß auszufüllen und abzugeben, blieben ohne Wirkung.

60 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jo. vom 26. April 2000, dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie der Aussage des Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

61 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Seine Ausführungen in der Hauptverhandlung vor dem Senat, die Zählblätter seien auch von Kollegen nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden, sind für die Beurteilung seines Verhaltens ohne Bedeutung. Der Beamte konnte daraus auf keinen Fall die Berechtigung herleiten, die Erfüllung seiner Dienstpflichten zu verweigern.

62 Zum Anschuldigungspunkt 10:

63 Ende Mai 2000 gab der - inzwischen in P. eingesetzte - Beamte für eine von ihm bearbeitete Nachnahmesendung kein Zustellblatt und keinen Zahlschein über den vereinnahmten Nachnahmebetrag von 48,10 DM ab. Der Aufforderung eines Vorgesetzten, des Zeugen Jä., vom 7. Juni 2000, den Auftrag innerhalb von zwei Tagen ordnungsgemäß abzurechnen, kam der Beamte nicht nach. Stattdessen steckte er Geld und Unterlagen in einen Umschlag und legte diesen in einen Briefbehälter. Dort fand sie die Zeugin R. Anstelle des Beamten rechnete der Zeuge T. den Nachnahmebetrag ab.

64 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens der Zeugin Li. vom 5. Juni 2000, des Vermerks des Zeugen Jä. vom 9. Juni 2000 sowie den Aussagen des Zeugen T. und der Zeugin R. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

65 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

66 Zum Anschuldigungspunkt 11:

67 Am 7. Juni 2000 begab sich der Zeuge Jä. an den Arbeitsplatz des Beamten, um ihn zur Bearbeitung einer nachzusendenden Pressesendung anzuhalten. Dieser empfing ihn mit den Worten: „Wenn Sie zwei Meter in meinem Umkreis sind, hat das nicht nur dienstliche, sondern auch private Konsequenzen.“

68 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jä. vom 9. Juni 2000 sowie dessen Aussagen vom 12. Juli 2000 und vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat die Bemerkung nicht in Abrede gestellt.

69 Dadurch hat der Beamte vorsätzlich gegen die in § 54 Satz 3 BBG verankerte Pflicht zum kollegialen Verhalten im Dienst verstoßen. Sein Vorbringen, er habe sich durch das Auftreten des Zeugen körperlich bedrängt gefühlt, ist für die Beurteilung seiner Bemerkung ohne Bedeutung. Denn der Beamte hat jedenfalls durch seine Wortwahl gegenüber dem Vorgesetzten völlig unangemessen reagiert.

70 Zum Anschuldigungspunkt 12:

71 Am 13. Juni 2000 blieb der Beamte ohne Angabe von Gründen einer für 7.00 Uhr angesetzten Dienstbesprechung fern, obwohl er im Dienst war. Auf die Besprechung war durch Aushang im Zustellersaal und durch Lautsprecherdurchsagen am 10. Juni und am 13. Juni 2000 hingewiesen worden. Die Dienstbesprechung dauerte zehn Minuten.

72 Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Anwesenheitsliste vom 13. Juni 2000 sowie der Aussage der Zeugin Bi. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

73 Danach hat der Beamte jedenfalls vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

74 Zum Anschuldigungspunkt 13:

75 Am 27. und 28. Juni 2000 lieferte der Beamte nicht alle Sendungen seines Zustellbezirks aus. Am 27. Juni 2000 übergab er dem damaligen Leiter des Zustellstützpunkts P., dem Zeugen Jo., gegen 13.00 Uhr in dessen Büro einen Behälter mit Sendungen mit der Bemerkung, sein Dienst habe um 12.45 Uhr geendet. Aufforderungen des Zeugen, die Sendungen auszuliefern, kam der Beamte nicht nach. Am 28. Juni 2000 übergab er gegen 13.00 Uhr dem Zeugen K. einen Behälter mit Sendungen mit der Bemerkung, sein Dienst sei bereits beendet. Danach entfernte er sich. Die Sendungen wurden von einem Kollegen ausgetragen. Dem Beamten war bekannt, dass er verpflichtet war, die Sendungen am jeweiligen Tag auszutragen.

