Urteil vom 06.06.2003 -
BVerwG 1 D 20.02ECLI:DE:BVerwG:2003:060603U1D20.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 06.06.2003 - 1 D 20.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:060603U1D20.02.0]

Urteil

BVerwG 1 D 20.02

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 6. Juni 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Amtsinspektor Siegfried O b e r d o r f
und Postbetriebsassistent Ernst S c h u m a n n
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger
und
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Polizeiobermeisters im Bundesgrenzschutz ... gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer VI - ... -, vom 5. Juni 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


1. In dem ordnungsgemäß eingeleiteten Disziplinarverfahren hat der Bundesdisziplinaranwalt den ... Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
im Jahr 1997 an insgesamt 131 Tagen, im Jahr 1998 insgesamt 8 Monate und 48 Tage und im Jahr 1999 vom 29. Januar bis 26. April unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben ist und damit schuldhaft gegen seine Dienstleistungspflicht gemäß § 73 BBG verstoßen hat.
Durch Feststellungsbescheid vom 12. Januar 2001 hat das Grenzschutzpräsidium ... den Verlust der Dienstbezüge für die in der Anschuldigungsschrift genannten Zeiten des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst in den Jahren 1997, 1998 und 1999 festgestellt. Hiergegen hat der Beamte rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten durch Urteil vom 5. Juni 2002 aus dem Dienst entfernt und den Feststellungsbescheid des Grenzschutzpräsidiums ... vom 12. Januar 2001 unter Aufhebung im Übrigen für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis zum 8. Oktober 1998 aufrecht erhalten. Das Gericht hat dem Beamten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von 6 Monaten bewilligt.
Das Bundesdisziplinargericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Im Jahr 1997 blieb der Beamte seinem Dienst an 131 Tagen ohne ausdrückliche dienstliche Genehmigung und ohne ärztliches Attest fern. 1998 übte der Beamte überhaupt keinen Dienst aus. Ohne Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bzw. einer ausdrücklichen Ermächtigung fehlte er in der Zeit vom 1. Januar bis 7. Januar, vom 31. Januar bis 8. Oktober und vom 16. November bis 14. Dezember und damit für einen Zeitraum von 8 Monaten und 48 Tagen. Im Jahr 1999 war der Beamte zunächst von dem BGS-Arzt Dr. H. bis 26. Januar dienstunfähig geschrieben worden. Vom 26. Januar bis 29. Januar befand er sich zur stationären Untersuchung im Bundeswehrkrankenhaus in B. Nachdem er vom Grenzschutzpräsidium mit Schreiben vom 16. April 1999 zur sofortigen Wiederaufnahme seines Dienstes aufgefordert worden war, trat er seinen Dienst zum 26. April 1999 wieder an. Er erlitt jedoch bald darauf einen Dienstunfall und war wiederum längere Zeit krank geschrieben. Ab Januar 2000 erfolgte dann die stationäre Behandlung in der Suchtklinik H.
Der Beamte hat eingeräumt, in den fraglichen Zeiten ohne ärztliches Attest dem Dienst ferngeblieben zu sein. Er habe sich jedoch zum Dienst in B. nicht fähig gefühlt und habe sich auch um seine Kinder kümmern müssen. Er habe die Augen vor seinen Problemen verschlossen, sich aufgegeben und "zugemacht". Nach der stationären Untersuchung im Bundeswehrkrankenhaus Ende Januar 1999 habe er den BGS-Arzt Dr. H. aufgesucht und gefragt, wie es weiter gehe. Dieser habe ihm erklärt, dass er auf das Ergebnis des Bundeswehrkrankenhauses warte und sich dann wieder an ihn wenden werde. Er habe aber von Dr. H. nichts mehr gehört, bis die Einleitungsbehörde ihn mit Schreiben vom 16. April 1999 zur Wiederaufnahme des Dienstes aufgefordert habe. Der Aufforderung habe er dann Folge geleistet.
