Beschluss vom 05.12.2005 -
BVerwG 3 B 68.05ECLI:DE:BVerwG:2005:051205B3B68.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.12.2005 - 3 B 68.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:051205B3B68.05.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 68.05

  • VG Magdeburg - 21.02.2005 - AZ: VG 5 A 827/04 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21. Februar 2005 wird verworfen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist unzulässig (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO); der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) hat keinen Erfolg.

2 Die Frist zur Begründung der Beschwerde endete gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 3. Mai 2005, da eine Ausfertigung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2005 ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Empfangsbekenntnisses des Prozessbevollmächtigten der Kläger am 3. März 2005 zugestellt worden war. Die Beschwerdebegründung ging erst am 17. Mai 2005 beim Verwaltungsgericht ein.

3 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren, weil ihr Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden die Klägerinnen sich wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müssen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO).

4 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen macht insoweit geltend, die Fristversäumnis beruhe auf einer Falscheintragung in dem Fristenkalender des Computers durch seine in der Kanzlei beschäftigte Mitarbeiterin. Bei der Angestellten handele es sich um eine erfahrene ausgebildete Rechtsanwalts- und Notarangestellte. Sie sei ausdrücklich angewiesen worden, die zweimonatige Begründungsfrist in den Fristenkalender des Computers einzugeben. Der Prozessbevollmächtigte habe davon ausgehen können, dass seine Weisung ordnungsgemäß erfüllt werden würde. Die Mitarbeiterin habe bisher stets verantwortungsbewusst und zuverlässig die Fristen eingegeben. Sie sei wohl durch den Ablauf der Beschwerdefrist am 4. April 2005 irritiert worden und habe daher den Ablauf der Begründungsfrist mit dem 4. Mai 2005 statt mit dem 3. Mai 2005 eingegeben. Dadurch sei es zur Vorlage der Akte nach erfolgtem Fristablauf gekommen. Bisher sei es in dem 15-jährigen Bestehen der Kanzlei nur zu vereinzelten und dann entschuldigten Fristversäumnissen gekommen. Die Fristen seien in den vielfältigen Verwaltungsverfahren bis auf wenige entschuldigte Ausnahmen stets beachtet worden. Bei den erfolgten Fristversäumnissen sei den Anträgen auf Wiedereinsetzung gefolgt worden.

5 Nach diesem Vortrag lässt sich ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen nicht verneinen. Wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, wird die Wahrung der prozessualen Fristen einer seiner wesentlichen Aufgaben, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Fristen eigenverantwortlich überwacht. Das schließt es zwar nicht aus, dass er die Notierung, Berechnung und Kontrolle der üblichen Fristen in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und deren Berechnung keine Schwierigkeiten macht, gut ausgebildetem und sorgfältig beaufsichtigtem Büropersonal überlässt (BVerwG, Beschluss vom 9. September 1968 - BVerwG 3 C 207.67 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 49 S. 14 f.; Beschluss vom 26. Juni 1986 - BVerwG 3 C 46.84 - BVerwGE 74, 289 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 151 S. 56; Beschluss vom 10. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 125.91 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 174 S. 45 f.; Beschluss vom 14. Februar 1992 - BVerwG 8 B 121.91 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 176 S. 48). Zu den Fristen, deren Feststellung und Berechnung gut ausgebildetem und sorgfältig beaufsichtigtem Büropersonal überlassen werden darf, gehört aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beachtende Rechtsmittelbegründungsfrist grundsätzlich nicht (BVerwG, Beschluss vom 9. September 1968 - BVerwG 3 C 207.67 - a.a.O., S. 15; Beschluss vom 5. März 1982 - BVerwG 8 C 159.81 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 122, S. 6; Beschluss vom 10. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 125.91 - a.a.O., S. 45; Beschluss vom 14. Februar 1992 - BVerwG 8 B 121.91 - a.a.O., S. 48; Beschluss vom 15. August 1994 - BVerwG 11 B 68.94 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 189); das gilt auch für das Verfahren auf Zulassung der Revision. Denn vor dem Bundesverwaltungsgericht treten regelmäßig Anwälte auf, für die die Führung eines Revisionsverfahrens bzw. Revisionszulassungsverfahrens keine Routineangelegenheit darstellt, da sie eine solche Vertretung nur gelegentlich übernehmen. Es kann daher regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Zivilprozessordnung und von der Finanzgerichtsordnung teilweise abweichenden Regelungen des Revisionsverfahrensrechts nach der Verwaltungsgerichtsordnung jedem Rechtsanwalt und seinem Büropersonal hinreichend vertraut sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 390.94 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 194 m.w.N. zum Revisionsverfahren selbst).

6 Es kann jedoch letztlich offen bleiben, ob bereits der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die eigenverantwortliche Notierung und Berechnung der Revisionsbegründungsfrist einer Angestellten überlassen hat, der begehrten Wiedereinsetzung entgegensteht. Denn selbst wenn ein Rechtsanwalt die Notierung, Berechnung und Überwachung der üblichen und in seiner Praxis häufig vorkommenden Fristen in Rechtsmittelsachen in zulässiger Weise seinem Büropersonal überlässt, so hat er in jedem Fall den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Von dieser Verpflichtung können auch Anweisungen an das Büropersonal bezüglich der Fristwahrung nicht befreien (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1975 - BVerwG 6 CB 133.74 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 81 S. 1 f.; Beschluss vom 26. Juni 1986 - BVerwG 3 C 46.84 - a.a.O.; so auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44.89 - NJW-RR 1990, S. 830; Beschluss vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2.92 - NJW 1992, S. 1632). Diese Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Prüfung des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist bei Vorlage der Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen nicht ausreichend wahrgenommen. Ihm wurden die Akten der Klägerinnen am 4. April 2005 zur Einlegung Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte er selbständig prüfen müssen, wann die Begründungsfrist abläuft und ob der Ablauf der Begründungsfrist richtig notiert ist. Hätte er diese Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen, so hätte er bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erkennen müssen, dass die Begründungsfrist bereits am 3. Mai 2005 ablief und daher falsch notiert war. Infolge dieser Verletzung seiner Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die falsche Notierung der Begründungsfrist und deren Ablauf am 3. Mai 2005 nicht erkannt und die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt. Darin ist ein schuldhaftes Verhalten i.S. von § 60 Abs. 1 VwGO zu sehen, das es ausschließt, dem Wiedereinsetzungsantrag zu entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 390.94 - a.a.O.).

7 Davon abgesehen fällt dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen ein Organisationsverschulden zur Last, weil er keine Vorfrist verfügt hat. Ausweislich der Eidesstattlichen Versicherung der Angestellten wurde im vorliegenden Fall entgegen der üblichen Praxis ("meist zwei Wochen vor Fristablauf") keine Vorfrist vorgesehen. Wären die Akten dem Prozessbevollmächtigen nämlich zwei Wochen vor der falsch notierten Frist vorgelegt worden, hätte er diesen Fehler ohne weiteres durch eine um einen Tag schnellere Bearbeitung heilen können.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.