Beschluss vom 06.04.2004 -
BVerwG 7 B 71.03ECLI:DE:BVerwG:2004:060404B7B71.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.04.2004 - 7 B 71.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:060404B7B71.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 71.03

  • VG Berlin - 25.02.2003 - AZ: VG 25 A 305.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerden der Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2003 werden zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, durch den dieser zum einen festgestellt hat, dass die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 zu je ein Halb Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes hinsichtlich eines Grundstücks in Berlin-Mitte sind, und durch den er zum anderen die Klägerin verpflichtet hat, den Erlös aus einer investiven Veräußerung dieses Grundstücks an die Beigeladenen auszukehren. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil weder die Beigeladene zu 1 noch die Beigeladene zu 2 Berechtigte nach den früheren Miteigentümern des streitigen Grundstücks seien. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beigeladenen.
Beide Beschwerden sind unbegründet.
1. Die von der Beigeladenen zu 1 geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
a) Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung. Die Beigeladene zu 1 möchte zum einen die Frage geklärt wissen,
wie im Vermögensrecht Unternehmensträger zu behandeln sind, deren Vermögen nur teilweise in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR belegen war und die vor Beginn der schädigenden Maßnahmen in Bezug auf in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR belegenes Vermögen im Register eines Amtsgerichts außerhalb der Sowjetischen Besatzungszone/DDR eingetragen waren und es unbenommen der dortigen Schädigung auch blieben.
Die Frage legt einen Sachverhalt zugrunde, der von dem Sachverhalt abweicht, den das Verwaltungsgericht festgestellt hat und der mangels durchgreifender Verfahrensrügen nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht in dem angestrebten Revisionsverfahren verbindlich wäre. Danach hat die seinerzeit als Landesgenossenschaftsbank K. eGmbH firmierende Miteigentümerin, von der die Beigeladene zu 1 ihre Berechtigung ableitet, ihren Sitz im Juli 1947 von B. nach P. verlegt und ist deshalb (nach ihrer Eintragung im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts P.) im Mai 1950 im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts B. gelöscht worden. Sie ist (nunmehr als Landesgenossenschaftsbank Brandenburg eGmbH firmierend) auf der Grundlage der "Verordnung über die Übernahme der Aufgaben der Landesgenossenschaftsbanken durch die Deutsche Bauernbank" vom 14. Februar 1952 (GBl S. 148) aufgelöst und im Juli 1955 im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts P. wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden. An ihrer Stelle ist in der Folge der Zentralvorstand der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (Bäuerliche Handelsgenossenschaft), Körperschaft des öffentlichen Rechts in Berlin, als Eigentümer auch ihres Miteigentumsanteils an dem streitigen Grundstück im Grundbuch eingetragen worden. Im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts B. ist für die Landesgenossenschaftsbank Brandenburg eGmbH im Mai 1954 die Bestellung von zwei Liquidatoren eingetragen worden. Das Verwaltungsgericht hat unter Auswertung der Eintragungsunterlagen festgestellt, dass die Landesgenossenschaftsbank Brandenburg eGmbH damit allenfalls als Restgesellschaft mit Blick auf ihr Vermögen außerhalb der DDR fortbestanden habe.
Die Beigeladene zu 1 zeigt nicht auf, welche Frage grundsätzlicher Bedeutung sich auf der Grundlage dieses Sachverhalts entscheidungserheblich stellt. Davon abgesehen liegt auf der Hand, dass die Restgesellschaft nur unter der Voraussetzung des § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG Berechtigter ist, also nur dann, wenn sie werbend tätig ist, dass im Übrigen aber Berechtigter nach § 1 Abs. 1a Satz 1 VermG der erloschene Unternehmensträger ist, der jedoch nur dann als in Auflösung befindlich fortbesteht, wenn bei der Anmeldung des Restitutionsanspruchs das Quorum des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG erfüllt war. Dies gilt in dieser Fallgestaltung nicht nur dann, wenn die Rückübertragung einzelner Vermögenswerte als Unternehmensreste im Sinne des § 6 Abs. 6a VermG beantragt wird, sondern auch dann, wenn die Rückübertragung von Vermögensgegenständen eines früheren Unternehmens im Wege der Einzelrestitution begehrt wird (Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 7 C 21.01 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 51).
Keine grundsätzliche Bedeutung hat auch die weiter aufgeworfene Frage,
ob für die Beurteilung der Rechtspersönlichkeit des Unternehmensträgers ein aus ideologischen Gründen und unter Verstoß gegen das in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR geltende Recht angeordneter und vollzogener Sitz- und Registerwechsel in die sowjetische Besatzungszone relevant ist.
