Beschluss vom 05.10.2006 -
BVerwG 8 B 6.06ECLI:DE:BVerwG:2006:051006B8B6.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.10.2006 - 8 B 6.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:051006B8B6.06.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 6.06

  • VG Magdeburg - 18.10.2005 - AZ: VG 5 A 892/04 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Oktober 2005 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder liegen die geltend gemachten Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor noch weist die Sache die ihr beigegebene grundsätzliche Bedeutung auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

2 1. Der Einwand der Kläger, ihr Klagebegehren sei verkannt worden, ist unbegründet. Ihr eigentliches Begehren („Rückübertragung bzw. Entschädigung für die Grundstücke einschließlich des Wohngebäudes“) ist bei wörtlichem Verständnis unzulässig, weil der Antrag nicht auf die Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände beschränkt werden darf, die zu einem Unternehmen gehören (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VermG). Der Beklagte konnte der Antragsbegründung entnehmen, dass die Grundstücke und das Gebäude zum Betriebsvermögen des Unternehmens „Fahrradwerkstatt und Autowaschanlage“ gehörten und hat daher im wohlverstandenen Interesse der Kläger ihren Antrag als einen solchen auf Rückgabe des Unternehmens gedeutet und (abschlägig) beschieden. Hierauf haben die Kläger den Bescheid vom 9. März 2004 zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht (§ 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit der Sache nach den auf Unternehmensrestitution gerichteten Antrag eingeklagt.

3 Anders als von den Klägern unterstellt, gehört eine Restitution von Gesellschaftsrechten nicht zum Streitgegenstand. Darüber verhält sich der angefochtene Bescheid nicht.

4 Die Restitution der Hälfte des Eigentums der Klägerin an dem Hausgrundstück ist ebenfalls nicht Gegenstand dieses Bescheides und von der Klägerin auch nicht gesondert eingeklagt worden. Soweit sich hierzu Ausführungen in dem Schriftsatz der Kläger vom 26. Juni 2005 befinden, musste das Verwaltungsgericht darin keine Untätigkeitsklage i.S.v. § 75 VwGO sehen. Zum einen ist im Verwaltungsverfahren kein eigenständiger Sachantrag gestellt worden und zum anderen wäre der Beklagte für diese Form der Singularrestitution nicht zuständig. Mit der Klägerin hätte die Rechtsfrage in der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2005 erörtert werden können. Sie ist der Sitzung jedoch ohne Angabe eines triftigen Grundes ferngeblieben. Etwaige Unklarheiten in der Auslegung ihres Klagebegehrens hat sie daher selbst zu tragen.

5 2. a) Die Rüge der Kläger, dass die öffentliche Zustellung fehlerhaft und die Klage daher nicht verfristet sei, ist unbegründet. Die öffentliche Zustellung erfolgte nach dem Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt i.d.F. von Nr. 33 der Anlage zu Art. 1 Satz 1 des Vierten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 19. März 2002 (GVBl LSA S. 130). Dieses Gesetz ist nicht revisibel. Nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind nur Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes - und nicht auch mit dem Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes - übereinstimmen, revisibel. Eine Zuweisung dieser Sachen an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 99 GG ist nicht erfolgt.

6 Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei der Anwendung des Landesrechtes haben die Kläger keine begründeten Rügen vorgebracht. Der Beklagte hat vielmehr überzeugend in seiner Beschwerdeerwiderung vom 23. Februar 2006 die Bemühungen dargelegt, die darauf gerichtet waren, den unbekannten Aufenthaltsort der Kläger zu ermitteln. Die zu den Akten des Regierungspräsidiums Magdeburg am 11. Juni 2003 gelangte Mitteilung über die neue Adresse der Tochter der Kläger kann die fehlende Angabe deren eigener Anschrift nicht ersetzen. Soweit die Kläger auf eine Bevollmächtigung ihrer Tochter vom 4. Mai 1994 verweisen, handelte es sich dabei um eine Terminsvollmacht, die für eine Vorsprache bei der Behörde bestimmt war. Gegen eine selbständige Verfahrensvollmacht spricht, dass kurz zuvor eine Bevollmächtigung einer Anwaltskanzlei erfolgt war, die dann mit Schriftsatz vom 29. August 1994 den Restitutionsantrag näher begründet hatte.

