Beschluss vom 05.12.2003 -
BVerwG 1 B 53.03ECLI:DE:BVerwG:2003:051203B1B53.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.12.2003 - 1 B 53.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:051203B1B53.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 53.03

  • Bayerischer VGH München - 08.11.2002 - AZ: VGH 9 B 00.31263

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Dezember 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n , R i c h t e r
und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November 2002 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die vor allem auf Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt die Lückenhaftigkeit der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen im Hinblick auf die Tatsache, dass das politische Schicksal der Klägerin "so eng mit dem des Klägers verwoben" sei, dass "die Verfolgungsprognose für sie in mehreren Punkten untrennbar mit der seinen verknüpft" sei (Beschwerdebegründung S. 2). Mit ihren Darlegungen vermag sie jedoch einen Verfahrensmangel nicht schlüssig aufzuzeigen. Grundlage für die Beurteilung, ob Verfahrensfehler vorliegen, ist grundsätzlich die materielle Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das abschiebungsrelevante Verfolgungsgefahren für die beiden Kläger getrennt geprüft hat. Die Beschwerde legt keinen revisionsrechtlich beachtlichen Mangel dar, wenn sie rügt, dass "wesentliche Teile des komplizierten Sachverhalts, wie die schriftliche Bedrohung des Ehemannes" und andere Umstände im Tatbestand des Urteils "übergangen" worden seien, soweit es die Klägerin betreffe (Beschwerdebegründung S. 2). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs könnte die Beschwerde nur geltend machen, wenn das Berufungsgericht einen nach seiner materiellen Rechtsauffassung wesentlichen Sachvortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hätte. Das zeigt die Beschwerde jedoch nicht in einer den gesetzlichen Darlegungserfordernissen entsprechenden Weise auf. Sie geht nicht darauf ein, dass die angefochtene Entscheidung die Verfolgungsgefahr für die Klägerin "auch ... unter dem Aspekt, dass sie mit einem führenden Vorstandsmitglied der Medhin, Sektion Deutschland, verheiratet ist" anders beurteilt als für ihren Ehemann (UA S. 13).
Einen Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) legt die Beschwerde nicht schlüssig dar, indem sie rügt, das Gericht sei dem "Zeugenangebot zu Umfang und Ausmaß des exilpolitischen Engagements der beiden Ehegatten auch für die Medhin" nicht nachgegangen, habe insbesondere nicht die langjährige Vorsitzende des äthiopischen Fürsorgevereins als Zeugin vernommen (Beschwerdebegründung S. 2). Beweis wurde indessen lediglich für den Fall angeboten, dass das Gericht eine persönliche Anhörung der Klägerin nicht für erforderlich hielt. Das Berufungsgericht hat die Klägerin jedoch angehört. Die Beschwerde zeigt nicht auf, warum das Gericht dessen ungeachtet das exilpolitische Engagement der Klägerin weiter hätte aufklären müssen.
Auch ein nach § 138 Nr. 6 VwGO erheblicher Begründungsmangel wird insoweit von der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Sie beanstandet eine Urteilspassage, wonach aus dem Vorbringen der Klägerin nichts ersichtlich sei, "was auf eine über die einfache Parteimitgliedschaft hinausgehende Funktion hindeuten oder gar annehmen lassen könnte, die Klägerin betätige sich in hervorgehobener Position mit entsprechender Öffentlichkeitswirkung bei Bekanntgabe der oppositionellen Einstellung " (UA S. 12 Mitte). Insoweit sei das Urteil im Kernbereich nicht ausreichend nachvollziehbar begründet und nicht überprüfbar (Beschwerdebegründung S. 2 unten). Mit diesen Darlegungen wird ein Verfahrensmangel der fehlenden Entscheidungsgründe nach § 138 Nr. 6 VwGO nicht aufgezeigt. Ein solcher liegt nur vor, wenn die angefochtene Bescheidung so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre Informationsfunktion gegenüber den Verfahrensbeteiligten nicht mehr erfüllen und ihre Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht nicht möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Entscheidung entweder überhaupt keine Gründe beigegeben sind oder die Begründung "völlig unverständlich und verworren ist, so dass sich in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind" (vgl. den Beschluss vom 5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 = NJW 1998, 3290 m.w.N.). Derartiges zeigt die Beschwerde nicht schlüssig auf. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht die Einstufung der Klägerin als einfaches Parteimitglied ohne hervorgehobene Position aus einer Gesamtwürdigung ihres eigenen Vortrags ableitet, wonach sie Mitglied in München sei, an Veranstaltungen und Demonstrationen teilnehme und sich bei Veranstaltungen um Speisen und Getränke kümmere (UA S. 12). Die Beschwerde geht auch nicht darauf ein, dass in der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte benannt - und für den Ehemann der Klägerin bejaht werden - die für eine verfolgungsrelevante hervorgehobene Position sprechen (UA S. 8 bis 10).