76 Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jo. vom 27. Juni 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie den Aussagen des Zeugen K. vom 12. Juli 2000 und vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat sie nicht in Abrede gestellt.

77 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und - hinsichtlich des Vorfalls am 27. Juni 2000 - die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Der Beamte war sich darüber im Klaren, dass die Arbeitszeit eines Zustellers an den einzelnen Arbeitstagen mit dem tatsächlichen Ende seiner Arbeit als beendet gilt (vgl. Ausführungsbestimmungen zu § 9 der Arbeitszeitordnung Post).

78 Zum Anschuldigungspunkt 14:

79 Am 5. Juli 2000 sagte der Beamte im Büro des Zeugen Jo. in dessen Beisein zu dem Personalabteilungsleiter der Niederlassung H., dem Zeugen Bra., zu Beginn eines Mitarbeitergesprächs: „Der, der immer die Sch... macht.“ Auf diese Bemerkung angesprochen verließ der Beamte den Raum. Auf eine nochmalige Ansprache des Zeugen Bra. im Zustellersaal reagierte er nicht. Das geplante Gespräch kam nicht zustande.

80 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Bra. und Jo. vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

81 Soweit sich der Beamte geweigert hat, das Mitarbeitergespräch zu führen, hat er vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Die Bemerkung gegenüber dem Zeugen Bra. stellt bereits auf Grund der Wortwahl einen groben vorsätzlichen Verstoß gegen die sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zum kollegialen Verhalten dar.

82 Zum Anschuldigungspunkt 15:

83 Im August 2000 weigerte sich der Beamte, der seit 5. Juli 2000 aus dem Zustelldienst herausgenommen worden war, trotz Aufforderung der Zeugin Ro., das Doppel eines Informationsschreibens, das an die Mitarbeiter mit Berechtigung zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge gerichtet war, zu unterzeichnen, und so den Erhalt zu bestätigen. Der Beamte war beauftragt, dieses Schreiben zu versenden und den Rücklauf der unterschriebenen Doppel zu überwachen.

84 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussage der Zeugin Ro. vom 24. Januar 2001.

85 Das angeschuldigte Verhalten des Beamten hat nach seinem Gewicht keine disziplinarrechtliche Bedeutung. Zum einen gehörte der Beamte nicht zu dem angesprochenen Personenkreis, weil er nicht berechtigt war, dienstliche Kraftfahrzeuge zu führen. Zum anderen musste auch der Zeugin Ro. klar sein, dass ihm der Inhalt des Schreibens bekannt war. Von diesem Vorwurf ist der Beamte daher freizustellen.

86 Zum Anschuldigungspunkt 16:

87 Der Beamte, der inzwischen in der Kommissionierungsanlage der Niederlassung H. eingesetzt war, verließ das Dienstgebäude am 4. August 2000 um 14.54 Uhr, am 2. November 2000 um 14.50 Uhr, obwohl seine Arbeitszeit jeweils erst um 15.00 Uhr endete.

88 Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom 7. August 2000 sowie der Aussagen dieses Zeugen und des Zeugen W. vom 24. Januar 2001. Die Behauptung des Beamten in der Hauptverhandlung vor dem Senat, er habe sich ordnungsgemäß abgemeldet, ist nicht glaubhaft. Sie steht in Widerspruch zu seiner Angabe vor dem Verwaltungsgericht, wonach er nicht früher gegangen sein will.

89 Auch diesen Verhaltensweisen kann nach ihrem Gewicht keine disziplinarrechtliche Bedeutung beigemessen werden. Auch von diesem Vorwurf ist der Beamte daher freizustellen.

90 Zum Anschuldigungspunkt 17:

91 Am 7. August 2000 betrat der Beamte erst um 14.05 Uhr das Dienstgebäude, obwohl seine Schicht bereits um 14.00 Uhr begann. Der Beamte macht geltend, sein Zug habe Verspätung gehabt.