Das Bundeswehrkrankenhaus B., Abteilung VI für Neurologie/Psychiatrie, hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 22. März 1999 rückblickend zwar für eher kurze Zeiträume Symptome einer emotional ausgestalteten Konfliktreaktion im Sinne einer Belastungsreaktion festgestellt, zum Untersuchungszeitpunkt jedoch keine Störung von Krankheitswert finden können. Es hätten sich für die Polizeidienstfähigkeit des Beamten keinerlei Einschränkungen ergeben.
Ein vom Gericht eingeholtes schriftliches nervenärztliches Gutachten des leitenden Arztes der Fachklinik H. und Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. Z. vom 14. Mai 2001 sei demgegenüber zu folgenden Ergebnissen gekommen:
"1. Bei Herrn ... besteht ein Alkoholismus bei selbstunsicherer dependenter Persönlichkeit.
2. Die Symptomatik (der seelischen Erkrankung zusammen mit dem Alkoholismus) besteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit 1985. Zu einer Verschlimmerung kam es im Rahmen der für Herrn ... unlösbaren Anforderungen der Partnerschaft 1997.
3. Auf Grund der Erkrankung bestand aus ärztlicher Sicht eine eingeschränkte Dienstfähigkeit spätestens seit 1997. Eine Tätigkeit am Dienstort B. war für Herrn ... nicht durchführbar. Herr ... konnte zwar das Unrecht seines Handelns, unentschuldigt vom Dienst fernzubleiben, sehen, war aber, ohne in den Alkoholismus zurückzufallen, nicht in der Lage, entsprechend zu handeln."
Auf Anregung des Bundeswehrkrankenhauses B. beauftragte das Gericht daraufhin die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums L. mit der Erstellung eines Obergutachtens, das unter Berücksichtigung der vorausgegangenen zahlreichen fachärztlichen und grenzschutzärztlichen Stellungnahmen und Vorgutachten sowie stationärer Untersuchungen und Beobachtung des Beamten in der Zeit vom 3. bis 5. Dezember 2001 unter dem 27. Dezember 2001 zu folgenden Ergebnissen kam:
Sowohl aus den einzelnen Diagnosen einer Alkoholabhängigkeit, rezidivierender depressiver Episoden und einer Persönlichkeitsstörung ergebe sich keine grundsätzliche Dienstunfähigkeit. Die Dienstunfähigkeit müsse in jedem Fall für einzelne Zeiträume in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Erkrankungen geprüft werden. Unter Berücksichtigung aller in den Gutachten gestellter Diagnosen sowie der vorliegenden Berichte oder Krankmeldungen ergebe sich für den zu prüfenden Zeitraum folgende Verteilung von Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit:
Mai 1997 bis August 1997 Arbeitsunfähigkeit bei mittelschwerer depressiver Episode und täglichem Alkoholkonsum
September 1997 bis März 1998 Arbeitsunfähigkeit bei leichtem depressivem Syndrom und häufigem Alkoholkonsum
April 1998 bis Oktober 1998 arbeitsfähig
November 1998 bis Dezember 1998 arbeitsunfähig bei mittelschwerer depressiver Episode und Alkoholabstinenz sowie Knietorsion Oktober und November 1998
Januar 1999 bis April 1999 arbeitsfähig.
Für die Zeiträume, in denen der Beamte dienstfähig gewesen sei, sei er grundsätzlich auch für einen familienfernen Einsatz in B. dienstfähig gewesen. Eingeschränkt gewesen sei bei dem Beamten nicht die Dienstfähigkeit an einem familienfernen Ort, sondern der Umgang mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten, z.B. im privaten Umfeld und der eingeschränkten Lösungskompetenz.
In den Zeiträumen von April 1998 bis Oktober 1998 sei der Beamte im Hinblick auf die Notwendigkeit, seinen Dienst auch in B. zu verrichten, auch einsichtsfähig und voll steuerungsfähig gewesen. Das Gleiche gelte für den Zeitraum von Januar 1999 bis April 1999. Dagegen sei für den Zeitraum vom Mai 1997 bis August 1997 nicht nur Arbeitsunfähigkeit, sondern auch verminderte Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB anzunehmen aufgrund der Kombination von mittelschwerer depressiver Episode und täglichem Alkoholkonsum bis hin zum Rausch. Während der übrigen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sei seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit jedoch nicht im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt gewesen. Die Voraussetzungen des § 20 StGB hätten in keinem Fall vorgelegen.