Es liegt auf der Hand, dass es auf die Gründe nicht ankommt, aus denen die später aufgelöste Landesgenossenschaftsbank K. eGmbH ihren Sitz nach P. verlegt hat. Maßgeblich ist allein, dass Geschädigter eine Genossenschaft mit Sitz in der DDR war und durch deren Schädigung im Westen lediglich eine Restgesellschaft (oder Restgenossenschaft) als Zuordnungssubjekt für das dort belegene, durch die Schädigung nicht erfasste Vermögen entstand. An diesen Sachverhalt knüpft die Frage an, wer Berechtigter in Bezug auf das in der DDR entzogene Vermögen ist.
b) Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem gerügten Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verpflichtet unter anderem dazu, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen. Somit darf das Tatsachengericht insbesondere nicht wesentliche Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In einem solchen Fall fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (vgl. Beschluss vom 18. Mai 1999 - BVerwG 7 B 11.99 - juris).
Die Beigeladene zu 1 rügt als Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz im Wesentlichen eine aus ihrer Sicht fehlerhafte rechtliche Bewertung des Sachverhalts, nicht aber eine verfahrensrechtlich unzulängliche Erfassung des zugrunde gelegten Sachverhalts. Das gilt namentlich für die Frage, ob die Beigeladene zu 1 als Rechtsnachfolgerin der zunächst fortbestehenden Restgesellschaft Berechtigte nach § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG ist. Die nur als Liquidationsgesellschaft fortbestehende Restgesellschaft ist, wie das Verwaltungsgericht durchaus berücksichtigt hat, 1969 mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1, der Raiffeisen-Köpenicker-Bank eG, verschmolzen worden. Das Verwaltungsgericht hat diesen Vorgang rechtlich als eine Vermögenseinlage der Restgesellschaft in die Bank bewertet und daraus die Folgerung gezogen, die Raiffeisenbank Berlin sei keine werbende Restgesellschaft im Sinne des § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG.
Eine unvollständige Berücksichtigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts macht die Beigeladene zu 1 nur mit Blick auf eine Abtretung geltend, durch welche die nach Gesellschaftsrecht als Liquidationsgesellschaft wiedereingetragene Landesgenossenschaftsbank Brandenburg eGmbH i.L. im Dezember 1994 ihre Ansprüche an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2 abgetreten hat. Das Verwaltungsgericht brauchte auf diese Abtretung schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil die Landesgenossenschaftsbank Brandenburg eGmbH i.L. selbst keine vermögensrechtlichen Ansprüche innerhalb der Ausschlussfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG angemeldet hatte und deshalb der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1 keine Rechtsposition übertragen konnte, aus der diese eine Berechtigung herleiten kann.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, welche die Beigeladene zu 2 ihr beimisst.
a) Die Beigeladene zu 2 hat keine Rechtsfrage bezeichnet, welche anknüpfend an die von ihr benannte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera (Urteil vom 19. November 2002 - 6 K 2114/98 GE - VIZ 2003, 337) sich auch in diesem Fall stellt und wegen angeblich divergierender Rechtsprechung einer grundsätzlichen Klärung bedarf. Die Beigeladene zu 2 übersieht insbesondere, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, soweit die von ihr angesprochene Frage der Berechtigung in Rede steht. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera war in jenem Fall Berechtigter die Genossenschaft als der ehemalige Unternehmensträger, die nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG als in Auflösung befindlich fortbestand, weil mehr als 50 vom Hundert der Genossen einen Anspruch auf Rückübertragung des Unternehmens geltend gemacht hatten. Hier hat hingegen das Verwaltungsgericht gerade festgestellt, dass das Quorum des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG nicht erfüllt ist.
b) Keine grundsätzliche Bedeutung hat die weiter sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Antrag auf Rückübertragung der Reste eines Unternehmens nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG voraussetzt, dass das zum Wiederaufleben als Liquidationsgesellschaft erforderliche Quorum des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG erfüllt ist. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach gilt § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG nicht nur für Anträge auf Rückgabe des Unternehmens selbst, sondern auch für Anträge auf Rückübertragung einzelner Vermögenswerte als Unternehmensreste im Sinne des § 6 Abs. 6a VermG (Urteil vom 5. Oktober 2000 - BVerwG 7 C 95.99 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 40; Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 7 C 21.01 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 51). Hingegen ist ein nach Gesellschaftsrecht bestellter Abwickler nicht zur Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche des durch eine Schädigungsmaßnahme erloschenen Unternehmensträgers berechtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.