Beschluss vom 06.04.2004 -
BVerwG 7 B 105.03ECLI:DE:BVerwG:2004:060404B7B105.03.0

Beschluss

BVerwG 7 B 105.03

  • VG Dresden - 23.07.2003 - AZ: VG 12 K 1798/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks an die Beigeladene, das deren Rechtsvorgänger vor ihrer Ausreise aus der DDR an die Rechtsvorgängerin der Klägerin veräußert hatten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil zu Gunsten der Beigeladenen die tatsächliche Vermutung streite, dass die Veräußerung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Ausreise aus der DDR auf unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zurückzuführen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den gerügten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat nicht seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 3 VwGO). Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, das Verwaltungsgericht hätte die von ihr angebotenen Beweise dazu erheben müssen, dass die Rechtsvorgänger der Beigeladenen weitere Motive für die Aufgabe ihres Eigentums an dem streitigen Grundstück hatten, insbesondere Alters- und Gesundheitsgründe. Welche Tatsachen das Verwaltungsgericht ermitteln muss, bestimmt sich nach seiner materiellen Rechtsauffassung. Unterlässt das Verwaltungsgericht die Ermittlung von Tatsachen, auf die es nach seiner materiellen Rechtsauffassung nicht ankommt, liegt kein Verfahrensfehler vor, und zwar auch dann nicht, wenn die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein sollte. Das Verwaltungsgericht hat der Sache nach seiner Entscheidung den rechtlichen Ansatz zugrunde gelegt, für den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG reiche es aus, wenn der ausreisebedingte Zwang zur Aufgabe des Eigentums nicht das alleinige Motiv für die Veräußerung des Grundstücks, die unlautere Machenschaft also nur mitursächlich für den Abschluss des Kaufvertrages war. Hiervon ausgehend, hat das Verwaltungsgericht angenommen, die von der Klägerin behaupteten weiteren Motive für die Eigentumsaufgabe seien nicht geeignet, den zu vermutenden staatlichen Verkaufsdruck zurücktreten zulassen. Der Sache nach hat das Verwaltungsgericht damit die behaupteten weiteren Motive als wahr unterstellt, aber rechtlich für unerheblich gehalten. Damit war das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weder verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, noch sich in den Entscheidungsgründen mit dem Vortrag der Beigeladenen näher auseinander zu setzen, der sich auf die weiteren Motive für die Aufgabe des Eigentums bezog.
Entgegen der Rüge der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht nicht unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO die tatsächlichen Voraussetzungen angenommen, unter denen ein ausreisebedingter Zwang zur Aufgabe des Eigentums und damit eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu vermuten ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, greift die Vermutung immer dann ein, wenn ein Ausreiseantrag gestellt wurde, ein Grundstück vor der Ausreise veräußert wurde und der Ausreisewillige mit staatlicher Genehmigung aus der DDR ausgereist ist (Beschluss vom 26. Juni 2000 - BVerwG 7 B 26.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 15). Dass diese Voraussetzungen, wie vom Verwaltungsgericht festgestellt, vorgelegen haben, zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Dass die staatlichen Organe Druck zur Aufgabe des Eigentums ausgeübt haben und dass dieser Druck ursächlich für die Veräußerung und den dadurch herbeigeführten Vermögensverlust war, ist nicht Voraussetzung, sondern Gegenstand der Vermutung. Soweit das Verwaltungsgericht sich in diesem Zusammenhang auf den glaubhaften Vortrag der Beteiligten und die aktenkundigen Belege bezieht, leitet es aus diesen nicht den ausreisebedingten Zwang zur Veräußerung des Grundstücks her. Das Verwaltungsgericht hat lediglich im Vortrag der Beteiligten und in den aktenkundigen Belegen keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf und eine Widerlegung des zu vermutenden Veräußerungsdruckes gefunden. Soweit die Klägerin hiergegen einzelne Umstände anführt, mit denen das Verwaltungsgericht sich hätte auseinander setzen müssen, legt sie wiederum nicht dar, warum diese Umstände auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erheblich und geeignet waren, die Vermutung einer unlauteren Machenschaft zu erschüttern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.