92 Insoweit kann dem Beamten bereits nicht nachgewiesen werden, dass ihn an der Verspätung ein Verschulden traf, somit ist der Beamte davon ebenfalls freizustellen.

93 Zum Anschuldigungspunkt 18:

94 Am 7. August 2000 weigerte sich der Beamte, den Zeugen Be. zur Aufnahme zweier Verhandlungsschriften in das Büro des Zeugen To. zu begleiten. Nachdem der Beamte auf mehrfache Aufforderungen des Zeugen Be. erwidert hatte, er habe keine Zeit bzw. er würde keine Antwort geben, bezeichnete er den Zeugen als kriminell.

95 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom 7. August 2000 sowie aus dessen Aussagen vom 23. August 2000 und vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

96 Durch seine Bemerkung gegenüber dem Zeugen Be. hat der Beamte vorsätzlich grob gegen die sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zum kollegialen Verhalten verstoßen. Weiterhin hat er vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

97 Zum Anschuldigungspunkt 19:

98 Am 7., 21., 22. und 23. August, 28. und 29. September, 13. und 19. Oktober 2000 beendete der Beamte (acht Mal) die bis 22.45 Uhr dauernde Spätschicht jeweils ungefähr eine Stunde früher. Dieses Verhalten war dem Umstand geschuldet, dass der letzte Zug von H. nach P. um 22.32 Uhr abfuhr.

99 Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das vorzeitige Gehen des Beamten nach dem zeitlichen Umfang ein Fernbleiben vom Dienst gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG darstellen kann (vgl. hierzu Beschluss vom 29. Juli 1985 - BVerwG 1 DB 36.85 - BVerwGE 83, 37 <38>). Jedenfalls können dem Beamten schuldhafte Dienstpflichtverletzungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden. Es sprechen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vorzeitigen Beendigungen der Spätschicht wegen der Notwendigkeit, den letzten Zug nach P. zu erreichen, von den Vorgesetzten jedenfalls geduldet wurde. So wird das angeschuldigte Verhalten etwa in der von dem Zeugen Be. erstellten dienstlichen Beurteilung vom 22. Januar 2001 erwähnt, ohne dem Beamten negativ angelastet zu werden. Diese Behandlung lässt durchaus den Schluss zu, dass die Vorgesetzten keinen Anlass sahen, gegen das ihnen bekannte Verhalten des Beamten einzuschreiten. Da der Beamte außerdem unwidersprochen geltend macht, die weniger erbrachte Arbeitszeit sei mit reichlich vorhandener Überzeit verrechnet worden, ist er auch insoweit freizustellen.

100 Zum Anschuldigungspunkt 20:

101 Der Beamte blieb der Nachtschicht vom 27./28. August 2000 (Sonntag/Montag) fern. Der Beamte hat angegeben, er sei irrtümlich davon ausgegangen, sein Erholungsurlaub für die Vorwoche habe sich auf die versäumte Schicht erstreckt.

102 Danach ist der Beamte dem Dienst ohne Genehmigung grob fahrlässig ferngeblieben (Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG). Er war verpflichtet, sich nach dem Zeitpunkt des Urlaubsendes und dem Schichtplan zu erkundigen.

103 Zum Anschuldigungspunkt 21:

104 Während seiner Tätigkeit als Zusteller in B. und P. (bis 5. Juli 2000) trug der Beamte keine Dienstkleidung, nur manchmal bei schlechtem Wetter die Regenjacke, obwohl er, wie er wusste, dazu generell verpflichtet war.

105 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Kl. und K. vom 14. Dezember 2000 sowie der Aussagen der Zeugen Jo. und C. vom 24. Januar 2001. Die Einlassung des Beamten, er habe generell Dienstkleidung getragen, ist auf Grund der eindeutigen Beweislage unglaubhaft.

106 Danach hat der Beamte über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die für die Aufgabenwahrnehmung geltenden Dienstvorschriften zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 9. Oktober 1997 begründet die Pflicht zum Tragen der Dienstkleidung auch für die bei der Deutschen Post AG beschäftigten Beamten (vgl. § 1 Abs. 1 PostPersRG).