Das Bundesdisziplinargericht hat dieses schriftliche Gutachten der Universitätsklinik nach § 256 StPO in seinen wesentlichen Teilen verlesen und seiner Entscheidungsfindung zu Grunde gelegt. Es schließt sich den Schlussfolgerungen des Gutachtens an. Sie seien auch in der Auseinandersetzung mit den vorausgegangenen Begutachtungen nachvollziehbar differenziert begründet und beantworten die vom Gericht gestellten Fragen überzeugend. Weder der Beamte bzw. sein Verteidiger noch der Bundesdisziplinaranwalt hätten insoweit Einwendungen erhoben.
Danach sei der Beamte - so das Bundesdisziplinargericht weiter - von dem Vorwurf, im Jahr 1997 an 131 Tagen und 1998 in der Zeit von Januar bis März sowie im November und Dezember weitgehend schuldhaft dem Dienst ferngeblieben zu sein, schon deshalb freizustellen, weil er während dieser Zeiten dienstunfähig war und deshalb sein Fernbleiben im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG als genehmigt gelten müsse. Während dieser Krankheitszeiten war der Beamte nicht zur Dienstleistung verpflichtet und konnte daher auch nicht seine Pflicht verletzen, sich im Sinne des § 54 Satz 1 BBG mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen.
Auch von dem Vorwurf, von Ende Januar bis Ende April 1999 seinem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben zu sein, stellte das Gericht den Beamten frei. Zwar sei er in dieser Zeit dienstfähig gewesen. Er sei jedoch bis zum 26. Januar 1999 von Dr. H. dienstunfähig geschrieben worden. Die Untersuchungen im Bundeswehrkrankenhaus Ende Januar 1999 ergaben dann zwar volle Dienstfähigkeit. Dieses Ergebnis wurde ihm jedoch nicht gleich nach der Untersuchung mitgeteilt, sondern wurde Dr. H. erst mit Schreiben vom 22. März 1999 übersandt. Da Dr. H. dem Beamten erklärt hatte, man müsse das Ergebnis der Begutachtung abwarten und er werde von sich hören lassen, durfte der Beamte bis dahin dem Dienst fernbleiben. Nachdem ihm das Gutachten übersandt und er mit Schreiben vom 16. April 1999 zum Dienstantritt aufgefordert worden war, habe er dem Folge geleistet.
Dagegen bleibe für den Zeitraum von April 1998 bis 8. Oktober 1999 (richtig:1998) festzustellen, dass der Beamte arbeitsfähig gewesen sei, seine Pflicht zur Dienstleistung kannte und auch fähig war, nach dieser Einsicht zu handeln. Arztzeugnisse, die ihm in dieser Zeit Dienstunfähigkeit bescheinigten, lägen nicht vor. Der Beamte sei während dieser Zeit offenbar nicht ärztlich behandelt, jedenfalls nicht dienstunfähig geschrieben worden. Er könne sich deshalb auch nicht darauf berufen, er habe derartigen Krankschreibungen vertraut. Er hätte unter diesen Umständen seinen Dienst auch ohne ausdrückliche Aufforderung Anfang April 1998 in B. wieder aufnehmen müssen, stattdessen habe er gegenüber dieser Pflicht, wie er in der Hauptverhandlung geschildert habe, die Augen verschlossen und sich seinen gerade geborenen Zwillingstöchtern gewidmet. Auch wenn in der Folgezeit eines dieser Kinder krank war, wie der Beamte in der Hauptverhandlung vorgetragen habe, wäre eine solche Fürsorge nicht zwingend gewesen, weil die Mutter der Kinder nicht berufstätig war und sich auch selbst um die Mädchen kümmern konnte und kümmerte. Der Beamte sei mit Schreiben des Bundesgrenzschutzamtes B. vom 19. März 1998 und auch durch die Anordnung von Vorermittlungen mit Verfügung vom 27. April 1998 nachdrücklich auf seine entsprechenden Beamtenpflichten hingewiesen worden. Auch die Ladung zur ersten Anhörung durch den Vorermittlungsführer mit Verfügung vom 5. Juni 1998 musste dem Beamten klar machen, dass sein Fernbleiben vom Dienst als Dienstvergehen gewertet wurde, und mit Schreiben vom 15. und 17. Juni 1998 versuchte der Beamte, sich auch gegen diesen Vorwurf zu verteidigen. Entsprechendes gelte für die Ladung zur abschließenden Anhörung mit Verfügung vom 29. Juni 1998 und die Antwort des Beamten hierauf vom 5. Juni (richtig: 5. Juli) 1998. Es habe daher auch nicht an Druck von Seiten seines Dienstherrn gefehlt, den Beamten zur Wiederaufnahme seines Dienstes zu veranlassen, obwohl solcher Druck bei einem pflichtbewussten Beamten nicht erforderlich gewesen wäre. Dem Beamten waren jedoch seine persönlichen, insbesondere familiären Interessen wichtiger als seine dienstlichen Pflichten. Obwohl er Dienst, auch in B., hätte leisten können und dies auch wusste, zog er es vor, bei seiner Familie zu bleiben und "den Kopf in den Sand zu stecken". Dadurch verletzte er seine Pflicht, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG), seinem Dienst nicht ohne Genehmigung fernzubleiben (§ 73 Abs. 1 BBG) und zeigte darüber hinaus ein achtungs- und vertrauensunwürdiges Verhalten im Sinne des § 54 Satz 3 BBG.
Eine Verletzung der Pflicht des Beamten, in der Zeit vom 16. April bis 30. April 1997 seine Dienstunfähigkeit gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG nachzuweisen, könne das Gericht nicht feststellen. Ein solcher Vorwurf sei weder im Anschuldigungssatz noch in der Schilderung des der Anschuldigung zugrunde liegenden Sachverhaltes erwähnt und in der Anschuldigungsschrift offenbar nur noch ergänzend angesprochen worden. Gegenüber den eigentlichen gegen den Beamten erhobenen Vorwürfen habe das Nichtvorlegen von Attesten für die zweite Hälfte des Aprils 1997 ohnehin keine Bedeutung. Das Gericht sehe deshalb hierin keinen Anschuldigungspunkt im Sinne des § 75 Abs. 1 BDO.
Das Bundesdisziplinargericht hat die schuldhaft pflichtwidrige Handlungsweise des Beamten wie folgt gewürdigt:
Das vorsätzliche Fernbleiben des Beamten vom Dienst in der Zeit von April bis 8. Oktober 1998 stelle ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, das so schwer wiege, dass der Beamte nicht mehr im Beamtenverhältnis bleiben könne. Ein Beamter, der mehr als ein halbes Jahr lang die Grundpflicht seines beamtenrechtlichen Dienst- und Treuverhältnisses, wenigstens zum Dienst zu erscheinen und seine Leistungen anzubieten, verletze, zerstöre dadurch das für eine weitere Dienstausübung erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und offenbare ein so hohes Maß an Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeiten einer geordneten Verwaltung, dass im Disziplinarverfahren die Verhängung der Höchstmaßnahme unvermeidlich sei. Die Verwaltung sei, wenn sie ihren öffentlichen Auftrag gegenüber der Allgemeinheit erfüllen wolle, auf die Dienstbereitschaft und den zuverlässigen, pflichtgemäßen Einsatz ihrer Beamten angewiesen. Schon eine insgesamt oder in Einzelabschnitten nach wenigen Monaten zählende Dauer schuldhaften Fernbleibens vom Dienst sei deshalb in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als so unerträglich gewertet worden, dass sie den Fortbestand des Beamtenverhältnisses grundsätzlich ausschließe. Das müsse jedenfalls bei einem, wie hier, länger als halbjährigen Fernbleiben vom Dienst gelten. Der Beamte habe sich damit untragbar gemacht und sei deshalb aus dem Dienst zu entfernen.
Entsprechend den vom Gericht zum Fernbleiben des Beamten getroffenen Feststellungen sei auch über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Feststellungsbescheid vom 12. Januar 2001 zu entscheiden: Da dem Beamten nur schuldhaftes Fernbleiben in der Zeit von April bis 8. Oktober 1998 zur Last gelegt werden könne, sei die Feststellungsverfügung auch nur insoweit aufrechtzuerhalten, im Übrigen sei sie aufzuheben.
3. Gegen dieses Urteil hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Bundesdisziplinargericht ihn aus dem Dienst entfernt und den Feststellungsbescheid vom 12. Januar 2001 aufrechterhalten hat, ihn vom Disziplinarvorwurf freizusprechen, sowie den Feststellungsbescheid auch insoweit aufzuheben, als dieser den Zeitraum vom 1. April bis 8. Oktober 1998 betrifft. Er begründet seine Berufung wie folgt:
Es sei bemerkenswert, dass sich das Bundesdisziplinargericht in dem angefochtenen Urteil nicht mit den Feststellungen des Gutachters Dr. Z. aus der Fachklinik H. in L. auseinander setze, der in seinem Gutachten vom 14. Mai 2001 zu einem dem Gutachten des Universitätsklinikums L. widersprechenden Ergebnis gekommen sei. Es sei auch auffällig, dass sowohl der Obergutachter Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 27. Dezember 2001 als auch das Bundesdisziplinargericht bezüglich der übrigen Zeiträume, in welchen er, der Beamte, seinem Dienst nicht nachgekommen sei, dem Gutachter Dr. Z. in vollem Umfange folgten. Lediglich während des Zeitraumes April 1998 bis Oktober 1998 solle er, aus welchen Gründen auch immer, dienstfähig gewesen sein. Diese Beurteilung lasse sich nicht nachvollziehen. Es liege auf der Hand, dass ein Beamter, der über Jahre bis einschließlich März 1998 und ab November 1998 aus mehreren tatsächlichen Gründen arbeitsunfähig gewesen sei, auch während des dazwischen liegenden Zeitraumes (April 1998 bis Oktober 1998) nicht gesund gewesen sein könne. Bei seiner Erkrankung handele es sich um eine Suchterkrankung, hervorgerufen durch Alkoholmissbrauch. Diese Suchterkrankung stehe in einem engen Zusammenhang mit anderen seelischen Störungen, zu welchen beide Gutachter ausführlich Stellung nähmen. Neben der Suchterkrankung leide er ebenfalls noch an seelischen Störungen; bei ihm kämen beide Erkrankungen zusammen. Es sei nach Auffassung des Gutachters Dr. Z. mithin nicht die seelische Erkrankung an sich oder der Alkoholismus allein, die eine erhebliche Einschränkung der Dienstfähigkeit bedingten, sondern die Kombination beider Erkrankungen, die als ein eigenes Krankheitsbild gesehen werden müssten. Dies führe bei ihm, dem Beamten, zu einer Dienstunfähigkeit. Bei dieser Sachlage sei es nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen er von April 1998 bis Oktober 1998 arbeitsfähig gewesen sein solle. Wenn er vor April 1998 dienstunfähig erkrankt gewesen sei und die Dienstunfähigkeit aufgrund der Erkrankung nach Oktober 1998 ebenfalls festgestellt worden sei, so müsse logischerweise davon ausgegangen werden, dass diese Erkrankung auch während des hier streitigen Zeitraumes bestanden habe. Tatsächlich bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass für diesen Zeitraum etwas anderes gelten könne. Die gegenteilige Auffassung in dem Gutachten des Universitätsklinikums L. vom 27. Dezember 2001 sei nicht durch entsprechende Tatsachen belegt. Das Gutachten des Universitätsklinikums sei in diesem Punkt nicht logisch begründet. Aus diesem Grunde könnten auch das angefochtene Urteil und der damit angefochtene Bescheid des Grenzschutzpräsidiums keinen Bestand haben. Beide seien ersatzlos aufzuheben.

II


Die Berufung des Beamten ist zurückzuweisen.
1. Das vor dem 1. Januar 2002 eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nach bisherigem Recht, das heißt nach den Verfahrensregeln und –grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515). Das gilt auch für das mit dem Disziplinarverfahren verbundene Verlustfeststellungs-Verfahren, weil der Verlustfeststellungsbescheid vor dem genannten Stichtag ergangen ist.
2. Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Da der Beamte unter Hinweis auf seine Erkrankungen geltend macht, auch in der Zeit von April 1998 bis Oktober 1998 dienstunfähig gewesen zu sein, hat der Senat deshalb den gesamten Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
Nach der Anschuldigungsschrift soll der Beamte im Jahr 1997 an insgesamt 131 Tagen, im Jahr 1998 insgesamt 8 Monate und 48 Tage und im Jahr 1999 vom 29. Januar bis 26. April unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sein und damit schuldhaft gegen seine Dienstleistungspflicht gemäß § 73 BBG verstoßen haben.
Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten von dem Vorwurf, im Jahr 1997 an 131 Tagen, 1998 in der Zeit von Januar bis März sowie im November und Dezember weitgehend schuldhaft dem Dienst ferngeblieben zu sein, freigestellt, weil er während dieser Zeiten dienstunfähig gewesen sei und deshalb sein Fernbleiben im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG als genehmigt gelten müsse. Während dieser Krankheitszeiten sei der Beamte nicht zur Dienstleistung verpflichtet gewesen und habe daher auch nicht seine Pflicht verletzen können, sich im Sinne des § 54 Satz 1 BBG mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen.
Auch von dem Vorwurf, von Ende Januar bis Ende April 1999 seinem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben zu sein, sei der Beamte freizustellen. Zwar sei er in dieser Zeit dienstfähig gewesen. Er sei jedoch bis zum 26. Januar 1999 von Dr. H. dienstunfähig geschrieben worden. Die Untersuchungen im Bundeswehrkrankenhaus Ende Januar 1999 hätten dann aber die volle Dienstfähigkeit ergeben. Dieses Ergebnis sei ihm jedoch nicht gleich nach der Untersuchung mitgeteilt worden, sondern sei Dr. H. erst mit Schreiben vom 22. März 1999 übersandt worden. Da Dr. H. dem Beamten erklärt habe, man müsse das Ergebnis der Begutachtung abwarten und er werde von sich hören lassen, habe der Beamte bis dahin dem Dienst fernbleiben dürfen. Nachdem ihm das Gutachten übersandt und er mit Schreiben vom 16. April 1999 zum Dienstantritt aufgefordert worden sei, habe er dem Folge geleistet.
Dagegen bleibe für den Zeitraum von April 1998 bis 8. Oktober 1998 festzustellen, dass der Beamte arbeitsfähig gewesen sei, seine Pflicht zur Dienstleistung gekannt habe und auch fähig gewesen sei, nach dieser Einsicht zu handeln. Arztzeugnisse, die ihm in dieser Zeit Dienstunfähigkeit bescheinigten, lägen nicht vor. Der Beamte sei während dieser Zeit offenbar nicht ärztlich behandelt, jedenfalls nicht dienstunfähig geschrieben worden. Dadurch habe er seine Pflicht, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG), seinem Dienst nicht ohne Genehmigung fernzubleiben (§ 73 Abs. 1 BBG), verletzt und habe darüber hinaus ein achtungs- und vertrauensunwürdiges Verhalten im Sinne von § 54 Satz 3 BBG gezeigt.