7 Der Aushang des zuzustellenden Bescheides war, wie der Beklagte in seinem o.g. Schriftsatz überzeugend dargelegt hat, ordnungsgemäß. Der Inhalt des Bescheides ist zwar mit „Rückübertragung der Gesellschafteranteile der ehemaligen Fahrradwerkstatt und Autowaschanlage“ angekündigt worden. Der Hinweis führte aber nicht in die Irre, sondern ließ noch hinlänglich erkennen, dass es um das Unternehmen ging. Abgesehen davon, dass die rechtliche Schlussfolgerung dem nichtrevisiblen Bereich angehört, ist der Gegenstand des Bescheides sowohl für die Kläger als auch für Dritte (mit Kontaktmöglichkeiten zu ihnen) erkennbar gewesen. Von der ausgehängten Bekanntmachung ging eine ausreichende Anstoßwirkung aus, Einblick in den Bescheid zu nehmen.

8 b) Entgegen ihrer Ansicht musste den Klägern keine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt werden. Die Kläger hatten ihren Angaben zufolge am 4. November 2005 vom Beklagten den angefochtenen Bescheid in Kopie erhalten, ohne innerhalb der nächsten zwei Wochen Klage erhoben zu haben. Damit haben sie die versäumte Rechtshandlung nicht rechtzeitig gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nachgeholt. Einer erneuten Zustellung bedurfte es nicht, da dem Zustellungserfordernis durch die öffentliche Zustellung genügt war.

9 3. Der Vorwurf einer Gehörsverletzung durch die Ablehnung des Vertagungsantrages ist unbegründet.

10 Bei Ablehnung eines Antrages auf Vertagung eines Termins, zu dem das Gericht ordnungsgemäß geladen hat, kommt eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nur in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Vertagung i.S.v. § 227 ZPO i.V.m. § 173 VwGO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Entgegen der Auffassung der Kläger ist ein erheblicher Grund nicht schon dann anzunehmen, wenn ein anwaltlich nicht vertretener Beteiligter unverschuldet - etwa wegen Erkrankung, die ihn reiseunfähig macht - an dem Termin nicht teilnehmen kann. Dem Vorsitzenden, der über den Vertagungsantrag nach Ermessen zu entscheiden hat (§ 227 Abs. 4 ZPO), ist in diesem Fall vielmehr glaubhaft zu machen, dass der Beteiligte gehindert ist, sich im Termin - etwa durch einen Anwalt - vertreten zu lassen (vgl. Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 C 24.97 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 19 und Beschluss vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648). Dies kann der Fall sein, wenn eine persönliche Anhörung des Beteiligten angezeigt gewesen wäre. Vom Standpunkt der Tatsacheninstanz aus, auf den es hierbei ankommt, bestand jedoch für eine Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem Kläger persönlich kein Grund. Die Klage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts unzulässig.

11 Selbst wenn bei einer Erkrankung eines Beteiligten davon auszugehen ist, dass die Verhinderung unverschuldet und damit ein erheblicher Grund i.S.v. § 227 Abs. 1 ZPO ist; ist eine andere Beurteilung aber dann geboten, wenn es sich nicht um eine plötzliche, nicht vorhersehbare, sondern um eine wiederholte in gleicher Weise auftretende Erkrankung handelt, die den Beteiligten außerstande setzt, seiner prozessualen Mitwirkungspflicht an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits nachzukommen (vgl. Beschluss vom 22. Mai 2001 - BVerwG 8 B 69.01 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 30). Während des gesamten erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens haben die Kläger auf den angegriffenen Gesundheitszustand des Klägers hingewiesen (Schreiben vom 12. März 2005, 18. Juni 2005, 26. Juni 2005, 11. und 17. Oktober 2005). Die Vertagung einer zuvor anberaumten mündlichen Verhandlung hatten die Kläger bereits beantragt gehabt. Ihnen war daher angezeigt, Vorsorge für den Fall zu treffen, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet werden sollte. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Tochter der Kläger, die bereits in die Sache eingearbeitet war, für den Kläger hätte auftreten können. Trotz ihres eigenen Gerichtstermins am Vortage hätte ein Erscheinen in der erst zu 14:00 Uhr geladenen mündlichen Verhandlung möglich sein müssen.

12 4. Die Rüge der überlangen Verfahrensdauer verschafft der Sache keinen Grund, die Revision zuzulassen. Sie ist generell ungeeignet, ein Revisionsverfahren zu eröffnen (Beschluss vom 23. März 2005 - BVerwG 8 B 3.05 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 80); denn die Dauer des Verfahrens würde sich bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiter verlängern, ohne dass sich deshalb für die Sache eine andere Rechtsgrundlage ergeben würde.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 GKG.