107 Zum Anschuldigungspunkt 22:

108 Am 11. Oktober 2000 weigerte sich der Beamte an seinem Arbeitsplatz, den mehrfachen Aufforderungen des Zeugen Be. Folge zu leisten und diesen in das Büro des Zeugen To. zu begleiten, um dort eine betriebsärztliche Stellungnahme zu besprechen. Auf mehrfache Ansprachen des Zeugen Be. reagierte der Beamte nicht.

109 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom 11. Oktober 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

110 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).

111 Zum Anschuldigungspunkt 23:

112 In der Zeit vom 31. Oktober bis 19. Dezember 2000 befolgte der Beamte wiederholt nicht die schriftliche Aufforderung des Leiters der Niederlassung H., des Zeugen J., vom 27. Oktober 2000, sich ab dem 30. Oktober 2000 bei Beginn und Ende seines Schichtdienstes bei der zuständigen Aufsicht persönlich an- und abzumelden. Das Schreiben vom 27. Oktober 2000 war dem Beamten am 30. Oktober 2000 ausgehändigt worden.

113 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen J. vom 27. Oktober 2000 mit Aushändigungsvermerk des Zeugen To. vom 30. Oktober 2000 sowie den Aussagen der Zeugen O. und W. vom 24. Januar 2001. Die Angabe des Beamten in der Hauptverhandlung vor dem Senat, er habe nicht gewusst, bei wem er sich habe an- und abmelden sollen, ist unglaubhaft. Dies folgt schon daraus, dass er sich zuvor nicht auf die vermeintliche Unklarheit berufen hat.

114 Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG ergibt, war die Aufforderung für ihn verbindlich.

115 Zum Anschuldigungspunkt 24:

116 Am 31. Oktober 2000 weigerte sich der Beamte, Behälter von den Verteilrutschen zu nehmen und auf bereitstehende Wagen zu stellen. Am 20. November 2000 weigerte er sich, größere Behälter von den Rutschen zu nehmen. Dabei war ihm die Stellungnahme des Postbetriebsarztes Me. vom 9. Oktober 2000 bekannt, der nach Untersuchung des Beamten und Hinzuziehung eines Orthopäden zu dem Ergebnis gekommen war, die Tätigkeit sei dem Beamten gesundheitlich zumutbar.

117 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom 7. August 2000, dessen Aussage vom 23. August 2000, der Aussage des Zeugen W. vom 24. Januar 2001 und der ärztlichen Stellungnahme des Postbetriebsarztes Me. vom 9. Oktober 2000.

118 Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht zur sorgfältigen Erfüllung der ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft (§ 54 Satz 1 BBG) verstoßen. Nach den Ausführungen des Postbetriebsarztes waren die Rückenbeschwerden des Beamten darauf zurückzuführen, dass er die körperliche Arbeit nicht gewohnt war. Obwohl er diese Ausführungen kannte, verhielt sich der Beamte genauso wie vor der Bekanntgabe der ärztlichen Stellungnahme.

119 Zum Anschuldigungspunkt 25:

120 Am 20. November 2000 erschien der Beamte erst um 6.00 Uhr zu der um 5.30 Uhr beginnenden Frühschicht, weil der erste Frühzug aus P. erst um 5.20 Uhr im Bahnhof H. eintraf.

121 Insoweit kann dem Beamten ein Verschulden an dem verspäteten Dienstantritt nicht nachgewiesen werden, somit ist er davon freizustellen.

122 Zum Anschuldigungspunkt 26:

123 Am 12. Dezember 2000 gegen 8.15 Uhr trat der Beamte auf den Zeugen Be. zu, der eine Besuchergruppe durch die Kommissionierungsanlage führte. Der Beamte sagte zu dem Zeugen so laut, dass es die Mitglieder der Gruppe verstehen konnten: „Herr Be., wenn Sie mich noch einmal bedrohen, dann ...“ Der Zeuge erwiderte, dieser Auftritt werde noch ein Nachspiel haben. Daraufhin ging der Beamte weg. Bei der Besuchergruppe rief dieser Vorfall Verwunderung hervor.

124 Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom 13. Dezember 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.

125 Danach hat der Beamte vorsätzlich grob gegen die sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zum kollegialen Verhalten verstoßen. Es ging ihm darum, den Vorgesetzten vor Dritten bewusst bloßzustellen.

126 2. Nach alledem ist der Beamte von den Vorwürfen freizustellen, die den Anschuldigungspunkten 15, 16, 17, 19 und 25 zugrunde liegen. Die schuldhaften Dienstpflichtverletzungen, die hinsichtlich der übrigen Anschuldigungspunkte nachgewiesen sind, stellen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ein einheitliches Dienstvergehen dar. Dieses wiegt so schwer, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 BDO) gerechtfertigt ist.

127 Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG). Die Entfernung aus dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, darüber hinaus nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht und Verschulden des Beamten und Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn auf Grund einer Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1).

128 Nach diesen Maßstäben hat der Beamte durch sein dienstliches Verhalten einen endgültigen Vertrauensverlust herbeigeführt. Aus dem nachgewiesenen Fehlverhalten und seinen Einlassungen während des Verfahrens kann nur der Schluss gezogen werden, dass er auch künftig keine Gewähr böte, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben gewissenhaft wahrzunehmen und sonstige Dienstpflichten zu erfüllen. Vielmehr wären weiterhin gravierende Versäumnisse bei der Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben und im Umgang mit Kollegen zu erwarten. Denn dem Beamten fehlt die Einsicht, dass er im Dienst auch dann Dienstvorschriften beachten und dienstliche Anordnungen seiner Vorgesetzten befolgen muss, wenn er abweichende Vorstellungen hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

129 Während seiner Tätigkeit als Zusteller bis 5. Juli 2000 hat der Beamte immer wieder vorsätzlich gegen dienstliche Kernpflichten, d.h. gegen die im Mittelpunkt seiner dienstlichen Aufgaben stehenden Pflichten verstoßen. So hat er eigenmächtig seinen Urlaub erheblich verlängert. Er hat sich beharrlich geweigert, die vorgeschriebene Dienstkleidung zu tragen. Er hat Postsendungen nicht zugestellt, einen Nachsendeauftrag nicht bearbeitet und einen Nachnahmebetrag nicht abgerechnet. Darüber hinaus war er nicht bereit, weitere Aufgaben zu erfüllen, die mit der Zustellertätigkeit typischerweise verbunden sind. So hat er Zählkarten über die Anzahl der anfallenden Sendungen monatelang nicht ausgefüllt, Nachweise über niedergelegte Sendungen wochenlang nicht geführt, den Begehungsplan seines Zustellbezirks nicht auf dem Laufenden gehalten und an Dienstbesprechungen nicht teilgenommen. Die Versuche der Vorgesetzten, ihn zur pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung anzuhalten, sind stets fruchtlos geblieben. Aufforderungen zu Gesprächen ist er nicht nachgekommen.

130 Die Gesamtbetrachtung dieses Verhaltens ergibt, dass der Beamte im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in hohem Maße unzuverlässig war. Während seiner Tätigkeit als Zusteller musste jederzeit damit gerechnet werden, dass er Arbeiten verweigern oder diese nicht entsprechend den dienstlichen Vorgaben verrichten würde. Die Unberechenbarkeit des Beamten in Bezug auf die Erfüllung der Dienstpflichten war geradezu prägend für sein dienstliches Verhalten.

131 Dabei hat der Beamte keine Rücksicht auf die Belange von Postkunden und Kollegen genommen. So musste eine Kollegin ihren Urlaub wegen der eigenmächtigen Urlaubsverlängerung des Beamten abbrechen. Die Kollegen mussten die Arbeiten übernehmen, die sich der Beamte zu verrichten weigerte.

132 Darüber hinaus hat der Beamte gezeigt, dass er nicht im Stande ist, im Dienst Grundregeln des kollegialen Verhaltens zu beachten. Dies wird nachdrücklich durch die Verteilung des Flugblattes belegt, in dem er den Leiter der Niederlassung H. und die Mitglieder des Betriebsrats beleidigte. Darüber hinaus wurde der Beamte mehrfach gegenüber Vorgesetzten und Kollegen grob ausfällig.

133 Bei alledem ist der Beamte trotz verschiedener Ermahnungen und Warnungen völlig uneinsichtig geblieben. Auch das anhängige Disziplinarverfahren hat ihn nicht veranlasst, sein Verhalten zu ändern. Beweggrund für die häufigen und gravierenden Verfehlungen war vor allem seine Auffassung, er werde gezwungen, unentgeltlich Mehrarbeit zu leisten. Diese Annahme kann den Beamten offensichtlich nicht entlasten, zumal es für ihre Richtigkeit keinen Anhaltspunkt gibt.

134 Das dienstliche Verhalten des Beamten im Innendienst ab August 2000 bietet keinen Anlass, von der negativen Prognose abzurücken. Zwar sind die Pflichtenverstöße nicht mehr so gehäuft wie im Zustelldienst aufgetreten. Jedoch ergibt sich aus den nachgewiesenen Verfehlungen, dass der Beamte weiterhin nicht bereit war, Dienstvorschriften und dienstliche Anordnungen generell als bindend anzuerkennen. Zudem ist er erneut gegenüber Vorgesetzten ausfällig geworden und hat sich grob unkollegial verhalten.

135 Schließlich hält sich der Beamte nach seinen Ausführungen in der Hauptverhandlung nach wie vor für berechtigt, Dienstvorschriften und dienstliche Anordnungen außer Acht zu lassen, wenn sie nicht seinen jeweiligen Vorstellungen entsprechen.

136 Anhaltspunkte für Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beamten während des Tatzeitraums liegen nicht vor. In der dienstlichen Beurteilung vom 22. Januar 2001 werden ihm eine gute Auffassungsgabe und geistige Beweglichkeit bescheinigt. In dem Beschluss vom 28. Januar 2003 - BVerwG 1 DB 19.02 -, der die vorläufige Dienstenthebung des Beamten und die Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge betrifft, hat der Senat die Schuldfähigkeit des Beamten uneingeschränkt bejaht.

137 Die in die Zumessungserwägungen einzustellenden Milderungsgründe haben weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau ein solches Gewicht, dass sie den Vertrauensverlust entscheidend in Richtung eines Restvertrauens abschwächen könnten. Gute dienstliche Leistungen, wie sie hier überwiegend erbracht worden sind, können das Dienstvergehen schon deshalb nicht aufwiegen, weil der Beamte sie eben nur erbracht hat, wenn und soweit er dies nach eigenen Maßstäben für richtig hielt.

138 Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt werden, wenn ein Beamter wie hier durch sein Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zerstört hat (Urteile vom 24. Juni 1998 - BVerwG 1 D 23.97 - BVerwGE 113, 229 <235> und vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515 <1519>). Außerdem hat der Beamte durch die Vielzahl der nach Einleitung des Disziplinarverfahrens fortgesetzten Pflichtverstöße in erheblicher Weise selbst dazu beigetragen, dass sich das Verfahren in die Länge zog.

139 3. Mit dem vom Verwaltungsgericht bewilligten Unterhaltsbeitrag gemäß § 77 Abs. 1 BDO hat es schon deshalb sein Bewenden, weil die Einleitungsbehörde bis zum Schluss der Hauptverhandlung keinen Änderungsantrag gestellt hat (vgl. § 80 Abs. 4 BDO).

140 Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Vorsorglich macht der Senat darauf aufmerksam, dass sich die Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht auf die Meldung beim Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) als Arbeit suchend beschränken dürfen. Der Beamte ist gehalten, sich fortwährend z.B. auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im Internet zu bewerben und auch selbst, beispielsweise durch telefonische Nachfragen oder eigene Stellengesuche, initiativ zu werden. Der Nachweis dieser Bemühungen und deren Erfolglosigkeit sind auch Voraussetzungen einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO nach Antragstellung beim zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. zur Rechtslage nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetz: Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 10 und vom 19. Oktober 2004 - BVerwG 1 DB 5.04 ).

141 Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.