Diesen Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts ist zu folgen. Der Senat macht sie sich zu Eigen und legt sie auch seiner Entscheidung zugrunde. Die in der Berufungsschrift vorgetragene Schlussfolgerung, wenn vor und nach dem streitbefangenen Zeitraum eine Dienstunfähigkeit bestanden habe, so müsse diese auch während des umstrittenen Zeitraumes vorgelegen haben, ist nicht zwingend. Eine Dienstunfähigkeit kann vielerlei Ursachen haben. Der Obergutachter Prof. Dr. B. hat auf entsprechende Fragen des Bundesdisziplinargerichts die Zeiträume sehr differenziert betrachtet und gelangt hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Beamten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für den streitbefangenen Zeitraum April 1998 bis Oktober 1998 hält er den Beamten für dienstfähig und gibt dafür auch eine überzeugende Begründung. In dem Gutachten heißt es dazu u.a.:
"Nach den genannten Befundbeschreibungen, den Arztberichten und den Angaben von Herrn ... ist für den Zeitraum von Mai 1997 bis August 1997 und für den Herbst 1998 das Vorliegen einer mittelschweren depressiven Episode anzunehmen. Aus den weiteren Beschreibungen in den Arztberichten und den Angaben von Herrn ... ist für den Zeitraum September 1997 bis März 1998 das Vorliegen eines leichten depressiven Syndroms anzunehmen. Mit der Geburt der Zwillings-Töchter im März 1998 übernahm Herr ... seine Pflichten in der Versorgung der Kinder und blieb bis zum 30.04.1999 abstinent. Hinsichtlich seiner psychischen Gesundheit ergibt sich kein Anhalt für das Vorliegen einer depressiven Störung zwischen März 1998 und Herbst 1998 sowie zwischen Dezember 1998 und April 1999. In diesen Zeiträumen konnte Herr ... auch klar erkennen, dass er zum Dienst gehen musste, tat dies aber nicht. Als Gründe für das Fernbleiben vom Dienst sind aus der Sicht von Herrn ... das Interesse an den Kindern und zu erwartende Konflikte mit der Partnerin zu nennen."
Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen von Prof. Dr. B. zu folgen. Sie sind schlüssig und in sich stimmig, wenn auch zwangsläufig retrospektiv.
In der Berufungsverhandlung hat Prof. Dr. B. das Gutachten vom 27. Dezember 2001 erläutert und an dem Ergebnis festgehalten. Der von dem Verteidiger gestellte Beweisantrag, den Arzt Dr. H. als sachverständigen Zeugen zu der Frage zu vernehmen, inwiefern sich der Zustand des Beamten vom 29. Mai 1997 im Verhältnis zu dem am 23. November 1998 darstellte, war gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abzulehnen, weil die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, schon erwiesen sind und durch ausdrückliche Erwähnung und sachliche Berücksichtigung auch Eingang in das Sachverständigengutachten gefunden haben. Prof. Dr. B. hat bei der Erläuterung seines Gutachtens überzeugend ausgeführt, dass es für das von ihm festgestellte Krankheitsbild des Beamten keinesfalls ungewöhnlich sei, sondern in der Bandbreite dieser Erkrankung liege, wenn sich Phasen ohne Krankheitswert mit mehr oder weniger abrupten Phasen depressiver Verstimmung im Sinne einer Dienstunfähigkeit abwechselten. Während der Beamte in dem umstrittenen Zeitraum April 1998 bis Anfang Oktober 1998 eine Hochphase durchlebt habe, hätten im Herbst 1998 die sich immer massiver ankündigenden dienstlichen Schwierigkeiten zu einem Rückfall in eine mittelschwere depressive Episode beigetragen. Diese Erläuterungen des Sachverständigen sind überzeugend, finden in zahlreichen Einzelheiten des verlesenen Akteninhalts eine sachliche Bestätigung und geben dem Senat keinen Anlass für eine weitere medizinische Abklärung. Dass Depressionen verschwinden und in Episoden mit wechselnder Stärke wieder auftauchen ist nach den internationalen Klassifikationen und Diagnosemanualen entgegen der Auffassung des Verteidigers nichts Ungewöhnliches.
Demnach waren die Gründe für das Fernbleiben vom Dienst in diesem Zeitraum nicht medizinischer Natur, sondern lagen ausschließlich im persönlichen Bereich: Der Beamte betreute in dieser Zeit seine Zwillingstöchter und versuchte, das Verhältnis zu seiner Partnerin zu stabilisieren. Hinzu kam, dass der Beamte seinerzeit Schwierigkeiten hatte, den Dienstort B. "anzunehmen". Der Beamte hätte besser daran getan, die stabilere Phase zu nutzen und den Therapievorschlägen der Ärzte zu folgen. Das Hineintreibenlassen in die nächste Episode war hiernach nicht unausweichlich. Das wechselnde Krankheitsbild machte ihn daher nicht durchgehend dienstunfähig, auch nicht beschränkt auf den Standort B.
Der Beamte handelte nach der zutreffenden Würdigung des Bundesdisziplinargerichts auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich, indem er sich entgegen wiederholten Aufforderungen und Mahnungen während dieser Zeit - ohne jede Krankschreibung oder ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen - für ein Verbleiben bei der Familie entschied. An seiner Schuldfähigkeit bestehen nach dem Sachverständigengutachten für den hier in Rede stehenden Zeitraum ebenfalls keine Zweifel. Die erstmals in der Berufungsverhandlung aufgestellte Behauptung, während seiner Aufenthalte in der Heimat ständig viel Geld im Glücksspiel verspielt zu haben, kann auf diese Würdigung keinen Einfluss nehmen. Die Frage der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in Bezug auf die Dienstpflichten und deren Erfüllung wird durch das Spielverhalten nicht tangiert.
3. Nach der Rechtsprechung des Senats gebietet eine in Einzelabschnitten nach Monaten zählende Dauer (bedingt) vorsätzlichen Fernbleibens vom Dienst (§ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) grundsätzlich die Verhängung der Höchstmaßnahme. Außer der Zeitdauer kommt es bei der Beurteilung des Dienstvergehens des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst auf die Ursachen hierfür und damit auf die Persönlichkeit des Beamten, seine Motive und auf die Prognose seines zukünftigen Verhaltens an. Der Senat hat insbesondere auch bei längerfristigem ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses dann für möglich gehalten, wenn es sich bei den Ursachen für das Fernbleiben um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Einflüsse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt hat und die Aussicht auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten deshalb begründet war (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 21. Februar 2001 - BVerwG 1 D 64.99 -).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst unerlässlich. Hierfür spricht insbesondere die lange Dauer des Fernbleibens vom Dienst von über sechs Monaten. Auf bestimmte, äußere Ereignisse oder Einwirkungen, die zu seinen Gunsten sprechen, kann sich der Beamte nicht berufen. Auch wenn er tatsächlich an einer Krankheit litt, hat diese ihn nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht durchgehend dienstunfähig gemacht.
Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die regelmäßige und dienstplanmäßige Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht im Stande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Verweigert er den Dienst für einen längeren Zeitraum, so kann sich die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Gesamtdauer der Dienstverweigerung selbst sowie aus dem Umstand ergeben, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen sind. Setzt sich ein Beamter gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung, dass in aller Regel eine Entfernung aus dem Dienst die Folge sein muss.
Durchgreifende Milderungsgründe, die es rechtfertigen könnten, von der Höchstmaßnahme abzusehen, liegen nicht vor. Das gilt für den hier in Rede stehenden Zeitraum aufgrund des Sachverständigengutachtens auch für den des § 21 StGB.
4. Mit dem vom Bundesdisziplinargericht bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein Bewenden (vgl. zur möglichen Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach altem Recht gemäß § 110 Abs. 2 BDO: Senatsbeschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - DokBer B 2002, 95 = DÖD 2002, 97 = ZBR 2002, 436).
5. In dem Umfang, in dem in Übereinstimmung mit der Vorinstanz dem Beamten schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst nachgewiesen worden ist, ist auch der Verlustfeststellungsbescheid vom 12. Januar 2001 aufrechtzuerhalten. Insoweit bleibt die Berufung ebenfalls ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.