Ein Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht wird auch nicht dadurch schlüssig dargelegt, dass die Beschwerde die Nichtberücksichtigung einer Beweisanregung im Schriftsatz vom 6. März 2002 beanstandet (Beschwerdebegründung S. 2 unten/S. 3 oben). Die Beschwerde bezeichnet bereits nicht - wie erforderlich - den Inhalt dieses Beweisantrags. Schon deshalb kann sie insoweit keinen Erfolg haben. Unabhängig davon ist unklar, wer mit den im Schriftsatz vom 6. März 2002 erwähnten "bereits genannten Stellen" gemeint ist, bei denen die Auskünfte eingeholt werden sollen. Aus dem genannten Schriftsatz ergibt sich dies nicht. Auch hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Die Beschwerde zeigt ferner nicht auf, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, dass Mitglieder der Medhin, soweit es ihnen möglich war, nach Kenia, in den Sudan und in sonstige Nachbarstaaten geflüchtet sind, "für die Beurteilung der Rückkehrgefahr von ausschlaggebender Bedeutung" sein soll (Beschwerdebegründung S. 3 oben). Sie geht insbesondere nicht darauf ein, ob es sich bei den geflüchteten Personen um einfache Parteimitglieder gehandelt hat oder um solche, die eine hervorgehobene Stellung hatten oder sich an gewaltsamen Ausschreitungen beteiligt hatten, worauf das Berufungsurteil im Hinblick auf die Verfolgungsgefahr abstellt (UA S. 12 f.). Unter Berücksichtigung der umfangreichen vom Berufungsgericht verwerteten Erkenntnismittel, die auch Auskünfte aus der Zeit nach der Beweisanregung vom 6. März 2002 umfassen, macht das Beschwerdevorbringen nicht deutlich, dass sich eine weitere Beweiserhebung zu dem von der Klägerin vorgetragenen Fluchtgeschehen aufgedrängt hätte.
Die Beschwerde rügt ferner einen Verfahrensverstoß in Gestalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung. Dies gelte insbesondere für die folgenden Ausführungen des Berufungsurteils:
"Der Senat hat davon abgesehen, dem Beweisantrag (soweit er aufrechterhalten worden sein sollte) nachzukommen, soweit die Klägerin die Tatsache der früheren Kadertätigkeit, des Engagements für den Äthiopischen Fürsorgeverein, der von derjenigen des Ehegatten abweichenden Nationalität und der Zugehörigkeit zum eritreischen Volk unter Beweis gestellt hat. Der Senat hat die Klägerin eingehend angehört und ist dabei zu der Feststellung gelangt, dass diese von der Bevollmächtigten der Klägerin aufgestellten Tatsachenbehauptungen im Wesentlichen unzutreffend sind." (UA S. 13)
Die Beschwerde rügt, es gebe "keine Stütze im Prozessrecht dafür, die Lagebeurteilung dadurch zu ersetzen, dass das klägerische Vorbringen für unglaubhaft gehalten wird, ohne dass die Gelegenheit gegeben wird, sich hierzu zu äußern" (Beschwerdebegründung S. 3). Wären die beantragten Auskünfte eingeholt worden, sei nicht auszuschließen, dass die befragten Stellen zu dem Ergebnis gekommen wären, die Klägerin müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit "im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien eine Deportation befürchten" (Beschwerdebegründung S. 4). Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Klägerin nicht schlüssig auf, dass die unterlassene Beweiserhebung ihr rechtliches Gehör verletzt. Sie legt weder - wie erforderlich - dar, auf welches tatsächliche Vorbringen sich die in Rede stehende - im Übrigen missverständliche - Beweisanregung im Einzelnen bezieht, noch bezeichnet sie deren Inhalt in der gebotenen Weise. Schon deshalb kann die Beschwerde insoweit keinen Erfolg haben. Unabhängig davon setzt sie sich nicht damit auseinander, dass sich das tatsächliche Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Juni 1999, in dem der Beweisantrag enthalten ist, hinsichtlich der Kaderfunktion lediglich auf den Kläger, nicht aber auf die Klägerin bezieht. Ebenso ist dort bezogen auf den Äthiopischen Fürsorgeverein lediglich von dem Kläger die Rede. Die Beschwerde berücksichtigt ferner nicht, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2002 vor dem Berufungsgericht ausweislich der Niederschrift sich zu ihrer Abstammung - die sie als eritreisch angab - und der Herkunft ihrer Eltern äußern konnte und geäußert hat.
Sie macht ferner nicht ersichtlich, inwiefern die "von derjenigen des Ehemanns abweichende Nationalität'" entscheidungserheblich ist. Schließlich legt sie auch nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dar, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der angesprochenen Punkte seine Aufklärungspflicht verletzt hat.
Von einer weiteren Begründung - insbesondere auch im Hinblick auf die nicht ausreichend dargelegte Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) - sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG.